Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Allgemein: Wie wird Jitter < 1ps gemessen?


von Stefan Z. (Gast)


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Hallo!

Ich habe schon mehrfach in den Datenblättern von PLLs bzw. anderen 
Taktgeneratoren die Angabe des Jitters gesehen. Bei manchen bewegt er 
sich deutlich unter 1 ps, zum Beispiel 300 fs (Femtosekunden). Aber für 
eine Jittermessung benötige ich doch einen Oszillator, der einen 
deutlich geringeren (oder zumindest in der gleichen Größenordnung) 
Jitter hat, oder?
Da beißt sich der Hund in den Schwanz: Wie messe ich den aus?

Hier noch ein 2 Wege, die ich mir überlegt habe, die aber meiner Meinung 
nach nicht funktionieren:
1) Ich möchte den Jitter von einem langsamen Takt (z.B. 1Hz) messen. Als 
Referenz nehme ich einen anderen Takt von 1 MHz. Dazu einen Zähler. Der 
Zähler zählt die Takte des Referenztaktes (1MHz) solange der zu messende 
Takt auf high ist. Wenn der zu messende Takt keinen Jitter hat, zähle 
ich immer 500000. Falls er doch einen hat, bekomme ich (zum Beispiel) 
mal 500234, dann wieder 499912, dann 500190, ... Das Problem: Ich müsste 
einen Takt haben, der sehr viel höher als der zu messende Takt ist. Bei 
1 Hz ohne Probleme machbar aber z.B. bei 5 GHz?
2) Ich nehme einen Referenztakt, der die gleiche Frequenz wie der zu 
messende Takt hat. Diese zwei Takte mische ich und erhalte die doppelte 
Frequenz und 0 Hz. Wenn sich die Takte unterscheiden, erhalte ich eben 
nicht 0 sondern ein bisschen was daneben. Das könnte ich ausmessen. 
Allerdings benötige ich hier auch wieder einen perfekten Referenztakt.

Gruß
Stefan

von ... (Gast)


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Jitter bedeutet Phasenrauschen und Phasenrauschen bedeutet Bandbreite.
Man braucht für 1 ps Jitter also keinen Zähler der mit 1 THz zählt, 
sondern kann das Spektrum auf einen handlichen Frequenzbereich 
heruntermischen.

von Stefan Z. (Gast)


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Ok, das mit dem Runtermischen ist eine gute Idee. Aber geht da nicht 
auch das Jittern / Phasenrauschen des Referenztaktes mit ein? Wie messe 
ich den Jitter von extrem jitterarmen Taktquellen?

von Christian B. (casandro)


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Stefan Zimmermann schrieb:
> Wie messe
> ich den Jitter von extrem jitterarmen Taktquellen?

Mit einer noch jitterärmeren Taktquelle. Wasserstoffmaser sind da eine 
der Möglichkeiten. Wenn Du die messen willst, musst Du mehrere 
miteinander vergleichen.

von Purzel H. (hacky)


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Der Jitter ist das Integral ueber das Phasenrauschen. Dabei muss man 
dann die integrierte Bandbreite angeben. Das Limit ist das 
Phasenrauschen des Referenzoszillators.

von Wolfgang M. (womai)


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Da gibt es einige Moeglichkeiten. Gut ist es bei den meisten, eine 
tiiiiefe Brieftasche zu haben:

Mit High-End-Oszis kann man Jitter bis aus ca. 0.1ps RMS direkt messen. 
Beispiel: Tektronix CSA8200 mit 80A10-Phasenreferenz und 
80A04-Sample-Plugin. Zum Preis eines billigeren Porsche. Hatte ich in 
meinem letzten Job im Labor :-)

Oder mittels spezieller Geraete, die das Phasenrauschen gegenueber einer 
Referenzquelle messen. Dabiei wird Referenzsignal mit zu messendem 
Signal gemischt, wobei die beiden Signale auf 90 Grad Phasenverschiebung 
gehalten werden (mit lnagsamer Zeitkonstante im Bereich von ~1sec). Das 
Signal am Mischerausgang entspricht dan direkt der Phasenflukutation. 
U.u. kann man dabei einfach zwei gleichartige Oszillatoren verwenden 
(unter der Annahme, das beide Quellen gleiches Rauschen haben). Agilent, 
Aeroflex und ein paar andere Anbieter haben solche Messgeraete im 
Angebot.

