Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Kondensatorgröße für PI-Regler OPV Schaltung


von peter (Gast)


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Hallo zusammen,

habe eine simple Frage.
es geht um einen analogen PI-Regler in Form einer invertierenden OP
Schaltung, wie man sie oft zu sehen bekommt, also z.b. sowas (in 
vereinfachter form):

           |------R2-----C----|
           |   ________       |
in >---R1--|--| -        |    |
              |          |----|----< out
   ref  >-----|_+________|

Meine Reglerparameter für die Anwendung habe ich bereits berechnet.
Mir stellt sich nun die Frage, wie groß ich den Kondensator C für den 
I-Anteil in der Rückkopplung wählen soll. Für gewöhnlich wählt man den 
Kondesator als fix und berechnet dann die restlichen Widerstände R1 und 
R2.
Doch welche Größenordnung wäre denn für dieses C sinnvoll ?

Bei einem sehr kleinem C, z.b. 220pF, werden die Widerstände R1 und R2 
(abhängig von den Reglerparametern) eher
recht groß ausfallen, wodurch u.U. parasitäre Effekte des OPs in der 
Schaltung eine Rolle spielen könnten. Abgesehen davon vielleicht auch 
noch EMV.
Wenn ich das C dagegen ganz groß mache, z.B. 1µF, dann werden die 
Widerstände sehr klein, wodurch der OP einen recht hohen Strom treiben 
muss um die Ausgangsspannung aufzuintegrieren. Da könnt ich mir 
vorstellen, dass man den OP auf dauer etwas stressen würde.

Gibt es Erfahrungswerte ? Irgendwelche Faustregeln ?
Soll ich z.b. einen 4.7nF nehmen, oder doch lieber 47nF ?
Auf welcher theoretischen Grundlage treffe ich diese Entscheidung ?

Vielen Dank.

von Nachtaktiver (Gast)


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Bei deinen Bedenken bist du vollkommen richtig.

Letzenendes spielen Effekte wie Rauschen und Eingangströme des 
Operationsverstärkers eine weitere Rolle mit der Dimensionierung.


Fang einfach an und probiere verschiedene Kombinationen aus wenn du 
kannst, so genau kann man das nicht sagen. In einen PI Regler hatte ich 
zum Beispiel 510R-5k1-470pF verwendet.

von Purzel H. (hacky)


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Da scheint nicht viel an Theorie da zu sein. Keine Maschengleichungen, 
keine Uebertragungsfunktion. Ein Integrator ist empfindlich auf 
Eingangsstroeme. Die machen dann einen Offset.

R2/R1 ist die Proportionalverstaerkung.
R2*C ist die Zeitkonstante, wo der I Anteil zu greifen beginnt.

Um welches Frequenzband es geht wissen wir nicht.
Von der Anwendung haben wir auch keinen Ahnung.

von Helmut S. (helmuts)


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Hallo Peter,
ich empfehle Werte zwischen 1kOhm und 100kOhm für R1. Das geometrische 
Mittel ist 10kOhm. Deshalb nimm die 10kOhm. Wenn du eine 
Peltier-Regelung mit Zeitkonstanten im Sekundenbereich hast, dann nimmt 
man für R1 auch mal 1MegOhm, damit der große(uF) notwendige Kondensator 
noch als Folien- oder Keramik-Kondensator verfügbar ist.

von Kai K. (klaas)


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Wie groß wären denn jetzt R1, R2 und C konkret? Gib mal ein Beispiel.

von peter (Gast)


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Hallo,

Also ich brauche für R2*C eine Zeitkonstante von grob 200µsec.
Verstärkung Kp wäre ungefähr 0.25

Habe mir überlegt:
R1=39k
R2=10k
C=22nF

Alternativ würde z.b. auch gehen:
R1=18k
R2=4.7k
C=47nF

von Helmut S. (helmuts)


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Da würde ich diese Kombination bevorzugen.

Alternativ würde z.b. auch gehen:
R1=18k
R2=4.7k
C=47nF

von Kai K. (klaas)


Angehängte Dateien:

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>Da würde ich diese Kombination bevorzugen.

