Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Fourierfrequenzen aus Rechteckt rausfiltern


von Paddy (Gast)


Lesenswert?

Ich habe mal eine Frage zu Filtern:

Wie man weiß, stecken in einem Rechtecksignal mehr Frequenzen als nur 
die Grundschwingung. Mit Fourier(analyse) kann man sich die ja 
ausrechnen und man sieht dort dann auch, dass es sich um 
Sinusschwingungen handelt mit jenen Frequenzen, die man dann in der 
Fouriersynthe wieder überlagern kann und sein Rechtecksignal wieder hat.
Das ganze ist auch nicht nur theoretischer Natur, denn wenn ich mein 
Rechtecksignal in einen Sprektrumsanalysator reingeben, sehe ich eben 
auch diese Frequenzanteile (auch manchmal Oberwellen oder Harmonische 
(--> weil es eben Sinusse sind) genannt).
Laut Fourier ist die Grundschwingung aber auch immer eine 
Sinusschwingung und nur die Oberwellen machen es zum Rechteckt.

Nun könnte man ja theoretisch die Oberwellen alle mit einem Tiefpass 
abfiltern und hätte einen Sinus in der Grundfrequenz.
Wenn ich dafür aber einen RC Tiefpass 1. Ordnung nehme sieht man sofort, 
dass man niemals einen Sinus bekommen kann, da man einfach Sprünge auf 
das RC-Glied gibt, welches ein PT1-System ist, welches dann natürlich 
mit e-Funktionen antwortet und eben nicht mit einem Sinus.

Weiß jemand dazu eine Erklärung? Kann man die Grundschwingung nur mit 
einem TP höherer Ordnung herausfiltern? Oder woran liegt es, dass man 
hier in dieses Dilemma tappt?

von A. R. (redegle)


Lesenswert?

Ein Rechteck mit der Frequenz 1Hz hat Oberwellen bei 3,5,7,9,11 ... Hz

Hier ist ein Rechteck als Summe unendlich vieler Oberwellen 
aufgeschrieben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Rechteckschwingung#Fourieranalyse

Um aus einem Rechteck mit der Frequenz 1Hz einen reinen Sinus zu 
bekommen darf der Filter nur den Frequenzanteil bei 1Hz durchlassen. Das 
heißt, dass der Frequenzanteil bei 3Hz unendlich stark gedämpft werden 
muss.

Ein solcher Filter lässt sich digital/mathematisch realisieren jedoch 
nicht analog.

von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

>Weiß jemand dazu eine Erklärung? Kann man die Grundschwingung nur mit
>einem TP höherer Ordnung herausfiltern? Oder woran liegt es, dass man
>hier in dieses Dilemma tappt?

Ich verstehe nicht ganz, wo du ein Dilemma siehst. Ein RC-Tiefpaß kann 
wegen seiner begrenzten Dämpfungswirkung garnicht aus einem Rechteck ein 
Sinus in Reinstform herausfiltern. Es bleiben von den Harmonischen 
gewisse Anteile übrig, die eben genau deine e-Sprünge ergeben.

von Paul Baumann (Gast)


Lesenswert?

Nur mit RC-Glied ist das Signal immer noch "zackig". Du mußt Dir einen
Tiefpass höherer Ordnung bauen, um "bessere" Sinüsse zu kriegen.

MfG Paul

von Kai K. (klaas)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

>Du mußt Dir einen Tiefpass höherer Ordnung bauen, um "bessere" Sinüsse zu 
>kriegen.

Sinüsse ist gut...

von Paul Baumann (Gast)


Lesenswert?

Kai schrub:
>Sinüsse ist gut...

Ja freilich!
;-)
Es geht auf Weihnachten zu und überall gibt es Nüsse. Da kann man sich
auch mal ein paar Sinüsse auf dem Oszi angucken...

MfG Paul

von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

>Es geht auf Weihnachten zu und überall gibt es Nüsse.

Und zwischen den Weihnachtsfeiertagen läuft dann wieder "Drei Sinüsse 
für Aschenbrödel"...

von troll (Gast)


Lesenswert?

Dem Paul seine Ergüsse
enthalten sogar Sinüsse.

scnr

von Harald W. (wilhelms)


Lesenswert?

Kai Klaas schrieb:
>>Es geht auf Weihnachten zu und überall gibt es Nüsse.
>
> Und zwischen den Weihnachtsfeiertagen läuft dann wieder "Drei Sinüsse
> für Aschenbrödel"...

Ja, mit drei Sinüssen kriegt man schon ein ganz gutes Rechteck hin.
Ob das Aschenbrödel auch schon wusste?
Fragt sich
Harald

von Paul Baumann (Gast)


Lesenswert?

Am ersten Feiertag gibt es Tang-Gänse!

OOOOuuuhhhh weh...
;-)

MfG Paul

von Harald W. (wilhelms)


Lesenswert?

Paul Baumann schrieb:

> Am ersten Feiertag gibt es Tang-Gänse!
>
> OOOOuuuhhhh weh...

Ja, tut weh, weil die sind immer so spitz in der Nähe von 90°.
Meint
Harald

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


Lesenswert?

