Forum: HF, Funk und Felder Sind 20 V/m viel?


von Christian A. (chip_stephan)


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Hallo zusammen,

mal angenommen, irgendwelche Leiterplatten bzw. Elektroniken sind einer 
Strahlung mit der Feldstärke 20 V/m ausgesetzt (von 10 kHz bis 18 GHz). 
Sind dann dort besondere Schirmungsmaßnahmen nötig oder sind 20 V/m so 
wenig, dass da nichts pasiert? Natürlich hängt es maßgeblich von den 
Schaltungen und auch vom Leiterplattendesign ab, aber ich wollte mal von 
Euch Erfahrungswerte hören, ab welchen Beaufschlagungswerten in der 
Praxis üblicherweise Probleme, d.h. Beeinflussungen an ungeschirmten 
Komponenten auftreten.

Würde es einen handelsüblichen PC stören, wenn im PC-Gehäuse 20 V/m 
auftreten, also wenn man z.B. ein Handy dort hereinlegt?

Hintergrund der Frage ist folgender: Ein System soll mit 200 V/m 
beaufschlagt werden. Mittels Feldsimulation wurde ermittelt, dass 
innerhalb des Gehäuses dann noch maximal eine Feldstärke von 20 V/m 
auftritt. In dem Gehäuse befinden sich ein offenes Rechner-Rack, diverse 
Leiterplatten, alles fliegend verdrahtet. Angeblich soll es da keine 
Probleme geben, da das Gehäuse ja von 200 V/m auf 20 V/m runterdämpft 
und dieser Wert unproblematisch sei.

Vielen Dank und viele Grüße

von HF-Werkler (Gast)


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Ja, Nein, Vielleicht und manchmal ist meine Antwort.

Welche Frequenz kommt zum Einsatz?
Welche Bauteile sind verbaut?
Wie homogen ist das Feld im Gehäuse?
Was ist mit den Kabeln die rein und raus gehen?
Welche Normen sollen eingehalten werden?

So ganz pauschal ohne Details wird das nur wildes Gemurmel werden, ohne 
wirkliche Aussagen.

Prinzipiell ist 20V/m nicht mehr "wenig", sondern relevant, aber es 
kommt sehr auf die Details an.

von juergen (Gast)


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Das kannst du dir doch selbst ausrechnen :

20 V/m sind 2 V auf 10 cm deiner wilden Verdrahtung. Wenn du bedenkst, 
mit welchen niedrigen Spannungen im PC gearbeitet wird, dann sind 
Funktionsstoerungen allemal zu erwarten.

J.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Christian,

Zu Deinen Freunden gehört nicht nur Google, sondern auch die Vorarbeiten 
von VDE und DIN.
Ich selbst kenn die eigentlich gar nicht, weil Hausnormen für meine 
Arbeit maßgebend waren. (Wer besonders Gutes herstellen will, 
beispielsweise Messtechnik, muss auch schärfere Grenzewerte einhalten. 
Wo kommerziell noch Platinen in ein gemeinsames Gehäuse gestapelt werden 
können, da muss dann halt mal jede Baugruppe aus dem Vollen gefräst 
werden und dann sind Abschirmdeckel zu schrauben wie Zylinderköpfe..)

Zur Feldstärke: An der Netzsteckdose haben wir beträchtlich mehr als 
20V/m.
Im Sendehaus haben wir andere Feldstärken als im Meßgerät.

Für jedes System der Messtechnik oder Nachrichtenübertragung gilt:
1. Die gesetzlichen Vorschriften einhalten.
2. Am gewünschten Ergebnis des Systems die zugesagte Störfreiheit 
einhalten plus Reservezuschlag. Wie Bitfehlerrate oder Störsignale. Dazu 
muss man den ganzen Signalpfad dann abgehen wie ein Streckengänger der 
Bahn und alle denkbaren Einflüsse berücksichtigen, berechnen und 
eindämmen.

Das ist kein Pfusch, sondern Ingenieurarbeit.

Ciao
Wolfgang Horn

von Plasmon (Gast)


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Folgende Abschätzung basierend auf Freiraumstrahlung könnte ich noch 
anbieten:

20 V/m (Spitzenwert) entsprechen einer Strahlungsleistungsdichte von 
0,53 W/m^2.

Jetzt sagst du natürlich so ganz lapidar "von 10 kHz bis 18 GHz". Ist 
diese Leistung jetzt über dieses breite Band verschmiert? Oder geht es 
dir schon um schmalbandige Signale? Dein Beispiel "Handy" spricht für 
letzteres.

