Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Übertragungsfunktion anschaulich


von Thomas (Gast)


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Ich habe ein paar grundlegende Verständnisprobleme zur 
Übertragungsfunktion:

Bei Wikipedia steht:
"Die Ausgangsgröße y(t) eines dynamischen Übertragungssystems mit 
konzentrierten oder verteilten Energiespeichern ist abhängig von den 
Systemeigenschaften und von der gegebenen Eingangsgröße u(t)."

Was ist denn ein dynamisches Übertragungsystem? Mein Problem mit dem 
Satz: Wenn ich z.B. einen Tiefpassfilter habe, dann ist die 
Ausgangsspannung nicht nur abhängig von der aktuellen Eingangsspannung, 
sondern auch von der Vergangenheit, also den vorhergegangenen 
Eingangsspannungen.

Nun arbeitet man aus irgendwelchen Gründen (mathematische Eleganz, 
bessere Sichtbarkeit der Eigenschaften?) gerne mit der 
Übertragungsfunktion eines Systems. Dabei arbeitet man nicht im 
Zeitbereich, sondern im Frequenzbereich. Die Übertragungsfunktion ist 
definiert als G(s)=Y(s)/U(s)  mit
s = delta + i*omega   (omega ist die Frequenz und delta die Phase nehme 
ich an)
U(s) = Laplacetransformierte der Eingangsgröße
Y(s) = Laplacetransformierte der Ausgangsgröße

Das System ist nun definiert durch die komplexe Funktion G(s). Man 
steckt eine komplexe Funktion U(s) rein und bekommt eine komplexe 
Funktion Y(s) heraus. Was muss ich mir darunter vorstellen? Welche 
Information steckt in diesem U(s)?
Was mich irritiert: Der "Ausgangswert" Y(s) hängt nur vom Eingangswert 
U(s) ab, aber nicht von den vorhergegangenen U(s). Wie kann das gehen?
Beschreibt das U(s), wenn man es rücktransformiert, einen vollständigen 
Signalverlauf?

von astroscout (Gast)


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Thomas schrieb:
> Was ist denn ein dynamisches Übertragungsystem?

Zitat von Wikipedia:
"Unter einem (deterministischen) dynamischen System versteht man das 
mathematische Modell eines zeitabhängigen Prozesses, der homogen 
bezüglich der Zeit ist, also dessen Verlauf zwar vom Anfangszustand, 
aber nicht vom Anfangszeitpunkt abhängt"


Thomas schrieb:
> Nun arbeitet man aus irgendwelchen Gründen (mathematische Eleganz,
> bessere Sichtbarkeit der Eigenschaften?) gerne mit der
> Übertragungsfunktion eines Systems

Dadurch lassen sich Systeme recht einfach beschreiben undauch berechnen

Thomas schrieb:
> s = delta + i*omega   (omega ist die Frequenz und delta die Phase nehme
> ich an)
Nein,, das soll nur heißen, das s eine Kompleze zahl sein kann, das hat 
nichts mit Frequenz und Phase zu tun. Guck dir mal an, wie man Komplexe 
darstellt, dann sollte es klarer werden.

Thomas schrieb:
> Das System ist nun definiert durch die komplexe Funktion G(s). Man
> steckt eine komplexe Funktion U(s) rein und bekommt eine komplexe
> Funktion Y(s) heraus. Was muss ich mir darunter vorstellen? Welche
> Information steckt in diesem U(s)?
Es gilt ganz allgemein: Y(s)=G(s)*U(s) (im Zeitbereich entspräche dies 
einer Faltung, was das ganze viel komplizierter macht). G(s) ist 
anschaulich die Impulsantwort des Systems (Laplacetransformierte vom 
Dirac-Impuls ist 1)

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


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Die Systemeigenschaften eines dynamischen Systems können durch die 
Übertragungsfunktion beschreiben werden. (Beim Tiefpass durch R und C 
sowie deren konkrete Verschaltung.) Die Systemeigenschaften, also R und 
C und wie R und C verschaltet sind hängen nicht vom Eingang und vom 
Ausgang ab. So wie ein Auto ein Auto ein Auto bleibt ob es gefahren wird 
oder nicht, ob es in DE steht oder in RU. Die Systemeigenschaft ist 
Auto.

von Thomas (Gast)


