Es wird oft über den Neid und die Abgestumpftheit unserer Gesellschaft geklagt, ohne diese Probleme wirklich auf seine Ursache zurückführen zu können. Die Ursache liegt in einer Selbstisolation des Empfindens, sei es durch die notwendige Filterung bei der heutigen Reizüberflutung, sei es durch eine anerzogene negative Kritik. Leider ist es so, daß an unseren Schulen eine Kritik vorgegeben wird, die nicht mehr konstruktiv ist. Statt sich an den Leistungen anderer zu freuen lernt man, die Dinge so lange zu drehen bis man eine Schmutzecke findet und sich erleichtert zurücklehnen kann. Etwas anderes ist Neid nicht. Es ist die bewußte Zurückweisung von Bewunderung zum Selbstschutz des eigenen, zurückgebliebenen Egos. Hat jemand eine interessante Schaltung vorgestellt, so treten einige auf wie jähzornige Kleinkinder, die nicht darüber hinwegkommen, daß andere eine schönere Sandburg gebaut haben, und erst Ruhe bekommen, wenn sie diese zerstampft haben. Dieses Zerstampfen ist die negative, da dekonstruktive Kritik. Dabei ist offene und ehrliche Bewunderung die Bereitschaft, die Sache an mich herankommen zu lassen, mich an ihr zu erfreuen und auch die Bereitschaft zu entwickeln, davon zu lernen und selbst besser zu werden. Ein anderer Faktor ist die heutige Reizüberflutung, die eine enorme Filterung der Informationen vor unserem Bewußtsein bewirkt. Man kann etliche dutzend Kilometer auf der Autobahn bei höherem Tempo zurücklegen, ohne sich auch nur eines Details bewußt zu werden. Technisch gesehen entspricht das einer Sensorik mit hoch eingestellten Schwellwerten, die nur noch Empfindungen über diesen Schwellwert durchläßt. Man kann sich vorstellen, daß eine solche Sensorik nur ein stark verzerrtes Abbild der Außenwelt liefert. Das gilt für das Empfinden wie für die Sinne: Kinder, die "Erdbeeren" nur als Zellulousestückchen im Joghurt, getränkt mit Substitut und Geschmacksverstärker kennen, haben gar nicht mehr die Fähigkeit, echte Erdbeeren zu "erschmecken". Allen Ernstes gibt es in Frankreich Schulunterricht, wo diese Fähigkeiten wieder erlernt werden sollen. Die Kunst dabei ist, die Sinne gezielt abzufragen: was empfinde ich bei diesem Genuß? Nach und nach erlernt man wieder, voll auf die Sinne zuzugreifen, die Nuancen tauchen wieder auf. Es ist dann wie mit einer Webcam, wo die Belichtungssteuerung aktiviert wird und statt hellen und dunklen Flecken nun Gegenstände auftauchen. Dies läßt sich auch auf das Empfinden übertragen. Sehe ich in einem Museum z.B. eine alte Dampflock, so kann ich durch das Hinterfragen der Eindrücke mehr Nuancen erkennen. Ich sehe die schweren Stahlteile, die sich in kleinen Ausbuchtungen mit Bruchteilen von Millimetern Toleranz bewegen, und bewundere die Leistung der damaligen Arbeiter, die dies von Hand schufen. Gerade weil ich 10 Daumen habe, kann ich auch die ausgestellten Gesellenstücke bewundern, wie funktionstüchtige kleine Dampflocks als miniaturisierte Versionen der Originale. Eben weil ich weiß wie viel Fingerfertigkeit und Mühen notwendig waren, um die Vorstellung des Geistes Materie werden zu lassen. Im Übrigen ist ja auch die Fähigkeit, sich wie ein Kind über die erste Blinkschaltung zu freuen, Antrieb für unser Hobby. Wenn es uns gelingt, solche Freude auch wieder aus den Nuancen unseres Alltags zu ziehen, werden wir viel an Lebensqualität gewinnen.
Also ich bin bis hier her gekommen: >so lange zu drehen bis man eine Schmutzecke findet und sich >erleichtert zurücklehnen kann.
Sag mal, hast du armer Wicht wirklich keine Freunde? Oder zumindest Arbeit, damit du hier nicht allen immer so oft auf die Nerven gehst?
Das Heise-Forum ist Freitags immer so überlaufen, da gehts halt ab zu Mikrocontroller.net
Ich habe den Eindruck, der Anblick langer Texte macht einfache Gemueter aggressiv. Offensichtlich fuerchten sie die Ueberforderung beim Lesen...
Ich find's einfach gut, dass Rüdiger sich Gedanken macht, und da sollen uns doch so ein paar Quertreiber mal peripher tangieren.
Rüdiger hat schon Recht, wobei das Forum hier ja auch nur ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit liefert: hier schreibt sich halt wesentlich leichter ein "Du blöde S.." Auf jeden Fall hat er mit der Bewunderung der Leistung anderer Recht. An Stelle der Frage "Wieso erntet der die Früchte?" wäre ein "Mensch, Klasse! Kann ich das nicht auch?" wesentlich produktiver - es ist die Geschichte des halbvollen Wasserglases :-) Einen wichtigen Satz (hat mal ein Prof. im Praktikum gesagt) darf man bei der Einschätzung der Leistung anderer nie vergessen: Ein gelöstes Problem ist immer einfach! Chris D.
Rüdiger Knörig wrote: > Leider ist es so, daß an unseren Schulen eine Kritik vorgegeben wird, > die nicht mehr konstruktiv ist. Wieso ist die vorgegeben? > Statt sich an den Leistungen anderer zu freuen lernt man, die Dinge so > lange zu drehen bis man eine Schmutzecke findet und sich erleichtert > zurücklehnen kann. Naja, andererseits: wenn ich mich an den Leistungen anderer freue hat das ja keinen direkten Einfluss auf meine Leistungen. Es könnte "nur" sein das ich dann fröhlicher durchs Leben gehe (mit allen seinen Folgen) :) Aber niemand will eben sein wie der "Streber", der zu Hause sitzt und nur lernt...
Reinhard S. wrote: > Rüdiger Knörig wrote: > >> Leider ist es so, daß an unseren Schulen eine Kritik vorgegeben wird, >> die nicht mehr konstruktiv ist. > > Wieso ist die vorgegeben? Eben - und ganz konkret an deiner Schule?
Reinhard S. wrote: > Rüdiger Knörig wrote: >> Statt sich an den Leistungen anderer zu freuen lernt man, die Dinge so >> lange zu drehen bis man eine Schmutzecke findet und sich erleichtert >> zurücklehnen kann. > > Naja, andererseits: wenn ich mich an den Leistungen anderer freue hat > das ja keinen direkten Einfluss auf meine Leistungen. Ohoh, das solltest Du nicht unterschätzen. Wenn man sich ehrlich über die Leistung anderer freut und diese z.B. bei Unternehmensbesichtigungen bestaunen darf, dann gibt mir das z.B. immer einen richtigen Schub. Ich komme von solchen Ausflügen hochmotiviert und mit vielen Ideen zurück. > Es könnte "nur" sein das ich dann fröhlicher durchs Leben gehe (mit > allen seinen Folgen) :) Und selbst das wäre doch schon äußerst positiv und wirkt sich sicherlich indirekt auf Deine Leistungsfähigkeit aus :-) > Aber niemand will eben sein wie der "Streber", der zu Hause sitzt und > nur lernt... Das fände ich auch langweilig - man lernt ja auch nicht nur aus Büchern :-) Chris D.
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