Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Fortschritt in der Analogtechnik


von Lukas K. (carrotindustries)


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Hallo,
das HP3458A (8,5 Stellen, 0,0004% DC-Genauigkeit) ist mittlerweile >20 
Jahre alt, ist aber auch noch heute eines der Besten DMMs. Merkwürdig, 
oder? Bei Skops gab es in den letzten Jahren immer wieder neue 
Bandbreiten und Waveforms/sec Rekorde zu beobachten, um DMMs blieb es 
still. Ist mit dem 3458A das Ende der Fahnenstange (physikalische 
Grenzen) erreicht, oder braucht einfache keiner eine höhere 
Auflösung/Genauigkeit? In der Herstellung von Halbleitern werden heute 
auch Dinge erreicht, die man vor 20 Jahren für physikalisch unmöglich 
gehalten hätte. Warum also nicht auch in der Analogtechnik. Nennenswert 
günstiger scheinen die genauen DMMs auch nicht geworden zu sein?

von M. K. (sylaina)


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Luk4s K. schrieb:
> oder braucht einfache keiner eine höhere
> Auflösung/Genauigkeit?

Hiermit triffst du sehr gut den Kern. Wann braucht man denn schon eine 
höher Genauigkeit oder Auflösung als 0.1% (bei 1V würde das 1 mV 
bedeuten, also gemessen hätte man 1.000V ± 0.001V, wann ist der 
Unterschied zwischen 1.001V und 0.999V interessant?)? Und dein hier 
angesprochenes DMM kann 0.0004%. So eine hohe Genauigkeit wie auch 
Auflösung wird in den seltensten Fällen benötigt, meist genügt 1% oder 
noch schlechter.
Mit Skopes ist das was anderes, hier reden wir aber auch nur über die 
Bandbreite, die ist höher geworden weil einfach die allgemeinen 
Taktraten höher geworden sind. Die Genauigkeit bzgl. Amplitude hat sich 
auch bei den Skopes nicht groß geändert.

von Harald Wilhelms (Gast)


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Michael Köhler schrieb:
> Luk4s K. schrieb:
>> oder braucht einfache keiner eine höhere
>> Auflösung/Genauigkeit?
>
> Wann braucht man denn schon eine
> höher Genauigkeit oder Auflösung als 0.1%

Wenn man ein Josephson Spannungsnormal nachmessen will. :-)
Gruss
Harald

von MaWin (Gast)


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Man könnte genauere DMM schon gebrauchen,
wenn man z.B. Millikelvin mit Thermoelementen oder Pt100 nachmessen 
will, aber wie du selbst sagst, gibt es da physikalische Limits:
Widerstände rauschen und Kontakte erzeugen Thermospannungen.
Da sind diese Messgeräte so nah dran, daß jede unüberlegte Messung zum 
grossen Teil verfälscht wird.
Ausserdem sind interne Referenzspannungen nicht genauer geworden,
und ohne Vergleichssmassstab findet sich kein Messgerät.
Versuch einfach nur mal einen Spannungsteiler 0,0004% genau aufzubauen, 
du wirst scheitern.

von Lukas K. (carrotindustries)


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MaWin schrieb:
> Versuch einfach nur mal einen Spannungsteiler 0,0004% genau aufzubauen,
> du wirst scheitern.
Prinzipiell geht das schon, wird nur überproportional teuer. 
http://us.flukecal.com/products/electrical-calibration/electrical-standards/720a-kelvin-varley-divider

Wie steht es denn so um Switched-Cap Teiler?

von Arc N. (arc)


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Michael Köhler schrieb:
> Luk4s K. schrieb:
>> oder braucht einfache keiner eine höhere
>> Auflösung/Genauigkeit?
>
> Hiermit triffst du sehr gut den Kern. Wann braucht man denn schon eine
> höher Genauigkeit oder Auflösung als 0.1% (bei 1V würde das 1 mV
> bedeuten, also gemessen hätte man 1.000V ± 0.001V, wann ist der
> Unterschied zwischen 1.001V und 0.999V interessant?)? Und dein hier
> angesprochenes DMM kann 0.0004%. So eine hohe Genauigkeit wie auch
> Auflösung wird in den seltensten Fällen benötigt, meist genügt 1% oder
> noch schlechter.