Hi, Paddy,

dieser Versuch ist nur für höhere Frequenzen handhabbar:
1. Baue in einen Verstärker zur Rückkopplung eine Schleife Koaxialkabel 
ein mit der Wellenlänge Lamda/halbe.
2. Speise Deinen Rechteck ein.
3. Stelle die Schleifenverstärkung auf etwas unter 1 ein.

Ergebnis: Du hast ein Filter für die Grundfrequenz und so viele 
Oberwellen, bis die Phasendrehung Deines Verstärkers und dessen Rückgang 
an Verstärkung die Ecken verschleift.


Ciao
Wolfgang Horn

von Bernie (Gast)


Lesenswert?

Ein Dilemma bezeichnet eine Situation, die zwei Möglichkeiten
der Entscheidung bietet, welche beide zu einem unerwünschten
Resultat führen. (wikipedia)

Das ist hier nicht der Fall, da man aus einem Rechteck mit
entsprechendem Filter-Aufwand die beteiligten
Schwingungen durchaus sauber herausfiltern kann!

Dass ein RC-Tiefpass mit 50% Abschwächung der doppelten
Eck-Frequenz hierfür nicht ausreicht, bedeutet einfach, dass
man zu wenig Aufwand betreibt.

von kaplic (Gast)


Lesenswert?

Paddy schrieb:
> Laut Fourier ist die Grundschwingung aber auch immer eine
> Sinusschwingung und nur die Oberwellen machen es zum Rechteckt.

Das ist nicht immer so, nur wenn man nach Sinus und Kosinus entwickelt!

Laut Fourier kann man unsere Signale in eine Funktionenreihe aus 
orthogonalen Funktionen entwickeln, das muss nicht immer Sinus und 
Kosinus sein. Das in der Elektrotechnik erstmal Sinus- und 
Kosinusfunktionen sinnvoll sind, sei dahingestellt. Man könnte z.B. auch 
nach den Walsh-Funktionen entwickeln oder irgendwelchen anderen 
Funktionen, welche orthogonal zueinander sind. Das ist für die 
Elektrotechnik, speziell für die Nachrichtentechnik, auch sinnvoll. Da 
gibt es noch ein paar Rahmenbedingungen mehr, aber der gute Herr Fourier 
hat weiter gedacht, als das was wir heute benutzen.

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


Lesenswert?

Paddy schrieb:
> welches dann natürlich
> mit e-Funktionen antwortet und eben nicht mit einem Sinus.

Ein TP weiß nichts vom Eingangssignal. Es läßt genau die Frequenzen, 
bewertet mit einer bestimmten Amplitude durch, die durch den 
Filterfrequenzgang definiert sind.

von Guido (Gast)


Lesenswert?

Hallo,

kaplic schrieb:
> Man könnte z.B. auch
> nach den Walsh-Funktionen entwickeln oder irgendwelchen anderen
> Funktionen, welche orthogonal zueinander sind. Das ist für die
> Elektrotechnik, speziell für die Nachrichtentechnik, auch sinnvoll. Da
> gibt es noch ein paar Rahmenbedingungen mehr, aber der gute Herr Fourier
> hat weiter gedacht, als das was wir heute benutzen.

vielen dank für die Hinweis. Kannst Du zu diesem Thema weiterführende 
Literatur empfehlen?

Mit freundlichen Grüßen
Guido

von Joe G. (feinmechaniker) Benutzerseite


Lesenswert?

Guido schrieb:
> Kannst Du zu diesem Thema weiterführende
> Literatur empfehlen?

E. Gauß: Walsh-Funktionen für Ingenieure und Naturwissenschaftler, 
Teubner Studienbücher

von kaplic (Gast)


Lesenswert?

Guido schrieb:
> vielen dank für die Hinweis. Kannst Du zu diesem Thema weiterführende
> Literatur empfehlen?

Sorry, leider nicht! Ein gutes Stichwort ist die Walsh-Transformation. 
Wenn man die Fourier-Transformation verstanden hat, sollte man sich 
einfach mal die Walsh-Transformation anschauen. Das meiste ist dann 
logisch! Allerdings muss man sich vorher mal mit den Walsh-Funktionen 
beschäftigen.

Falls jemand ein gutes Buch dazu empfehlen kann, wäre ich auch dankbar, 
da diese Frage relativ häufig kommt. Aber es scheint kein vernünftiges 
Buch zu dem Thema zu geben. Ist ja auch kein Wunder, da es sich um ein 
schwieriges Thema handelt. Entweder haben die Autoren es selbst nicht 
verstanden und ihren Buchtext nur zusammenkopiert oder sie haben es auf 
einem sehr hohen Niveau, deutlich über meinem, geschrieben.

von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

>Das in der Elektrotechnik erstmal Sinus- und Kosinusfunktionen sinnvoll
>sind, sei dahingestellt.

