Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Bipolartransistor, Querstrom + Kollektorstrom


von Jan K. (jan_k)


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Hey Leute :)

Habe hier mal zwei grundsätzliche Fragen.

In unseren Übungsaufgaben ist immer die Angabe des Querstromfaktors 
gegeben. Meistens ist der Basisstrom so 1/10 des Querstroms. Diese 
Angabe fehlt natürlich in den Datenblättern. Ich benötige die Angabe 
aber, um meine Querwiderstände zu dimensionieren.
Woher kommt denn die Forderung des Faktors 5..10? Kann ich davon bei 
jedem Transistor ausgehen? Wieso muss denn der Querstrom überhaupt so 
viel größer sein, immerhin fließt ja dann dauerhaft ein (relativ 
kleiner) Gleichstrom.

Und die 2. Frage:
Auf was lege ich den Kollektorstrom fest? Wenn das Datenblatt sagt 
I_Cmax=2A, kann ich den dann dauerhaft mit 1A betreiben? Auch hier 
fließt ja dann ein entsprechend großer Gleichtrom, wenn der Transistor 
durchgeschaltet ist.
Eigentlich tut sich mir auch gerade die Frage auf, warum überhaupt ein 
solcher Strom fließen soll, immerhin wird der Gleichstromanteil eh von 
einem Koppelkondensator ausgekoppelt. Kann meine Wechselstromverstärkung 
auch bei niedrigerem I_C aufrecht erhalten werden?

vielen Dank!

von haeh (Gast)


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ich nehm mal an, dass du noch relativ unwissend bist was transistoren 
angeht, ich bin zwar kein guru, aber ich glaube ich kann dir ein 
bisschen weiterhelfen:

Der Querstrom zur Arbeitspunkteinstellung der Basisspannung ist 
natürlich in keinem Datenblatt vorgegeben, hat ja mit dem Transistor 
direkt auch nichts zu tun, der Strom fließt ja nicht durch den BJT.
Man nimmt hier (je nach Lust und Laune) typischerweise den 10fachen Wert 
des Basisstromes, einfach nur deswegen um ihn >> zu haben als den 
Basisstrom. Ein schwankender Basisstrom soll halt den Arbeitspunkt nicht 
beeinflussen, daher nimmt man ihn eine Dekade größer.

2. Frage: Kleinsignaltransistoren, die für solche einfachen 
Verstärkeraufgaben üblicherweise benutzt werden, haben normalerweise 
keinen max. Strom von 2 A. Der BC 547 z.B. hat Ic,max =  100mA. 
Dauerhaft hält er das nicht aus. (Vor allem wegen der Abwärme). Hier 
würde man vielleicht 10mA oder 20mA als Kollektorstrom für den 
Arbeitspunkt einstellen. Oder auch 1mA.
Vielleicht gibts da auch noch genauere Regeln, so haben wir das halt an 
der FH gemacht.

Wenn du für die Signalverstärkung einen fetten BJT verwenden willst (ist 
er dafür überhaupt geeignet/sinnvoll?) wirst du sicherlich auch einen 
höheren Ic verwenden müssen, damit er im Verstärkerbetrieb arbeitet. 
Dabei immer beachten, dass er nicht den Hitzetod stirbt, dann passt 
alles.

von Wilhelm F. (Gast)


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haeh schrieb:

> Vielleicht gibts da auch noch genauere Regeln, so haben wir das halt an
> der FH gemacht.

An der FH hat man natürlich Fächer wie Halbleitertechnik und Elektronik, 
wo der Transistor schon etwas detaillierter behandelt wird, als in einer 
Elektronikerausbildung. Es gibt da auf jeden Fall reichlich Literatur, 
und für Bastler im Internet sicher auch eine Menge Tutorials (ohne daß 
ich jetzt mal danach suche).



Jan K. schrieb:

> Woher kommt denn die Forderung des Faktors 5..10?

Den Querstrom mit Faktor 10 lernte ich schon 1976 als Azubi bei der Post 
so, das hat sich als praxisnah und tauglich bewährt. Er stabilisiert die 
Schaltungseigenschaften. Irgend jemand fand die 10 mal als brauchbar, 
und nicht die 20, nicht die 8, und nicht die 13. Ein höherer Faktor 
würde die Verlustleistung der Schaltung erhöhen, und ein niedrigerer 
Faktor die Stabilität verschlechtern. Mag sein, daß man es in ganz 
speziellen Fällen mal braucht. Mit den exakten Übertragungsfunktionen, 
e-Funktion mit ein paar phykikalischen Konstanten, rechnet der Azubi 
nicht. Auch nicht mit Ersatzschaltungsmodellen und H-Parametern. Erst 
recht nicht mit exakten Maschengleichungssystemen, in denen man die 
Übertragungsfunktionen anwendet. Es geht aber auch so, das reicht oft 
für die Praxis, um ein Gerät zu reparieren.

> Auf was lege ich den Kollektorstrom fest?