Nehmen wir also mal willkürlich die Frequenz 1 GHz an. Bei einer 
einfallenden Leistungsdichte von 0,53 W/m^2 würde ein Dipol bei 1 GHz 
eine Leistung von 0,53 W/m^2 * 1,64*(0,3 m)^2/(4*pi) = 6,2 mW empfangen. 
Das sind etwa +8 dBm.

So weißt du, wo du dich mit 20 V/m in etwa bewegst. Die tatsächliche 
Einkopplung in deine Schaltung dürfte hoffentlich geringer ausfallen, 
als der Empfang mit einem Dipol. Eine Digitallogik dürfte man damit also 
nicht außer Tritt bringen.

von Kurt (Gast)


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Plasmon schrieb:

>
> Nehmen wir also mal willkürlich die Frequenz 1 GHz an. Bei einer
> einfallenden Leistungsdichte von 0,53 W/m^2 würde ein Dipol bei 1 GHz
> eine Leistung von 0,53 W/m^2 * 1,64*(0,3 m)^2/(4*pi) = 6,2 mW empfangen.
> Das sind etwa +8 dBm.
>
Angenommen es liegt ein Leiterstück am Ausgang eines Gatters, ist also 
Massegeklemmt.

Die Frequenz sei 1 Ghz, die Leitung sei Lamda/2 -oder/4
-oder 5-achtel lang und ende an einem C-MOS-Eingang.
Die Leitung geht also in Resonanz zu 1 Ghz.
Reicht dann die auftretende Spannnnung aus um die 3V Logik zu 
überlisten?


Kurt

von Bazo (Gast)


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Hallo,

keine Ahnung, ob die Werte noch aktuell sind, aber die 
Mindestanforderung
waren mal.

3V/m für Unterhaltungselektronik
10V/m für Industrieelektronik
100V/m e1 Zulassung im Fahrzeugbereich

von Osche R. (Gast)


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150-360 V/m Werksnormen der OEMs

von Klaus (Gast)


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Eine Digitallogik dürfte man damit also
nicht außer Tritt bringen.


Veto!

Schachtel Bier, dass es Störungen gibt.

von Ralph B. (rberres)


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Bazo schrieb:
> 3V/m für Unterhaltungselektronik
>
> 10V/m für Industrieelektronik
>
> 100V/m e1 Zulassung im Fahrzeugbereich

Ich meine  was gehört zu haben für

3V/m für Unterhaltungselektronik

27,5V/m für Industrieelektronik

200V/m für Fahrzeugbereich.

Ralph Berres

von Plasmon (Gast)


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Klaus schrieb:
> Schachtel Bier, dass es Störungen gibt.

Wobei? Bei 20 V/m oder wenn man ein Handy ins PC-Gehäuse legt? Das ist 
nämlich nicht das Gleiche, auch wenn der TE das mal eben so hingestellt 
hat.

Bei isotroper Abstrahlung von 2 W hat man 20 V/m erst in gut 1 m 
Abstand. Handy im PC-Gehäuse dürfte also weit höhere Feldstärken 
erzeugen. Der Abstand ist kleiner, die Leistung kommt aus dem Gehäuse 
nicht so gut raus, es kann sogar Gehäuseresonanzen geben. Da würden mich 
Störungen auch nicht mehr wundern.

von bazo (Gast)


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Hallo Ralf,

Ralph Berres schrieb:
> Bazo schrieb:
>> 3V/m für Unterhaltungselektronik
>>
>> 10V/m für Industrieelektronik
>>
>> 100V/m e1 Zulassung im Fahrzeugbereich
>
> Ich meine  was gehört zu haben für
>
> 3V/m für Unterhaltungselektronik
>
> 27,5V/m für Industrieelektronik

Das ist der EMVU-Grenzwert ohne HSM für 10-400 MHz!

In der EN 50082-2 von 1995 stehen 10V/m drin, wenn man dem Link hier 
glaubt, hat sich nicht an Werten geändert
http://www.eue24.net/pi/index.php?forward=downloadPdf.php&p=mJ3rC2nsGxWFBanjU.jGmQF3Ccl_ExFxccClnMfiMg3pRUO0SLjfEtfros@@G@I0PVRxmd8ua8SnQULfAxj_HXyzBcTor_ZxV_NXHQBuqthscYWqAh.uEw.GYEO9

> 200V/m für Fahrzeugbereich.

Die 100V/m standen bei einer IFM Steuerung aus dem Fahrzeugbereich drin

> Ralph Berres

Gruß Andreas

von Anja (Gast)


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Christian A. schrieb:
> oder sind 20 V/m so
> wenig, dass da nichts pasiert?

