Umbau Luftentfeuchter Comedes LTR 600
Umbau Luftentfeuchter Comedes LTR600
Einleitung
Ich habe mir vor einiger Zeit einen Luftentfeuchter der Marke Comedes, Modell LTR 600 zugelegt. Über Geräusche oder Design kann man lange diskutieren, die Entfeuchtungsleistung mag besser oder schlechter sein als bei Konkurrenzprodukten, das alles liegt für mich beim LTR600 noch halbwegs im grünen Bereich. Der Einhell LEF 30 ist baugleich mit dem Comedes LTR 600.
Im dunkelroten Bereich liegt jedoch die Steuerelektronik. Die soll dafür sorgen, dass das Gerät nicht einfriert. Dazu ist die Elektronik mit einem Temperaturfühler verbunden (NTC) so dass der Kompressor ggf. abgeschaltet werden kann. Die Schaltung ist jedoch so aufgebaut, dass sich der Entfeuchter bei Umgebungstemperaturen von unter 7 Grad Celsius dennoch in einen dicken Eisblock verwandelt.
Das Gerät ist wohlgemerkt nicht defekt. Es steht nur eben in einer Garage in der die Temperatur im Winter unter 7 Grad fällt. Der gleiche Effekt kann auch in einem kühlen Keller auftreten.
Ein Gerät das trotz Temperatursensor nicht vor Einfrieren geschützt ist? Ohne Frage, hier handelt es sich um ein Fehldesign! Manche Leute meinten dazu bereits, ich würde das Gerät falsch einsetzen. Es sei halt nicht für diese Temperaturen gedacht. Aber das ist natürlich Unsinn. Soll ich etwa im Winter für 3 Wochen das Wetter im voraus per Kristallkugel lesen, damit ich weiss, ob ich den Netzstecker ziehe wenn ich Urlaub fahre? Der Entfeuchter muss selbst erkennen, wenn er abschalten muss, dafür hat er ja einen Temperaturfühler! Auch sei bemerkt, dass ich mit einem Konkurrenzprodukt in genau dem gleichen Raum (Garage) noch nie Probleme hatte.
In diesem kleinen Artikel möchte ich zeigen, wo der Designfehler liegt und wie man mit Hilfe eines Arduino ein funktionierendes Gerät erhält.
Die Originalsteuerung
Hinter dem Auffangbehälter des LTR600 ist der elektrische Schaltplan aufgeklebt:
Das ist natürlich nur die halbe Miete. Zu dem Bereich, den ich im Bild rot eingefärbt habe, fand ich nichts. Interessant ist jedoch bereits, dass der "Power/Humidity Switch" links oben im Bild das ganze Gerät, also Motor und Elektronik abschaltet wenn die Luft trocken genug ist (ein Detail, das später noch wichtig wird). In Reihe damit liegt der Wechsler im roten Bereich (Anschlüsse COM/NC/NO). Somit kann das, was sich im roten Bereich verbirgt, eingreifen und den Kompressor eigenständig abschalten. Klar, dass es sich hier um die Auftau-Schaltung handeln muss. Beim Element TH, das rechts unten an den roten Kasten geklemmt ist, handelt es sich um den NTC. Er sitzt direkt an den Kühllamellen.
Um das Problem zu verstehen bedarf es also einer Untersuchung des roten Bereichs, den ich im folgenden Steuerelektronik nenne. Der LTR600 lässt sich zum Glück leicht zerlegen und der rote Bereich im Schaltplan entpuppt sich als folgendes Teil:
Die Aufteilung ist sogleich klar: Trafo und Gleichrichter mittig, links das Relais mit dem Wechsler-Kontakt zum Schalten des Kompressors, rechts das "Gehirn".
Der Schaltplan zu der einfachen Platine ist schnell gezeichnet:
Nun zur Funktionsweise:
Die Elektronik besteht im wesentlichen aus 2 Timern (U2 und U3) sowie U1, das als Schmitt-Trigger arbeitet. Sein Ausgang (OC) schaltet auf ca. +12V wenn's am Kondensator zu kalt wird, oder auf nahe 0V wenn keine Frostgefahr besteht. Nun wird der Kompressor aber nicht einfach mit diesem Signal ein- und ausgeschaltet. Das würde sonst zu einem ständigen Schalten führen würde. Vielmehr erlaubt es Timer U2, dass die Temperatur für eine gewisse Zeit unter dem Schwellwert liegen darf, ohne dass der Kompressor abgeschaltet wird. Diese Zeit lässt sich mit Hilfe der Datenblätter zum CD4541 errechnen und ich habe sie auch im Test überprüft.
- Der Timer U2 wird mit dem Ausgangssignal des Schmitt-Triggers unter Spannung gesetzt und seine Eingänge A und B liegen auf H. Dadurch arbeitet der Timer mit einem Teilungsfaktor von 65536.