Es ist natürlich kein Zufall, daß Sinusfunktionen verwendet werden. Bei 
Masse-Feder-Systemen, Pendeln, etc. stößt man bei (infinitesimalen) 
Auslenkungen immer sofort auf Sinusfunktionen. Sinusfunktionen haben zu 
tun mit dem Einheitskreis und einem sich darin mit konstanter 
Winkelgeschwindigkeit drehendem Zeiger. In jeder Kreisbewegung steckt 
daher die Sinusfunktion.

Es ist ja nicht so, daß die Sinusfunktion einfach vom Himmel gefallen 
ist und man dann krampfhaft versucht hat, sie in die Physik zu drücken. 
Nein, es ist genau umgekehrt: Man hat den zeitlichen Verlauf der 
Auslenkung bei der Kreisbewegung, also die Projektion des sich drehenden 
Zeigers auf die Koordinatenachsen als immer wiederkehrendes Muster in 
der Physik bei Schwingungsvorgängen aller Art gefunden und händeringend 
nach einer Möglichkeit gesucht, dafür eine einfache Funktionsvorschrift 
aufzustellen, was ja letztlich in einer unendlich langen Potenzreihe 
endete.

Die Sinusfunktion ist die einfachste und elementarste periodische 
Funktion. Nicht weil sie einfach darzustellen ist, sondern weil sie sich 
in der Natur so offenbart.

Letztlich funktioniert auch unser Gehör wie ein Sinusfrequenzanalysator, 
sodaß im Audiobereich die Verwendung von Sinusfunktionen geradezu 
fundamental ist.

von kaplic (Gast)


Lesenswert?

Kai Klaas schrieb:
> Es ist ja nicht so, daß die Sinusfunktion einfach vom Himmel gefallen
> ist und man dann krampfhaft versucht hat, sie in die Physik zu drücken.

Das ist mir vollkommen klar, ich wollte damit nur ausdrücken, das nicht 
nur der Sinus und der Kosinus vom Himmel gefallen sind, sondern, dass es 
noch jede Menge andere vom Himmel gefallene sinnvolle Möglichkeiten 
gibt, welche auch nicht krampfhaft in die Physik gedrückt worden sind, 
nur damit sie überhaupt mal gebraucht werden.

von Axel S. (a-za-z0-9)


Lesenswert?

kaplic schrieb:
> Falls jemand ein gutes Buch dazu empfehlen kann, wäre ich auch dankbar,
> da diese Frage relativ häufig kommt. Aber es scheint kein vernünftiges
> Buch zu dem Thema zu geben. Ist ja auch kein Wunder, da es sich um ein
> schwieriges Thema handelt.

Aus Sicht der Mathematik ist das Thema ein eher langweiliger Spezialfall 
der linearen Algebra. Man hat halt einen Funktionsraum (dein Signal ist 
eine Funktion der Zeit) und sucht in diesem Raum eine Basis, sprich eine 
Menge Funktionen aus denen man jede mögliche Funktion als 
Linearkombination darstellen kann. Außerdem ist es noch praktisch, wenn 
die Basen orthogonal sind (das Produkt zweier Basen ist 0).

Das einzig interessante aus Sicht der Mathematik ist, daß das ein 
unendlichdimensionaler Raum ist :)

Fourrier hat als Basis die Funktionen sin(nwt), cos(nwt) genommen. Die 
Walsh-Funktionen bilden anscheinend eine weitere Basis. Und es gibt 
unendlich viele weitere Basen. Praktische Bedeutung haben noch die 
Funktionen, die durch Wavelets definiert sind.

An Literatur tut es also jegliches Einsteigerwerk (höhö) zum Thema 
lineare Algebra und Funktionenräume.


XL

von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

>An Literatur tut es also jegliches Einsteigerwerk (höhö) zum Thema
>lineare Algebra und Funktionenräume.

Man suche nach "Orthonormalsysteme" bzw. "Orthogonalsysteme"...

>Falls jemand ein gutes Buch dazu empfehlen kann, wäre ich auch dankbar,
>da diese Frage relativ häufig kommt.

Dieser Artikel hier dürfte ganz interessant sein:

http://www.vtvt.ece.vt.edu/research/references/uwb/signalings/WALSHFCT.pdf

von Paddy (Gast)


Lesenswert?

Bernie schrieb:
> Ein Dilemma bezeichnet eine Situation, die zwei Möglichkeiten der
> Entscheidung bietet, welche beide zu einem unerwünschten Resultat
> führen. (wikipedia)
>
> Das ist hier nicht der Fall, da man aus einem Rechteck mit
> entsprechendem Filter-Aufwand die beteiligten Schwingungen durchaus
> sauber herausfiltern kann!
> Dass ein RC-Tiefpass mit 50% Abschwächung der doppelten Eck-Frequenz
> hierfür nicht ausreicht, bedeutet einfach, dass man zu wenig Aufwand
> betreibt.

Ich empfand es beim Stellen der Frage schon als Dilemma:
Betrachtung 1: RC als Filter, wodurch man einen Sinus erwarten würde.
Betrachtung 2: RC als TP1-Glied, wodurch man eine exponentiale 
Grenzschwingung erwarten würde.

Trotzdem danke für die Erklärungen!
Das RC-Filter ist nicht ideal und hat einen Frequenzgang.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.