Hallo, kann mir evtl. jemand erklären, warum bei HF-Anwendungen stets Leistungen anstatt von Spannungen verwendet werden ?
Weil man nicht mehr leistungslos steuern kann, d. h. es fließen immer nennenswerte Ströme. Daher bemüht man sich um eine Leistungsanpassung, d. h. man arbeitet mit vergleichsweise niedrigen Impedanzen auf den Leitungen (typisch 50 Ω) und transformiert auf diese soweit nötig.
Also ist der einzige Grund, dass eben auch Verluste auf Leitungen mit einbezogen werden bei derartigen Frequenzen und diese eben nicht vernachlässigt werden können ?
Nein, nicht nur Verluste auf den Leitungen. Auch die Steuerung der Verstärkerstufen ist nicht mehr (annähernd) leistungslos, wie man das im NF-Bereich oft realisieren kann. Die Normierung auf einen bestimmten Wellenwiderstand für alles, was über Leitungen transportiert wird, hat vor allem den Grund, dass man durch ordentlich abgeschlossene Leitungen Reflektionen vermeidet, und durch die Normierung ist immer klar, bei welcher Abschlussimpedanz dieser Zustand eintritt.
James schrieb: > Könntest du mal bitte leistungsloses steuern näher beschreiben ? Im NF-Bereich hast du oft genug relativ hochohmige Eingänge. 1 MΩ Eingangsimpedanz ist da keine Seltenheit. Bei 1 V Spannung wird da 1 µW umgesetzt. Hast du nur 100 kΩ Eingangswiderstand, sind es 10 µW, aber die Quelle kann Leistungen im Bereich von einigen Milliwatt liefern, sodass es dir egal ist, wie viel wirklich entnommen wird: die Quelle arbeitet mehr oder weniger im "Leerlauf". Bei HF arbeitet man in der Regel dagegen mit Leistungsanpassung, d. h. die Senke wird möglichst optimal auf die Ergiebigkeit der Quelle angepasst, sodass die maximal entnehmbare Leistung der Quelle entnommen wird. Dabei bricht die Spannung zwar ein, aber in der Senke kommt ein Maximum an Leistung an. Allerdings sind die dort betrachteten Leistungen sehr oft um viele Größenordnungen geringer als bei NF: ein guter Schmalband-FM-Empfänger erreicht beispielsweise eine Eingangsempfindlichkeit von -120 dBm, das sind 10E-12 mW, oder 1 fW(!). Nun vergleich' das mal mit dem 1 µW der "leistungslosen" NF-Eingänge, dann wird klar, warum man hier alle verfügbare Leistung auch wirklich weitervearbeiten will.
Ein Grund Leistungen zu verwenden ist auch, dass es bei HF grundsätzlich schwierig ist, Spannungen zu messen, weil in jeder Leiterschleife spürbar Spannung induziert wird. D.h. das Ergebnis einer Sopannungmessung hängt bei HF stark davon ab, wie man misst.
M. Ossmann schrieb: > D.h. das Ergebnis einer > Sopannungmessung hängt bei HF stark davon ab, wie man misst. Oder auch: "Wer HF misst, misst Mist." ;-)
> Ein Grund Leistungen zu verwenden ist auch, dass es > bei HF grundsätzlich schwierig ist, Spannungen zu > messen, ... Nein. ( Leistungen lassen sich bei HF mindestens genauso schwierig messen, wie Spannungen. )
Was ich mir vorstellen kann ist, dass es bei Höchstfrequenz schwierig werden kann explizit Spannung zu messen, da irgendwann die Empfindlichkeit eines Diodendetektors bei fehlender Anpassung eng wird. Wir verwenden für die Leistungsmessung bis 18 GHz sowohl Diodendetektoren, als auch thermische und das je nachdem, ob stark oberwellenhaltige Messungen zu erwarten sind oder nicht. Dass sowas als nackte "Schaltung" beides nur grobe Schätzeisen sind, muss auch klar sein. Das wird im Grundgerät per Korrekturwerte für den Frequenzgang ausgebügelt und funktioniert solange, wie Abweichungen zueinander keine großen Ordnungen übersteigen. Insbesondere bei Feldsonden klappt man die Ohren an, wenn man sich die Messung mal bzgl. Frequenzgang und Linearität ohne Korrekturwerte ansieht.
Anderes Beispiel: in der NF-Technik könnte man (solange man nur Spannungen verarbeiten will, wie es erstmal in NF-Vorstufen ist) mit einem Trafo die Spannung hochtransformieren (bis zu einem gewissen Grad, dann machen sich andere Effekte bemerkbar wie in der HF), so daß man eine Spannungsverstärkung hätte. Geht gut, wenn vorhergehender Ausgang niederohmig, und nachfolgender Eingang hochohmig. In der HF-Technik hat man nun leider den Fall, daß der nachfolgende Eingang alles andere als hochohmisch ist, sondern eine gewisse Impedanz hat. Angenommen, Ausgang und Kabel haben 50Ohm, und Eingang eines Transistors 200Ohm. Da kannste nicht mehr beliebig mit einem kleinen Trafo die Spannung verstärkt an den nächsten Eingang liefern. Das Maximum erreichste nur noch bei Leistungsanpassung, wo du auch das Maximum an Spannung und Strom erreichst. In diesem Fall erreicht man Leistungsanpassung, wenn der Trafo eine Widerstandstransformation von 1:4 macht (50:200). Da die Widerstandstransformation quadratisch vom Übersetzungsverhältnis abhängt, erreicht man dies mit einem Übersetzungsverhältnis von 1:2, entsprechend die Spannung. Jedes andere Verhältnis würde die übertragbare P, und damit U und I am Eingang verringern. Auserdem ist eine Leistungsangabe immer widerstandunabhängig bei Anpassung. Strom und Spannung interessiert da nicht, und verwirrt nur, wenn man mit unterschiedlichen Impedanzen arbeiten müsste.
