Analoger Telefonanschluss
von Stefan Wagner
Dieser Artikel soll einen Überblick über die Technik und Schnittstellen des analogen Telefonanschlusses geben.
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Grundfunktionen
Der analoge Telefonanschluss ist die klassische Schnittstelle zwischen einem Telefon (Endgerät) und dem Telefonnetz (Vermittlungseinrichtung). Sie geht unmittelbar auf die Entwicklungen von Philipp Reis und Alexander Graham Bell zurück. Bis zur Einführung digitaler Netzschnittstellen (wie ISDN) war sie der Standard-Netzabschluss im analogen Festnetz.
Schnittstelle
Der analoge Telefonanschluss besteht aus zwei Kupferadern („a-Ader“ und „b-Ader“), die das Endgerät (Telefon, Modem etc.) mit der Vermittlungseinrichtung verbinden. (Teilnehmeranschlussleitung, TAL)
Jeder Anschluss hat ein eigenes Aderpaar (Doppelader, DA), das erdfrei geführt wird und nicht mit anderen Anschlüssen verbunden ist.
In der Regel führt die a-Ader negatives Gleichspannungspotenzial gegenüber der b-Ader. Herkömmliche Telefone funktionieren auch mit der umgekehrten Polarität, was bei elektronischen Lösungen Zusatzaufwand erfordert. Beide Adern sind erdfrei geführt, dürfen also nicht mit irgendwelchem Potential verbunden werden.
TODO: Übersichtszeichnung
Spannungsversorgung (Speisung)
In der Vermittlungseinrichtung ist die TAL an eine (Gleich-)Spannungsquelle angeschlossen. Im (in Deutschland nicht mehr verfügbaren) öffentlichen Netz sind Speisespannungen von 60 V üblich. Kabelmodems, Fritzboxen und vergleichbare DSL-Router liefern 48 V. Bei kleinen Telefonanlagen werden auch geringere Speisespannungen wie z.B. 24 V verwendet. Da es sich um Gleichspannung handelt, geht das als berührungssichere Kleinspannung durch.
In der Telefon-Denkweise ist b das Bezugspotenzial von 0 Volt. Bei Kabelmodems wird die negative a-Gleichspannung üblicherweise mit einem einfachen Inverter aus der positiven Versorgung am Hohlstecker gewonnen. Darauf verlassen kann man sich jedoch nicht.
Ein angeschlossenes Telefon darf im aufgelegten Zustand keinen Schleifenstrom entnehmen. Praktisch sind (am Kabelmodem) geringe Schleifenströme von bis zu 1 mA unproblematisch, damit Telefone auch ohne gesonderte Stromversorgung Komfortfunktionen wie die Anzeige entgangener Anrufe realisieren können. Das entspricht einem minimalen Innenwiderstand von 60 kΩ (für 60 V) und einer Leistungsaufnahme ≤ 60 mW.
Schleifenwiderstand
Der Schleifenwiderstand ist die Summe aus dem Widerstand beider Adern und dem effektive Widerstand des Telefons. Bei langen TAL kann der Schleifenwiderstand bis zu 1500 Ω betragen.
Schleifenstrom
Der Schleifenstrom ist der Strom von der Vermittlungsstelle durch a-Ader, Telefon und b-Ader und zurück im aktiven Zustand des Anschlusses. Er soll mindestens 20 mA und maximal 60 mA betragen. Dabei darf die Spannung über dem Telefon nahezu beliebig zusammenbrechen: Bei althergebrachten Telefonen mit Kohlekörnermikrofon liegt diese durchaus bei nur 1..2 V, bei solchen mit Piezo-Sprechkapsel bei 5..10 V. Das Mikrofon ist der einzige Gleichstrom-Verbraucher. Elektrisch in Reihe geschaltete Vorsatzgeräte heben diese Spannung weiter um ihre Flussspannung an.
Im Ruhezustand des Anschlusses fließt kein Schleifenstrom. Die Schwelle für das Erkennen "kein Schleifenstrom" liegt (je nach Vermittlungstechnik) bei wenigen mA (meist ca. 2 mA).
Audioübertragung
Das Audiosignal wird ohne weitere Umsetzung, also im Basisband, übertragen. Die Signale für Hin- und Rückrichtung teilen sich die Sprechadern ("Zweidrahtschaltung").
Sprechschaltung
Telefone enthielten als Schallwandler sehr lange ein Kohlemikrofon (Sprechkapsel) und einen dynamischen Hörer (Hörkapsel).