Oder man samplet das Signal der Quelle mit einer verzoegerten Version 
von sich selber (mit einstellbarer Verzoegerung). Damit kann man dann 
die Fluktuation ueber 1, 2, 3, .... N Perioden messen, wenn man diese 
Delay ueber den Bereich in feinen Schritten durchstimmt. Das ist dann 
allerdings begrenzt auf relativ kurze Zeitraeume (vielleicht ein paar 
100ns) und somit relativ hochfrequentes Phasenrauschen.

Wolfgang

von Purzel H. (hacky)


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>Mit High-End-Oszis kann man Jitter bis aus ca. 0.1ps RMS

Da lege ich mal ein Fragezeichen ein. Nehmen wir mal ein 
moeglich-unmoegliches Signal : 1GHz 20Vpp. Die Ableitung im 
Nulldurchgang ist dann 10*pi*V/ns. Macht dann eine Slope von 31mV/ps, 
resp 3.1mV/(100fs)

Da hab ich dann doch meine Zweifel ... Und ja ich hab auch kurzlich ein 
40GSample Scope auf dem Tisch gehabt.

von Wolfgang M. (womai)


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Erstmal, die Signale, die man misst, sind nicht unbedingt sinusfoermig. 
Bei mir waren es Digitalsignale bis ca. 15 Gbps mit Anstiegszeiten bis 
deutlich unter 20ps und Spannungshub von typischerweise ein paar 100mV 
oder weniger. Die kann man mit dem angegebenen Equipment einwandfrei 
messen kann ich versichern (habe ich jahrelang erfolgreich gemacht). Das 
CSA8200 - das ist ein equivalent time sampling scope, kein real time 
scope - hat auch eine Aufloesung von 14 bit, das hilft, denn die 
Aufloesung ueber 1V (fixer Bereich) ist dann ausreichend klein, und das 
Rauschen war unter 1mV pk-pk (3-4 sigma).

Die Kollegen im Nebenlabor haben sich mit 100-MHz-Clocks beschaeftigt 
(auch nicht sinusfoermig sondern Rechteck, aber deutlich langsamere 
Anstiegszeiten), die haben so eine Phase-Noise-Box verwendet. Mit dem 
geeigneten Referenzoszillator (so einen aufzutreiben, DAS war die 
Kunst!) haben die auch bis weit unter 1ps RMS gemessen.

von Wolfgang M. (womai)


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Mit der "adjustable-delay"-Methode und einem weiteren Trick habe ich 
Sinussignale am Vorgaengergeraet (Tek TDS8000) sogar ohne das 
Phase-Referenz-Modul an 10-GHz-Sinussignalen (ca. 500mV Amplitude) bis 
runter auf 40fs RMS jitter gemessen (allerdings cycle-to-cycle oder 
N-cycle, also den hochfrequenten Jitter). Und das vor fast 10 Jahren. 
(und bin dann draufgekommen, dass die Leute von Tektronix dieselbe 
Methode bereits Ende der 80er verwendet hatten :-)

von Christian B. (casandro)


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Wenn Du Datenleitungen hast, und den Abtastzeitpunkt beliebig einstellen 
kannst, kannst Du den Jitter auch über die Bitfehlerhäufigkeit nahe des 
Übergangspunktes messen, sprich nahe dem Punkt, wo Du 50% 
Bitfehlerhäufigkeit hast. Das ist aber kniffliger, eventuell musst Du 
das erst auf Deine Übertragungsleitung eichen.

von Wolfgang M. (womai)


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Genauso machen es kommerzielle BERTs (bit error rate testers).

von Christoph db1uq K. (christoph_kessler)


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Agilent hat Applikationsberichte zum Thema:

http://cp.literature.agilent.com/litweb/pdf/5989-9849EN.pdf
"...Characterizing Clock Jitter Using Phase Noise Measurements"

http://cp.literature.agilent.com/litweb/pdf/5989-5718EN.pdf
"Using Clock Jitter Analysis to Reduce BER in Serial Data Applications"

Andere Messgerätehersteller dürften ähnliche Texte zu ihren Produkten 
haben.

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