Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Verständnisfrage Rechteck -> Sinus Filterung (z.B. in Verstärkern) Was ist mit Obertönen?


von Paul H. (powl)


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Hi,

überall wird ja gerne versucht aus einem Rechteck durch einfache 
Tiefpassfilterung ein Sinus zu machen. u.A. bei Class-D Verstärkern aber 
auch gerne mal in 1-Bit-DA-Wandlern. Nicht nur im Audio-Bereich sondern 
auch bei DDS-Signalgeneratoren.

Nun macht ja so ein Tiefpass nichts anderes, als hohe Frequenzen 
wegzufiltern. Allerdings besteht ein Rechteck ja aus seiner 
Grundfrequenz und vielen Obertönen. Dank endlicher Steilheit des 
Analogfilters sind also immer noch Obertöne im Ausgangssignal vorhanden.

Stören die je nach Anwendung nicht? Wie schauts bei Audio aus? Ich weiß 
wir hören nur bis 20, eher bis 16kHz aber hat das sonst irgendwelche 
negativen Effekte?

Noch ein paar Audiofragen: Warum gibt es 48, 96 und sogar 192kHz 
Samplerate, wenn 44,1kHz völlig ausreichen würden? Hat das was mit der 
Phasenverschiebung nahe der Grenzfrequenz des Filters zu tun?

lg PoWl

von Simon K. (simon) Benutzerseite


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Ich glaube du hast da was falsch verstanden. Man filtert nicht ein 
Rechteck mit bspw. 5kHz Grundwelle mit einem Filter, sondern man 
pulsweitenmoduliert ein hochfrequentes Rechtecksignal mit bspw. 400kHz 
um nach anschließender Filterung aller Frequenzen größergleich 400kHz 
nur noch die Modulationsfrequenz drinzuhaben.

Bei Audio Class-D Verstärkern liegt der Tiefpassfilter dann oft so bei 
40-80kHz. Da hat man dann schon eine gute Dämpfung bei der 400kHz 
Rechteckträgerfrequenz.

von Paul H. (powl)


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Äh richtig danke, da stand ich grad ein wenig auf dem Schlauch!

von Noch ein Ingenieur (Gast)


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Bei einem Faktor 10 (40kHz) hat man aber noch keine so gigantische 
Dämpfung.

von J. S. (engineer) Benutzerseite


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Wenn das Rechteck in einem Signal, das ins Audiospektrum fällt, erhalten 
bleiben soll, dann müssen eben mehr Oberwellen übertragen werden. Ein 15 
kHz Rechteck z.B. erfordet dann eben Spektralanteile bis in den 
MHz-Bereich.

Nur: Wenn man Audio überträgt, braucht man es nicht, da das Gehör ein 
15kHz-Rechteck von einem Sinus gar nicht unterscheiden kann, weil die 
Oberwellen für sich unhörbar sind. Der Ultraschall im Signal verbraucht 
nur Leistung und erwärmt die Lautsprecher. Frequenzen oberhalb der 
Hörgrenze hat man nur deshalb im Signal, um die Auflösung zu steigern, 
weil Filter diesen Frequenzen nicht mehr gut folgen und das Signal 
mitteln. Daher bringt eine höhere Samplerrate einfach mehr head room. 
Dies funktioniert vor allem dann, wenn auch die Aufnahme mit 
entsprechender Methodik erfolgte: Die Frequenzen oberhalb des Filters 
(z.B. -3dB@25kHz) werden niemals wirklich null und wirken beim Sampeln 
immer als alias. Wenn man diese Frequenzen aber genau mitschreibt, was 
bei 192kHz ja viel besser geht, als bei 44,1, dann hat man sozusagen 
authentische Oberwellen im Signal, die bei der späteren Rekonstruktion 
eben keine falschen Frequenzen sondern wieder richtige Oberwellen 
produzieren.

Grundsätzlich könnte man das also aufnehmen, in die Luft übertragen und 
wäre fein raus. Aber:

In der Realität wirken diese abgegebenen Oberwellen an den realen 
Lautsprechersystemen "schädlich". Zwar ist der Energiebeitrag aus der 
Leistungssicht nicht wirklch erheblich, sie produzieren aber an den 
nichtlinearen Kennlinien der Übertrager störende Verzerrungen, die 
wieder in den niederfrequenten Bereich spiegeln. Daher ist es besser, 
sie mit einem sauberen Filter bereits VOR der Verstärkung zu 
eliminieren, statt sie abzustrahlen.

**************************************************************
Nur, wenn die gesamte Signalkette mit 40 oder 80kHz übertragen
würde, machte es Sinn, die hohen Frequenzen beizubehalten  !!!
**************************************************************

Ergebnis: Man nimmt sicherheitshalber mit hoher Samplerate auf und 
rechnet es mit einem angepassten digitalen Filter um die 15k-18k runter, 
bevor man es mit 44kHz ausgibt oder auf CD bringt.

Deshalb sind solche 60kHz-Aussagen wie hier auch mit Vorsicht zu 
geniessen:
Beitrag "Re: Projekt: DDS basierter Funktionsgenerator mit AD5930"

von rackandboneman (Gast)


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"Dank endlicher Steilheit des Analogfilters sind also immer noch 
Obertöne im Ausgangssignal vorhanden."

Genau deswegen die höheren Sampleraten! Sonst müsste man das 
Analogfilter ja noch viel steiler machen. Und das macht mehr Stress als 
die Samplerate zu erhöhen.


Dem Hörensagen nach ist es ein Designproblem mancher CD-Player dass der 
Summierverstärker hinter dem DAC eher für den Arbeitsfrequenzbereich 
berechnet wurde als für das ganze Spektrum was da anliegt - mit dem 
Ergebnis dass hier und da die Slew Rate begrenzend wirkt und zu schwer 
nachvollziehbaren Verzerrungen bei realem Musiksignal führt.

von J. S. (engineer) Benutzerseite


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>Designproblem mancher CD-Player
Da gibt es noch ganz andere Nummern. Viele CDs werden aus 
Audiokopieschutz-Gründen nicht nach red book gemastert, sondern 
enthalten Fehlcodes, die dazu führen dass sie von vielen Programmen 
nicht automatisch gerippt werden können. Die minimalen Fehler wirken wie 
glitches im Spektrum und werden von normalen anlagen Playern 
weggefiltert. Bei Playern mit höherer Bandbreite aber übertragen.

Jetzt muss man natürlich mal allgemein sagen, dass die gesamte 
Diskussion um die erhöhten Frequenzen nicht selten einen esotherischen 
Anklang hat, da die tatsächlichen Verzerrungen absolut nicht wahrnehmbar 
sind und nur bei einem Quervergleich Soll-Ist auffallen.

Die minimalen Filterverzerrungen sind oft viel kleiner, als die Fehler, 
die durch die Wiedergabesysteme entstehen. Der Schallwandler ist das 
grosse Problem der Audiotechnik, sowohl was die Mikros angeht, als auch 
die Kopfhörer und Lautsprecher. Topmikros haben Verzerrungen von 0,1%-1% 
je nach Aussteuerung, aber selbst Studiolautsprecher wenigstens 2%, 
schon aufgrund der Trägheit der Membranen. Das ist auch der Grund, warum 
viele keinen Unterschied zwischen MP3 und Audio hören, wenn sie nur 
einen Plärrkopfhörer benutzen.

WIe gesagt gilt das für das Thema Audio und Hören. "Messen" ist ein 
anders Thema. Daher sind Audiosystem auch nur sehr begrenzt für 
Messaufgaben geeignet.

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