Das Kohlemikrofon enthält eine dünne Lage feiner Kohlekörner zwischen zwei leitfähigen Elektroden. Schalldruck presst die Kohlekörner aufeinander und ändert so den Widerstand. Der Vorteil des Kohlemikrofons ist, dass es ein sehr günstiges „Übersetzungsverhältnis“ zwischen Schalldruck und erzeugtem Sprechstrom hat und so ohne aktive Verstärkung auskommt. Nachteilig ist, dass seine Kennlinie nichtlinear ist und daher wenig „HiFi-Qualiäten“ aufweist.
Da die Mikrofone nur eine begrenzte Lebensdauer haben und feuchteempfindlich sind, sind die Handapparate („Telefonhörer“) solcher Telefone stets mit austauschbaren Mikrofonkapseln ausgestattet. Die Hörkapsel ist zwar langlebiger, aber auch diese hat man in der Grundform gleich gestaltet und austauchbar gemacht.
Ab den 1970er Jahren kamen Sprechkapseln auf, die ein Piezomikrofon und einen aktiven Verstärker enthalten. An ihren Anschlussklemmen verhalten sie sich aber immer noch so, wie eine Kohlesprechkapsel.
Ob eine Kapsel tatsächlich Kohlekörner enthält kann man ganz einfach durch Schütteln herausfinden: Die Kohlekörner machen Geräusche wie beim Schütteln eines Salzstreuers.
Die einfachste Sprechschaltung ist die Reihenschaltung von Mikrofon und Hörer:
a o--------[Lautsprecher]------[Mikrofon]---------o b
Hauptnachteil dieser Schaltung ist, dass man das eigene Sprachsignal auch hört, und zwar etwas lauter als das der Gegenstelle.
Daher wird so gut wie immer eine Brückenschaltung verwendet, die das eigene Mikrofonsignal unterdrückt:
+--[Lautspr.]--+ | | +----XXXXXX----+ ========== a o--------XXXXXXXXXX----+ | | | === | | Mikrofon |~| | |_| | | b o-------------+--------+
Der hier verwendete Übertrager hat eine mittig angezapfte primäre Wicklung und ein Übertragungsverhältnis von ca. 1:1. Das rechts sichtbare RC-Glied entspricht in etwa der Impedanz der Anschlussleitung (so, wie sie das Telefon „sieht“).
Das empfangene Signal durchfließt beide Hälften der Primärwicklung in gleicher Richtung, beider Felder addieren sich und koppeln in die Hörerwicklung ein. Das Mikrofonsignal wird in die Mittenanzapfung eingespeist und durchfließt so beide Wicklungshälften gegensinnig. Da die Impedanz der Leitung und des RC-Glieds annähernd gleich sind, gilt dies auch für die Beträge der Teilströme durch beide Wicklungshälften. Die entstehenden Magnetfelder löschen sich fast aus, im Hörer kommt nur noch ein (erwünschtes!) Restsignal an.
Da beim klassischen Telefon die gesamte Wirkleistung am Mikrofon abfiel, und da diese wegen ihrer häufigen Defekte standardisiert und leicht auswechselbar im Handapparat angeordnet wurden, erwies sich diese Stelle als perfekter Platz für Funksender zur Spionage. Das sieht man in alten Agentenfilmen: Nun war das Abhören von Telefongesprächen möglich, und das ohne Batterie.
(Zeichnungen von Stefan Frings aus http://www.mikrocontroller.net/topic/286089?goto=3036989#3036989 )
Teilnehmerschaltung
Abgehende Verbindung
Abheben
Beim Anheben muss ein Freizeichen zu hören sein. Ist das nicht der Fall, können folgende Ursachen vorliegen:
- Stromausfall bei der Vermittlung (dann sollte auch die Gleichspannung vor den Abheben fehlen)
- Keine freie Einwahl (Besetztzeichen), beim Kabelmodem: Alle DOCSIS-Kanäle belegt
- Gespräch läuft: Es wurde prompt zum ersten Klingeln abgehoben
Wählen
Impulswahl
Ein Wahlimpuls ist eine Schleifenunterbrechung, in den Pausen zwischen den Impulsen ist die Schleife geschlossen.
Die vordere Flanke des Wahlimpulses soll so aussehen: Von 100% auf 30% innerhalb von 2 ms, von 30% auf 3 mA in 3 ms und unter 2 mA in 10 ms (alle gerechnet ab dem Beginn des Wahlimpulses).
Die hintere Flanke des Wahlimpulses soll innerhalb von 2 ms auf nahezu 100% ansteigen.
