Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Stellenanzeigen richtig interpretieren ("Kenntnisse in Schaltungsentwurf")


von A. $. (mikronom)


Lesenswert?

In Stellenanzeigen, die sich an Uni-Absolventen ohne Berufserfahrung 
richten um zu forschen (und ggf. promoviert zu werden), lese ich bei den 
Anforderungen regelmäßig

"Kenntnisse auf dem Gebiet der analogen Schaltungsentwicklung"
"Digital-analog-gemischter Schaltungsentwurf"
"Erfahrungen Digitaler Schaltungsentwurf"

Für mich ist noch etwas unklar, was man sich in solchen Stellenanzigen 
unter "Schaltungsentwurf" vorstellen sollte. Vielleicht bin ich auch nur 
etwas verwirrt was die Priorität betrifft. Wenn es etwas unbedeutendes 
ist dann weiß ich nicht warum man es überhaupt in einer Stellenanzeige 
erwähnt (so als wenn man bei einer Sekretärinnenstelle noch extra 
herausstellen würde, dass man auf einer Tastatur Briefe schreiben soll). 
Wenn es etwas komplexeres ist dann würde es keinen Sinn ergeben dass ein 
Uni-Absolvent es schon kann, denn der kommt im Regelfall nur mit 
Grundlagenwissen, aber eher selten mit praktischer Erfahrung (so als 
wenn man von einem Schüler erwartet er müsse Führungstätigkeiten 
übernehmen).

Nein man braucht jetzt nicht zu erklären was analog und digital ist. 
Wobei man da ergänzen müsste, dass es bei "analog" schon einen 
Unterschied macht, ob man ein Netzteil mit einem 78xx aufbauen soll oder 
ein Radar.

Nehmen wir mal eine Vorlesung wie elektronische Schaltungen. Danach weiß 
ich was wie und in welcher Dimension rauscht, kann OPV singen, kenne 
Signalmodelle, weiß wie ich die Übertragungsfunktion bestimme, kann eine 
Schaltung analysieren und noch irgendeine Art der Simulation (Spice & 
Co.). In den Materialwissenschaften nehmen wir die Bauteile bis auf 
atomare Ebene auseinander und lernen, wie man sie aus elektrischen 
Gründen kombiniert. In HF-Technik treiben wir das alles, vor allem den 
Halbleiterbereich, noch etwas auf die Spitze, ja man lernt sogar 
Verstärker kennen. Theoretisch (!) könnte ich dann auch was entwerfen, 
aber selbst mit einem Praktikum in dem Bereich würde ich sagen, dass 
Summe(ErfahrungenSchaltungsentwurf) gegen Null konvergiert. Wo könnte 
ein Uni-Absolvent solche Kenntnisse erworben haben?

Unter "Kenntnisse auf dem Gebiet von Halbleiterbauelementen" kann mir 
etwas sehr konkretes vorstellen und wenn man "Erfahrungen" bei 
Halbleitern schreibt würde ich sofort an den Reinraum und VLSI denken. 
Aber "Erfahrungen/Kenntnisse in Schaltungsentwurf"?

von Andreas D. (rackandboneman)


Lesenswert?

Ist es in der betreffenden Branche denn tabu dass man dann eben den 
Laden anruft und nachfragt und auf die Weise auch meistens eh viel 
schneller Kontakt zum fachlichen Verantwortlichen aufbauen kann als als 
Blindbewerber?

von Martin K. (skiko)


Lesenswert?

Hallo!

