Hallo, ich suche nach einem Verfahren elektronische Systeme vorzeitig altern zu lassen um eine qualifizierte Aussage zur Lebensdauer zu erhalten. Ich habe schon gegoogelt aber nichts konrektes gefunden und mich im Wald von MIL-Standards und DINs verloren. Kann mir jemand ein konrektes Verfahren am besten mit Verweis auf eine Norm nennen? VG, Phil
Hi Phil, Was willst du denn altern lassen?? Elektronik, Mechanik, ..
Ich denke da wird man einen Temperaturschrank für brauchen
Nur Wärmeschrank wäre zu einfach. Jede Kfz-Elektronik muß auch klirrende Kälte, Erschütterungen und böse Resonanzen ertragen können neben dem üblichen elektrischen Stress. Falls diese Arbeit nicht täglich anfällt, sollte man besser nach einem geeignetem Prüflabor suchen, was schon Erfahrung damit hat.
Die Normensituation ist etwas unübersichtlich weil die Frage nach der Lebensdauer leider physikalisch etwas komplexer ist. Es kommt sehr auf die konkrete Fragetellung an: Geht es um Versagen durch Totalausfall oder ist Versagen bereits wenn sich z.B. Messwerte verschieben? Sensoren haben z.B. häufig ein völlig anderes Alterungsverhalten als die übrige Elektronik. Ich habe schon Zuverlässigkeitsdaten für IGBT Module gesehen, da geht es hauptsächlich um Temperaturzyklen. Ob das viele Kleine sind mit z.B. 50Hz im Stromnetz bei Dauerlast oder wenige Grosse mit kurzen Anstiegszeiten spielt für den Dauerbruch vom Bonddraht nachher keine Rolle. In der Frage "Was muss ich für eine Schnellalterung tun?" ist es aber sehr wohl relevant. Einer (PEM-)Brennstoffzelle musst Du z.B. nur etwas Kohlenmonoxid vor die Nase halten und schon verhält die sich wie kurz vor dem Tod. Versagen kann auch sein das mechanische Bauteile versagen, z.B. weil Weichmacher aus Kunststoffen sich verflüchtigen und die spröden Kunststoffteile dann brechen. Im Bereich Schiffstechnik ist Korrosion auch bei Elektronik ein riesen Thema. Entsprechend der verschiedenen Ursachen für Versagen ist dieses Thema leider nicht so allgemein wie Du gefrat hast zu beantworten.
Hauspapa schrieb: > Im Bereich Schiffstechnik ist Korrosion auch bei Elektronik ein riesen > > Thema. Tja salzhaltige, feuchte Luft ist natürlich der Kracher :-) Hauspapa schrieb: > Entsprechend der verschiedenen Ursachen für Versagen ist dieses Thema > > leider nicht so allgemein wie Du gefrat hast zu beantworten. Schade. Dennoch würde ich mit dem Thema gerne zumindest nähern. Sind dir denn Normen bekannt aus dem Bereich der Automobil, Luft- und Raumfahrt, Medizintechnik? Ich mein ich hatte privat schon etliche elektrische Geräte die einfach ausgefallen sind. Sprich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zuverlässigkeitsthema das Problem war. Da muss es doch eine Norm geben. Wäre ja schlimm wenn sich ein Flugzeugbauer keine Gedanken um sowas machen und das auch nachweise muss.....
Hallo, eine allgemeingültige Norm ist mir auch nicht bekannt (es gibt wohl MIL-Vorschriften, aber die gelten eben nur für militärische Anwendungen), aber eine Daumenregel lautet, dass viele Bauteile bei einer Temperaturerhähung um etwa 7 Grad mit einer Halbierung der Lebensdauer reagieren. Daher auch der Verweis auf eine Wärme- oder Klimakammer. Trotz dieses angenommenen Verkürzungsfaktors ist eine Messung immer noch langwierig und teuer, LED-Lampen z.B. werden mit 20000 Stunden angegeben, bei einem Faktor von 16 (2 ^ 4, entsprechend ca. 30 Grad) muss man also immer noch eine grössere Anzahl mehr als 1000 Stunden im Ofen betreiben, eine recht teure Angelegenheit. Man kann den Faktor bzw. die Temperatur auch nicht beliebig hoch treiben, bei Überschreitung der vom Hersteller angegeben Maximaltemperatur können andere Effekte auftreten und irgendwann schmelzen die Lötstellen. Eine wichtige Grenze ist z.B. die Einsatztemperatur des Leiterplatten-Materials. Gruss Reinhard
Phil schrieb: > Kann mir jemand ein konrektes Verfahren am besten mit Verweis auf eine > Norm nennen? Das Lastenheft Deines Kunden. Für Automobil gibt's z.B. DIN 72300, DIN 75220, IEC 60068-2 -- daran kann man sich orientieren.
Reinhard Kern schrieb: > aber eine Daumenregel lautet, dass viele Bauteile bei > > einer Temperaturerhähung um etwa 7 Grad mit einer Halbierung der > > Lebensdauer reagieren interessant. Ich kenne es so, dass vor allem dynamische Vorgänge (Abkühlen<->Erwärmen) die Lebensdauer von Elektronik beeinträchtigen und somit "vorzeitig" altern.
