Forum: Platinen Plastik 70 vs. IC Gehäuse


von Pjotr (Gast)


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Hallo Forum!

Ich habe (einseitig beschichtete Bungard-)Platinen geätzt und bestückt 
und möchte die Leiterbahnen nun dauerhaft gegen Oxidation schützen. Hier 
im Forum werden in zahlreichen Threads SK10 Lötlack, 
ver-zinnen/silbern/golden und Plastik 70 diskutiert.

SK10 scheint ja hauptsächlich ein Flussmittel fürs Löten selbst zu sein, 
allerdings hatte ich absolut keine Probleme die frisch geätzten 
Leiterbahnen direkt zu Löten und würde daher gerne auf den Lötlack 
verzichten.

Wie ich den meisten Beiträgen zu dem Thema entnehmen kann scheint sich 
Plastik 70 von Kontakt Chemie sehr gut zum versiegeln von Leiterplatten 
nach der Bestückung verwenden. Allerdings habe ich außer through-hole 
Bauteilen auch SMD ICs auf der Kupferseite der Platinen platziert. Sind 
die Gehäuse von SMD-Bauteilen, hauptsächlich ICs, resistent gegen 
Plastik70, oder muss ich sie vor dem Besprühen abkleben o.ä., wenn ja, 
gibt es erprobte Methoden? Das Plastik 70 - Datenblatt sagt 
"elektronische Bauelemente sind damit im Allgemeinen gut verträglich" - 
gibt es da Erfahrungen?

Ist die Versiegelung von Platinen für die Verwendung in "normaler 
Innenraumatmosphäre" i.A. überhaupt notwendig? Die Oxidschicht, die sich 
auf Cu-Leiterbahnen bildet, sollte diese doch auch passivieren? Die 
Platinen sollen später nicht mehr gelötet werden.


Pjotr

von Gerd E. (robberknight)


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> Sind
> die Gehäuse von SMD-Bauteilen, hauptsächlich ICs, resistent gegen
> Plastik70, oder muss ich sie vor dem Besprühen abkleben o.ä.

Da gibts eigentlich keine Probleme. Nur die Anschlusspins von Deiner 
Platine zur Aussenwelt solltest Du sauber abkleben, denn das Zeug 
isoliert.

Manche ICs brauchen den Kontakt zur Außenwelt - z.B. Summer, Mikrofone, 
Luftdrucksensoren etc. Die natürlich auch abkleben.

> Ist die Versiegelung von Platinen für die Verwendung in "normaler
> Innenraumatmosphäre" i.A. überhaupt notwendig?

eigentlich nicht wirklich.

Was Du aber machen solltest ist Flussmittelreste sauber entfernen. Denn 
die sind über die Zeit korrosiv.

> Die Oxidschicht, die sich
> auf Cu-Leiterbahnen bildet, sollte diese doch auch passivieren?

genau.

von Klaus S. (klaws)


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Der Plastiküberzug kann bei Platinen sinnvoll sein, die der Witterung 
ausgesetzt sind. Beispielsweise für eine bestehende Wetterstation, wo 
das vorhandene Gehäuse sehr durchlässig ist.

Reparaturen werden durch den Überzug natürlich erschwert.

Plastik 70 kann Beschriftungen beinträchtigen. Es kann also vorkommen, 
dass bei einigen ICs die Beschriftung verschwindet oder unleserlich 
wird.

Es gibt von selben Hersteller auch Urethan. Ein Urethanüberzug ist eine 
erprobte Strategie gegen Kurzschlüsse durch Whisker. Es ist dabei nicht 
sicher, ob es in wirklich allen Fällen wirkt, aber in jedem Fall 
deutlich besser als gar nix. Whisker bilden sich zwar noch aus, erzeugen 
aber keine Kurzschlüsse mehr. Wirklicher Schutz gegen Whisker sind 3% 
(oder mehr)  Bleianteil im Lötzinn. Eigentlich reicht ein noch kleinere 
Anteil, aber wegen Inhomogenitäten ist man mit 3% auf der sicheren 
Seite.

- Klaus

von Dieter G. (dieter_g)


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Hallo Pjotr,

Kurz zum Loetlack SK10 :
Den verwende ich auch, selbst wenn ich die Platin sofort bestuecke. Die 
Gruende sind folgende : Erstens kann ich die Platine beim Loeten normal 
handhaben ohne dasz hinteher braune Fingerabdruecke (vom Schweisz der 
Haende) auf dem Kupfer sind. Mit Handschuhen loeten nervt ziemlich. 
Zweitens kann ich dank des Lackes die SMD-Bauteile mit der Pinzette 
festhalten, etwas Loetzinn an die Spitze des Kolbens machen und damit 
das Bauteil fest-pinnen. Ohne den Lack geht das sehr schlecht, weil das 
Zinn am Loetkolben sehr schnell oxidiert.

ich verwende Platik 70 oft zum lackieren und hatte bei den Gehaeusen der 
Bauteile noch keine Probleme.
Wie Gerd E. schon geschrieben hat, muszt du alle Steckverbindungen sehr 
ordentlich abkleben.

Leider ist Plastik 70 aber mit Alkohol loeslich, d.h. ich kenne keine 
Moeglichkeit, wie man Fluszmittelreste wegbekommt, ohne den Lack optisch 
zu ruinieren. Das Problem stellt sich, wenn man nach dem Lackieren doch 
noch etwas nachloeten musz.

