Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Unterbrechung im Kabel finden ohne Durchgangsmessung ?


von Markus R. (Gast)


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Hallo,

gestern in der Nachtschicht habe ich mit einem unserer 
Antriebstechnikingenieure an einem verzwickten Problem fast 5 Stunden 
gesucht, bis wir nach dem Tausch von fast allen Kabeln zum Motor (AC 
Servo 45 kW mit Rotorlagengeber und Absolutwertgeber) endlich den 
Antrieb "heilen" konnten.

Im Anschluß haben wir alle ausgebauten Kabel mit dem Multimeter auf 
Durchgang geprüft und auch mit einer Konstantstromquelle paarweise die 
Adern mit bis zu 3 Ampere belastet. Bei der Durchgangsmessung haben wir 
keinen Fehler gefunden. Die Adern hatte alle den gleichen Widerstand.

Dabei haben wir dann im Kabel des Rotorlagengebers an einem Adernpaar 
einen sehr viel höheren Spannungsabfall messen können, als an allen 
anderen Adernpaaren im Kabel. Es lag also kein richtiger 100% Bruch der 
Adern vor, sondern nur ein Teil der Ader war gebrochen und dadurch wohl 
das Signal verfälscht.

Heute morgen hat der Ingenieur dann mal das defekte Kabel in die 
Azubiwerkstatt gebracht und die Jungs gebeten alle 50 cm an dem 30 Meter 
langen Kabel eine Stelle abzuisolieren und durch Ziehen an den Adern 
eine evtl. Bruchstelle zu finden.

Die sind an 2 Stellen fündig geworden. Dass die da die Adern nicht 
einfach abgerissen haben, war an den leicht dunklen Stellen der Enden an 
den Bruchstellen zu sehen, die sich wohl durch die Messung mit Strom 
verfärbt haben.

Merkwürdig war nur, die defekten Stellen lagen in Strecken des Kabel, 
das in Kabelpritschen völlig unbeweglich und ohne jede Vibration oder 
mechanische Bewegung lag.

Bevor ich dann um 9 Uhr Feierabend gemacht habe, hatte ich mit dem 
Ingenieur noch so das Gespräch, ob es nicht möglich wäre, durch 
Frequenz, oder sonstwie ohne einen Tausch und dann Messen so eine 
Bruchstelle zerstörungsfrei zu finden.

Ein Diagnoserepeater von Siemens kann doch auch durch Reflektionsmessung 
in Profibusleitungen Bruchstellen und offene Leitungen finden.

Wie könnte man sowas machen ohne, für zig tausend Euro ein Messgerät in 
die Schublade zu legen, dass dann 2 mal im Jahr in Einsatz wäre ?

Nur so Interesse, ich würde dann die ersten Experimente dieser Art 
zusammen mit den Azubi durchführen.

Markus R.

von Sven F. (sven0876)


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nimm ein impulsreflektometer damit geht das 1a

sven

von hp-freund (Gast)


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Für eine "echte" Unterbrechung würde ich hier srarten:
http://www.free-circuit.com/2011/02/26/time-domain-reflectometertdr-circuit-with-74ac14/

aber bei diesem Fehlerbild???

von Sven F. (sven0876)


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http://www.darc.de/uploads/media/tdr.pdf

schön beschrieben und auch solche unterbrechungen sind gut sichtbar als 
stosstelle

sven

von Kai S. (kai1986)


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Hallo,

an den defekten Stellen scheint das Kabel ja warm geworden zu sein, 
somit gibt es dort auch einen erhöhten Widerstand. Der wird allerdings 
nur im mOhm Bereich liegen, was sich mit einem normalen Multimeter nur 
schwer bis garnicht messen lässt. Hier könnte eine Vierleitermessung des 
Widerstands Abhilfe verschaffen.