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astroscout schrieb:
>> Das System ist nun definiert durch die komplexe Funktion G(s). Man
>> steckt eine komplexe Funktion U(s) rein und bekommt eine komplexe
>> Funktion Y(s) heraus. Was muss ich mir darunter vorstellen? Welche
>> Information steckt in diesem U(s)?
> Es gilt ganz allgemein: Y(s)=G(s)*U(s) (im Zeitbereich entspräche dies
> einer Faltung, was das ganze viel komplizierter macht). G(s) ist
> anschaulich die Impulsantwort des Systems (Laplacetransformierte vom
> Dirac-Impuls ist 1)

Also ist es so, dass in dem U(s) ein gesamter Signalverlauf steckt? Wenn 
ich wissen will, was mein System aus einem bestimmten Signalverlauf 
macht, dann Laplace-transformiere ich diesen Signalverlauf und 
multipliziere ihn mit G(s)?

von astroscout (Gast)


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> Also ist es so, dass in dem U(s) ein gesamter Signalverlauf steckt?
ja, dein U(s) die Laplacetransformierte des Eingangssignals und enthält 
alle sozusagen das Gesamte Eingangssignal (sonst könntest du es ja nicht 
zurück in den Zeitbereich tranfomieren)

Thomas schrieb:
> Wenn
> ich wissen will, was mein System aus einem bestimmten Signalverlauf
> macht, dann Laplace-transformiere ich diesen Signalverlauf und
> multipliziere ihn mit G(s)?
korrekt, dann hast du die Laplacetransformierte des Ausgangssignals, die 
du dann wieder in den Zeitbereich zurücktransfomieren kannst und du hast 
wieder dein Ausgangssignal, das sind zwar mehr rechenschritte als das 
ganze direkt durch eine Faltung im Zeitbereich zu machen, ist aber viel 
einfacher

von Thomas (Gast)


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astroscout schrieb:
> ja, dein U(s) die Laplacetransformierte des Eingangssignals und enthält
> alle sozusagen das Gesamte Eingangssignal (sonst könntest du es ja nicht
> zurück in den Zeitbereich tranfomieren)

OK danke. Das ist wohl selbstverständlich, aber irgendwie hatte ich da 
die ganze Zeit eine falsche Vorstellung im Kopf.

Wenn ich nun mit z.B. SIMULINK was simuliere, dann sind die Filter 
beschriftet mit den Übertragungsfunktionen. Wird damit dann auch 
tatsächlich intern gerechnet? Oder geschieht die Simulation im 
Zeitbereich?

Ich nehme an im Zeitbereich, denn wenn ich z.B. eine Rückkopplung 
einbaue, dann kenne ich das vollständige Eingangssignal ja nicht mehr im 
vorraus.

von Albert .. (albert-k)


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Thomas schrieb:
> Dabei arbeitet man nicht im
> Zeitbereich, sondern im Frequenzbereich. Die Übertragungsfunktion ist
> definiert als G(s)=Y(s)/U(s)  mit
> s = delta + i*omega   (omega ist die Frequenz und delta die Phase nehme
> ich an)
Falsch. s ist zu verstehen als "Komplexe Frequenz".

> U(s) = Laplacetransformierte der Eingangsgröße
> Y(s) = Laplacetransformierte der Ausgangsgröße
Kann man so sagen. Eine sauberere Definition wäre aber G(s) = Z(s)/N(s). 
Dies besagt bloss das die Übertragungsfunktion aus einem Zählerpolynom 
Z(s) und einem Nennerpolynom N(s) besteht. DAs mit U und Y ergiebt sich 
aus einer Regel der Laplacetrasformierten (kommt später).

Die Ausgangsfunktion Y(s) ergiebt sich dann bei gegebener 
Eingagsfunktions U(s) zu

Y(s) = G(s) * U(s)

Dies ist eine der Grundlegenden Eigenschaften (und mit eine der 
wichtigsten) der Laplacetransformierten. Anstelle einer Faltung im 
zeitbereich kann man einfach im Bildbereich multipilizieren.

Thomas schrieb:
> Was muss ich mir darunter vorstellen?
Nehmen wir als Beispiel dafür deinen Tiefpass. Wenn du diesen mit einem 
Dirac-impuls (Nadelförmiger Impuls mit theoretisch unendlicher Höhe und 
unendlicher kurzer Dauer) anregst erhältst du einen Sprung der dann 
exponentiell abfält, im foglenden als g(t) bezeichnet. Du kannst nun 
jede beliebige zeitliche Funktion am Eignang als aneinanderreihung 
solcher Dirac-impulse mit bestimmter Höhe darstellen (aufteilung in 
Einzelstücke). Am Ausgang überlagern sich dann die vielen E-förmigern 
Ausgangsfunktionen g(t), g(t-t1), g(t-t2), etc. zu deiner 
Gesamtfunktion. Soweit klar?
Diese Aneinanderreihung einzelner Funktionen kann man auch as Faltung 
verstehen (für genauere Erklärugn der Faltung bitte selber informieren 
oder nochmal nachfragen)

Dein G(s) ist nun nichts weiteres als eine andere Beschreibung dieser 
abfallenden E-Funktion (nicht im Zeitbereich, sondern eben im 
Bildbereich der Laplacetransformation). dadurch ergeben sich einige 
vereinfachungen beim Rechnen.