Ich schließe mich Helmuts Meinung an.

Ich würde eventuell noch parallel zu R2 und C2 einen 22pF Cap hinmachen, 
um die "phase lag" auszugleichen, die von Streukapazitäten vom "-" 
Eingang des Opamps nach Masse verursacht wird. Ein TL072, 
beispielsweise, kann hier ja bis zu 20pF haben. Das vermeidet auch einen 
unerwünschten Peak im Frequenzgang.

Im Anhang ist die Phasenganganalyse für einen TL072 gezeigt.

von Quant (Gast)


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Hi allerseits!

Ich will den Thread nicht hijacken, aber passt gerade so perfekt: Ich 
versuche gerade das hier:

Halb Oschi schrieb:
> R2/R1 ist die Proportionalverstaerkung.
> R2*C ist die Zeitkonstante, wo der I Anteil zu greifen beginnt.

von der Schaltung oben herzuleiten. Ich stelle die Gleichung für die 
erste Masche (u,R1) sowie für die zweite Masche (y,R2,C) auf (u ist 
Eingangsgröße, y ist Ausgangsgröße), Laplace-Transformiere beide und 
bilde y(s)/u(s) und gleiche den Term mit G(s)=Kp(1+T*s)/(T*s) ab. Leider 
hab ich da irgendwo 'nen Wurm drin. Würde sich jemand erbarmen und mir 
die paar Zeilen vorrechnen?

von Helmut S. (helmuts)


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Uaus/Uein = -(R2+1/(jw*C))/R1 = -(jw*R2*C+1)/(jw*R1*C)

Offene Schleife mit Kp, T2=R2*C, T1=R1*C

G(s) = -Kp*(1+sT2)/(sT1)
------------------------

von Helmut L. (helmi1)


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Helmut S. schrieb:
> damit der große(uF) notwendige Kondensator
> noch als Folien- oder Keramik-Kondensator verfügbar ist.

Keramik im Integrator lässt man lieber sein. Dadurch wird der Integrator 
unlinear weil der Kondensator seine Kapazität mit der Spannung ändert.

von Al3ko -. (al3ko)


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Helmut Lenzen schrieb:
> Keramik im Integrator lässt man lieber sein. Dadurch wird der Integrator
> unlinear weil der Kondensator seine Kapazität mit der Spannung ändert.

also nimmt man einen Foliencap?

von Quant (Gast)


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Helmut S. schrieb:
> Uaus/Uein = -(R2+1/(jw*C))/R1 = -(jw*R2*C+1)/(jw*R1*C)
>
> Offene Schleife mit Kp, T2=R2*C, T1=R1*C
>
> G(s) = -Kp*(1+sT2)/(sT1)

Super, danke! Hab's fast, hab aber bei der rechten Masche irgendeinen 
Fehler, wie sieht denn die Gleichung (im Zeitbereich) dafür aus? In 
meiner Laplace-Transformierten ist da ein s^2 drin...

von Helmut S. (helmuts)


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G(s) = -Kp*(1+sT2)/(sT1)

G(s) = -Kp/(sT1) -Kp*T2/T1

Sprungantwort:

Sprung um Kp*T2/T1 + lineare Rampe vom Integrator

von Helmut L. (helmi1)


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Klaus Dietmar schrieb:
> also nimmt man einen Foliencap?

Ja.

von Quant (Gast)


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Ok, ich denke ich hab's jetzt sauber gelöst:

Linke Masche: u(t) = R1*i(t)
Rechte Masche: y'(t) = -(i(t)/C + R2*i'(t))

Laplace-Transformation (Annahme: u(0)=0, y(0)=0)
u(s) = R1*i(s)
s*y(s) = -(i(s)/C + R2*s*i(s)) --> y(s) = -(i(s)/(C*s) + R2*i(s))

Ist das bis hier her sauber gelöst?