Mal ein paar Beispiele aus der Praxis:

Ein nicht entstörter Temperatursensor an einer Lötanlage bringt es 
locker auf 30-40 Grad Temperaturabweichung bei 3V/m bei bestimmten 
Frequenzen.

Ein schlecht abgeblockter Low-Drop-Regler (nur mit Tantals direkt am 
Regler ohne Keramik-Kondensatoren) bringt es auf ca 300mV 
Spannungseinbruch bei 3V/m.

-> selbst in Digitalelektronik können Störungen bis zur Zerstörung 
auftreten wenn dein Thermomanagement oder deine Spannungsregelung nicht 
mehr funktioniert.

Gruß Anja

von hal9001 (Gast)


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Also wenn ich bei meinem netzteil 20V einstelle und
die Strippen in 1m abstand auf die Erde lege passiert nix.
Auch wenn ich die Drähte anfasse passiert nix.
beunruhigend oder?

von Michael_ (Gast)


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Christian A. schrieb:
> mal angenommen, irgendwelche Leiterplatten bzw. Elektroniken sind einer
> Strahlung mit der Feldstärke 20 V/m ausgesetzt (von 10 kHz bis 18 GHz).

Ist das nur so eine Frage?
Eigentlich praxisfremd. Wo hat man schon den Bereich von 10 Kiloherz bis 
18 Gigaherz?
Und wie kommst du auf 20 V/m. Die Entfernung ist da doch auch 
ausschlaggebend.
Bitte sag den konkreten Anwendungsfall, sonst wird das nichts.

von b35 (Gast)


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Unsere Elektronik (Steuerungen, Sensoren, PIC, uC, DSP, Analog, SPS) 
wird nach 61000-6-1 bis -6-4 geprüft (Entwicklungsbegleitend im Haus und 
abschließend bei akkreditierter Prüfstelle), also für Industrie- und 
Wohnbereiche.
Der Aufbau erstreckt sich vom (kleinen) Schaltschrank bis zum 
Gerätegehäuse (meistens aus Metall), aber nicht immer "vollständig 
Hf-dicht".
Die Grenzwerte für elektromagnetische Felder nach Norm liegen für uns 
bei 1, 3, 10V/m ("wenig, mittel, viel") im Frequenzbereich von 80 MHz 
bis 2.7 GHz.
Ein "Bastel" fällt schon bei 1V/m durch, das "Schlechte" auch bei 3V/m, 
die gute Konstruktion besteht die 10V/m Feldstärke: der unsachgemässe 
Aufbau im Gehäuse und! auf der Leiterplatte führt immer zum 
"nichtbestehen" nach den Bewertungskriterien (A, B, oder C).
Was Hf-Werkler schreibt trifft es genau.

von Bazo (Gast)


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b35 schrieb:

> Die Grenzwerte für elektromagnetische Felder nach Norm liegen für uns
> bei 1, 3, 10V/m ("wenig, mittel, viel") im Frequenzbereich von 80 MHz
> bis 2.7 GHz.

Wann kommt den 1V/m aus der EN 61000-4-3 zum Zug? Die Werten aus der EN 
61000-6-1 (Wohnbereich) und EN 61000-6-2 (Störfestigkeit für 
Industriebereiche) sind ja auf jeden Fall höher

von b35 (Gast)


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Ja, sorry die Prüfpegel liegen bei 1, 3 und 10V/m, das Lab schreibt das 
immer mit in den Prüfbericht. (1V/m entspräche dem Prüfschärfegrad 1 = 
"auf dem Land"?, wenn 2 = Geschäft/Gewerbe und 3 = Industrie).
Der Test erfolgt mit 5 und 10V/m, Inhouse beaufschlagen wir 3, 10, 
15V/m.

von Christian A. (chip_stephan)


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Erstmal vielen Dank für alle Antworten. Die konkrete Anwendung wäre die 
EMV-Prüfung, die muss das Gerät nämlich bestehen und die geht im 
konkreten Fall von 10 kHz bis 18 GHz.

Mal eine blöde Frage: Wieso sind 20 V/m im Mega- oder Gigahertz-Bereich 
für Elektroniken ein Problem und Feldstärken von zig kV/m z.B. bei 50 Hz 
nicht?

von juergen (Gast)


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Vor allem wegen moeglicher Resonanzen. Die Wellenlaengen liegen in der 
Groessenordnung der Leiterbahnen.

J.

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