Die Prellzeiten des Impulskontakts sollen <= 3 ms sein.
Nenndauer: Puls 60 ms Pause 40 ms
Das Verhältnis Puls/Pause soll 1,5:1 sein.
Toleranzen 1: Puls 52..71 ms Pause 32..46 ms
Verhältnis Puls/Pause min 1,4:1 und max 1,8:1
Toleranzen 2: Puls 54..66 ms Pause 36..44 ms
Verhältnis Puls/Pause min 1,45:1 und max 1,55:1
Toleranzen 3: Puls 57..63 ms Pause 38..42 ms
Verhältnis Puls/Pause min 1,45:1 und max 1,55:1
Der Toleranzbereich 1 war nur zulässig, wenn die Wahlimpulse an der Vermittlungsstelle noch steilflankig genug ankamen (kurze und ausreichend niederohmige Anschlussleitung). Je länger die Anschlussleitung zur VSt, desto genauer musste der Geber sein (also Toleranzgruppen 2 bzw. 3).
Ziffer 1: 1 Wahlimpuls ... Ziffer 9: 9 Wahlimpulse Ziffer 0: 10 Wahlimpulse
Dauer der Ziffer 0: 1000 ms +/- 100 ms
Pause zwischen zwei Ziffern min 650 ms und max. 1300 ms (der Maximalwert gilt nur bei Wahl aus einem Speicher, nicht bei manueller Wahl)
Die Erdtaste
Die Erdtaste verbindet die a-Ader (?) mit einer gesonderten Ader, die Erde genannt wird. Diese kommt nur bei altertümlichen Nebenstellenanlagen vor. Abgelöst wurde die Erdtaste durch die Flash-Taste, die keine gesonderte Leitung benötigt.
Mehrfrequenzwahl (Tonwahl)
Für die Mehrfrequenzwahl wird jede Wahlziffer durch einen Doppelton (zwei parallel gesendete Frequenzen) dargestellt.
Obere Frequenzgruppe Hz 1209 1336 1477 Untere 697 1 2 3 Frequenz- 770 4 5 6 gruppe 852 7 8 9 941 * 0 #
Ein Wahlsignal dauert mindestens 80 ms, die Pause zwischen zwei Wahlsignalen ebenfalls mindestens 80 ms.
Die Flash-Taste
Die Flash-Taste ist der Nachfolger der Erdtaste. Das Drücken der Flash-Taste generiert eine kurze Schleifenstromunterbrechung mit definierter Unterbrechungszeit, die länger ist als die Unterbrechungen durch den Nummernschalter bei Impulswahl. Am Telefon lässt sich zumeist einstellen, ob dabei ein Standard-Flash oder ein Hook-Flash abgegeben wird. Vermittlungsanlagen mit Impulswahlunterstützung können allenfalls mit Hook-Flash umgehen, solchen ohne (wie aktuelle Fritzboxen) ist die Art des Flash-Impulses egal.
- Standard-Flashimpuls 80 ms
- Hook-Flash 300 ms
Der Hook-Flash kann auch durch kurzes Antippen der Hörergabel erreicht werden; Vermittlungsanlagen haben in der Regel einen weiten Toleranzbereich für die Dauer der Schleifenunterbrechung.
Die Funktion bei Flash in der Vermittlungsanlage ist das Halten des Telefongespräches (der Gesprächspartner bekommt eine Ansage oder Musik zu hören) und dass die Vermittlungsanlage auf Tonwahl-Töne bzw. Wählimpulse reagiert. Mit entsprechenden Wählziffern lässt sich beispielsweise:
- der Haltezustand beenden und weitertelefonieren,
- das Gespräch vermitteln, typischerweise an ein anderes hausinternes Telefon,
- makeln, also zwischen zwei Gesprächen hin- und herschalten,
- eine Dreierkonferenz abhalten.
Bei ISDN- und DECT-Geräten (Schnurlostelefonen) ist die Flash-Taste mit R beschriftet.
Wahl über gesonderten Kanal
Bei allen Nachfolgern des analogen Telefons (ISDN, DECT, IP) erfolgt die Übertragung von Wählziffern, die Signalisierung eines wartenden Anrufs („Anklopfen“), die R-Funktion sowie der Auf- und Abbau von Verbindungen über einen gesonderten Datenkanal. Der auffallende Unterschied ist, dass die Wahl einer langen Ziffernfolge praktisch keine Zeit mehr benötigt und der Gesprächspartner sehr schnell „an der Strippe“ sein kann.
