Forum: Offtopic Stadt(teil) wiedereinschalten nach großem Stromausfall?


von Matthias S. (da_user)


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Hi,

wir haben vor kurzem in der Arbeit das Thema mal kurz angesprochen:

Wie wird eigentlich ein Stadteil/eine Stadt nach einem längeren 
Stromausfall wieder an das Netz gebracht? Denn dank vieler gleichzeitig 
anlaufender Geräte müsste der Einschaltpeak doch gigantisch sein.

Hier sind ja einige Experten für so einige Themen unterwegs, drum habe 
ich mir jetzt mal gedacht, ich frag mal hier. ;-)

VG
da_user

von Jan A. (jan_a)


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Das ist evtl. interessant: Das Konzept zum Netzwiederaufbau nach 
Blackout des Übertragungsnetzes VE Transmission (Vattenfall Europe)

http://www.50hertz.com/de/file/nwainderrzve_t_61221.pdf

Generell mal nach den Begriffen "Schwarzstart" und "Netzwiederaufbau" 
googlen, insbesondere interessant sind hier

http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzstart

Vortrag Netzwiederaufbau nach Großstörungen
http://www.50hertz.com/de/file/8_Krueger_Uni-Rostock.pdf

und Arbeit Netzwiederaufbau nach Großstörungen
http://www.e-technik.uni-rostock.de/ee/download/publications_EEV/eev_MarSymp2007_NWA.pdf

von Ben _. (burning_silicon)


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Kleinere Stadtteile bzw. 1-2 Dörfer werden einfach so wieder an's Netz 
drangeknallt. Klar gibt das einen riesigen Peak, aber die im 
Stromversorgungsnetz eingesetzten Trafos und Leitungen haben ein sehr 
hohes Überlastungspotential, welches dann ausgenutzt wird.

Bei größeren Städten muß langsam zugeschaltet werden. Erst muß das 
versorgende Höchst- und Hochspannungsnetz (380-220-110kV) wieder stehen, 
dann werden nach und nach die 10-20kV Verteilnetze der einzelnen 
Stadtteile oder Straßenzüge wieder zugeschaltet. In gleichem Maße wie 
Lasten zugeschaltet werden müssen auch Stromerzeuger zugeschaltet werden 
bzw. Großkraftwerke müssen ihre Leistung steigern damit das Netz stabil 
bleibt. Da liegt das eigentliche Problem.

von Wilhelm F. (Gast)


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In meinem Dorf mit 1000 EW erlebte ich ungefähr 1970 eine komplette 
Stromabschaltung. Das Netz fuhr gaaaanz langsam über eine Minute wie mit 
einem Dimmer runter. Und nach 3 Stunden eben so wieder hoch.

Der Haupttrafo im Trafohaus wurde mal getauscht.

von Ben _. (burning_silicon)


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Das glaub ich Dir nicht. Im Versorgungsnetz wird nichts gedimmt.

Es gibt Stufenschalter bei den 110/10kV Umspanntrafos die zur 
Konstanthaltung der Spannung beim Endverbraucher bei verschiedener 
Netzbelastung eingesetzt werden, aber die sind zum Dimmen eher 
ungeeignet.

Wenn ein Haupttrafo für ein Dorf abgeschaltet wird kommt einfach ein 
Schaltberechtigter, knallt den Trenner raus (die Dinger schalten wegen 
der Lichtbogenlöschung sehr schnell und laut) und fertig. Beim 
Einschalten das gleiche, nur daß die Arbeiter dabei manchmal etwas in 
Deckung gehen... Aber da gibts kein langsames Anfahren des Netzes - 
Strom dran und entweder es kracht oder alles funktioniert wie's soll.

Zweites Problem daran sind die Schutzschaltungen, die es auch 1970 schon 
gab. Wenn eine Störung festgestellt wird (zu starke Abweichung bei 
Spannung oder Frequenz, Überstrom) fallen spätestens nach zwei Sekunden 
die Trennschalter (Lastabwurf). Spätestens danach ist's komplett dunkel. 
Auch Opas alte und plötzlich generatorisch arbeitende Kreissäge kommt 
fast schlagartig zum Stillstand.

Diese Schutzschaltung gibts auch bei Kraftwerken. Eine zu große 
Abweichung zu den Soll-Parametern und der Generator wird schlagartig vom 
Netz getrennt (bei Fehler außerhalb des Kraftwerks wird ein Lastabwurf 
auf Eigenbedarf probiert, bei fehlerhaftem Generator bzw. internem 
Fehler erfolgt sofort eine Turbinenschnellabschaltung).

