Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Bauteil soll nach Datenblatt 17Stunden gebacken werden.


von Rüdiger (Gast)


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Guten Tag.

Ich habe mal eine Frage zu einer Stelle in einem Datenblatt.

Beim FT232R heißt es im Datenblatt
http://www.ftdichip.com/Support/Documents/DataSheets/ICs/DS_FT232R.pdf

auf (Seite 17):
1
* If devices are stored out of the packaging beyond this time limit
2
the devices should be baked before use. The devices should be ramped up to
3
a temperature of 125°C and baked for up to 17 hours.

Verstehe ich das richtig das der Chip, sollte er bereits über 168 
Stunden ausserhalb der Verpackung gewesen sein 17Stunden lang gebacken 
werden soll?

Wozu ist das gut, was passiert dabei?

von Guest (Gast)


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Dabei wird eventuelle Feuchtigkeit aus dem Chip "gebacken". Dies ist 
beim Reflow-Löten wichtig, da sonst der Chip platzen kann. Dies ist aber 
bei allen SMD-Bauteilen so.
Ich nehme mal an, du lötest die Bauteile per Hand. Dann brauchst du das 
nicht zu machen, da die Hitze nur partiell an den Beinchen ist.

von Johannes O. (jojo_2)


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Die Chip-Gehäuse sind leicht hygroskopisch und ziehen Feuchtigkeit an.
Wenn sie danach verlötet werden (also industriell), dann werden sie sehr 
schnell erwärmt. Das Wasser verdampft schlagartig und kann dabei das 
Chip-Gehäuse beschädigen.
Das Backen soll dieses Wasser schon davor raustreiben.

Für den Privatbereich wohl eher irrelevant. Lagere viele Bauteile offen 
und bei mir ist dieses Problem noch nicht begegnet. Ich löte aber auch 
per Hand.

von Rudi Sparfuchs (Gast)


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> Die Chip-Gehäuse sind leicht hygroskopisch und ziehen Feuchtigkeit an.
Warum stellt die Industrie denn erst so einen Mist her? Nehmen die 
recyclefähige Kunststoffabfälle (=Plaste - für unsere ostdeutschen 
Freunde) oder wird da etwa der bei anderen chemischen Prozessen 
entstehende "Abfall-Kunststoff" verwandt? Oder ist es u.a. gar der am 
Ende entstehende Cracking-Abfall der Mineralölindustrie, nach dem Motto: 
hauptsache billig?

von JoergL (Gast)


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Rudi Sparfuchs schrieb:
> Warum stellt die Industrie denn erst so einen Mist her?
> ..

Es gibt Chips auch im 100% dichten Aluminiumnitrid-Keramikgehäuse mit 
vergoldeten Beinchen.

**Willst** Du das bezahlen ?

Gruß,
Jörg

von mhh (Gast)


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Rudi Sparfuchs schrieb:
> Warum stellt die Industrie denn erst so einen Mist her?

Wenns noch so ist, die Verpackung ist meistens teurer als das zu 
verpackende. Dort zu sparen scheint also Sinn zu machen. Genauso könnte 
es sein, daß es früher unter DIP zwangsläufig nie auffiel.

Rudi Sparfuchs schrieb:
> Nehmen die
> recyclefähige Kunststoffabfälle (=Plaste - für unsere ostdeutschen
> Freunde)

Da mußt Du nichts extra erklären, das kannten wir schon vor unseren 
westdeutschen Freunden.  :)

http://de.wikipedia.org/wiki/SERO

von Rudi Sparfuchs (Gast)


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Nein, natürlich nicht, Aber ich mache mir Sorgen um die Haltbarkeit der 
ICs. Denn wenn sie sich irgendwann einmal vollgesogen haben (gesättigt 
sind), wird der in ihnen vegossenen Chip doch leiden, oder nicht? Ist 
das vielleicht der Grund, warum elektronische Geräte nur eine begrenzte 
Lebensdauer haben und das von der Industrie sogar gewollt ist?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Rudi Sparfuchs schrieb:
> Denn wenn sie sich irgendwann einmal vollgesogen haben (gesättigt
> sind), wird der in ihnen vegossenen Chip doch leiden, oder nicht?

Erstens saugt sich da nichts voll: die Aufnahmefähigkeit für Wasser
ist nur gering.  Aber makromolekulare Stoffe sind nun einmal prinzip-
bedingt nicht völlig dicht für kleine Moleküle wie Wasser.  (Das
kennst du auch von Helium in Luftballons: bereits am nächsten Tag
schweben sie nicht mehr, wenn sie nicht gerade mit Metall bedampft
sind.  Noch schlimmer ergeht es den kleinen Wasserstoffmolekülen;
die diffundieren sogar durch die Stahlwandung von Druckflaschen
durch.)

Im Übrigens sind die ICs ausreichend passiviert, die könnte man
praktisch unter normalen Umgebungsbedingungen auch problemlos als
Nacktchips betreiben.  Auf den aktiven Strukturen ist überall 'ne
dicke Schicht Siliziumnitrid drauf, lediglich an den Seiten (wo die
Chips zersägt werden) ist das Silizium blank, aber bei
Zimmertemperatur diffundiert da nichts rein oder raus.

Ich kann mich an kleine LED-Siebensegmentanzeigen erinnern (VQD30[1]),
bei denen nackte LED-Chips verbaut sind, das Linsensystem aus
Polystyren (damit wir uns nicht über "Kunststoff" oder "Plaste"
streiten müssen ;) war einfach nur aufgesetzt, ohne dabei hermetisch
dicht zu schließen.


