Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Vorteile einer hohen Schaltfrequenz


von Franz Josef (Gast)


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Hi Leute,
ich bin gerade total verwirrt. Ich dachte, es würde Sinn machen, was ich 
mir bisher über Verluste in leistungselektronischen Schaltungen 
zusammengereimt habe.

Also:
Gehen wir davon aus, dass die Verlustleistung wie folgt gebildet wird:
P_L := Verluste
P_c := Conducting
P_s := Switching

Nun habe ich immer gedacht, dass die Leitungsverluste mit zunehmender 
Frequenz sinken, dafür aber die Schaltverluste steigen. Als 
Umkehrschluss:

Eine möglichst hohe Schaltfrequenz reduziert den Effektivwert und erhöht 
die Schaltverluste. Deshalb implementiert man weitere Komponenten, um 
weiches Schalten zu ermöglichen. Somit wird dann der Gesamtwirkungsgrad 
massiv gesteigert, weil sowohl Schalt- als auch Leitungsverluste 
minimiert werden.

P_c ergibt sich wie folgt:

Jetzt versuche ich das gerade mathematisch zu beweisen, scheitere aber 
kläglich. Nehmen wir ein einfaches Rechtecksignal mit der Amplitude V 
entlang eines linearen Widerstandes und eines Abtastverhältnisses D.

Der Effektivwert setzt sich zusammen wie folgt:

Da wir von einem Rechtecksignal ausgehen, ist in der Zeit von (1-D)T 
nichts los, da die Spannung 0 ist. Somit vereinfacht sich das Integral 
wie folgt:

Das Abtastverhätlnis ist ja ein Parameter zwischen 0 und 1, also 
unabhängig von der Zeit. Die obige Gleichung besagt, dass der 
Effektivwert unabhängig von der Frequenz ist, also egal ob das 
Rechtecksignal 10 Hz oder 100 Hz hat.

Das gleiche gilt für den Mittelwert

Auch hier wieder: Unabhängig von der Schaltfrequenz.

Meine ganz blöde Frage an euch:
Ist der einzige Grund für eine möglichst hohe Schaltfrequenz, dass sich 
die Bauteile (z.B. Kondensatoren) reduzieren?

Irgendwie hat sich mein Weltbild gerade massiv geändert :D

von Knut (Gast)


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Die Leitungsverluste steigen mit, da der Effektivwert größer wird, weil 
der Ripplestrom kleiner wird. Die Verluste in den C's und L's werden 
dadurch aber geringer.


Knut

von Mine Fields (Gast)


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Franz Josef schrieb:
> Ist der einzige Grund für eine möglichst hohe Schaltfrequenz, dass sich
> die Bauteile (z.B. Kondensatoren) reduzieren?

In erster Näherung kann man das durchaus so sehen.

von Franz Josef (Gast)


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Hi Leute,
danke schon mal für eure Antworten.

Knut schrieb:
> Die Leitungsverluste steigen mit, da der Effektivwert größer wird, weil
> der Ripplestrom kleiner wird. Die Verluste in den C's und L's werden
> dadurch aber geringer.

Wird der Ripplestrom kleiner, weil die Tiefpassfilter aufgrund der 
steigenden Frequenz besser werden (im Hinblick auf die Eckfrequenz), 
deshalb mehr Reduzierung für höherfrequente Überlagerungen?


Falls nein, magst du es mir ein wenig näher ausführen?

Mine Fields schrieb:
> In erster Näherung kann man das durchaus so sehen.

Was wären weitere Näherungen bzw. Vorteile einer hohen Schaltfrequenz?

Dann noch gleich eine weitere Frage an alle:

Woran erkenne ich, welche Schaltfrequenz (wenigstens die grobe Richtung) 
ich benötige?


Ich danke euch vielmals.

Gruß

von Mine Fields (Gast)


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Franz Josef schrieb:
> Was wären weitere Näherungen bzw. Vorteile einer hohen Schaltfrequenz?

Je nach Anwendungsbereich spielt Geräuschbelästung (Frequenzumrichter) 
oder die benötigte Ausgangsfrequenz (Class-D-Verstärker) eine Rolle.

von Stefan W. (wswbln)


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Knut schrieb:
> ...weil der Ripplestrom kleiner wird. Die Verluste in den C's und L's
> werden dadurch aber geringer.