Ein Selbstbau könnte dann z.b. so aussehen:
Autobatterie mit Konstantstromregeler (um das ganze Potenzialfrei zu 
haben, damit im teilweise eingebautem Zustand gemessen werden kann. Hier 
müsste nur ein Kabelende abgeklemmt werden) und ein Multimeter mit 
entsprechend langen Kabeln.
z.B. 3A durch eine Ader fließen lassen und mit dem Multimeter direkt an 
den Enden der Ader den Spannungsabfall über die Ader messen.

Gruß Kai

von Markus R. (Gast)


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Danke Sven F.,

ich denke, so ein Teil werde ich mal dem Ingenieur zeigen und wenn der 
keine Bedenken hat, dann baue ich so eine Kiste mal mit den Azubi nach.

Ein altes 100 MHz HP Speicheroszi gibt es in der Azubiwerkstatt.

Wenn dieses Messprinzip auch mit Kabeln klappt, die paarweise verdrillt 
sind, dann sollte so eine Schwachstelle (kein 100% Bruch der Ader) ja im 
verlegten Zustand nur durch Abklemmen an beiden Enden und paarweise 
Brücken mit Widerstand zu finden sein.

Habe heute wieder Nachtschicht und sehe den Ingenieur erst am Montag 
wieder.

Aber die Idee gefällt mir und wenn ich bedenke, was das für ein Akt war 
die letzte Nacht, herauszufinden, warum ein 45 kW Antrieb in 
Sekundenbruchteilen einen Maschinenschlitten (ca. 300 kg) während der 
schnellen Vorwärtsfahrt in Sekundenbruchteilen auf max. beschleunigt um 
dann eine Notbremsung wegen Überstrom und Schleppabstand im 
Wegmesssystem hinzulegen.

Wir hätten nie gedacht, dass dieses Problem aus dem Rotorlagengeber 
kommt, weil der im 125µs Überwachungssystem des ABB Antrieb hängt und da 
keine Notbremsung der Achse programmiert ist, sondern nur ein 
Schnellstopp über Rampe (0,2 sec). Notbremse heißt Stopp in 0,05 sec. 
Das Kracht schon zünftig.

Danke auch an alle anderen Tippgeber. Die Sache mit der 
Konstantstromquelle hat ja den Fehler gezeigt. Bei mehr Strom hätten wir 
auch das "indianische Anzeigesystem" mit Rauch und Positionsmarkierung 
nutzen können. Aber so war der Spannungsabfall statt 0,4 Volt am 
Adernpaar an den beschädigten Adern 0,9 Volt. Also eindeutig und 
reproduzierbar mehr.

Markus R.

von Bernd K. (bmk)


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Bei 3A Konstantstromeinspeisung sollte man mit einer Wärmebildkamera
sehen können, an welchen Stellen das Kabel heizt.

von Michael K. (michael_k55)


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So wie der Threadopener schreibt hat das Kabel die defekten Stellen wohl 
in fest verlegten Bereichen in Kabelpritschen gehabt. Hört sich für mich 
so an als hätte da einer das Kabel svhon beim Verlegen gefoltert.

Wenn ich der Ingenieur wäre, dann würde ich alle Kabel an der 
Maschine/Anlage prüfen und dafür ein professionelles Meßgerät 
anschaffen.

Nicht so ein gebastel aus der Azubiwerkstatt.

Michael

von Joachim D. (Firma: JDCC) (scheppertreiber)


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Kann man so ein Meßgerät mieten ?

von Markus R. (Gast)


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Die Sache hat mir und einem Kollegen keine Ruhe gelassen.

Wir haben mal einen HAMEG Funktionsgenerator hergenommen und das 
Resolverkabel (Rotorlagengeberkabel), dass ja praktischerweise im 
Abfallkabelkübel der Azubiwerkstatt lag.

Nach den Beschreibungen in den PDF haben wir dann einen Signalpegel von 
10 Volt, Rechtecksignal, 1 MHz und 50 Ohm Impedanz eingestellt.

Die Adernpaare haben wir mit 50 Ohm abgeschlossen.