- Die Zählfrequenz von U2 liegt bei f = 1 / (2,3 x R11 x C8). Mit R11=191kOhm und C8=100nF ergibt dies einen Wert von 22,8 Hz.
- Der Timer kommt somit auf eine Ausgangsperiode von 65536/22,8Hz = 2870 Sekunden. Sein Q-Ausgang schaltet also nach der Hälfte der Zeit (etwa 24 Minuten) auf H.
- Dadurch schaltet der Transistor, das Relais zieht an, öffnet den Kontakt und schaltet den Kompressor aus.
- Gleichzeitig wird U3 unter Spannung gesetzt und beginnt nun seinerseits zu zählen. Seine Beschaltung (R14=63,4kOhm, C9=100nF) führt dazu, dass sein Q-Ausgang nach etwa weiteren 8 Minuten von L auf H geht und dadurch U2 zurücksetzt. Das Relais fällt wieder ab und der Kompressor läuft wieder an.
U3 sorgt also dafür, dass der Kompressor abschaltet wenn's zu lange zu kalt ist - und zwar für ganze 8 Minuten!? Nach Ablauf dieser Zeit kann der Kompressor wieder anspringen, ganz egal, ob die Kühlrippen inzwischen wieder warm genug sind oder nicht. Mit anderen Worten: Auch wenn die Temperatur immer noch unter dem Grenzwert liegt, darf der Kompressor wieder für U2-Laufzeit (24 Minuten) anspringen - und so für eine totale Vereisung sorgen.
Hinzu kommt noch folgendes: Sollte während der U3-Laufzeit die Luftfeuchtigkeit unter den Sollwert fallen, so wird das ganze Gerät stromlos geschaltet. Dadurch "vergisst" es seine Timer. Steigt die Luftfeuchtigkeit nun wieder - was durch den abgeschalteten Ventilator je nach Raumverhalten recht schnell der Fall sein kann - so darf der Kompressor wieder für einen ganzen U2-Zyklus laufen - und weiter vereisen.
Praktisch bedeutet es, dass der LTR600 unter 7 Grad Umgebungstemperatur zu einer Gefahr für sich selbst wird und sich obendrein in einen sinnlosen Stromfresser verwandelt.
Ein brandneuer Original-NTC hat ein R25 von 10kOhm. Bei ~5C (Laut Kühlschrank) sind es etwa 22kOhm un dbei -18C sind es >52kOhm. Mit R3/R4/R5 und U1 ergibt sich, daß der NTC wohl bei ca 25kOhm zum Abschalten führen sollte. 25kOhm sind damit geschätzt irgendwo um die 4 Grad, was offensichtlich im gefährlichen Bereich liegt. Ein gealterter NTC von einem Einhell liegt um den Faktor 10x bis 3x darunter, schätzt die Temperatur also viel zu hoch ein ... und führt nicht zur Abschaltung. Ein Problem dabei mag sein, daß der NTC anscheinend nur für IP67 gedacht ist und im zugecrimpten Kufperrohr so tief steckt, daß die Kabel im Kondens-/Schmelzwasser stehen. Wasser findet seinen weg und kriecht dann mit der Zeit am Kabel in die Vergußmasse. In der neuen Schaltung ist anstelle des R5 ein 8.2kOhm-Widerstand verwendet, was ganz gut zu den in der Software verwendeten Konstanten paßt.
Hardware-Umbau
Es gibt sicher viele Wege, dieses Fehlverhalten zu korrigieren, auch ganz ohne Mikrokontroller. In dem Fall aber wäre mikrokontroller.net wohl die falsche Adresse für diesen Artikel. Ich entschied mich für einen Umbau auf einen Arduino. Das fällt zwar wohl unter die Kategorie "Overkill" da ich nur einen Ein- und einen Ausgang des schönen Arduino nutze, aber andereseits kann man damit nach Belieben ausprobieren. Und: Geärgert habe ich mich mit dem LTR600 bereits genug, ab jetzt soll's Spass machen :)
Einige Vorgaben zum Umbau stellte ich mir selber:
- Es soll nur die doofe Elektronik weichen, alle anderen Teile (Trafo, Relais, Anschlussstecker) sollen weiterverwendet werden.
- Es muss alles wieder genauso ins Gehäuse passen wie vorher
- Es ist nur ein Proof-Of-Concept; es geht hier bei mir nur um ein einziges Gerät. Es werden keine neuen Platinen geätzt o.ä. Was nicht passt wird nach Prototypen-Art passend gemacht.
So kam die Idee, sogar die Platine wiederzuverwerten; nur eben die verkorkste Steuerung muss weichen. Dazu lötete ich alle Teile derselben aus und entfernte die entsprechenden Leiterbahnen. Anschliessend bohrte ich in den nun freien Bereich die Löcher für einen Arduino Micro und verdrahtete ihn von unten. Viel wird dabei nicht benötigt: Spannungsversorgung, Temperaturfühler-Eingang und Relais-Ausgang.