...das gilt aber nur für den Ausgangskreis.
Am Eingang ist der Ripplestrom immer I/2, was bei der Auswahl der 
Eingangs-Cs unbedingt beachtet werden muss! Nur wird die zu 
überbrückende Zeit mit steigender Frequenz kürzer und die notwendige 
Kapazität (und Baugröße) entsprechend kleiner.

von Peter R. (pnu)


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Ein wesentlicher Faktor ist auch die Größe der notwendigen 
Transformatoren.
In erster Näherung wächst ihre maximale Übertragungsleistung bei 
gegebener Bauform proportional zur Frequenz.
je höher die Frequenz,desto weniger Windungen pro Volt braucht man bei 
gegebener Spannung, kann dann den Draht im gegebenen Wickelfenster 
entsprechend dicker machen und damit größeren Strom fließen lassen. -> 
die Leistung steigt.

von Franz Josef (Gast)


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Hallo,
vielen Dank.

Peter R. schrieb:
> Ein wesentlicher Faktor ist auch die Größe der notwendigen
> Transformatoren.
> In erster Näherung wächst ihre maximale Übertragungsleistung bei
> gegebener Bauform proportional zur Frequenz.
> je höher die Frequenz,desto weniger Windungen pro Volt braucht man bei
> gegebener Spannung, kann dann den Draht im gegebenen Wickelfenster
> entsprechend dicker machen und damit größeren Strom fließen lassen. ->
> die Leistung steigt.
Ah, ich verstehe. Der gesamte magnetische Fluss (oftmals mit Psi 
abgekürzt) is abhängig von der Windungszahl und von der magnetischen 
Flussdichte. Die magnetische Flussdichte widerrum ist abhängig von der 
Primärspannung bzw. dem Primärstrom. Und die sind Wechselgrößen mit 
einer gewissen Frequenz. Erhöht sich die Frequenz, ist
 größer. Ergo erhöht sich die induzierte Spannung auf der Sekundärseite. 
Soll heißen, man kann für die gleiche Spannung weniger Windungen 
benutzen. Das bedeutet mehr Platz im "Fenster" und somit kann man 
dickere Leitungen nehmen, die mehr Strom durchfließen lassen können -> 
Mehr Leistung.

Jetzt würde mich aber interessieren, inwiefern sich die Verluste im 
Transformator ändern. Höhere Frequenz bedeutet größere "skin depth". Der 
AC Widerstand ist insofern größer und ergo höhere AC Verluste. Ferner 
steigen auch die Kernverluste an (die natürlich materialabhängig sind, 
aber dennoch ansteigen). Wahrscheinlich, so denke ich jedoch, erhöht 
sich der Gesamtwirkungsgrad, weil der Anstieg der Verluste geringer 
relativ geringer ist als der Anstieg der Eingangs- und Ausgangsleistung. 
Insofern steigert sich der Wirkungsgrad.

Hoffe mal, dass ich richtig konkludiert habe.

Oh mein Gott, das ist echt ne Wissenschaft für sich mit all den ganzen 
Parametern. :)

von Georg A. (georga)


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> Oh mein Gott, das ist echt ne Wissenschaft für sich mit all den ganzen
> Parametern.

Aber praktisch hat sich da in den letzten 20 Jahren doch eine Menge 
getan, sodass es dann doch wieder nicht sooo schlimm ist. Heutzutage 
nimmt man einen Switcher im SO-nix-Gehäuse, der mit >1MHz schaltet und 
dann nur mit ein paar Keramik-Cs und einer winzigen Spule einige A 
schafft. Wenn ich da an das Niederfrequenz-Geömmel mit TL49x und den 
riesigen Ls+Cs denke, ist das heute doch schon sehr pflegeleicht...

von Franz Josef (Gast)


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Georg A. schrieb:
> Aber praktisch hat sich da in den letzten 20 Jahren doch eine Menge
> getan, sodass es dann doch wieder nicht sooo schlimm ist. Heutzutage
> nimmt man einen Switcher im SO-nix-Gehäuse, der mit >1MHz schaltet und
> dann nur mit ein paar Keramik-Cs und einer winzigen Spule einige A
> schafft. Wenn ich da an das Niederfrequenz-Geömmel mit TL49x und den
> riesigen Ls+Cs denke, ist das heute doch schon sehr pflegeleicht...

HAHA!

Dazu kann ich leider nichts sagen. Ich bin die neue Generation und noch 
mehr als frisch in der Materie. Aber irgendwie erinnert mich dein 
Beitrag an meinen Professor, der noch mit Rechenschiebern gerechnet hat 
und entsprechend groß ist seine Freude mit Matlab, wenn es um 
kompliziertere Rechnungen (Log, FFT etc.) geht :)

Good night, sleep tight!

Gruß

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