Hörtöne
Der Standard-Hörton hat etwa 440 Hz. An einer öffentlichen Vermittlungsstelle wird nach dem Belegen der Leitung (Abheben) bis zur Wahl des ersten Zeichens ein Dauerton angelegt, das „Freizeichen“. In Nebenstellenanlagen wird nach dem Abheben in der Regel ein Hörton aus drei kurzen Tönen, gefolgt von einer Pause, ausgegeben (Morsezeichen "S"). (Entsprechend wurde bis in die 1970er Jahre bei öffentlichen Netzen der Hörton das Morsezeichen "A" (kurzer Ton, langer Ton, Pause) wie "Amt" verwendet.)
Für ein Telefon mit automatischer Wahl beim Abheben ist das Freizeichen das Signal, dass mit dem Aussenden von Wähltönen begonnen werden darf. Andernfalls ist die Leitung besetzt und Wähltöne unwirksam.
Kommende Verbindung
Rufsignal
Um ein Telefon zu rufen, wird eine Wechselspannung (48-60V, 25 Hz, sinusförmig) auf die Leitung gegeben.
Ganz am Anfang wurde diese Wechselspannung durch einen kleinen Generator im Telefon erzeugt, der mit einer Handkurbel betätigt wurde (Kurbelinduktor).
Später wurde die Rufspannung durch einen rotierenden Umformer (Motorgenerator) erzeugt, heute macht das ein Wechselrichter. Die Rufspannung wird zur Versorgungsspannung der Schleife addiert oder (üblicher) an Stelle der Gleichspannung auf die Schleife gelegt (rechts):
470nF o--------a--------||----+ 60V DC | o X | X Klingel-Spule o X 60V AC | o--------b--------------+
(Zeichnung von Stefan Frings aus http://www.mikrocontroller.net/topic/286089?goto=3036989#3037042 )
Im Telefon befindet sich ein Schallgeber, der auf Wechselspannung anspricht. Früher war das ein elektromagnetischer Wechselstromwecker, dessen Klöppel durch den Wechselstrom hin- und herbewegt wurde und an eine oder zwei Schalenglocken stieß. Heute wird der Rufstrom gleichgerichtet und speist einen Tongenerator (Sound-IC).
Für eine elektronische Rufstromerkennung ersetzt man den Wecker durch einen Brückengleichrichter. Das gleichgerichtete Signal kann man dann auf einen Optokoppler geben.
Achtung: Das Ausgangssignal des Optokopplers ist dann eine schnelle Rechteckfolge mit der doppelten Frequenz des Rufstroms. Will man das nicht haben, schaltet man am besten zwischen Gleichrichter und Optokoppler noch ein passend dimensioniertes RC-Glied (Tiefpass).
Mechanische Wecker sind auf 25 Hz Rufstromfrequenz ausgelegt. Mit 50 Hz funktionieren sie zwar auch, aber es hört sich weniger gut an. Elektronische Signalgeber laufen sowohl mit 25 Hz als auch 50 Hz gleich gut.
Ein Telefon soll bei angelegtem Rufstrom weniger als 50 mA aufnehmen, d.h. der Wechselstromwiderstand soll größer als 60 V / 50 mA = 1200Ω sein.
CLIP
Bei ankommenden Anrufen werden mit FSK-Modulation zwischen dem ersten und zweiten Klingeln Informationen übertragen. 1300Hz entspricht einer 1, 2100Hz einer 0. Es wird mit 1200 Bit/s gesendet, ganz UART-typisch mit Startbit, 8 Datenbits, 1 Stoppbit. Die relevanten Standards sind EN 300 659 und ES 200 778, welche kostenlos beim ETSI heruntergeladen werden können.
Abheben
Mit der Herstellung des Schleifenstroms muss der Wechselstromgenerator umgehend abgeschaltet werden. Die Vermittlungsanlage muss dazu permanent den Gleichstrom bzw. die Phasenlage von Wechselspannung und Wechselstrom beobachten und ist dabei recht pedantisch. Ob beim Abheben das Gespräch aufgebaut ist oder ob zu spät abgehoben wurde kann man (nur) am Freizeichen erkennen.
Siehe auch
Die „Technische Beschreibung der Analogen Wählanschlüsse am T-Net/ISDN der T-Com; Telefonanschlüsse ohne Durchwahl“ (1 TR 110-1) findet man auf der Webseite der Telekom
Ein Auszug aus dem Vorgänger FTZ 1 TR 2 findet sich hier: http://www.mikrocontroller.net/attachment/165553/1TR2_IWV_MFV.pdf