Achtung! D5 und J2 werden gebraucht. Die sollte man im Eifer des Gefechts nicht auslöten. C5 kann auch bleiben, da er hoffentlich Antenneneffekte im Sensorkabel reduziert.
Eine weitere Möglichkeit, an einem Einhell LEF 30 ausprobiert, ist nur die unnötigen Bauteile auszulöten, den Arduino Micro auf der Oberseite mit den wenigen nötigen Käbelchen anzuschließen, und ihn dann mit Heißkleber an allen vier Ecken oben auf die alte Platine zu kleben. Das spart viel Bohrarbeit und Leiterbahnen müssen dabei nicht entfernt werden. Die Käbelchen sollen seitlich an den Pins angelötet werden, damit man den Arduino Micro komplett unten aufsetzen kann. Der Platz des alten R7 ist sehr gut geeignet, um einen neuen Widerstand vom NTC gegen Masse zu schalten. R5 geht nicht mehr, denn da ist der Arduino Micro im Weg. Die Masse am neuen Widerstand und auch die 5V-Referenz für die Messung des NTC können dann vom Arduino Micro bequem abgegriffen werden.
Falls der NTC nicht mehr den korrekten Wertebereich hat, sollte er ersetzt werden. Man kann ihn als Ersatzteil bestellen. In meinem Einhell LEF 30 habe ich unten in das zugecrimpte Halteröhrchen ein deutliches Loch gebohrt (In das Halteröhrchen, NICHT in den Kühlkreislauf!). Damit steht hoffentlich das Wasser darin nicht mehr und der NTC lebt damit hoffentlich länger.
Das USB-Kabel habe ich aus Platzgründen direkt am Arduino Micro angelötet und dann nach aussen geführt. Ich bin nämlich fast sicher, dass ich ein paar Anläufe benötigen werde bevor ich die Software halbwegs brauchbar parametriert habe. Schliesslich muss ich mangels Klimakammer warten bis mir das Wetter meine jeweiligen Testbedingungen bereitstellt.
Dann wieder zusammenbauen, wobei ich für das USB-Kabel einen kleinen Schlitz in die Aussenwand gefeilt habe:
Software
Wie aber soll so eine Luftentfeuchter-Steuerung vorgehen? Sicherlich wäre es am einfachsten, wenn der Arduino dauerhaft mit Strom versorgt wäre und man müsste nicht jederzeit mit dem Abschalten durch den Luftfeuchte-Sensor rechnen. Die Auflagen, die ich mir beim Umbau gab, lassen dies aber nicht zu.
Zum zweiten wäre eine Klimakammer wohl das Richtige zum Einstellen und Messen von Feuchte, Temperaturen, Auftautzeiten etc. Mit solchen Daten ließe sich sicherlich ein guter Ansatz finden, der in der Kammer dann seinen letzten Schliff erhalten könnte. Eine solche Kammer habe ich natürlich nicht, sodass ich mir folgendes überlegte:
Ich unterteile den Temperaturbereich in 3 Zonen:
- In der tiefsten ist der Betrieb nicht erlaubt, der Kompressor bleibt aus.
- In der höchsten darf der Kompressor ohne Probleme dauerhaft an sein.
- In der mittleren, der kritischen Zone darf der Kompressor eingeschaltet sein, bis die tiefste Zone erreicht ist. Anschliessend wird er abgeschaltet bis die Temperatur wieder in der mittleren Zone liegt. Das Programm lässt dann aber den Kompressor für eine zusätzliche Wartezeit abgeschaltet, damit auch wirklich alle Kühlrippen abtauen. Diese zusätzliche Wartezeit ist abhängig von der Anstiegsgeschwindigkeit der Temperatur, dT/dt.
Ich bin überzeugt dass es hundert bessere Ansätze gibt. Auch habe ich bemerkt, dass ein Temperatursensor für die Aussentemperatur nützlich wäre. Allerdings ist mein Entfeuchter mit der jetzigen Software nie wieder eingefroren, obwohl's in meiner Garage in diesem Winter schon mehrmals nahe bei 0 Grad hatte. Und trotz der niedrigen Temperaturen entfeuchtet das Gerät weiterhin. Natürlich nicht wie Sommer, aber immerhin ca. 1 Behälter alle 2-3 Wochen.
Ein erstes Programm, eine totale Alpha-Version, ist hier erhältich: Datei:Comedes.tar.bz2. Für erste Tests sollte es reichen.
Nachtrag
2. Juli 2016: Ja, er lebt noch, der Luftentfeuchter. Und auch der Autor ;) . Zufällig habe ich noch einmal meinen alten Artikel gelesen - und habe erfreut festgestellt, dass ich einen Co-Autor bekommen habe. An den unbekannten Umbauer des Einhell-Gerätes: Vielen Dank für die Zusätze, denen ich nur zustimmen kann!