James schrieb: > kann mir evtl. jemand erklären, warum bei HF-Anwendungen stets > Leistungen anstatt von Spannungen verwendet werden ? "Stets" stimmt nicht ganz, aber "häufig" ist sicher richtig. Die zwei vorrangigen Gründe dafür sind: a) Bei schneller Zeitveränderlichkeit der Felder sind diese nicht mehr wirbelfrei, daher existiert häufig der Begriff der Spannung gar nicht. Die Potenzialdifferenz zwischen zwei Punkten ist nur bei wirbelfreien Feldern eindeutig bestimmt. In der HF-Technik denkt man daher weniger in den Netzwerkgrößen Spannung und Strom sondern eher in Feldern und Wellentypen (Moden). Ein Wellentyp transportiert eine gewisse Leistung, eine ortsabhängige Spannung kann einer Mode aber nur in Sonderfällen (leitungsgeführte TEM-Moden, Hohlleitermoden) sinnvoll zugeordnet werden. Ob man auf einer Leitung von Wirk- und Blindleistung oder von einer vorlaufenden und einer rücklaufenden Welle spricht, ist übrigens völlig äquivalent. Das letztere ist aber der Behandlung von Ausbreitungsvorgängen besser angepasst. b) Hochfrequenzsysteme sind meist Nachrichtenübertragungssysteme oder Sensorsysteme (z.B. Radar). Wie genau man im Empfänger ein Signal detektieren kann, hängt aber alleine von der ankommenden Signalenergie ab. Vor allem ist wichtig, wie stark sich das Signal vom Rauschen abhebt. Die Leistung gibt an, wieviel Energie pro Zeit ankommt, wie lange man also ggf. warten (integrieren) muss, bis man genug Signalenergie für eine Detektion gesammelt hat. Deshalb interessieren bei der Pegelplanung in solchen Systemen vorrangig die Leistungen, denn die Leistungen sind die eigentlichen physikalischen Erhaltungsgrößen. Leistung kann man weder aus dem Nichts erzeugen noch kann man sie vernichten. Spannungen alleine sagen dagegen wenig über den Leistungsfluss aus, denn eine Spannung kann das Ergebnis der Überlagerung mehrerer Wellen sein, von denen meist nur eine das Nutzsignal darstellt. Außerdem kann man Spannungen durch bloße Impedanztransformation, also durch passive Elemente, anheben. Mit der Leistung geht das nicht. Daher erhält die Leistung mehr Aufmerksamkeit. Also zusammenfassend: In der HF-Technik hörst du so häufig "Leistung", weil man eher in sich ausbreitenden Wellen denkt und weil die Signalleistung (genauer: die angesammelte Energie zum Abtastzeitpunkt) das einzig entscheidende für den fehlerfreien Empfang einer gesendeten Nachricht ist.
James schrieb: > kann mir evtl. jemand erklären, warum bei HF-Anwendungen stets > Leistungen anstatt von Spannungen verwendet werden ? Man kann Leistungen besser Messen. MfG!
Hallo, die Angabe von Leistungen ist viel übersichtlicher in einem HF-Lineup, da aufgrund der Leistungsanpassungen zwischen den Stufen - wie DL8DTL schon schrieb - oft unterschiedliche Impedanzen vorliegen. Bei der Angabe von Spannungen muß also immer die Impedanz berücksichtigt werden, um die Leistung zu berechnen. Man benötigt immer zwei Werte; das ist ziemlich mühsam. Bei der direkten Angabe von Leistungen, z.B. in einem Empfangspfad, kann man direkt die Dämpfung oder Verstärkung einer jeden Stufe ablesen/messen. Das ist für einen Pegel-/Dynamikplan z.B. viel einfacher zu berechnen und zu überblicken, insbesondere da die Leistungen dort logarithmisch angegeben werden und mit jeder Stufe nur eine Addition/Subtraktion der Verstärkung/Dämpfung vorgenommen werden muß. Zusammenfassend: Die Leistung ist die eigentlich interessante Metrik (siehe auch Plasmon oben, Leistung am Mikrofon bis zur Leistung an der Sendeantenne zur Leistung an der Empfangsantenne zu Lautsprecher des Empfängers), die unabhängig von der vorliegenden Impedanz ist. Bei Spannungen muß immer noch ein zweiter Wert, nämlich die Impedanz angegeben werden, sonst kann man nichts damit anfangen. Viele Grüße! Gerrit, DL9GFA
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