Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Wirkungsgrad des Energienetzes Europa


von Egon (Gast)


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Hallo,

wie hoch ist etwa der Gesamtwirkungsgrad unseres (europäschen) 
Verbundnetzes und der Kraftwerke ?
Also Energiegehalt der Primärengiequellen - zur nutzbaren Energie bei 
den Endanwendern.
Es geht hier nicht (bitte keine Disskusion hierüber) über die 
Umweltbelastung und Gefahren der verschiedenen Primärenergiequellen.
Auch soll der Energieaufwand für die Gewinnung der Primärenergie 
(Förderung, Transport, behandlung) nicht mit einfliessen.
Da ja der größte Teil unserer Elektrischen Energie auf thermischen Weg 
"hergestellt" wird nehme ich an das der Wirkungsgrad wohl nur so bei 30 
Prozent liegt (?)
Das Energie nicht verbraucht wird bzw. verschwindet ist mir klar (also 
bitte keine Spitzfindigkeiten).
Liege ich mit meiner Schätzung richtig ?
Egal ob ja oder nein würde ich mich über eine physikalisch / technische 
Erklärung (aber nicht über eine weltanschauliche Meinungsäußerung) sehr 
freuen.

Egon

von Ben _. (burning_silicon)


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Das ist sehr schwer einzuschätzen, weil die elektrische Energie auf so 
vielfältige Weise bereitgestellt wird. Die meisten thermischen 
Kraftwerke erreichen elektrische Wirkungsgrade um 40-47%, GuD-Anlagen 
etwa 60% und Wasserkraftwerke können über 90% erreichen. Die 
Solarenergie hat da mit etwa 15% noch deutlich aufzuholen. Dazu kommen 
noch Pumpspeicherkraftwerke, die zum Lastausgleich im Netz notwendig 
sind (sie sind bei derzeitigem Stand der Technik die einzige 
Möglichkeit, Strom in großtechnischem Maßstab effizient und 
kostengünstig zu speichern) verbrauchen effektiv sogar Strom.

Im Vergleich dazu ist das eigentliche Transport- und Verteilnetz extrem 
effizient, der Wirkungsgrad dürfte so bei 97-98% liegen. 
Großgeneratoren, Block- und Leistungstransformatoren der dort 
eingesetzten Größenordnung haben Wirkungsgrade von über 99%. Der Rest 
sind die Leitungsverluste und Eigenbedarf (zB. Antriebe von 
Kühlventilatoren und Schaltanlagen).

Hinzu kommt, daß bei einem 3.000MW Braunkohlekraftwerk etwa 10% der 
erzeugten elektrischen Leistung benötigt werden, um die Kohle abzubauen 
und das Kraftwerk damit überhaupt erst zu versorgen.

von Bernhard _. (Firma: dl1bg) (bernhard_)


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Die Übertragungsverluste sind meiner Meinung nach wesentlich größer als 
2-3 %.
Das Umspannwerk von 400 kV auf 100 kV bei uns zuhause hat (so wurde es 
uns bei der Führung erzählt) schon 2 % Verluste.
Rechne ich mal 4 Trafos in der Strecke:
Kraftwerk  400 kV  110 kV  20 kV  400 V
dann kann ich wohl eher von 13 % Verlust ausgehen.

Dazu noch die Verluste im Ortsnetz und im Haus. Wenn ich von einer 
Netzimpedanz von 250 mOhm an der Steckdose ausgehe (auf dem Land eher 
noch gut), dann kommen bei 10 A (24hm gegen N) noch 1 % dazu.

Bei dezentraler Speisung ist die Strecke (je nach Lastfall) zwar nicht 
so lang, dafür habe ich noch Umrichter mit drin.

von Peter II (Gast)


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Bernhard __ schrieb:
> Das Umspannwerk von 400 kV auf 100 kV bei uns zuhause hat (so wurde es
> uns bei der Führung erzählt) schon 2 % Verluste.

kann eigentlich nicht sein, dann könnte man die Trafo überhaupt nicht 
kühlen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Transformator#Wirkungsgrad
[...]
Wegen der Eisen- und Kupferverluste ist er kleiner als 1. 
Transformatoren hoher Nennleistung haben Wirkungsgrade von mehr als 99 
%, während der
[...]

von Jürgen S. (starblue) Benutzerseite


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Es ist etwas unfair, bei Solarenergie 15% anzusetzen, und bei Kohle, Öl 
und Gas die Verluste in den Pflanzen und bei der Fossilisierung 
wegzudefinieren.