Ein bipolarer Transistor hat in der Regel seine beste Verstärkung bei 
1/3 bis 1/2 Maximalstrom. Wer es genauer wissen möchte, kann mal nach 
Gumble-Poon-Modell über die Suchmaschine suchen. In den Datenblättern 
stehen auch schon mal Kenndaten mit 1/10 des maximalen Kollektorstromes.

In der Praxis betreibt man einen Transistor nie an seinen maximal 
zulässigen Grenzdaten, sondern vielleicht bei der Hälfte. Oder wie es 
sonst benötigt wird. Aus dieser Betrachtung wählt man dann die benötigte 
Transistorgröße. Deswegen gibt es ja auch Tabellenbücher mit hunderten 
und tausenden Typen, haben alle ihre Berechtigung. Viele Stromregler 
verwenden z.B. den 2N3055, der 15A kann, aber vielleicht mit 1-2A 
betrieben wird. Und mit 20W anstatt der maximalen 115W. Denn der 
Baustein ist Massenware, und billig.

Die BC547 z.B. gehören zu den Kleinsttransistoren mit einem Maximalstrom 
von 100mA. Darunter gibt es kaum noch Abstufungen, gelegentlich findet 
man noch einen exotischen Typ mit 10mA oder 50mA. Trotzdem werden die 
aber auch noch für alle Ströme eingesetzt, und wenn es 1mA ist.

Im Grunde kann man auch einen 2N3055 als Kleinsttransistor betreiben, 
aber der hat dann ein paar andere Nachteile (Baugröße, Rauschen, 
schlechteste Verstärkung, Transitfrequenz, etc.).

Zur Zeit beschäftigen mich Transistoren auch wieder. Und zwar öffnete 
ich vor ein paar Tagen einen integrierten Quarzoszillator, um die 
Schaltung zu analysieren. Die Hersteller haben da keine Informationen, 
das Ding soll nur gut funktionieren. Innen befinden sich 2 gleiche 
Transistoren, einer für den Oszillator, und einer für den Endverstärker 
mit vielfacher Leistung des Oszillators. Das geht also.

In meiner Ausbildungszeit betrachteten wir unter Azubis nur den größten 
Leistungstransistor als vernünftig, alles andere war mickrig. Woanders 
braucht man einen mit der höchsten Frequenz, nicht der höchsten 
Leistung. Wir hatten eben, ehrlich gesagt, keine Ahnung. ;-)

von Jan K. (jan_k)


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Danke für die Antworten liebe Leute :)

Wieso genau muss ich eigentlich überhaupt einen festen Kollektorstrom 
vorgeben? Wie gesagt, der wird ja nicht am Ausgang verwendet bzw 
ausgekoppelt. Oder stellt Ic "nur" die Verstärkung des des Transistors 
ein?

Danke :)

von Wilhelm F. (Gast)


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Jan K. schrieb:

> Wieso genau muss ich eigentlich überhaupt einen festen Kollektorstrom
> vorgeben? Wie gesagt, der wird ja nicht am Ausgang verwendet bzw
> ausgekoppelt.

Irgendwo muß man bei einem Vorhaben in einer Schaltung mal eine Vorgabe 
machen, irgendwo anfangen, was man eigentlich überhaupt bezwecken 
möchte. Eine Verstärkung möchte man auf jeden Fall erreichen, sonst 
brauchte man keinen Transistor. Der Kollektorstrom ist da oft das 
Naheliegendste als Ausgangsbasis. Und danach berechnet man dann 
Basisstrom und den Basisvorwiderstand. Und den Querstrom.

> Oder stellt Ic "nur" die Verstärkung des des Transistors
> ein?

Deine Verstärkung ist ja dann das Verhältnis IC/IB. Wonach man IB und 
den Basisvorwiderstand dann berechnet. Und aus dem Basisstrom dann den 
10-fachen Querstrom mit den Widerständen.

Selbstverständlich funktioniert deine Transistorschaltung mit 
Basisvorwiderstand und Querstrom auch, wenn der Kollektor überhaupt noch 
gar nicht angeschlossen ist. So weit seid ihr vielleicht noch nicht. Da 
spielt dann nur erst mal die Basis-Emitter-Strecke eine Rolle.

> Diese
> Angabe fehlt natürlich in den Datenblättern.

Oft ist da ein maximaler Kollektorstrom angegeben. Und eine 
Stromverstärkungskurve. Da kann man den Basisstrom dann selbst 
ermitteln.

Ich vermisse in neueren Datenblättern oft die so genannte 
Fächerkennlinie im ersten Quadranten, eine Kennlinienschar. Daraus kann 
man I_C über U_CE ablesen, bei den verschiedenen Basisströmen. Und nach 
der alten grafischen Methode mit Bleistift und Papier den Arbeitspunkt 
fest legen. Simulatoren wie PSPICE oder LTspice können das auch. Aber, 
das ist wohl noch alles nichts für dich, nur mal eine Randbemerkung.

Datenblätter sah ich in meiner Ausbildung damals nie, das war schwierig. 
Internet gab es da noch lange nicht. Da seid ihr heute besser dran.

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