Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Bestimmen einer Regelstrecke


von Flo (Gast)


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Hallo zusammen,

folgendes Problem: Ich habe gerade etwas Schwierigkeiten die Theorie 
über die Bestimmung einer Regelstrecke in die Praxis umzusetzen...

Ich möchte eine Regelstrecke identifizieren. Dies kann ich ja laut 
Theorie im offenen Regelkreis mit einem Einheitssprung von 0 auf 1 
machen, indem ich dann die Ausgangsgröße aufzeichne. Soweit so gut. Nun 
stellt sich mir aber folgendes Problem...

Als Beispiel soll die Temperaturregelung eines Lötkolbens herangezogen 
werden. Die Heizung des Lötkolbens kann ich meinetwegen mit einer PWM 
mit 200 Stufen ansteuern. Dies ist dann also meine Stellgröße. Wenn ich 
nun einen Einheitssprung als Wert 1 an die Stellgröße schicke, dann wird 
sich vermutlich nicht viel im Lötkolben regen. Wenn ich als 
Einheitssprung den vollen Stellgrößenbereich nutze, also die Stellgröße 
auf volle Pulle, dann wird der Lötkolben wahrscheinlich überhitzen und 
evtl. sterben ;-(
Wie gehe ich nun hier vor?

Problem verstanden? Meine logischste Variante sieht folgendermaßen aus:
Ich gebe dem Lötkolben eine Stellgröße von bspw. 20 vor und warte bis 
dieser in seiner Temperatur stabil ist. Anschließend erhöhe ich den Wert 
auf bspw. 40 und zeichne die Temperaturänderung auf und bestimme daraus 
die Regelgröße. Kann man dies so machen oder gibt es bessere 
Vorgehensweisen?

Bin für jeden Gedankenanstoß dankbar!!!
Flo

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Flo schrieb:
> Einheitssprung von 0 auf 1

EINS ist eine normierte Größe und bedeutet Vollausteuerung.

von Flo (Gast)


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Das denke ich ja auch und das würde auch Sinn machen, aber wie gesagt. 
Wenn ich den Beispiellötkolben voll ansteuere also den vollen PWM-Wert 
anlege. Dann wird dieser schnell überhitzen, da bei allen Lötkolben die 
ich kenne bei der maximalen Temperatur nie die volle Leistung anliegt 
(beim Hochheizen natürlich schon). Dies sieht man daran, dass bei 
konstanter Endtemperatur die Heiz-PWM-LED nur noch schwach gepulst wird.
Genau hier liegt ja mein Problem... wie gehe ich in so einem Fall vor?

Danke Flo

von Mane (Gast)


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Flo schrieb:
> Problem verstanden? Meine logischste Variante sieht folgendermaßen aus:
> Ich gebe dem Lötkolben eine Stellgröße von bspw. 20 vor und warte bis
> dieser in seiner Temperatur stabil ist. Anschließend erhöhe ich den Wert
> auf bspw. 40 und zeichne die Temperaturänderung auf und bestimme daraus
> die Regelgröße. Kann man dies so machen oder gibt es bessere
> Vorgehensweisen?

Ja das kann man so machen! Du hast damit den Vorteil, dass du auch ggf. 
ein nichtlineares Streckenverhalten identifizieren könntest (sofern 
notwendig) und somit unterschiedliche Reglerparameter für die jeweiligen 
Arbeitspunkte erhältst!

Natürlich darf deine Strecke nicht durch die Anregung zerstört werden 
(also in deinem Falle überhitzen)!

Deine Streckenverstärkung erhältst du dann aus

Temperaturdifferenz (im stationären Zustand)
--------------------------------------------
            Stellgrößenänderung

Die Steckenzeitkonstante und Totzeit aus der graphischen Auswertung der 
Sprungantwort!

Danach könntest du mit den bekannten Einstellregeln nach 
Chien/Hrones/Reswick die Reglerparameter grob bestimmen...

Gruß Mane

von Flo (Gast)


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Ja super! Vielen Dank! Dies schien mir auch der einzig plausieble Weg 
aus meinem Gedankenproblem...

Flo

von Ulrich P. (uprinz)


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Wenn man über einen Regler etwas steuert, das übersteuert kaputt geht, 
dann sollte man unabhängig einen Kontrollmechanismus einbauen, der den 
Regler übersteuert.

Also der Regler soll ja so abgestimmt werden, dass er den Lötkolben 
optimal aufwärmt (also eventuell für eine erlaubte Zeit sogar 
übersteuert) und dann die eingestellte Temperatur hält. (eventuell sind 
sogar zwei verschiedene Parameterstätze für den PI(D) sinnvoll).

Ein nachgeschalteter Mechanismus sollte nun sicherstellen, dass die Max. 
Leistung nur eine bestimmte Zeit auf das Heizelement geschaltet ist.
Sonst kann diese Schaltung entweder die Stellgröße hart verringern, oder 
eben abschalten.

Das hilft ungemein, denn dann kann man seine ganzen Regel-Parameter so 
lange trimmen, bis alles optimal ist und totzdem die Hardware nicht 
beschädigt wird.

Und dann sollte man den Mechanismus auch dann drinn lassen, wenn alles 
augenscheinlich funktioniert, denn man kann in wenigen Tests nie alle 
möglichen Störquellen finden, die den Regler ausrasten lassen. 
(Fühler-Bruch oder -Kurzschluss, ungew. Start-Temperatur, kritische 
Spannungsversorgung, Race-Condition in der Software, singed/unsigned 
Overflow...)

Gruß, Ulrich

von Andreas H. (heilinger)


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Hallo,

neben der Regleroptimierung von Chien/Hrones/Reswick gibt es auch die 
Regleroptimierung nach Ziegler und Nichols.

Diese kannst du dir bei wikipedia durchlesen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Faustformelverfahren_%28Automatisierungstechnik%29

Diese ist allerdings nur möglich, wenn eine Übertemperatur keinen 
Schaden anrichtet.

Kurze Erläuterung wies funktioniert:
Anhand eines P-Reglers bringst du die Strecke (Temperatur) zum 
Schwingen. Dies erreichst du durch Änderung des P-Faktors. Aus der 
Schwingung lassen sich dann dementsprechend die Reglergrößen nach einer 
Faustformel ermitteln.

von Manfred T. (mane_t)


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Hi,

und hat es funktioniert?

Gruß Mane

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