G(s) = -(1+s*R2*C)/(s*R1*C) --> G(s) = R2/R1 * (1+s*R1*C)/(s*R1*C)

Ergebnis passt, wir haben jetzt T = R1*C und Kp = R2/R1. Hält dieser 
Lösungsweg dem Blick eines Profs stand?

von Nachtaktiver (Gast)


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Klaus Dietmar schrieb:
> Helmut Lenzen schrieb:
>> Keramik im Integrator lässt man lieber sein. Dadurch wird der Integrator
>> unlinear weil der Kondensator seine Kapazität mit der Spannung ändert.
>
> also nimmt man einen Foliencap?

Sehe ich das richtig das dies aber nur für minderwertige Dielektrika 
geht?

Kleine Keramikkondensatoren mit bis zu einigen hundert Picofarad kann 
man im hochwertigen COG/NPO Dielektrikum bekommen.
Höhere Kapazitätswerte gibts dann nur noch in X5R oder gar Y5U/Z5U und 
spätestens dann wird es ganz kritisch (+20% bis -80% relative Änderung 
der Kapazität im kompletten Spannungsbereich wenn ich mich richtig 
entsinne, ich finde leider das passende PDF nicht mehr)

von Helmut S. (helmuts)


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Bis 100nF gibt es durchaus Kondensatoren mit C0G.
Wenn es nicht besonders genau sein soll, geht auch X7R.
Auf keinen Fall Kondensatoren mit X5R oder Yxx für diesen Zweck nehmen.

von peter (Gast)


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@Kai
du hast in deinem Bodediagramm einen Hochpass gemacht.
also sprich, die Quelle hätte dort hingemusst wo Masse angeschlossen 
ist.
was die Knick- und Eckfrequenzen angeht, kommts aber aufs gleiche raus.

Es geht also um die Empfindlichkeit aufgrund Biasströme vom OP was die
Dimensionierung der Rs angeht ?

Störungen spielen bei mir auch noch eine Rolle.
Da hilft aber, wie schon erwähnt, ein 100pF zwischen Ausgang OP und 
Minuseingang bereits.

von Kai K. (klaas)


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>Bis 100nF gibt es durchaus Kondensatoren mit C0G.

Bis rund 10nF würde ich NP0 nehmen, darüber lieber Folie.

>Wenn es nicht besonders genau sein soll, geht auch X7R.
>Auf keinen Fall Kondensatoren mit X5R oder Yxx für diesen Zweck nehmen.

Einige Hersteller unterscheiden bei ihren Daten nicht zwischen X5R und 
X7R. Da gibt es wohl gutes und schlechtes X5R, je nach Hersteller.

Ich würde hier lieber statt Klasse 2 Caps Folientypen verwenden. Neben 
dem Temperaturgang und der Spannungsabhängigkeit zeigen Klasse 2 
Keramiken nämlich auch ein unerwünschtes Aging, welches kaum ein 
Hersteller so richtig spezifizieren will.

>Es geht also um die Empfindlichkeit aufgrund Biasströme vom OP was die
>Dimensionierung der Rs angeht ?

Nein, ich habe einfach nur die offene Schleife nachgebildet, um zu 
schauen, wie der Phasengang von Ausgang zu "-" Eingang ist. Dabei wird 
die Quellimpedanz, also das, was deine Schaltung treibt, mit 0R 
angenommen. Der 20pF Cap (C2 in meiner Simulation) simuliert die 
Streukapazität vom "-" Eingang des OPamp nach Masse. Der TL071 und 
andere FET-OPamps können hier beachtliche Streukapazitäten mitbringen, 
was Schaltungen mit diesen Chips schnell instabil werden läßt.

Diese Streukapazität bewirkt eine "phase lag" bei hohen Frequenzen, 
erkennbar daran, daß der Phasengang unter die 0° Linie rutscht. Zuviel 
des Guten ist gefährlich, weshalb ich mit einem zusätzlichen 22pF Cap 
(C3 in meiner Simulation) eine kompensierende "phase lead" erzeuge 
(zweites Bildchen).

>Störungen spielen bei mir auch noch eine Rolle.
>Da hilft aber, wie schon erwähnt, ein 100pF zwischen Ausgang OP und
>Minuseingang bereits.

Du meinst, die oben geschilderte Problematik hat sich bei dir bereits 
negativ ausgewirkt und konnte mit einem 100p Cap behoben werden?

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