Ganz zu Schweigen von den Verlusten in einer Supernova, die Uran 
herstellt.

von B e r n d W. (smiley46)


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>> Energiegehalt der Primärengiequellen - zur nutzbaren Energie
> Solarenergie hat da mit etwa 15% noch deutlich aufzuholen

Interessanter ist das Verhältnis der nutzbaren Energie zur verbrauchten 
fossilen Energie. Plötzlich ist der Wirkungsgrad der Solarzelle (fast) 
egal.

PS
AZUR SPACE Solar Power: 43,3 Prozent Wirkungsgrad

von Ben _. (burning_silicon)


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Naja wir gehen von der Form des Energiezustandes im Ist-Zustand aus. Daß 
das alles irgendwann mal Solarenergie war und wir auf lange Sicht auch 
nichts anderes nutzen können als Solarenergie (Photovoltaik, Wind oder 
Wasser) spielt für den gegenwärtigen Moment keine Rolle.

Elektrisches Großgerät MUSS sehr effizient sein. Nicht damit es 
besonders viel Geld spart, sondern damit man es gekühlt kriegt. Hätte 
ein 1400MW-Großgenerator oder sein Blocktransformator nur 98% 
Wirkungsgrad, müßte man 28 Megawatt(!) wegkühlen. Das ist mehr als die 
Nachzerfallswärme des zugehörenden Atomreaktors (ca. 4.000MW thermisch) 
ein paar Stunden nach dem Abschalten. Wie schwierig das ist hat man 
zuletzt in Fukushima gesehen, und das waren verhältnismäßig kleine 
Anlagen (Block 1 460MW elektrisch, Blöcke 2-4 784MW).

Stattdessen hat so ein Trafo aber lediglich einen Ölkreislauf mit 
Zwangsumlauf (Ölpumpe) und ein paar dicke Lüfter. Das reicht. Bei mir 
hier um die Ecke brummen zwei 110/10kV Trafos vor sich rum. Die Lüfter 
an den Kühllamellen machen mehr Kilometer als Windrad anstatt als 
Ventilator.

von B e r n d W. (smiley46)


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Aber, wenn bei einem Kohlekraftwerk mit >1600MW brutto fast 10% seiner 
erzeugten elektrischen Energie durch die Zusatzagregate wieder 
verbraucht wird, muss deren Wärme auch irgendwo hin. Das Ganze muss 
einfach dafür ausgelegt sein.

Andererseits muss die Energie teuer erzeugt werden, um sie dann wieder 
zu verbraten. Wer will das schon.

von Martin B. (statler)


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Kohlekraftwerke (oder Gas oder Öl) erreichen abhängig von der 
Rückkühlung etwa 35% Wirkungsgrad
http://de.wikipedia.org/wiki/Kohlekraftwerk#Verbesserung_des_Wirkungsgrades
Modernster GuD-Kraftwerke schaffen 58%.
http://de.wikipedia.org/wiki/GuD-Kraftwerk

Die Hochspannungsleitungen haben lt. wikipedia ca. 6% Verluste pro 100km 
(bei 110kV)
http://de.wikipedia.org/wiki/Hochspannungsleitung

Die Transformatorverluste sind zu vernachlässigen.

Bei der Niederspannung (400V) sind lt. VDE 4% Verluste zulässig.
http://www.elektrikforum.de/ftopic7882.html

Beginnend mit dem konventionellen Kohlekraftwerk 100km entfernt
0,35 * 0,94 * 0,96 = 0,315

von hbl2703 (Gast)


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Ben _ schrieb:
> Im Vergleich dazu ist das eigentliche Transport- und Verteilnetz extrem
> effizient, der Wirkungsgrad dürfte so bei 97-98% liegen.

