Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Grundlagen Schaltungsanalyse


von Sven (Gast)


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Hallo Zusammen,

Ich möchte mich in der nächsten Zeit mit einem DIY-Projekt eines 
Gitarreneffektgeräts beschäftigen. Hier der Link zum Schaltplan:
[[http://diystompboxes.com/pedals/hfuzz1.jpg]]

Ich habe grundlegende Erfahrungen im Bereich der Elektronik. Also ich 
weiß wozu OPs und Transistoren gut sind. Hatte auch schon einige 
Schaltungen aufgebaut und erfolgreich am Laufen. Mir geht es jetzt 
darum, dass ich die Schaltung nicht einfach nur nachbauen will, sondern 
dabei auch verstehen will was da genau mit dem Signal geschieht. Das 
Ziel soll sein, solch eine Schaltung und auch ähnliche andere eben im 
Detail lesen zu können!?

Ich hatte schon öfters mitgehört wenn sich Leute über solche Arten von 
Schaltungen unterhalten haben! Die sprechen das aus dem Kopf heraus 
durch! Einfach nur faszinierend!

Die Frage die ihr mir nun wenn möglich beantworten sollt, ist wie man 
denn prinzipiell an so was herangeht? Muss ich einfach nur verdammt viel 
in dem Bereich gemacht haben, sprich steckt da eben Erfahrung dahinter? 
Oder gibt’s da Tricks und Kniffe die man Wissen sollte?

Ich mein ich sehe schon das da mehrere Transistorschaltungen 
hintereinander geschalten sind, aber warum hier mal noch ein Widerstand 
hinkommt oder da mal noch ein Kondensatörchen das würde mich 
interessieren?

Danke im voraus,
Beste Grüße.Sven

von Michael R. (mexman) Benutzerseite


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> Die Frage die ihr mir nun wenn möglich beantworten sollt, ist wie man
> denn prinzipiell an so was herangeht? Muss ich einfach nur verdammt viel
> in dem Bereich gemacht haben, sprich steckt da eben Erfahrung dahinter?
> Oder gibt’s da Tricks und Kniffe die man Wissen sollte?

Viel Basteln (Analogtechnik) und viel probieren!
Wenig erzaehlen lassen und alles selber erarbeiten...anfangen mit 
Nachbau von ASchaltungen und dann daran "herumschrauben" wie die 
AUtobastler beim "Tuning".

> Ich mein ich sehe schon das da mehrere Transistorschaltungen
> hintereinander geschalten sind, aber warum hier mal noch ein Widerstand
> hinkommt oder da mal noch ein Kondensatörchen das würde mich
> interessieren?


Vieles sind Grundschaltungen, deren genaues Verhalten man einmal lernt 
und dann die Schaltung einfach anwendet und nur ggf. optimiert wenn sich 
Randbedingungen aendern.


Das gute ist, dass es heute sogar kostenlose Software fuer 
Schaltungssimulation gibt, damit kann man schon vieles "basteln", aber 
es geht nichts ueber ein paar kleine Lernprojekte.


Gruss

Michael

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Sven schrieb:
> Ich mein ich sehe schon das da mehrere Transistorschaltungen
> hintereinander geschalten sind, aber warum hier mal noch ein Widerstand
> hinkommt oder da mal noch ein Kondensatörchen das würde mich
> interessieren?

Hallo Sven,

eine Schaltung, in diesem Fall eine Analogschaltung, ist ein Gebilde aus 
elektronischen Grundbauelementen. Jedes Bauelement hat eine Funktion und 
einen Namen. Dabei kannst du die Grundelemente auf wenige Bauelemente 
reduzieren. Widerstände, Induktivitäten, Kapazitäten, Transistoren, 
Dioden und noch zwei drei mehr. Wichtig ist auch der Begriff. Es gibt 
keine Kondis, Kondensatörchen oder Transen, das ist Kinderdeutsch und 
zeugt von wenig Verständnis. Kombiniert man unterschiedliche Bauelemente 
miteinander ergebnen sich neune Funktionen, so als ob man Buchstaben zu 
Wörtern zusammenfügt. Die Kombination von Wörtern führt zu ganzen 
Sätzen. So entstehen also als Grundfunktionen wieder neue Funktionen in 
der Schaltungstechnik.
Was soll dir das sagen? Du musst Buchstaben, Vokabeln und Grammatik 
lernen um einen Satz zu bilden. Dazu musst du üben. Nicht nur lesen 
sonder auch aktiv sprechen. Lesen fördert die Ausprägung eines Stils, 
Sprechen fördert aktiv die Kombination der Wortbildung.
Also – versuche zunächst sehr sehr einfache Grundschaltungen zu 
verstehen, z.B. ein Hochpass, dein Tiefpass, einen Gleichrichter, einen 
ohmschen Spannungsteiler, einen kapazitiven Spannungsteiler, einfache 
einstufige Verstärker, usw. usw. Dann erhöhe das Niveau, baue einen 
bandbegrenzenden Verstärker aus Hochpass, Tiefpass und Verstärker, 
überlege ob Teilbaugruppen sich immer Rückwirkungsfrei verhalten, 
überlege was bei Rückkopplungen passiert. Lese andere Schaltungen, 
versuche sie zu verstehen. Nur Übung macht den Meister.
Viel Glück und Geduld – es lohnt sich!

von Glitch (Gast)


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Man kann wohl auf verschiedene Weise an eine Schaltungsanalyse 
herangehen, und die Wahl der Methode hängt sicher von der persönlichen 
"Vorbelastung" des Einzelnen ab, also auch von seiner Erfahrung.

