hallo, je mehr ich mich in die Materie rein lese, desto verwirrter bin ich. Bei mir geht eigentlich um ein sehr kleines Projekt. Weil aber die Medizintechniknorm auch z.B. für Herz Lungenmaschinen angewendet wird, wird man förmlich von Bestimmungen erschlagen. Es fühlt sich in etwa so an, jemand sagt zu einem Laien, designe eine Leiterplatte...da gibt diese und diese und....X Normen. Dieser Laie braucht jemanden, der ihm zeigt, wie das geht und das am Besten an einem Beispiel. Solche Beispiele gibts aber in diesem Fall nicht oder ich hab sie bis jetzt noch nicht gefunden. Alles was ich bis jetzt gehört und gelesen habe ist seeehr viel heisse Luft. Technische Fragen habe ich so gut wie keine, ich weiß nur nicht was (in welchem Umfang) ich in die zig Formulare einzutragen hab. Wenn mir also jemand etwas auf die Sprünge helfen könnte (kleines Beispielprojekt) wäre ich unendlich dankbar. LG Peter
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So einfach wie du es dir vorstellst, ist es leider nicht. Es hängt davon ab: 1. Was du machen willst. Gibt es eine Partikularnorm (-2) dazu? 2. Welche Umgebung? Gibt es dafür zusätzlich -1 Normen? Brauchst du eine benannte Stelle? Wie läuft die Zulassung? Diese Fragen muss man eigentlich zu Beginn der Entwicklung stellen. Ist es überhaupt ein Medizingerät oder Medizinprodukt? Elektrostimulatoren mit weißem Gehäuse sind oft Medizingeräte und teuer. Sobald die selben Gerät ein schwarzen Gehäuse haben und eine andere Zielgruppe ansprechen, sind die Gerät deutlich billiger ;) Die Normen sind zum Teil als Anforderung, zum Teil als Prüfvorschrift geschrieben. Das muss man sich dann passend zum Produkt zusammen stellen. Beispiel Energieversorgung: Eine Batterie ist sehr einfach umzusetzen. eine externe Versorung wird oft schwieriger, da hier die Isolation aufwendiger wird. Ansonsten musst du in die Formulare eigentlich gar nichts eintragen. Das läuft alles über die Benannte Stelle. Es ist allerdings einfacher, wenn du die CB-Report vorlagen ausgefüllt bereit stellst. Suche mal nach "cb Report 60601-1". Da findet man schon recht viel.
Hi, Beispielprojekt für die Normenanwendung? Wie soll das aussehen? Oder meinst du so etwas wie einen ausgefüllten CB Report Beispielsweise für die 60601-1 samt Anlagen für ein bestehendes Produkt? Oder meinst du gar gleich ein komplettes DMF (Device Master File) Also die GESAMTE Dokumentation und die weit über die Dokumente der Normenreihe 60601 hinausgeht. Weder das eine noch das andere wird dir wohl niemand zur Verfügung stellen... Selbst für ein einfaches Produkt sind das Mannjahre an Arbeit! (mal abgesehen davon das daraus wirklich ALLES hervorgeht was man nur über das Produkt wissen kann.) Wenn bei einem Betrieb DAS nicht unter Betriebsgeheimnis fällt, dann hat der keine Betriebsgeheimnisse Ein CB Report ist aber nichts weiter als eine tabellarische Auflistung sämtlicher Anforderungen einer Norm wo dann für jeden Normpunkt eingetragen wird ob "erfüllt", "nicht erfüllt" oder aber "Nicht Anwendbar" (Meist aber eher in Englisch Pass/Fail/NA usw.) Dazu wird dann dort wo es relevant ist der Verweis auf die jeweils zugehörigen Dokumente zum Nachweis eingetragen. Das kann z.b. beim Normpunkt EN60601-1 8.5.1.2 "Schutzmaßnahmen zum Patientenschutz - MOPP" wo es um die elektrische Sicherheit geht ein Datenblatt eines Bauteils mit erhöhter Zuverlässigkeit sein das zur galvanischen Trennung verwendet wird, das Boardlayout mit Maßangaben oder die Tabelle und Fotos der Platine mit den Messergebnissen der Abstände zum Nachweis der erfüllten Anforderungen bei den Isolationsabständen sein. Bei der Frage wo es um die IP Klasse geht dann die Dokumentation des von dir durchgeführten Tests samt Testaufbau oder halt der Bericht der externen Labors... Wo es um EMV geht dann der Prüfbericht des EMV Labors, wo es um die Gebrauchstauglichkeit geht der Bericht/Untersuchung zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit, bei der klinischen Bewertung deine Zusammenfassung samt Verweise zu klinischen Studien usw... (Man muss keine