Kommt drauf an wer, was messen will... Alles andere als selten sind beim 
Messen mit RTDs Anforderungen von +-10 mK und bei Thermoelementen +-100 
mK (Genauigkeit, nicht Auflösung)
100 mK entsprechen je nach Thermoelement ~500 nV bis ~4 uV was etwa eine 
Ungenauigkeit der Referenz von 10 ppm bis 80 ppm zulässt (Kalibrierung, 
Langzeitdrift, Temperaturdrift etc.)

von Lukas K. (carrotindustries)


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Und wofür braucht man eine derart genaue Temperaturmessung? 
Chemische/Biologische Prozesse? Temperieren von Zener-Referenzen?

von Arc N. (arc)


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MaWin schrieb:
> Man könnte genauere DMM schon gebrauchen,
> wenn man z.B. Millikelvin mit Thermoelementen oder Pt100 nachmessen
> will, aber wie du selbst sagst, gibt es da physikalische Limits:
> Widerstände rauschen und Kontakte erzeugen Thermospannungen.

RTDs genauer zu messen ist machbar z.B. ASL F900 1), 3) oder Isotech 
microK 100 2)
Das genauste für Thermoelemente ist mWn. das microK 100 von Isotech 
+-250 nV Messunsicherheit.

> Da sind diese Messgeräte so nah dran, daß jede unüberlegte Messung zum
> grossen Teil verfälscht wird.
> Ausserdem sind interne Referenzspannungen nicht genauer geworden,
> und ohne Vergleichssmassstab findet sich kein Messgerät.
> Versuch einfach nur mal einen Spannungsteiler 0,0004% genau aufzubauen,
> du wirst scheitern.

Richtig.
Ein paar Informationen wie die Teile aufgebaut sind gibt's unter
http://www.microk.co.uk/
und
http://www.hpl.hp.com/hpjournal/pdfs/IssuePDFs/1989-04.pdf
(3458a)

1) http://www.aslltd.co.uk/products/thermometry-bridges/f900.htm
2) 
http://www.isotech.co.uk/products/thermometry-bridges/microk/microk-precision-thermometry-bridge.php
3) 
http://www.aslus.com/uploads/Strouse_Ratio_Bridge_Assessment_TS2002.pdf

von Harald Wilhelms (Gast)


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Luk4s K. schrieb:
> Und wofür braucht man eine derart genaue Temperaturmessung?
> Chemische/Biologische Prozesse? Temperieren von Zener-Referenzen?

z.B. zur Kalibrierung von Endmaßen. Das entsprechende Labor der
PTB wird auf wenige mK genau temperiert.
Aber auch andere Kalibriermessungen benötigen präzise Temperatur-
messungen. Wobei es oft auch reicht, die Temperaturunterschiede
innerhalb eines Meßaufbaus zu kennen. Manchmal reicht es auch, den
Temperatureinfluß rauszurechnen. Dazu muss man natürlich die
Temperatur vorher genau messen. Siehe z.B. auch Edlen-Formel
für Längenmessungen. BTDT.
Gruss
Harald

von Wolfgang-G (Gast)


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>Und wofür braucht man eine derart genaue Temperaturmessung?
z.B. in der Thermoanalytik
MfG

von Ralph B. (rberres)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Das entsprechende Labor der
>
> PTB wird auf wenige mK genau temperiert

Halte ich für ein Gerücht. Dann dürfte niemand mehr das Labor betreten.

Aber was durchaus warscheinlich ist, das Calibriernormale im Gehäuse so 
genau temperiert sind.

Es gibt ein HP Quarzofen, der intern auf 10mC genau temperiert ist.

8,5 Stellen bei 1 Digit Genauigkeitbei einer Spannungsmessung dürfte zur 
Zeit die physikalisch erreichbare Grenze darstellen.

Ralph Berres

von Harald Wilhelms (Gast)


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Ralph Berres schrieb:
> Harald Wilhelms schrieb:
>> Das entsprechende Labor der
>>
>> PTB wird auf wenige mK genau temperiert
>
> Halte ich für ein Gerücht. Dann dürfte niemand mehr das Labor betreten.