Voraussetzung ist, daß man ein gewisses Grundwissen über die verwendeten 
Bauteile und ihre Grundschaltungen hat (also z.B. Eigenschaften von 
Emitter- und Kollektorgrundschaltung bei Transistoren, Zusammenwirken 
von Widerständen und Kondensatoren in passiven Hoch- und Tiefpässen 
usw.). Dann verschafft man sich zuerst einen groben Überblick über die 
Gesamtschaltung (Welchem Zweck dient sie? Wo sind Ein- und Ausgänge? Wie 
ist die Spannungsversorgung angelegt?). Dabei unterteilt man die 
Gesamtschaltung im Geiste schon in Funktionsblöcke (z.B. Vorverstärker - 
Klangregelnetzwerk - Endstufe - Versorgungsspannungsstabilisierung 
etc.).

Schließlich betrachtet man diese Funktionsblöcke jeweils für sich und 
kommt dabei zu einer immer feineren "Auflösung", bis man schließlich die 
einzelne Transistorstufe (z.B. zwischen zwei Koppelkondensatoren) im 
Blick hat. Mit den anfangs gewonnenen Erkenntnissen über den Zweck der 
Schaltung und ihre Struktur lassen sich dann oft auch manche Details 
erklären ("Warum ist gerade hier ein Tiefpaß?" - "Wieso hat der 
Entwickler hier eine Stufe mit Bootstrap vorgesehen?" usw.)

Wenn man so etwas häufiger macht, fällt einem das "Sich-hineindenken" in 
eine Schaltung zunehmend leichter, und wenn man dann noch hin und wieder 
Schaltungen selbst entwirft, ausprobiert und optimiert, bekommt man bei 
der Analyse einer gegebenen Schaltung vielleicht sogar ein Gefühl dafür, 
wie ihr Entwickler "getickt" hat.

Im Grunde ist es so wie beim Erlernen einer Sprache: je besser man die 
Vokabeln und die Grammatik im Kopf hat, desto sicherer, flüssiger und 
gewandter kann man sich darin unterhalten. Irgendwann beherrscht man 
dann sogar die speziellen Redewendungen...

von Glitch (Gast)


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Oh, da habe ich praktisch zeitgleich zu meinem "Vorredner" geschrieben, 
und dann auch noch im Kern das Gleiche... -

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Na dann kann es so verkehrt nicht sein :-)

von Hans-Georg L. (h-g-l)


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Erst mal mit normalen linearen Transistorverstärkern abeiten und 
verstehen was der Arbeitspunkt eines Transistors bedeutet.

Dann kannst du versuchen Effektschaltungen zu verstehen:

Denn alle diese Gitarreneffektschaltungen übersteuern, clippen usw.
Da werden Transistoren, Dioden usw gezielt in ihrem nichtlinearen 
Bereich betrieben um Oberwellen, die im ursprünglichen Signal nicht 
vorhanden waren zu erzeugen. Dazu wird noch der Frequenzgang der 
Schaltung hingebogen, dass der "amtliche" Sound entsteht ;)

Bau solche Schaltungen mit Fassungen für die Transistoren und du wirst 
einen Unterschied zwischen verschiedenen Transistortypen hören können ;)

Oft sind solche Schaltungen einfach durch Probieren entstanden und 
klingen beim Nachbau nicht wie erwartet ;)

HG

von Sven (Gast)


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Okay, das sind schon mal sehr Gute Ratschläge. Ich bedanke mich bei 
allen fürs  ausführliche schreiben, ihr konntet mir sehr weiterhelfen.

Beste Grüße
Sven
(der jetzt gleich mal das Steckbrett herauskramt und loslegt ;-))

von Plektrum (Gast)


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>Die Frage die ihr mir nun wenn möglich beantworten sollt, ist wie man
>denn prinzipiell an so was herangeht?

Letztlich sind das alles Schaltungsteile, die man schnell wiedererkennt, 
weil sie immer wieder aus alten Schaltungen kopiert werden. Der Author 
schreibt ja selbst darunter "based on...". Zuerst kommt also ein 
zweistufiger Transistorverstärker und dann eine typische E-Gitarren- 
Klangregelschaltung mit JFET. Germaniumtransistoren kommen wohl wegen 
der günstigen Verzerrungen (hauptsächlich k2) zum Einsatz und auch der 
JFET wird wohl eingesetzt, weil er eine quadratische Steuerkennlinie 
besitzt und bei Übersteuerung ebenfalls geradzalige Harmonische erzeugt.

Wegen der starken Herstellungstoleranzen der Germaniumtransistoren 
werden hier übrigens etliche Trimmer verwendet, was nicht gerade der 
Nachbausicherheit zu Gute kommt.

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