[1] 
http://www-user.tu-chemnitz.de/~heha/bastelecke/Konsumgüter-Bastelei/DDR-Halbleiter/vqd30.gif

von Lötinator (Gast)


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Weil es gerade zum Thema passt:

Können die Chips eigentlich auch platzen, wenn man sie mit 
"Hobbykeller-Reflow" lötet?
Also mit Heissluft, Pizzaofen, Heizplatte o.ä.

Dabei wird ja auch der gesamte Chip erwärmt. Oder macht hier die 
Geschwindigkeit den Unterschied aus, so ein industrieller Lötofen wird 
wohl deutlich schneller heizen wie ein Pizzaofen vom Albrecht?

von Wilhelm F. (Gast)


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Rudi Sparfuchs schrieb:

> Ist
> das vielleicht der Grund, warum elektronische Geräte nur eine begrenzte
> Lebensdauer haben und das von der Industrie sogar gewollt ist?

Burn-In.

Qualitätsbauteile werden oft künstlich gealtert. Das nennt man Burn-In. 
Sie werden z.B. eine Woche lang bei 130°C im Klimaschrank gebraten. Aber 
keine Panik: Man übergeht damit bewußt die Frühausfallrate.

Die Bausteine, die es überstehen, sind zwar nicht mehr brandneu, aber 
sie wurden bereits einem Härtetest unterzogen. Und die 
Wahrscheinlichkeit, daß sie im Folgenden länger leben, ist höher, als 
bei ganz neuen Bausteinen.

von Harald Wilhelms (Gast)


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Jörg Wunsch schrieb:

> lediglich an den Seiten (wo die
> Chips zersägt werden) ist das Silizium blank,

"Blank" sind sie wohl bestenfalls für Sekunden. Es bildet sich
sofort an der Oberfläche Siliziumdioxyd.
Gruss
Harald

von Hauptschüler (Gast)


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Interessant... dann habe ich letzlich einen Mega8 nicht "verfused", 
sondern das Fusebyte ist mir abgerostet... also nicht meine Schuld!  :-)

von mhh (Gast)


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Hauptschüler schrieb:
> Interessant... dann habe ich letzlich einen Mega8 nicht "verfused",
> sondern das Fusebyte ist mir abgerostet... also nicht meine Schuld!  :-)

Von Ratiofarm gibts da noch keine Lösung? Die haben doch sonst für und 
gegen alles was parat.  :)

von stephan (Gast)


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Lötinator schrieb:
> Können die Chips eigentlich auch platzen, wenn man sie mit
> "Hobbykeller-Reflow" lötet?
> Also mit Heissluft, Pizzaofen, Heizplatte o.ä.

ein klares JA

der geringe Zeitunterschied zur Industrie (wenn überhaupt) ist dabei 
unbedeutend.

Gruss Stephan

von Thomas E. (thomase)


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Hauptschüler schrieb:
> Interessant... dann habe ich letzlich einen Mega8 nicht "verfused",
> sondern das Fusebyte ist mir abgerostet... also nicht meine Schuld!

Genau!

Das sollten die Moderatoren mal als Autotext verfassen und jeden 
Fuse-Thread automatisch damit beantworten. Der nächste ist bestimmt 
schon in Arbeit.

mfg.

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Harald Wilhelms schrieb:

>> lediglich an den Seiten (wo die
>> Chips zersägt werden) ist das Silizium blank,
>
> "Blank" sind sie wohl bestenfalls für Sekunden. Es bildet sich
> sofort an der Oberfläche Siliziumdioxyd.

Allerdings ist diese Oxidschicht vergleichsweise dünn (ähnlich wie
auch Aluminium an der Luft sofort oxidiert).

von Harald Wilhelms (Gast)


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Jörg Wunsch schrieb:
> Harald Wilhelms schrieb:
>
>>> lediglich an den Seiten (wo die
>>> Chips zersägt werden) ist das Silizium blank,
>>
>> "Blank" sind sie wohl bestenfalls für Sekunden. Es bildet sich
>> sofort an der Oberfläche Siliziumdioxyd.
>
> Allerdings ist diese Oxidschicht vergleichsweise dünn (ähnlich wie
> auch Aluminium an der Luft sofort oxidiert).

Das stimmt natürlich. Sowie sich das erste Oxyd gebidet hat, hat man
ja sofort eine Schutzschicht, die weitere xydbildung verhindert. :-)
Gruss
Harald

von Max G. (l0wside) Benutzerseite


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Rudi Sparfuchs schrieb:
>> Die Chip-Gehäuse sind leicht hygroskopisch und ziehen Feuchtigkeit an.
> Warum stellt die Industrie denn erst so einen Mist her?

Warum sollte man extra Geld ausgeben, um ein nicht existierendes Problem 
zu lösen?

Die verwendeten Moldmassen erfüllen ihren Zweck, Reels werden 
eingeschweißt und mit Feuchtigkeitsindikator geliefert, und in aller 
Regel werden die Bauteile in der Fertigung rasch genug verarbeitet, dass 
die hygroskopischen Eigenschaften kein Problem darstellen.

Sicher kann man das anders gestalten, aber außer von Dir habe ich noch 
nie jemanden darüber klagen hören. Ist genauso wie mit ESD-Schutz: auch 
der hat Grenzen, trotzdem meckert niemand darüber.

von oszi40 (Gast)


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> If devices are stored out of the packaging

Wenn ein Chip 17h gebacken wird, fallen zumindest auch einige undichte 
Frühausfälle auf.

von Nitram L. (nitram)


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Es ist ja schon fast alles zu diesem Thema gesagt  - das ganze nennt 
sich
Popcorn-Effekt ...

nitraM

von Abgesoffenes IC (Gast)


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Und wie ist es mit den KERAMIK ICs da kann mann beim wasseraufsaugen 
sogar zuschauen???
Gehen die denn nicht hoch wie ein verpolter Tantal Elko?

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