Während der Messung ist auch keiner drin. Aber irgendwann muss man
ja die gemessenen Stücke wieder rausholen. :-)
Gruss
Harald

von M. K. (sylaina)


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Arc Net schrieb:
> Kommt drauf an wer, was messen will... Alles andere als selten sind beim
> Messen mit RTDs Anforderungen von +-10 mK und bei Thermoelementen +-100
> mK (Genauigkeit, nicht Auflösung)

Und das bei welchem Messbereich? 100K? 1000K? Das wären dann 0,01% bzw. 
0,001% (bezogen auf 1000K ±10mK)...und diese Genauigkeit braucht man 
schon extrem selten. Und hier wird ein Vergleichsmessgerät von 0,0004% 
Genauigkeit angeführt...man brauchts einfach nicht genauer weshalb DMMs 
da wohl seit 20 Jahren fest sitzen ;)

von U. B. (Gast)


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> Kommt drauf an wer, was messen will... Alles andere als selten sind beim
> Messen mit RTDs Anforderungen von +-10 mK und bei Thermoelementen +-100
> mK (Genauigkeit, nicht Auflösung)

Die Temperaturmessung macht man bei nicht besonders hochpräzisen 
Messaufbauten schon automatisch mit ...   ;-)

von Mathias J. (mjpdx)


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MaWin schrieb:
> Man könnte genauere DMM schon gebrauchen,
> wenn man z.B. Millikelvin mit Thermoelementen oder Pt100 nachmessen

wie will man mit einem PT100 mK messen wenn die eine Toleranz von, je 
nach Klasse, ein paar 100mK haben?

von Arc N. (arc)


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Michael Köhler schrieb:
> Arc Net schrieb:
>> Kommt drauf an wer, was messen will... Alles andere als selten sind beim
>> Messen mit RTDs Anforderungen von +-10 mK und bei Thermoelementen +-100
>> mK (Genauigkeit, nicht Auflösung)
>
> Und das bei welchem Messbereich? 100K? 1000K? Das wären dann 0,01% bzw.
> 0,001% (bezogen auf 1000K ±10mK)...und diese Genauigkeit braucht man
> schon extrem selten. Und hier wird ein Vergleichsmessgerät von 0,0004%
> Genauigkeit angeführt...

100 mK bei Typ K Thermoelementen entsprechen ~ 4 uV oder 4 ppm bezogen 
auf 1 V beim 3458a...
10 mK bei einem PT100 entsprechen etwa 0.00385 Ohm, das 3458a hat im 
Bereich 1kOhm eine Genauigkeit von ~8 ppm (90 Tage) 1kOhm/1M * 8 = 0.008 
Ohm ~ 21 mK
http://cp.literature.agilent.com/litweb/pdf/5965-4971E.pdf

von Harald Wilhelms (Gast)


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Mathias Jt schrieb:
> MaWin schrieb:
>> Man könnte genauere DMM schon gebrauchen,
>> wenn man z.B. Millikelvin mit Thermoelementen oder Pt100 nachmessen
>
> wie will man mit einem PT100 mK messen wenn die eine Toleranz von, je
> nach Klasse, ein paar 100mK haben?

Das geht nur, wenn jeder PT100-Fühler einzeln kalibriert wird;
dann kann man aber auch Billigfühler nehmen. Bei der Präzisions-
Messtechnik ist es völlig egal, ob man einen PT99 oder einen
PT101 hat, Hauptsache, man weiss, wieviel er wirklich hat. :-)
Für Kalibrierungen im mK-Bereich nimmt man allerdings sowieso
PT25.
Gruss
Harald

von Arc N. (arc)


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Beitrag "Re: Fortschritt in der Analogtechnik"
Kleiner Nachtrag...
bezogen auf eine konkrete Temperatur sieht das 3458a z.T. zwar deutlich 
besser aus, es zeigt aber, dass das Gerät auch dort Grenzen hat, die von 
dafür geeigneteren Geräten deutlich übertroffen werden.

von M. K. (sylaina)


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Arc Net schrieb:
> 10 mK bei einem PT100 entsprechen etwa 0.00385 Ohm, das 3458a hat im
> Bereich 1kOhm eine Genauigkeit von ~8 ppm (90 Tage) 1kOhm/1M * 8 = 0.008
> Ohm ~ 21 mK

Das mag ja sein aber noch mal: Wann brauch ich eine solch hohe 
Genauigkeit? Wann muss ich denn mal schon nur z.B. 10K auf diese 21 mK 
genau messen? Und hier hätten wir dann eine lächerliche Genauigkeit von 
0,21%.
Man kann DMMs heute sicher mit höherer Genauigkeit bauen als vor 20 
Jahren aber diese Genauigkeit braucht kein Schwein. Warum sollte man 
also nicht unerhebliche Energie in etwas stecken, das später eh keiner 
kauft weils niemand braucht?

von Harald Wilhelms (Gast)