Ich kenne die Situation. Die Praxis kommt in der Schaltungstechnik meist 
etwas kurz im Studium. Geht mir auch nicht anders. Ich hole da etwas 
beim Schreiben meiner Abschlussarbeit nach.
Naja was du aber übersiehst ist, dass es Leute gibt die schon in einem 
Praktikum, in einer Vertiefung oder privat Schaltungen entwickelt haben 
und somit schon über Erfahrungen verfügen. Wie gut die Kenntnisse sein 
müssen hängt aber dann schon von der Stelle auch ab. Und 5 Jahre 
Radartechnik und Digitaltechnik wird es wohl bei keinem Absolventen 
geben. Zusätzlich ist ja nicht jedes Studium gleich aufgebaut und sie 
wollen vielleicht nur die Aussortieren die mehr im Softwareentwurf waren 
und von Schaltungstechnik noch nie was gehört haben.

Ich würde mich halt nicht zusehr abschrecken lasssen wenn du etwas 
Ahnung hast.

Grüße

Martin

von Yoschka (Gast)


Lesenswert?

Martin K. schrieb:
> Ich würde mich halt nicht zusehr abschrecken lasssen wenn du etwas
> Ahnung hast.

Ich würde sogar soweit gehen und sagen, wenn es Dich interessiert und Du 
definitiv auf diesen Gebieten Erfahrungen sammeln willst, dann bewirb 
Dich einfach.
Du solltest ggf. entsprechende Wahlvorlesungen zu den Themen gehört 
haben.
Also jemand der im Studium den Schwerpunkt auf QM und oder 
Regelungstechnik gelegt ist wahrscheinlich für eine Stelle mit 
überwiegend Schaltungsentwurf ungeeignet.
Aber Nachrichtentechniker sind da bestimmt nicht falsch.
Wenn Du nun in der Studien und sogar in der Diplomarbeit Schaltungen 
entworfen hast, perfekt! Viel mehr kann nicht erwartet werden. Das 
wissen die guten Personaler auch.
Und das erfüllt dann völlig "Kenntnisse auf dem Gebiet".
Mehr ist nicht drin, wie auch?
Den Hobbyfreak mal aussen vor gelassen, wer sowas erwartet, hat den 
Schuß nicht gehört. Schonmal einem Hobbyarzt begegnet?

von Dipl.-Gott (Gast)


Lesenswert?

Martin K. schrieb:

> Hallo!
>
> Ich kenne die Situation. Die Praxis kommt in der Schaltungstechnik meist
> etwas kurz im Studium.


Ich war beileibe an einer guten Uni, wenn ich da an mein Studium denke,
ist das die Untertreibung des Jahrhunderts für mich. :-)


Hätte ich mir nicht mit den Büchern vom Gottkaiser der Elektrotechnik, 
Philippow, ein wenig Schaltungssynthese und -methoden im Selbststudium 
angeeignet, wäre ich ohne einen Tropfen Schaltungsentwurf aus dem 
Studium gekommen. :-O >:-[


Darüber hinaus gab es in den Grundlagenvorlesungen eine dermaßen kranke 
Stoffverdichtung, daß sogar unsere zwei Bastler ("Vorzeigeleketroniker") 
Schwierigkeiten hatten, mitzukommen. Von dem Kram blieb entsprechend 
wenig hängen. OPV? Pfffff. Da bräuchte ich jetzt mit 2 Jahren BE mehr 
als 2 Wochen mit einem guten Buch, um überhaupt wieder irgendwie 
klarzukommen und eine grobe Ahnung von der Analyse solcher Schaltungen 
auszuprägen. Transistorschaltungen, besonders MOSFET, noch schlimmer. 
Meine Elektronikgrundkenntnisse, z.B. common mode circuits, differential 
mode circuits, measurement philosophies, isolation amplifiers and so 
forth, alles das, was ich dummerweise auf Arbeit jeden Tag brauche, las 
ich mir während des Studiums verzweifelt selber an. ;-(( ;-((


Die vom Threadersteller genannten Erwartungen würde ich persönlich 
dahingehend als sehr fordernd einschätzen (rein vom Wortlaut). 
Schaltungen wurden zu meiner Zeit nur von denen ordentlich behandelt, 
die Mikroelektronik oder Mikrosystemtechnik/Feinwerktechnik vertieften.



Ahoi

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.