Es gibt im Netz häufiger Brown-Outs wo einem das Netz für kurze Zeit 
(bis zu ein paar Sekunden) gedimmt vorkommt. Das sind starke 
Spannungseinbrüche die bei Schaltvorgängen oder Störungen im Hoch- und 
Höchstspannungsnetz entstehen (zB. Gewitterblitz zündet einen Lichtbogen 
an einer 380kV Leitung, darauf folgende Überlastung und KU/AWE). Im 
Idealfall wird dadurch nur das fehlerhafte Bauteil aus dem Netz 
geschaltet und andere übernehmen dessen Aufgabe. Dauern diese Störungen 
zu lange schalten die speisenden Systeme durch Auslösen ihrer 
Schutzeinrichtungen komplett ab - im betroffenen Netzteil wirds dunkel. 
Dadurch wird Schaden an überlasteten Anlagenteilen verhindert und das 
inktakte Netz vor Instabilitäten geschützt. Das geht alles sehr schnell 
(wie gesagt, maximal 2-3 Sekunden), danach ist entweder der Fehler 
beseitigt und die Netzspannung wieder normal oder komplett abgeschaltet.

von David .. (volatile)


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Ben _ schrieb:
> Das glaub ich Dir nicht. Im Versorgungsnetz wird nichts gedimmt.

Auch ich habe schon persoenlich minutenlange BrownOuts erlebt, Netz auf 
etwa halbe Leistung gedimmt - geplant war das wohl kaum damals ;)

von Georg A. (georga)


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In Südtirol hatte ich auch schonmal fast eine Stunde lang nur so ca. 
160V. Danach war erstmal drei Stunden lang gar nix mehr...

von Ben _. (burning_silicon)


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Das ist dann aber alles andere als geplant...

@Georg
Könnte ein fehlerhafter Stufenschalter gewesen sein, der gegen seinen 
Endpunkt gefahren ist oder so. Dabei tritt am Trafo selber keine 
übermäßige Belastung auf, ist nur für gespeiste Motoren zB. nicht so 
toll... Deswegen sollten die Unterwerke bei solchen Fehlern eigentlich 
komplett abschalten (und damit nachgeschaltete Systeme schützen).

von Bernhard R. (barnyhh)


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David ... schrieb:
> Ben _ schrieb:
>> Das glaub ich Dir nicht. Im Versorgungsnetz wird nichts gedimmt.
>
> Auch ich habe schon persoenlich minutenlange BrownOuts erlebt, Netz auf
> etwa halbe Leistung gedimmt - geplant war das wohl kaum damals ;)

Minutenlange "Brownouts" deuten hin auf eine ausgefallene Phase. In der 
2. Hälfte der 1970er Jahre ist das an meinem Wohnort geschehen: 
Glühlampen funzelten vor sich hin, Elektromotoren (Kühlschrank) "würgten 
sich einen ab", manche Wohnungen waren ganz ohne Strom; am nächsten 
Morgen (Sonntag!!!) buddelte der Störtrupp den Gehweg auf und wechselte 
die vom Blitz "geschlachtete" Kabelmuffe aus - "Frühausfall einer neuen 
Konstruktion" lautete die Erklärung (die Muffe war etwa 5 Jahre alt).

Bernhard

von Ben _. (burning_silicon)


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Das ist dann aber ein Fehler nach dem 10kV/400V Trafo und somit kein 
Fehler der vom Netzschutz abgedeckt wird.

Kenne ich aber auch noch vom Dorf früher wenn Äste auf die Leitungen in 
der Straße gefallen und eine heruntergerissen hatten. Der Erfolg war 
dann immer jede Menge Arbeit für den Pumpenbauer, weil deren Motoren 
reihenweise durchbrannten.

von Wilhelm F. (Gast)


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Ben _ schrieb:

> Das glaub ich Dir nicht. Im Versorgungsnetz wird nichts gedimmt.

Du mußt das auch nicht glauben, dazu zwingt dich niemand.

Und dann gibt es von allen Regeln auch die Ausnahme. Vielleicht 
probierte man was, was sich hinterher nicht so bewährte.

Es hätte ja mal sein können, daß hier sonst jemand was dazu weiß. Die 
Abschaltung war angekündigt, kein Defekt. Morgens um 7 Uhr. So, daß für 
die Schulkinder noch Frühstück gemacht werden konnte. Obwohl, das ging 
ganz ohne Strom. Waschen und Zähne putzen ging damals auch nur mit 
Kaltwasser. In der Schulklasse hatten wir auch noch mal das Gespräch 
darüber, denn die Schule hatte ja auch den Ausfall, und alle berichteten 
das selbe. Langsames Abregeln.