Hallo, für den Automobilbereich für ASIC ist der AEC-Q100 das Standardwerk. Der AEC-Q100 verweist dann hauptsächlich auf diverse JEDEC Standards und MIL-883. So werden für die Lebensdauer- und Freigabeuntersuchung von einem ASIC zum Beispeil folgende Tests gemacht (nicht vollständig!): - 1000h Temperaturlagerung bei 150°C (unbestromt) - 1000 Temperaturzyklen (-50°C/150°C, dwell time pro temp 10 min.) - 96 Autoclave (121°C bei 100% relative Luftfeuchte[r.H.]) - 1000h Temperatur/Feuchte/Bestromt (THB) 85°C/85%r.H + Bestromung bzw HAST -> 96h bei 130°C/85%r.H bestromt. - 1000 high temperature oprerating lifetime @ 125C -> hohe temperatur und bestromung mit einem meist dynamischen Pattern - ESD und Latch-up Tests - Wire Bond Pull und Wire Ball shear tests (an den Golddrähten ziehen) - Lötbarkeitstest - ... Durch die diversen Stresstests werden unterschiedliche Fehlerbilder bei unterschiedlichen Beschleunigungsfaktoren (z.B. Arehniusformel) aktiviert. Für mehr Details mal ruhig nach: reliability handbook semiconductor googeln.Da gibt es recht gute und freie Literatur z.B. von Renesas. Die JEDEC Standards sind bei der JEDEC frei verfügbar. AEC-Q100 glaub ich eher nicht. Gruß ein Zuv-Ing
Phil schrieb: > Ich kenne es so, dass vor allem dynamische Vorgänge > (Abkühlen<->Erwärmen) die Lebensdauer von Elektronik beeinträchtigen und > somit "vorzeitig" altern Abkühlen und Erwärmen macht bei Baugruppen in der Regel die Lötstellen mürbe. Und bei Einzelbauelementen werden die Grenzschichten von unterschiedlicehn Materialien (hoch) belastet, Stichwort Ausdehnungskoeffizienten. Gruß Zuv-Ing
Reinhard Kern schrieb: > eine allgemeingültige Norm ist mir auch nicht bekannt (es gibt wohl > MIL-Vorschriften, aber die gelten eben nur für militärische > Anwendungen), Hallo Reinhard, die MIL -Standards sind nicht unbedingt nur für militärische Anwendungen, sie haben hier nur ihren Ursprung. Gruß Zuv-Ing
ein Zuverlässigkeitsingenieur schrieb: > die MIL -Standards sind nicht unbedingt nur für militärische > Anwendungen, sie haben hier nur ihren Ursprung. Das ist mir schon klar, aber z.B. einen MP3-Player nach MIL auszulegen und zu prüfen erinnert an das bekannte Spatzenmassaker durch Kanonen. Der Vorteil ist nur, dass es bei MIL tatsächlich für ALLES eine Vorschrift gibt, und falls doch mal nicht, gelten die SOPs (Standard Operating Procedures). Gruss Reinhard
Reinhard Kern schrieb: > Das ist mir schon klar, aber z.B. einen MP3-Player nach MIL auszulegen > und zu prüfen erinnert an das bekannte Spatzenmassaker durch Kanonen. > Der Vorteil ist nur, dass es bei MIL tatsächlich für ALLES eine > Vorschrift gibt, und falls doch mal nicht, gelten die SOPs (Standard > Operating Procedures). Die MIL Standards sind eine Sammlung von Empfehlungen und Testdefinitionen. Hier wird z.B. beschrieben, wie ein Temperatur Shock Test (TS, z.B. -50°C/150°C liquid/liquid) durchzuführen ist und was als Ausfall nach MIL-Std Methode xxx anzusehen ist. Ein IC eines MP3 Spieler kann man durchaus gegen den MIL Std testen, ohne das es ein Spatzenmassaker wird. So wird beispielsweise der ESD HBM Test (Chiplevel) nach MIL-Std, weniger agressiv angesehen als der IEC 61000-4-2. Die Akzeptanzgrenzen des Wire Pull Test (ziehen der Golddrähte bei einem IC) wurden im MIL-Std 883 G Method 2011.7 im Jahr 1989 definiert und sind bis heute gültig (3cN), auch wenn sie meiner Meinung nach schon sehr lasch sind. Von einer übertriebenen Härte bei der Verwendung des MIL kann auch hier keine Rede sein. Gruß Zuv-Ing
Reinhard Kern schrieb: > Das ist mir schon klar, aber z.B. einen MP3-Player nach MIL auszulegen > und zu prüfen erinnert an das bekannte Spatzenmassaker durch Kanonen. Wobei es durchaus Leute gibt, die das Ding im Winter im Rucksack haben und im Sommer im Auto liegen lassen. Die Usecases und das daraus resultierende Lebensdauer-Lastprofil muss man halt vorher definieren. Die AEC-Normen gelten für einzelne Bauelemente, nicht für Baugruppen. Steuergeräte qualifiziert man nach den oben genannten Normen (bzw den Standards der OEMs, die sich jedoch davon abgeleitet sind). BTW: Lebensdauer bzw Ausfallraten berechnet man nach IEC 62380, MIL-HDBK-217F oder SN29500.
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