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Michael Köhler schrieb:
> Arc Net schrieb:
>> 10 mK bei einem PT100 entsprechen etwa 0.00385 Ohm, das 3458a hat im
>> Bereich 1kOhm eine Genauigkeit von ~8 ppm (90 Tage) 1kOhm/1M * 8 = 0.008
>> Ohm ~ 21 mK
>
> Das mag ja sein aber noch mal: Wann brauch ich eine solch hohe
> Genauigkeit? Wann muss ich denn mal schon nur z.B. 10K auf diese 21 mK
> genau messen? Und hier hätten wir dann eine lächerliche Genauigkeit von
> 0,21%.
> Man kann DMMs heute sicher mit höherer Genauigkeit bauen als vor 20
> Jahren aber diese Genauigkeit braucht kein Schwein. Warum sollte man
> also nicht unerhebliche Energie in etwas stecken, das später eh keiner
> kauft weils niemand braucht?

Das mag vielleicht für Hobby-Bastler gelten. Als Entwicklungsingenieur
wirst Du aber immer wieder Anwendungen haben, wo es etwas genauer sein
muss. Ein typisches (nicht analoges)Beispiel: Navis funktionieren nur
deshalb, weil in den Satelliten Atomuhren sitzen. Alle anderen Oszil-
latoren wären viel zu ungenau.
Gruss
Harald

von Anja (Gast)


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Luk4s K. schrieb:
> Wie steht es denn so um Switched-Cap Teiler?

Das Problem das Du damit hast ist der Ladungstransfer in den Schaltern. 
Liegt im Bereich um 1-10 pCb. Ein 1uF-Kondensator hat da schnell ein 
paar uV Abweichung. Mit 1-2 ppm Fehler mußt Du rechnen.

Einen KVD kannst Du bis auf 0.1 ppm trimmen.

Gruß Anja

von Lukas K. (carrotindustries)


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Anja schrieb:
> Einen KVD kannst Du bis auf 0.1 ppm trimmen.

Die INL des 3458A - welch ein Zufall ;)

von Physiker (Gast)


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Luk4s K. schrieb:
> Und wofür braucht man eine derart genaue Temperaturmessung?

Z.B. in der Ozeanographie für die Feldforschung zur Bestimmung von 
Temperaturgradienten im Ozean, die u.a. den Antrieb für die Zirkulation 
darstellen.

von M. K. (sylaina)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Das mag vielleicht für Hobby-Bastler gelten. Als Entwicklungsingenieur
> wirst Du aber immer wieder Anwendungen haben, wo es etwas genauer sein
> muss.

Deshalb reicht einem Hobbybastler idR auch ein DMM mit 1% Genauigkeit, 
dem Entwicklungsingenieur reichen DMMs mit vielleicht 0.1 oder 0.01% 
Genauigkeit. Die Frage war doch warum es seit 20 Jahren kein DMM gibt, 
dass besser als 0.0004% Genauigkeit ist und hier postuliere ich, dass es 
genauer einfach keine Sau braucht, auch kein Entwicklungsingenieur.
Um es mit den Worten meines Regelunstechnik-Profs zu sagen: Die erste 
Nachkommastelle ist interessant, die zweite fragwürdig und die dritte 
indiskutabel. Und das gilt für locker 99.9% der in der Industrie 
bestehenden Entwicklungen und Anwendungen.

von GB (Gast)


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Michael Köhler schrieb:
> Die Frage war doch warum es seit 20 Jahren kein DMM gibt,
> dass besser als 0.0004% Genauigkeit ist

Doch, gibt es:

http://www.fluke.com/Fluke/dede/Tischinstrumente/Labor-Multimeter/8508A.htm?PID=55424

Michael Köhler schrieb:
> hier postuliere ich, dass es
> genauer einfach keine Sau braucht,

Offensichtlich doch.

von Oktoberfestbesucher (Gast)


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1. DVM's wie das 3458a werden z.B. auch in der Grundlagenforschung 
benutzt.
Irgendeine physikalische Größe wird in einen elektrischen Wert 
gewandelt, der dann zu messen ist.

2. Auflösung muß nicht immer zwangsläufig auch Genauigkeit heissen.
Man interressiert sich auch für Tendenzen.
Wenn ich z.B. eine Temperatur messe und ich mich für die 
Temperaturänderung pro Zeiteinheit interressiere helfen mir die 
zusätzlichen 5 Stellen die ein 3458a gegenüber einem 3 1/2 stelligen 
Baumarkt-DVM bietet weiter.
Auch wenn einige dieser zusätzlichen 5 Stellen nicht exakt stimmen!

von Falk B. (falk)


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