Thomas schrieb:
> Welche
> Information steckt in diesem U(s)?
U(s) ist die Laplacetransformierte deines Eingangssignales u(t). Dieses 
nimmt man in der Regel als endliches Signal das nicht periodisch ist an. 
Du beschreibst also deinen gesamten zeitlichen Verlauf auf andere Weise.

Thomas schrieb:
> Wie kann das gehen?
Dies ist eine Vereinfachung die man immer trifft damit man es von Hand 
rechnen kann. Man nimmt an dass das System "Gedächtnis"-frei ist. Dies 
bedeutet dass das Verhalten des Systems (in unserem Falle seine 
Übertragungsfunktion) nicht von vergangenen Ereignissen abhängig ist.

Thomas schrieb:
> Beschreibt das U(s), wenn man es rücktransformiert, einen vollständigen
> Signalverlauf?
Ja, es beschreibt deinen kompletten Signalverlauf in einer anderen Form.

von astroscout (Gast)


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Wie intern gerechnet wird, kann ich dir leider nicht sagen

Thomas schrieb:
> Ich nehme an im Zeitbereich, denn wenn ich z.B. eine Rückkopplung
> einbaue, dann kenne ich das vollständige Eingangssignal ja nicht mehr im
> vorraus.
Für eine Rückkopllung kannst du aber auch eine Übetragungsfunktion 
definieren, guck mal hier, bei Störverhalten eines Regelkreises, da 
sollte es denke ich deutlich werden:
http://de.wikipedia.org/wiki/Regelkreis

von Thomas (Gast)


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astroscout schrieb:
>> s = delta + i*omega   (omega ist die Frequenz und delta die Phase nehme
>> ich an)
> Nein,, das soll nur heißen, das s eine Kompleze zahl sein kann, das hat
> nichts mit Frequenz und Phase zu tun. Guck dir mal an, wie man Komplexe
> darstellt, dann sollte es klarer werden.

Albert ... schrieb:
>> s = delta + i*omega   (omega ist die Frequenz und delta die Phase nehme
>> ich an)
> Falsch. s ist zu verstehen als "Komplexe Frequenz".

D.h. der Betrag von s ist die Frequenz?

Danke Albert für die schöne Erklärung. Ich denke ich habs jetzt intuitiv 
begriffen.

Es würde mich trotzdem noch interessieren ob SIMULINK im Zeitbereich 
rechnet oder nicht.

von Albert .. (albert-k)


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Thomas schrieb:
> D.h. der Betrag von s ist die Frequenz?
Das stimmt auch nicht. S ist ein Mathematisches Konstrukt das zum einen 
die Schwingfrequenz an sich und die Hüllkurve einer Schwingung 
beschreibt.

Nehmen wir als Beispiel eine abklingende E-Funktion innerhalb dieser 
eine Sinusschwingung liegt (die Amplitude dieser Sinusschwingung nimmt 
also Exponentiell ab).
So beschreibt
in einer Funktion der Form
eine Sinusschwingung der Kreisfrequenz omega mit exponentiell 
abklingender Amplitude (durch den Faktor delta).

Siehe dazu folgenden buchabschnitt:
http://books.google.de/books?id=FJsz01_i_qwC&pg=PA42&lpg=PA42&dq=komplexe+frequenz&source=bl&ots=44PmJRlHsz&sig=x2NBTrvIKKxzU82PVMLwh3q9kxo&hl=de&ei=2lfSTvilMMyQsAb6iuHmDA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=5&ved=0CE0Q6AEwBA#v=onepage&q=komplexe%20frequenz&f=false

von Purzel H. (hacky)


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Eine Uebertragungsfunktion basiert auf verschiedenen Voraussetzungen.
Das System ist linear. Das bedeutet :

Sei  Out:=U(In);  dann ist a*Out:=U(a*In); mit  a aus R

Das System ist invariant und ohne Vorgeschichte.

Die einfachste Interpretation ist, dass die Uebertragungsfunktion der 
Graph des Spektumanalyzer auf einen Sweep-Eingang ist.

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