Defekte wurden nicht bekannt. Denn wir wissen ja: Die Leistung verhält 
sich zum Quadrat der Spannung. Ein Motor verglüht mit einem Zehntel 
Leistung nicht plötzlich. Eher bei anderen Defekten wie z.B. 
Sternpunktverschiebungen.

von Ben _. (burning_silicon)


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Daß damals die Pumpenmotoren gestorben sind lag einfach daran, daß die 
bei einer fehlenden Phase einfach nicht mehr angelaufen sind.

Tatsache ist, daß das Netz nicht langsam abgeregelt wird. Selbst Trafos 
im Hoch- und Höchstspannungsbereich werden einfach geschaltet.

von Wilhelm F. (Gast)


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Ben _ schrieb:

> Tatsache ist, daß das Netz nicht langsam abgeregelt wird. Selbst Trafos
> im Hoch- und Höchstspannungsbereich werden einfach geschaltet.

Das mag sein. Der genannte Vorgang passierte in meinem Ort auch nur ein 
einziges mal so. Und wie gesagt: 42 Jahre her.

Ich hab da schon lange überlegt, was es hätte sein können. Ob man sich 
die Mühe macht, vielleicht einen riesigen Stellwiderstand zwischen zu 
schalten.

Die elektrischen Energieverbräuche im Ort waren insgesamt ja nicht hoch. 
Keine Industrie, und selbst die Bäckerei noch mit Holzofen. Der 
Löwenanteil wohl Licht. Gehen wir bei 1000EW im Jahr 1970 mal von 200 
Haushalten aus, die je 250W gerade benötigen. Da komme ich dann auf eine 
Gesamtleistung von 50kW. Aber maximal.

von Johannes S. (demofreak)


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Ben _ schrieb:
> Das glaub ich Dir nicht. Im Versorgungsnetz wird nichts gedimmt.

Hier selbst schon erlebt. Als ein Trafo (wegen eines Überschlags durch 
fälschlicherweise zu weit abgelassenem Öls der Befüllung, wenn ich mich 
recht entsinne) im Pumpspeicherwerk Niederwartha abgebrannt ist, hat der 
gesamte angrenzende Stadtteil über mehrere Minuten hinweg langsam auf 
Null gedimmt. Sah interessant aus, von der Autobahn auf der 
gegenüberliegenden Anhöhe aus gesehen.

/Hannes

von Ben _. (burning_silicon)


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Interessanter Effekt dessen Ursache mich interessieren würde.

Das Pumpspeicherwerk Niederwartha hängt im 110kV Netz im Norden von 
Dresden und ist in diesem ein recht zentraler Punkt. Es hat direkte 
Verbindung mit den Umspannwerken Dresden-Süd und Streumen bei Riesa. 
Genug starke Leitungen auf die Verbraucher umgeschaltet werden könnten 
gibts da also. Bei einer größeren Störung im 110kV Netz an dieser Stelle 
würde mit ziemlicher Sicherheit auch nicht nur einen Stadtteil 
ausfallen, sondern eher Dresden Nord plus Umland. Wenns dann nur ein 
einziger Stadtteil war würde ich von einem Fehler in der 
110/10kV-Umspannung ausgehen.

Mein Problem bei der Sache ist, daß es keine Betriebsmittel im Stromnetz 
gibt, die eine derartige langsame Absenkung der Spannung (planmäßig) 
durchführen könnten. So ein Trafo kennt nur an oder aus. (Und einen 
brennen Transformator bezeichne ich auch nicht als planmäßige 
Abschaltung wie bei Wilhelm aufm Dorf.)

von Johannes S. (demofreak)


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Ben _ schrieb:
> gibts da also. Bei einer größeren Störung im 110kV Netz an dieser Stelle
> würde mit ziemlicher Sicherheit auch nicht nur einen Stadtteil
> ausfallen, sondern eher Dresden Nord plus Umland.

Ich konnte von der Autobahn nur den angrenzenden Stadtteil sehen, wie 
weit sich der Blackout zum Schluss wirklich erstreckt hat, weiß ich 
nicht mehr. Müsste man mal recherchieren, ist leider ein paar Jährchen 
her und auf Anhieb hab ich dazu nix gefunden im Netz.