Zusätzlich haben wir aber, anders als bei der Beschreibung hier:

http://www.free-circuit.com/2011/02/26/time-domain-reflectometertdr-circuit-with-74ac14/

zum Triggern auf die Positive Flanke 2 BNC T-Stücke verwendet und den 
Trigger am HP Oszi auf "Rising Edge" gestellt.

Unser Bild bei den gebrochenen Adern sah zwar Sch... aus, aber so schön 
und berechenbar, wie bei der Schaltung aus dem

http://www.darc.de/uploads/media/tdr.pdf

Link, haben wir keine Darstellung auf dem Oszi Bild bekommen.

Interessant war aber: Intakte Adernpaare haben nur kleine Ausschläge auf 
dem Messkanal erzeugt. Defekte Adernpaare, je nach dem ob Masse vom 
Messkanal auf der defekten Ader lag, oder die Spitze des Tastkopfes 
unterschiedlich skurile Kurvenformen, die auf ein Problem schließen 
lassen könnten.

Übermorgen werde ich das PDF vom DARC meinem Ingenieur mal zeigen und 
Fragen, ob wir so eine Kiste mal in der Azubiwerkstatt "in Auftrag" 
geben können.

Leider haben wir kein Kabel mehr, dass nur Angeknickte Adern hat. Das 
Resolverkabel war ja den defekten Stellen abisoliert und die Adern zum 
Teil ganz auseinandergerissen. (und schön dunkel braun bis schwarz wegen 
der Strommessung.)

Markus R.

von Falk B. (falk)


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@  Markus R. (Gast)

>Die sind an 2 Stellen fündig geworden. Dass die da die Adern nicht
>einfach abgerissen haben, war an den leicht dunklen Stellen der Enden an
>den Bruchstellen zu sehen, die sich wohl durch die Messung mit Strom
>verfärbt haben.

>Wie könnte man sowas machen ohne, für zig tausend Euro ein Messgerät in
>die Schublade zu legen, dass dann 2 mal im Jahr in Einsatz wäre ?

Schierig. Denn dieser Fehler ist schwer zu lokalisieren. Ein 100% 
Kabelbruch oder Kurzschluss kann man leicht mit einem TDR finden. Wurde 
ja oben schon beschrieben. Aber solche hochohmigen Sachen muss man 
vorher formieren. Sowas macht unsere 4ma an Mittelspannungskabeln. Da 
gibt es mehrere Möglichkeiten. In wie weit man das auch Steuerkabel 
anwenden kann, muss man überlegen. Fakt ist, damit man mit dem TDR 
messen kann, muss man einen Fehlerwiderstand deutlich unter oder über 
dem Wellenwiderstand erreichen, ich sag mal Faktor 2-10. So eine nur 
leicht hochohmige Stelle findet man so direkt nicht.

Aber nichts desto trotz habt ihr ja schon ein paar Ansätze. Belastung 
mit Nennstrom bzw. soweit man es dem Kabel kurzzeitig zumuten kann, dann 
Vierdrahtmessung. Das bringt schon einiges. Eine Isolationsprüfung mit 
500-2000V ist auch bisweilen zielführend, Isolationsfehler brechen dann 
durch und können weiter formiert werden. Bei Mittelspannungskabeln nimmt 
man ein sogenanntes Brenngerät. Dort wird der hochohmige Fehler mit 
Hochspannung gezündet und dann mit Niederspannung ordentlich Strom 
durchgeschickt, damit er verbrennt. Dann hat man einen guten Kurzschluß, 
den man per TDR messen kann, ausserdem findet man ihn im herausgesägten 
Kabel sehr einfach.

Wir fassen zusammen. Was kann man halbwegs preiswert improvisieren?

Vierdrahtmessung mit ordentlich Strom, ein starkes, strombegrenztes 
Netzteil + DMM reicht.
Isolationssprüfung mit 0,5-2 kV, gibt es fertige Geräte für brauchbares 
Geld.
TDR für Arme, siehe die Links.

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