Heute gedenken wir also den Opfern von Dresden. Dresden in Zahlen - etwa eine halbe Million Opfer, 28 Millionen Quadratmeter zerstörtes Weltkulturerbe. Wissenschaftlich geplant, von Leuten die wie heute "nur ihre Arbeit" machten. Coventry, Tokio, Hiroshima, Dresden - in gewissem Sinne "Ingenieursleistungen". Zahlen - ein Abstraktionsmedium, gerade für Ingenieure. Eine halbe Million - die damalige amerikanische Außenministerin Madlaine Albright wurde auf einer Pressekonferenz gefragt, ob sie die halbe Million verhungerter irakischer Kinder als Resultat ihrer Embargopolitik verantworten könne. Sie antwortete prompt "Das war es uns wert". Dahingeopfert für das "Gute" - im Vietnamkrieg erreichte diese Perversion ihren Höhepunkt in der Pressemitteilung "Zu ihrer Rettung vernichtet". Die ersten lasergesteuerten Bomben und computergesteuerte Bombenabwürfe. DIANA - Digital integrated navigation and aiming assistance. Viele Seiten Quellcode. Wie in den Steuerrechnern der Interkontinentalraketen. Werden wir dies wirklich verantworten können? Selbst wer nicht an einen himmlischen Richterstuhl glaubt oder nicht den Richterstuhl des inneren Gewissens fühlt sollte sich bewußt sein das die jetzige Ordnung der Welt nicht ewig währen wird. Noch schlagen "unsere" Bomben in Hochzeitsgesellschaften ein und zerstören aus heiterem Himmel und ohne Anlaß und Ursache jähes Glück. Doch die Vormachtsstellung des Westens bröckelt, verfault wie alles Lebendige unter dem Atem derjenigen die Gott spielen wollten, und das einstmals solide Fundament gibt in seiner Erosion den Blick auf ungeahnte Falltiefen frei. "Richtet nicht, auf das ihr nicht gerichtet werdet." Was ist, wenn es einmal umgekehrt kommen sollte? Womit sollen wir uns moralisch verteidigen? Man wird uns sagen: "Ihr behaupteted doch, daß ihr in einer Demokratie gelebt hat, also waren die Regierungen, die damals die Bomber schickten, eure Untertanen - also ist es mit eurer Billigung geschehen!" Was wäre, wenn statt der abstrakten Zahlen die Einzelschicksale auf der Anklagebank Platz nehmen würden? Die 600.000 Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen, die nach ihrer Ankunft in Dresden gehofft hatten, das für sie die unglaublichen Schrecken von Krieg und Vertreibung vorbei sein würden? Die Menschen, die in Luftschutzkellern bei Temperaturen um 600 Grad zu Kinderpuppen verschmorten? Die Mutter mit dem Kind, die sich aus einem brennenden Haus rettete und im kochenden Asphalt der Straßen zu einem Aschehäufchen verbrannte? Jeder weiß, wie schmerzhaft selbst kleine Brandwunden sind - wie lange sind diese Leute bei Bewußtsein geblieben? Wie schon so oft in der Geschichte der Menschheit wurde im Namen des "Guten" die Hölle auf Erden errichtet. Hat die Menschheit etwas daraus gelernt? Nein, danach kamen Stalins Gulags, Maos Mörderbanden und Hungerkatastrophe und Pol Pots "Killing Fields". 60 Millionen, 80 Millionen, "nur" 3 Millionen. Zahlen. Es kam der Vietnamkrieg, es kam Madlaine Albright. Bezeichnend für das 20. Jahrhundert war die wissenschaftliche Präzision, mit der man die Vernichtung plante. Es wurde lange an der optimalen Mischung von Brand- und Sprengbomben gefeilt, um die verheerenden Feuerstürme in den mittelalterlichen Städten in Deutschland und Japan zu entfachen. Terror - ein Begriff aus der französischen Revolutionszeit, der die Einschüchterung der Massen durch die Regierung zum Inhalt hatte - übrigens auch wieder "im Namen des Guten". Auch heute werden Menschen aus heiterem Himmel im Namen des "Guten" von Bomben verstümmelt oder getötet oder durch Phosphor grausam verbrannt. Phosphor - wovon die Alten mit Grausen erzählten, das es Geschwister, Eltern, Kinder und Freunde in brennende Fackeln verwandelte, ohne das man ihnen helfen konnte. Ein französischer Arzt erfand aus reiner Menschenfreundlichkeit die Guillotine. Warum sollten wir diesen Menschen gedenken? Damit die über 100 Millionen Einzelschicksale auf der Waagschale des Gewissens Platz nehmen können, wenn wir wieder dazu berufen werden sollen, im Namen des "Guten" das Schwert zu ergreifen oder es zu schmieden. Wie sollten wir ihnen gedenken? Dem Vermächtnis der Opfer entsprechend. So wie bei der Wiedereinweihung der Dresdner Fraunkirche, wo Überlebende und ehemalige Bomberpiloten im Zeichen der aufrechten Versöhnung zusammenkamen. Es war ein Zeugnis, daß Haß und Verblendung keine Einbahnstraßen sind, daß aus dem Rauch und Trümmern von Dresden, Hiroshima und Coventry wieder das zarte Grün wahrer Menschlichkeit erwachsen kann. Wo der Haß geblieben war? Der demonstrierte damals derart offenkundig, daß selbst ein ehemaliger britischer Bomberpilot die demonstrierende NPD symphatischer fand - und auch treu dem Diabolo, dem Geist des Widerspruchs. Angeblich Toleranz, Frieden und Antirassismus verkörpernd offenbarte allein der Name "Antideutsche" den innewohnenden Haß und den Rassismus. Auch die Spruchbänder wie "Wer Deutschland liebt, den können wir nur hassen", "Bomber Harris, do it again", "Kein Frieden mit Deutschland" ließen kein Zweifel - vollends ins Absurde gingen die "Shalom, Shalom"-Gesänge als Protest gegen eine Veranstaltung, die wirkliche Versöhnung und Überkommen des Hasses zum Inhalt hatte. Man kann das gesamte 20. Jahrhundert als Erwachsenwerden der Menschheit betrachten. Dazu gehört, Verantwortung für unsere Taten zu übernehmen. Ansonsten wird die Menschheit an dieser Schwelle scheitern und untergehen.
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Rüdiger Knörig schrieb: > Man kann das gesamte 20. Jahrhundert als Erwachsenwerden der Menschheit > betrachten. Dazu gehört, Verantwortung für unsere Taten zu übernehmen. > Ansonsten wird die Menschheit an dieser Schwelle scheitern und > untergehen. Wie kommst du darauf, dass nach 5000 Jahren voller Kriege und religiöser Verblendungen ein Jahrhundert ausreicht um die Menschheit erwachsen werden zu lassen? Ich sehe in den letzten Jahren keinen allzugroßen Unterschied zu der früheren Geschichte. Bestimmte Großmächte marschieren mit fadenscheinigen Gründen in andere Länder mit der Begründung "Kampf gegen den Terror", nachdem sie ein paar Jahrzehnte zuvor die größten terroristischen Anschläge der Menschheitsgeschichte mit Millionen an zivilen Opfern auf auf den Gewissen haben. Die Gründe sind seit über 5000 Jahren die gleichen: Reichtum, Macht, Religion Wobei letzteres auch nur als Deckmantel für das Streben nach den ersten Punkten genutzt wird um gutgläubige Anhänger/Mitstreiter zu gewinnen.