Deshalb gibt es ja neuerdings auch Hochtemperatur Überlandleitungen.
Die armen Vögel die sich draufsetzen.

von Carl D. (jcw2)


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Und ganz wichtig:
Die Wirkungsgrade multiplizieren und nicht Verluste addieren, wie weiter 
oben zu erkennen!

von Timm T. (Gast)


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Jürgen S. schrieb:
> Es ist etwas unfair, bei Solarenergie 15% anzusetzen, und bei Kohle, Öl
> und Gas die Verluste in den Pflanzen und bei der Fossilisierung
> wegzudefinieren.

Autsch, ich glaub Zuckerrohr schafft 4% bei der Photosynthese, mehr ist 
wohl nicht drin. Insofern ist es energetisch sogar in D sinnvoller, ein 
Feld voll Solarzellen zu packen, als darauf Mais anzubauen um den zu 
verbrennen. Ob das ästhetisch schöner ist kann man sicher diskutieren. 
Indiskutabel ist für mich, Wald für Solarfelder abzuholzen, da gibt es 
genug Brachflächen, z.B. in den im Osten überdimensionierten und 
ungenutzten "Gewerbegebieten".

von Ben _. (burning_silicon)


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> Aber, wenn bei einem Kohlekraftwerk mit >1600MW brutto fast 10%
> seiner erzeugten elektrischen Energie durch die Zusatzagregate
> wieder verbraucht wird, muss deren Wärme auch irgendwo hin.
> Das Ganze muss einfach dafür ausgelegt sein.
Dazu muß man wenigstens grob wissen wie so ein Kraftwerksblock aussieht.

Erstens sind bei Kohlekraftwerken keine so leistungsstarken Einzelblöcke 
gebaut. Ein einzelner Turbosatz eines Kohlekraftwerks hat maximal 
1.000MW elektrisch, Atomkraftwerke liegen da deutlich drüber.
Beispielsweise hat das 3.000MW starke Kohlekraftwerk Jänschwalde sechs 
Turbosätze mit jeweils 500MW.

Zweitens verteilt sich der Eigenbedarf über eine große Palette von 
leistungsstarken Antrieben und daher fällt ihre Verlustleistung nicht 
konzentriert in einem einzelnen Bauteil an. Besonders viel Leistung 
brauchen die Kühlwasserpumpen, die Kohlemühlen (davon hat ein Block bis 
zu 8 Stück), der Rauchabzug und ggf. die Kühlventilatoren bei 
Ventilatorkühltürmen.

Drittens ist der größte Verbraucher im Eigenbedarf die Kesselladepumpe 
(manchmal gibts davon auch mehrere), die braucht alleine 10-20MW. Sie 
wird aber durch eine Turbine angetrieben, nicht über die elektrischen 
Eigenbedarfsschienen. Es gibt natürlich auch eine oder zwei elektrisch 
betriebene, diese haben jedoch keine so hohe Leistung und werden nur zum 
Anfahren genutzt bis genügend Dampf für die turbinengetriebene Pumpe zur 
Verfügung steht.

Natürlich kann man ein Energieübertragungsnetz auch ineffizient 
betreiben und schwächere Leitungen höher belasten. Damit steigen dann 
auch die Verluste. Eine weitere Folge davon sehen wir jedes Jahr im 
Sommer bei den Amis wenn deren Netze im Sommer unter der Last der 
Klimaanlage zusammenbrechen weil eine einzige Hochspannungsleitung 
ausfällt und es in der Folge das ganze System zerreist. Die Amis können 
auch nicht mal eben so eine "große" Leitung für Wartungsarbeiten 
abschalten, weil keine Ersatzleitungen vorhanden sind. Da muß man dann 
mit Hubschraubern dran und unter Spannung auf die Leiterseile klettern. 
Ich weiß nicht wozu das gut sein soll. Lieber einmal ein paar Euro mehr 
ausgeben und stärkere Leiterseite verbauen. Oder eine Doppelleitung wie 
hierzulande zum Glück noch üblich, beides zusammen wäre ideal und dann 
haben wir auch weiterhin ein stabiles Netz (jedenfalls solange auch E.ON 
Fachleute in der NLS einsetzt).