Eine weitere Eigentschaft von Plastik 70 die nicht sofort offensichtlich 
ist, ist die, dasz er ums verrecken keine Kanten benetzt. Das gute daran 
ist, dasz man auch nach dem Lackieren noch an der Platine meszen kann, 
man bekommt an allen scharfen Kanten elektrischen Kontakt. Das Schlechte 
ist, dasz man keine (elektrisch) geschloszene Schutzschicht erhaelt. Man 
kann die Platine also nicht ins Wasser tauchen.
Dummerweisze benetzt er auch die Kanten der nur (i.d.R.) 35µm hohen 
Leiterbahnen nicht. Ich hatte das mal ausprobiert, selbst nach 
dreimaligem lackieren haben es noch manche Leiterbahnkanten geschafft 
aus dem Lack heraus zu ragen. Dabei sah die Lackschicht viel viel dicker 
aus, als die 35µm des Kupfers, so dasz eigentlich alle Leiterbahnen im 
Lack haetten "untergehen" muszen. Es ist wirklich kaum zu glauben.

Das Durchloeten durch den Lack ist uebrigens auch sehr beschwerlich bis 
unmoeglich (bei kleinen, thermisch empfindlichen Bauteilen).
Am einfachsten ist es den SK10 zu benutzen und ein mildes Fluszmittel im 
Loetdraht, dann kann man die Platine einfach lassen wie sie ist. SIeh 
aber nicht so schoen aus wie mit Plastik 70.

Ach ja, noch etwas : Der Plastik-70 Lack ist extrem empfindlich gegen 
noch so duenne Filme von Fluszmittelresten auf der Platine. Wenn eine 
Stelle nicht perfekt sauber ist, wird sie zwar beim Bespruehen zunaechst 
problemlos benetzt, der Lack "fluechtet" dann aber von der unreinen 
Stelle weg, so dasz nur eine extrem duenne/garkeine Schicht an der 
schmutzigen Stelle verbleibt. Besprueht man diese dann erneut, wandert 
der Lack immer und immer wieder weg und erzeugt dabei so eine Art runden 
Wall um die Stelle herum der immer hoeher wird. Sieht dann aus wie der 
Kraterrand eines Vulkans.

von Steffen W. (derwarze)


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Dieter G. schrieb:
> Leider ist Plastik 70 aber mit Alkohol loeslich, d.h. ich kenne keine
>
> Moeglichkeit, wie man Fluszmittelreste wegbekommt, ohne den Lack optisch
>
> zu ruinieren. ...

Ich bade die Platinen reichlich lang (mindestens 1 Min) in Isopropanol 
und wische mit einem mittelharten Pinsel alle Flussmittelreste weg. Nach 
dem vollständigen Abtrocknen kalppt das dann prima mit dem Plastic70. 
Nach dem Abtrocknen ist der Lack auch gegen Alkokol recht stabil und 
wird nicht sofort angelöst.
Beim Trocknen aber aufpassen das kein feuchter Wind über sie Platte 
weht, dann wird der Lack trüb und stumpf.
Bei Reparaturen nehme ich Aceton um die Stelle von Lack zu befreien, 
reinigen mit Isopropanol und mit Lack besprühen, ferddisch. Die Stelle 
der Reparatur sieht man dann beim Überlackieren zwar noch, doch stört 
das nur bei Sichtobjekten die Schutzfunktion ist aber ok.
Mir ist in eine Gerät mit einer so lackierten Platine mal einiges an 
Regenwasser reingelaufen, die Baugruppe hat das tagelang klaglos 
weggesteckt.

von Pjotr (Gast)


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Vielen Dank für die Antworten!

Ich habe mich jetzt auch für Platik 70 entschieden, der trocknet grade 
und ich bin gespannt auf das Ergebnis.

Problematisch fand ich das Entfernen der Flussmittelreste vor dem 
Auftragen des Lackes. Ein Bad der gesamten Platine in Isopropylalkohol 
war letztendlich dann ganz hilfreich, aber ist das nicht ein wenig 
brutal den ganzen Bauteilen gegenüber? Können die das ab? (Also ich 
meine Kondensatoren, ICs, Quarz, etc.? Bei Taster und ähnlichem würde 
ich wohl sowieso lieber auf das Einlegen in IPA verzichten).

von Steffen W. (derwarze)


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Bisher haben alle Bauteile das problemlos überlebt. Nicht waschdichte 
Schalter oder offene Trimpotis mögens nicht so, wobei eher das im 
Isopropanol gelösste Restflussmittel das sich im dort niederschlagen 
kann Probleme macht.
Die meisten Bauteile heutzutage sind Waschfest denn auch in den 
industriellen Platimenwaschmaschinen geht es recht heftig zu.

von Bastler (Gast)


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Hallo,

mit welchen Mittel und wie wird in industriellen Platimenwaschmaschinen 
gewaschen ?
Wie wird die Waschlösung wieder aufbreitet, oder wird nur frische Lösung 
benutzt und gebrachte gesammelt und extern (chemischer Fachbetrieb) 
gereinigt ?

Bastler

von Steffen W. (derwarze)


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Uff, bin ich jetzt Überfragt, müsste da bei Gelegenheit mal den 
Bestücker in Ort fragen.

von Magnus M. (magnetus) Benutzerseite


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Bastler schrieb:
> Wie wird die Waschlösung wieder aufbreitet,

Soweit ich weiß wird das Reinigungsmittel einfach destilliert.

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