Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik ICs verlöten - Feuchtigkeit?


von Chris2k (Gast)


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Hallo zusammen,

im Löten bin ich eher ein Anfänger und hab mir das selbst beigebracht. 
Ich habe also keine Ausbildung in dem Bereich gemacht, und daher fehlt 
mir etwas das praktische Hintergrundwissen.

Ich habe hier vor mir eine verschweißte Tüte liegen, in der TQFP144-ICs 
drin liegen. Es handelt sich dabei um FPGAs von Lattice, die ich von 
Hand verlöten muss. Auf der Tüte ist ein Aufkleber angebracht, der auf 
die Feuchtigkeitsempfindlichkeit der ICs hinweist. Laut Aufdruck müssen 
die ICs innerhalb von 168 Stunden verarbeitet sein, wenn sie per "reflow 
solder or other high temperature process" verarbeitet werden sollen. 
Ansonsten müssen die ICs für 48 Stunden bei 125 +/- 5°C "gebacken" 
werden. Dabei ist auf dem Label handschriftlich das Versiegelungsdatum, 
die 168 Stunden und die "peak body temperature" mit 260 °C vermerkt. 
Scheint also eine "ernste Angelegenheit" zu sein.

Ich weiß wohl, dass bei Verarbeitungsprozessen mit hoher Temperature die 
verdampfende Feuchtigkeit dazu führen kann, dass ein IC "gesprengt" 
wird. Wie ist das aber in der Praxis? Kommt sowas tatsächlich vor? 
"Backt" ihr eure ICs (die großen, also sowas wie eben 144-TQFP), wenn 
sie schon seit einiger Zeit in der Schublade herumliegen? Zählt das 
Löten von Hand auch zu den "high temperature processes", oder ist damit 
eher professionelles Löten im Reflow-Ofen gemeint?

Ich möchte nur ungern die Tüte öffnen und jetzt testweise einen der zehn 
ICs verlöten, wenn ich danach die Dinger für zwei Tage nochmal backen 
muss...

Danke
Chris2k

von Sub (Gast)


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Also wenn du das IC per Reflow lötest dann wird ja das ganze Bauteil 
erwärmt. Dabei könnte sich eben Wasserdampf bilden, der das Bauteil 
sprengt.

Wenn du das Bauteil per Hand mit dem Lötkolben verarbeitest, dann ist es 
eher unwahrscheinlich, dass dir das IC gesprengt wird.

von dabidas (Gast)


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Hi Chris2k

Wir in unserer Firma geben auf diese Dinge natürlich acht. Vorallem bei 
Medizinalgeräten wird auch ab und zu mal wieder ein IC aufgebackt.

Als Privatanwender musst du dir darüber aber keine Sorgen machen, die 
werden schon nicht kaputt gehen, das sind blos übertriebene 
Sicherheitsvorschriften.

Um was handelt es sich dann? Um uC oder FPGA's oder sonst was?

lg dabidas

von Chris2k (Gast)


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Hallo,

danke für die Rückmeldungen. Dann kann ich also das Tütchen bedenkenlos 
öffnen. Es handelt sich um Lattice PLDs/FPGAs (LCMX02-7000ZE-1TG144C).

Ich hatte mich eben gewundert, dass das offensichtlich recht genau 
gemacht wird, wenn sogar jemand per Hand auf jedes Tütchen das 
Versiegelungsdatum usw. schreibt.

Gruß
Chris2k

von Thomas E. (thomase)


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Chris2k schrieb:
> Wie ist das aber in der Praxis? Kommt sowas tatsächlich vor?
Ja.
Hab' ich vor Jahren gehabt. Das waren ICs, die vom Hersteller in 
normalen Stangen geliefert wurden. Die wurden auch einfach so bestückt. 
Wir haben allerdings vor der Serie einen Probelauf mit 100 Stück 
gemacht, von denen dann die Hälfte geplatzt sind.
Für die eigentliche Serie haben wir die dann gebacken. Und damit war das 
Problem auch gelöst.

mfg.

von Peter D. (peda)


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Fürs Basteln sollte man Bleilot nehmen, das hat deutlich bessere 
Eigenschaften, z.B. muß die Temperatur auch nicht so hoch sein.

Gerade bei TQFP bilden sich mit Bleifreilot gerne dünne Fädchen zwischen 
den Pins.


Peter

von Knut B. (Firma: TravelRec.) (travelrec) Benutzerseite


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Peter Dannegger schrieb:
> Fürs Basteln sollte man Bleilot nehmen,

Sollte man nicht nur, sondern muss man sogar ;-). Gerade Anfänger mit 
niedriger Toleranz-/ Akzeptanzschwelle werfen den Kram schnell hin, wenn 
man nach halbstündigem Herumbraten an einer Stelle nur noch Holzkohle 
und abgelöste Leiterbahnen vor sich liegen hat. Bleifrei und Basteln 
passt nicht zusammen, zumal die allermeisten Lötspitzen auch heutzutage 
das längere Bleifreilöten nicht verkraften.

von Chris2k (Gast)


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Thomas Eckmann schrieb:
> Das waren ICs, die vom Hersteller in
> normalen Stangen geliefert wurden. Die wurden auch einfach so bestückt.

Welches Lötverfahren? Ich gehe davon aus, dass eure 100 Stück nicht per 
Hand gelötet wurden :)

Peter Dannegger schrieb:
> Fürs Basteln sollte man Bleilot nehmen

Ja, habe ich auch so gehandhabt.