> durchführen könnten. So ein Trafo kennt nur an oder aus. (Und einen
> brennen Transformator bezeichne ich auch nicht als planmäßige
> Abschaltung wie bei Wilhelm aufm Dorf.)

Sicher nicht, aber er wird ja bestimmt sofort nach Alarmauslösunmg 
komplett abgetrennt.

Laienfrage: dass jede Menge nicht-ohmscher Lasten (auslaufende Motoren, 
Netzfilter, whatever) als eine Art Energiespeicher wirken und sich eben 
über das gesamte Teilnetz langsam entladen, kann nicht sein?

/Hannes

von Peter L. (Gast)


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Motore werden nicht viele selbst anlaufen, wäre ja bei einigen Maschinen 
fatal z.B. Kreissäge, Bohrständer, Hobelmaschine usw.
Auch Kühlgeräte haben eine Pause nach dem Wiedereinschalten.
Wie schon gesagt ist eher dass Problem, genug nachzuschieben, damit die 
Phase nicht rausfällt.

von Falk B. (falk)


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@  Peter L. (peterl)

>Motore werden nicht viele selbst anlaufen, wäre ja bei einigen Maschinen
>fatal z.B. Kreissäge, Bohrständer, Hobelmaschine usw.

Jo. Aber was ist mit den mittlerweile Millione von Schaltnetzteilen, die 
keinen Netzschalter mehr haben. Oder klassiche, große Netzteile mit 
fetten Kondensatoren, z.B. für Verstärker? Die machen alle SATT einen 
Einschaltstromstoss. War früher auf LAN-Parties immer ein Problem wenn 
ein Sicherungsstrang rausgeflogen ist, dann musste man einen PC nach dem 
anderen wieder anstecken, alle zusammen an der Verteilerdose ging nicht!

MFG
Falk

von Peter D. (peda)


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Ich stell mir das lustig vor, wenn der Großteil nur noch Wind und Solar 
ist, wie man die vielen 100.000 Kleinerzeuger synchron hochfahren will.

Und kurz bevor alles oben ist, kommt ne Flaute oder ne Wolke und alles 
bricht wieder komplett zusammen.


Peter

von Wilhelm F. (Gast)


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Johannes S. schrieb:

> Laienfrage: dass jede Menge nicht-ohmscher Lasten (auslaufende Motoren,
> Netzfilter, whatever) als eine Art Energiespeicher wirken und sich eben
> über das gesamte Teilnetz langsam entladen, kann nicht sein?

Irgend welche Arten von Motoren mit Permanentmagneten werden bei 
Abschaltung sicherlich noch die Rotationsenergie wieder in elektrische 
Energie wandeln. Oft macht das nicht viel, weil sich an der selben 
Leitung schon mal ohmsche Verbraucher befinden, welche die Energie 
einfach verbraten.

Einer meiner Professoren in einem Fach war nebenbei Gutachter. Auch wenn 
das jetzt aus zweiter Hand ist, aber er erläuterte uns mal einen 
Abschaltfall. Und zwar wurde er mit vor Gericht bestellt, wenn die 
Streitparteien miteinander nicht mehr klar kamen.

In einer Firma ging vor etlichen Jahren die halbe Elektrik hoch. Das EVU 
weigerte sich jedoch vor der Schadensregulierung. Er konnte dann 
nachweisen, daß durch Induktionen hohe Spannungen entstanden, die Geräte 
und Leitungen im abgeschalteten Teil durchschlugen. Z.B. sowas wie der 
defekte Fernseher nach einem Blitzeinschlag. Es war auch keine normale 
Netzabschaltung, sondern nur die Abschaltung der Firma zu einer 
Reparatur am Netz. Unmittelbarer Nahbereich.

von Ben _. (burning_silicon)


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Joa wenn bei sowas die vielen tausend Schaltnetzteile ihren 
Zwischenkreis wieder aufladen haut das dem Trafo richtig eins auf die 
Nuss... Können die Dinger angesichts ihrer Größe aber ab wenn durch die 
starken Magnetfelder kein mechanischer Schaden entsteht.

Fast jeder Motor könnte bei einem plötzlichen Netzausfall seine 
Rotationsenergie zurückspeisen solange er mit Strom durchflossen ist. 
Angesichts der vielen nicht-rückspeisefähigen Verbraucher, die eine 
enorme Übermacht darstellen, dauert das aber keine Minuten. Die Dinger 
arbeiten wenn überhaupt dann sofort gegen einen annähernden Kurzschluß 
und bremsen mit allem was sie können auf Null runter.

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