eigenen klinischen Studien machen, kann auch auf bestehende Verweisen falls anwendbar. Aber das muss alles ausführlich begründet und bewertet werden) Wobei diese Form der Dokumentation (CB Report) nur ein Hilfsmittel ist. Du kannst genau so gut einfach für jeden Normpunkt ein eigenes Dokument erstellen. Aber nur um dir ein Gefühl für den Umfang zu geben: Es gibt ja nicht "die" Norm 60601 sondern das ist gleich eine ganze Normenreihe von denen für jedes Produkt dann jeweils eine andere Zusammenstellung anwendbar ist. Nehmen wir mal an du wolltest ein kleines 1 Kanal EKG für daheim bauen das als Medizinprodukt laufen soll. Dann musst du beachten: Auf jeden Fall die Grundnorm 60601-1, 60601-1-2 (EMV), sehr wahrscheinlich (im Detail prüfen) die 60601-1-6 (Gebrauchstauglichkeit), da Heimgebrauch auch noch die 60601-1-11 (Häusliche Umgebung) und zuletzt noch die besonderen Festlegungen die auf dein Gerät zutreffen falls existent. Das könnten bei einem solchen EKG dann die 60601-2-25 sein, gibt es dann auch noch eine automatisierte Auswertung auch nur eines Parameters egal wie einfach gehalten dann zusätzlich noch die 60601-2-51. Es könnte aber auch die 60601-2-47 eine Rolle spielen usw. usf. Wird auch der Blutdruck erfasst muss zusätzlich die 60601-2-30 beachtet werden. (Ich gehe einfach mal von indirekter Messung ohne invasive Komponente aus) Alleine der CB Report für die 60601-1 den ich heute bearbeitet habe hat ausfüllt über 120 Seiten. Und das ist nur die tabellarische Auflistung. (die genaue Seitenanzahl variiert da diese ja nicht nur durch die Vorgabe sondern auch durch die Einträge wie Bemerkungen oder auch nur Bezeichnungen der Dokumente abhängt. Mal ganz von der jeweils verwendeten Schriftgröße und Kopf-/Fusszeile des Betriebes abgesehen) Dazu gehören dann noch die Dokumente auf die in der Tabelle verwiesen wird! Alleine für die Bearbeitung der 60601 können dann schnell vierstellige Seitenzahlen zusammenkommen... Und der Nachweis der Einhaltung der 60601 ist nur ein Punkt von vielen den man vor der Markteinführung eines Medizinproduktes erfüllen muss. Und sobald man ein Medizinprodukt hat das nicht mehr unter Klasse 1 (ohne m) läuft wird das auch tatsächlich routinemäßig von dem von dir beauftragten notified Body geprüft! Entweder im Rahmen der Überprüfung deines QM Systems nach EN13485 das du haben musst um selbstständig Produkte gemäß der Richtlinie 93/42/EWG Anhang II in den Markt bringen zu können oder im Rahmen der Einzelprüfungen gemäß Anhang IV falls du kein QM System hast oder, oder, oder... Nur für die Markteinführung von Produkten der Klasse 1 ist die Einbeziehung einer benannten Stelle (notified body) nicht notwendig. Weder für die Produktprüfung noch für die Prüfung deines QM Systems. Hier mal eine Übersicht: https://www.tuev-sued.de/uploads/images/1441713906381422600927/richtlinie-9342ewg.pdf Hier musst du die Dokumentation lediglich "vorhalten" falls man eine Prüfung (z.b. durch die Aufsichtsbehörde) erfolgen soll! Ohne Vorfall ist es aber nicht unwahrscheinlich das die niemals jemand sehen will. (Aber wehe die werden Angefordert und du kannst nicht liefern...!) Das Beispiel mit dem 1-Kanal EKG Gerät für den Heimgebrauch wäre im Übrigen ein Klasse Im Gerät (m wie Messfunktion) und damit nur in Zusammenarbeit mit einer benannten Stelle in den Markt zu bringen! Weil der Aufwand so groß ist kann es aber durchaus auch sinnvoll sein zu prüfen ob das Gerät tatsächlich ein Medizinprodukt oder aber nur z.b. ein Lifestyleprodukt usw. sein soll. Manchmal liegt es durchaus in den Möglichkeiten des Herstellers sein Gerät statt als Medizinprodukt beispielsweise als reines Fitnessprodukt anzubieten. Als Beispiel könnte man Reizstromgeräte für den Muskelaufbau nennen. Sind die nur zum Bodybuilding, Abnehmen oder auch für SM Spielchen gedacht und beworben kann man die in Deutschland beispielsweise auch einfach nach dem Produktsicherheitsgesetz in den Markt bringen statt nach dem Medizinproduktegesetz. Ist wesentlich einfacher... (In anderen EU Ländern dasselbe, nur die Gesetze