Ein Beispiel worüber ich mich hier in meiner Region etwas ärgere:
Hier im Osten von Berlin hat die Einspeisung durch 
onshore-Windkraftanlagen extrem zugenommen. Es gibt hier außer der 
380kV-Leitung Preilack (Kohlekraftwerk 
Jänschwalde)/Eisenhüttenstadt/Neuenhagen nur 110kV-Leitungen bis zur 
polnischen Grenze (UWs in Letschin und Bad Freienwalde). Bei genug Wind 
kann diese Leistung nicht in Richtung Berlin (wo sie gebraucht werden 
würde) abgeführt werden, weil insbesondere die 110kV-Leitung 
Neuenhagen-Letschin völlig überlastet wird. Als Folge davon müssen 
Windräder abgeschaltet werden (manchmal bis zu 40% der installierten 
Leistung) und wir bezahlen für nicht erzeugten Strom.
  Warum mich das ärgert? Nun, Letschin ist mit einer 110kV-Leitung mit 
Bad Freienwalde verbunden, von dort aus geht es weiter nach Angermünde. 
Eine weitere 110kV Leitung führt von Neuenhagen über Tempelfelde und 
Eberswalde nach Angermünde. Zu dieser Leitung bestand bis kurz nach der 
Wende eine Verbindung zwischen Tempelfelde und Eberswalde nach Bad 
Freienwalde, welche dann zurückgebaut wurde. Evtl. hätte genau diese 
Verbindung die Leitung nach Letschin deutlich entlasten können. Tja, 
Pech - nun muß der Strom den Umweg über Angermünde nehmen, wo die den 
wegen selbst genug Windstrom gar nicht gebrauchen können. Große Klasse, 
man überlegt nun, eine zweite 110kV Leitung von Neuenhagen nach Letschin 
zu bauen... Wers bezahlen soll ist auch klar.

von Reinhard Kern (Gast)


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Egon schrieb:
> Also Energiegehalt der Primärengiequellen - zur nutzbaren Energie bei
> den Endanwendern.

Hallo,

das ist schlichtweg keine sinnvolle Frage. Man kann fragen wieviel 
Energie der Verbraucher erhält aus einem kg Kohle oder einem m³ Gas, 
aber die Sonne scheint und der Fluss fliesst - was soll denn der 
"Einsatz" bei Solarenergie sein? Die Solarkonstante mal der Fläche der 
Bundesrepublik? Hier wird nichts eingesetzt und auch nichts 
"verbraucht". Die Frage entstammt dem Denken einer vergangenen Epoche. 
Eigentlich sollte das ja schon aus dem Begriff "erneuerbare Energien" 
abzuleiten sein.

Insofern ist auch die Frage nach dem Wirkungsgrad von Solarzellen 
ziemlich irrelevant - es ist egal, ob man eine bestimmte Energiemenge 
aus einem 1m² mit 40% oder aus 2m² mit 20% bezieht, das betrifft nur die 
Aufstellungsfläche. Und wir brauchen auch den angeblich verlorenen 60 
oder 80% nicht nachweinen, die sorgen dafür, dass unser Planet bewohnbar 
ist, wie schon seit längerer Zeit.

Gruss Reinhard

von B e r n d W. (smiley46)


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@Ben

>> Aber, wenn bei einem Kohlekraftwerk mit >1600MW brutto fast 10%
> Dazu muß man wenigstens grob wissen wie so ein Kraftwerksblock aussieht.

Du hast Recht 1600MW liefert das gesamte Kraftwerk, ein Block hat knapp 
500MW. Ich kenn das mit 4 Mühlen, an jedem Eck des Blocks ein Gebläse 
zur Beförderung des Kohlestaubs.

Wäre es nicht möglich, ein fast weltumspannendes 1MV DC-Netz aufzubauen? 
Irgendwo scheint die Sonne und immer bläst irgendo auch Wind.

von Ben _. (burning_silicon)


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Klar wäre das möglich. Problem ist die Speicherung des Stromes für 
schlechte Tage. Man muß auf jeden Fall Nord- und Südhalbkugel mit 
erneuerbaren Energiequellen zupflastern, um auch jahreszeitliche 
Schwankungen besser kompensieren zu können...

Aber was denkst Du denn was passiert wenn wir die komplette Sahara mit 
Solarzellen zupflastern würden? Wir müßten Energiesparlampen verbieten, 
bräuchten alle Elektroautos und Durchlauferhitzer. Norwegen würde eine 
einzige große Badewanne mit Pumpspeicherenergie werden.

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