Ich hatte mir bei Youtube einige Tutorials angesehen, und war verblüfft, 
"wie einfach" sich TQFP löten lässt :-) Einfach ein paar mal mit der 
Lötspitze über alle Pins drüberfahren, und schwupps, ist alles sauber 
verlötet ohne großartig Lötbrücken. Das hat bei mir nicht so geklappt, 
hatte allerdings auch kein extra Flussmittel und nur eine 
Bleistift-Lötspitze verwendet. Nächstes Mal dann mit ordentlich 
Flussmittel.

Wegen der Feuchtigkeit: Im Tütchen war sogar ein Indikator-Papier. Mal 
hoffen, dass ich den Rest auch so zu gegebener Zeit verlöten kann.

Chris2k

von Peter D. (peda)


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Chris2k schrieb:
> Ich hatte mir bei Youtube einige Tutorials angesehen, und war verblüfft,
> "wie einfach" sich TQFP löten lässt :-)

Ich hab nicht mehr die ruhige Hand dazu.

Ich hefte den TQFP diagonal an, prüfe mehrmals, ob er auch richtig sitzt 
und dann saue ich alle 4 Seiten mit Lot richtig ein.
Und dann ziehe ich mit Entlötlitze das überschüssige Lot wieder weg.


Peter

von Ronald M. (ronaldmcdonald)


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Peter Dannegger schrieb:
> Chris2k schrieb:
>> Ich hatte mir bei Youtube einige Tutorials angesehen, und war verblüfft,
>> "wie einfach" sich TQFP löten lässt :-)
>
> Ich hab nicht mehr die ruhige Hand dazu.
>
> Ich hefte den TQFP diagonal an, prüfe mehrmals, ob er auch richtig sitzt
> und dann saue ich alle 4 Seiten mit Lot richtig ein.
> Und dann ziehe ich mit Entlötlitze das überschüssige Lot wieder weg.
>
>
> Peter

Wenn es denn mal ein Prototyp sein muss:
Alles bis 1.27mm pin spacing mache ich mit Flux (flüssig).
Alles unter 1.27mm pin spacing mache ich nur noch mit Heißluft.  Große 
BGAs soll jemand mit einer entsprechenden Station und der entsprechenden 
Ruhe dafür machen.

Ich hatte noch nie ein Problem mit "feucht" gewordenen ICs- weder beim 
traditionellen Löten, noch mit Heißluft-Station, noch beim Reflow.  Auch 
wenn große TQFP/LQFP-Packages lange einfach so rumlagen, es hat alles 
immer wunderbar geklappt, auch mit ROHS-Lötzinn/Lötpaste.
Klar ist, dass bei Produktion(!), die aufgedruckten Zeiten unbedingt 
eingehalten werden müssen.  Unschön, wenn da reihenweise die Boards 
durch feuchte ICs versaut werden, zusammen mit den 4 Virtex-7, die sich 
noch auf dem Board befinden...

von Bernd T. (bastelmensch)


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dabidas schrieb:
> das sind blos übertriebene
> Sicherheitsvorschriften.

Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe mehrfach, weil die damaligen 
Kollegen zu blöd zum lesen waren, bzw. zu faul die ICs in den Ofen zu 
tun, nach dem Reflow gesprengte IC-Gehäuse gesehen.

Das kann man, wenn man neben dem nicht gerade leisen Reflowofen steht, 
oft auch knacken hören, vor allem bei QFP144 ist das immer wieder 
passiert.

Beim Handlöten hat es sich allerdings als unkritisch erwiesen.
Wir haben öfter Leiterplatten nachgerüstet und da waren viele Fine Pitch 
drauf, die haben wir nie gebacken und ist auch nie was passiert.

von Wolfgang (Gast)


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Chris2k schrieb:
> Ich hatte mir bei Youtube einige Tutorials angesehen, und war verblüfft,
> "wie einfach" sich TQFP löten lässt :-)

Meinst du den hier:
http://www.youtube.com/watch?v=erb6-i54tbo

> Das hat bei mir nicht so geklappt, hatte allerdings auch kein extra
> Flussmittel und nur eine Bleistift-Lötspitze verwendet.

Eine Lötspitze, die genügend Wärme überträgt, ist unabdingbar. 
Abschrägung mit Hohlkehle muss aber nicht sein. Ohne ausreichend 
Flussmittel - das hast du schon richtig gemerkt - geht es auch so gut 
wie gar nicht.

von Chris2k (Gast)


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Danke für die Rückmeldungen aus der Praxis, hilft mir sehr weiter.

Wolfgang schrieb:
> Meinst du den hier:
> http://www.youtube.com/watch?v=erb6-i54tbo

Ja, das war eines der Videos, die ich gesehen hatte. Die anderen zeigen 
den Vorgang auf mehr oder weniger gleiche Weise. Sieht echt einfach aus.

Wolfgang schrieb:
> Eine Lötspitze, die genügend Wärme überträgt, ist unabdingbar.
> Abschrägung mit Hohlkehle muss aber nicht sein. Ohne ausreichend
> Flussmittel - das hast du schon richtig gemerkt - geht es auch so gut
> wie gar nicht.

Wenn man wieder hinreichend viel Flussmittel durch das aufgeschmolzene 
Lötzinn vorhanden war, ging es dann bedeutend besser :) Nächstes Mal, 
wie gesagt, kommt der Flussmittelstift zum Einsatz.

von Knut B. (Firma: TravelRec.) (travelrec) Benutzerseite


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Chris2k schrieb:
> der Flussmittelstift

Oder Flussmittelgel aus der Spritze. Das dampft/stinkt nicht so und hält 
sich länger auf der Platine.

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