heissen anders) Natürlich darf es dann mit keinerlei medizinischen Anwendungen (Training krankhaft unterentwickelter Muskelpartien) beworben werden... Sobald ich aber den Medizinischen Zweck in die Werbung/Bedienungsanleitung aufnehme wird aus dem Lifestyle-/Wellnessprodukt ein Klasse IIa Medizinprodukt! Ähnlich bei Massageräten. Verspreche ich nur das man sich besser fühlt geht das als Wellnessgerät durch. Verspannungen usw. sind vielleicht gerade noch eine Grauzone sofern nicht Erkrankungsbedingt. Sobald ich aber einen medizinischen Nutzen bewerbe wäre das ein Medizinprodukt. DAs ist ein Verflucht komplexes Thema. Daher ist es mittlerweile praktisch auch unmöglich ein Medizinprodukt das nicht mehr unter Klasse I fällt als Einzelkämpfer auf dem Markt zu bringen. In den Firmen geht es nur noch mit Arbeitsteilung. Für die technische Seite gibt es dann Leute wie mich die die Entwicklung selbst vornehmen und oft auch für die Nachweise zur Erfüllung der 60601 u.ä. zuständig sind. Dann Leute die eher mit der praktischen Anwendung und medizinischer Indikation betraut sind und die Dokumente zur Gebrauchstauglichkeit und Klinischer Bewertung machen (und vorher auch die nichttechnischen Anforderungen definieren...) und nicht zuletzt diejenigen die sich nur um den Papierkrieg kümmern, feststellen welche Normen und Vorschriften überhaupt angewendet werden müssen, prüfen ob alle Dokumente vorhanden und auf dem aktuellen Stand sind, hinsichtlich der Dokumente die nur durch die jeweiligen "Fachexperten" erstellt werden können diesen regelmäßig einen Arschtritt verpassen bis die endlich in der finalen Version vorliegen und die gesamte Drumherumdokumentation macht und sich dann auch noch um den ganzen QM Krams kümmert (EN13485). Und für Dinge wie das ebenfalls vorgeschriebene Risikomanagement müssen die dann alle zusammen arbeiten sofern es nicht sogar einen einen Risikomanager gibt der das erledigt bzw. Zuarbeit durch die Fachexperten direkt einfordert. (Und das ist die Beschreibung für eher KLEINE Firmen wo es normal ist das jede dieser Personen die Mehrfachfunktionen ausführt...) In großen Firmen gibt es dann oft noch viel mehr Personen wo jeder nur einen hochspeziellen Aufgabenteil bearbeitet... Aber um auf die Ursprüngliche Frage zurückzukommen: Gerade wenn es nur um die 60601 geht ist es noch relativ einfach. Du besorgst dir die Norm und gehst jeden Normenpunkt einzeln durch. Es ist jeweils eindeutig festgelegt ob der Anwendbar ist oder nicht. In der einfachsten Version machst du das so das du jeden Normpunkt einfach abtippst und dann direkt darunter -natürlich Kenntlich gemacht- deine Ergebnisse samt Dokumente entweder direkt oder aber Verweis einfügst. Das wäre nicht ganz so schön Übersichtlich, würde vollauf den gesetzlichen Anforderungen genügen... (Vorausgesetzt deine Ergebnisse sind korrekt) Aber wie schon geschrieben, die 60601 Normen sind nur ein einzelner Baustein von mehreren zur Markteinführung. Gruß Carsten
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vielen Dank Dank Tilo und Carsten! Für mich als Techniker war es halt immer so, wenn ich mich nicht zurechtgefunden hab, gab´s irgendwo ein hilfreiches Tutorial (oder Evaluationboard des Herstellers), welches mir auf die Sprünge half. Wir haben natürlich einen Auditor bestellt, der aber im Prinzip genau das macht, was Carsten sagt und uns Formulare vorlegt, wo wir was einzutragen haben. Gäbe es hier ein kleines Beispiel (z. B. Fieberthermometer) wäre der Einstieg sicher einfacher. Ich glaube nicht, dass bei einem Fieberthermometer soo viele Firmengeheimnisse betroffen wären (sollte doch Stand der Technik sein) Es gibt ja auch genug Leute die uns diese ganze Normenflut vor die Füsse werfen. Da sollten doch 1-2 dafür abgezweigt werden können, praktische Beispiele auszuarbeiten. Wenn Kleinfirmen hier quasi aus dem Markt ausgesperrt werden, wirds halt bald nur mehr ein paar große geben, die sich den Markt aufteilen, Innovationen kommen aber auch oft von den Kleinen. LG Peter
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