Forum: HF, Funk und Felder Fragen Leitungsanpassung


von Andreas (Gast)


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Hallo liebes Forum,

ich fragte mich schon immer was diese 50 bzw. 75 Ohm Wellenwiderstand 
auf Antennen oder Videoleitungen zu bedeuten haben. Daraufhin habe ich 
das Internet nach Antworten darauf durchforstet und jetzt platzt mir 
fast der Schädl :D Nun wollte ich mein Wissen nochmal bestätigt haben 
und bitte um Kommentare ob Folgendes richtig ist:

1.
Erstmal gibt es da die Leistungsanpassung. Bei einer vorhandenen 
Spannungsquelle (oder sollte ich besser Elektrizitätsquelle sagen) 
möchte man hier die maximale Leistung rausholen. Dazu muss der 
Lastwiderstand gleich dem Innenwiderstand der Quelle sein. Außerdem gibt 
es noch Stromanpassung (Stromquelle) und Spannungsanpassung (z.B. 
Steckdose).
Das hat aber erstmal nichts mit Leitungsanpassung zu tun?

2
Leitungen wo wenig Leistung mit hoher Frequenz übertragen wird 
(Signalleitungen wie Videoleitung oder vom LNB zum Sat-receiver), werden 
mit definierter Leistungsanpassung betrieben (75Ohm). 75 Ohm bedeuten 
hier den Innenwiderstand der Quelle bzw. des Eingangswiderstand des 
Verbrauchers (Empfängers), und nicht den Wellenwiderstand der Leitung?

3
Kann man bei HF-Signalen keine Spannungs- bzw. Stromanpassung machen?:
HF bedeutet das die Leitung Länger ist als die Wellenlänge. Dadurch 
hätte die (in diesem Beispiel) Spannungsquelle keine direkte 
"Rückmeldung" mehr vom Verbraucher. Im Klartext: Wenn beim Verbraucher 
gerade die Spannung des oberen Umkehrpunktes des Signales anliegt, kann 
es sein das die Quelle schon beim unteren Umkehrpunkt ist. Es liegt also 
zwischen Quelle und Verbraucher das Kabel.
Bei NF ist für eine gewisse Spannung relativ sofort auch der zugehörige 
Strom da. Somit kann der Innenwiderstand der Quelle dann wirken. (Bei 
Spannungsanpassung sollte der natürlich möglichst klein sein).
Bei Sendeantennen wird zwecks Wirkungsgrad aber trotzdem eine 
Spannungsanpassung gemacht. Also muss ich da noch einen Denkfehler 
haben! Wie funktioniert das?

4.
Nun zur Leitungsanpassung: Eine Leitung besteht in der HF aus einer 
Induktivität und aus einer Kapazität. Diese beiden verteilen sich 
gleichmäßig auf ihr. Somit hat man als Ersatzschaltbild viele Spulen in 
Reihe und viele Konsendatoren parallel. Ich hab das so verstanden, dass 
die Quelle bei HF Quasi nicht die ganze Leitung "sieht", sondern nur den 
Anfang. Also ca. 1/4 Wellenlänge!? Die Quelle speißt ihre Energie an 
ihrem Ende ein und durch die ganzen Induktivitäten und Kapazitivitäten 
der Leitung wird die Energie (=Signal) bis zum Ende weitergeleitet.

5.
Die HF-Quelle "sieht" also nur einen kleinen Teil der Leitung. Es ist 
deshalb beim Wellenwiderstand die Länge der Leitung egal. Dieser Teil 
hat eine Induktivität L und eine Kapazität C. Der Wellenwiderstand 
dieser Leitung ist WURZEL(L/C). Der beträgt dann auch diese 75 oder 50 
Ohm?

6.
Wenn man an die Quelle aber eine Spule+Kondensator mit diesem Verhältnis 
dranhängt ist das aber nicht das gleiche, da die Energie ja durch das 
nächste Leitungsstück weggeführt wird? Wie sieht das für die Quelle 
jetzt aus, bzw. wie muss ich mir das Vorstellen?

7.
Am Ende der Leitung hängt ja dann der Verbraucher. Wenn der 
Eingangswiderstand unendlich ist, wird das Signal einfach 
zurückreflektiert. Wenn der Eingangswiderstand 0 ist, läuft das Signal 
quasi über den Schirm wider zurück. Damit man solche Reflexionen 
vermeidet, muss also der Verbraucher den gleichen Wellenwiderstand 
haben, was ja nicht geht. Oder man schließt die Leitung mit einem 
ohmschen Widerstand ab der den gleichen Betrag wie der Wellenwiderstand 
hat. Das am Ende ein ohmscher Widerstand zwischen 0 und unendlich Ohm 
angeschlossen wird erscheint einleuchtend, aber warum ist das dann genau 
WURZEL(L/C) in Ohm?

8.
Theoretisch könnte man auch eine Quelle mit einem Ausgangswiderstand von 
3kOhm an eine Leitung mit 75 Ohm Wellenwiderstand anschließen, die 
wiederum am Ende mit einem 75 Ohm Abschluswiderstand bestückt ist. Es 
würde keine Reflexionen geben? Es ist also egal Welchen 
Ausgangswiderstand die Quelle hat? (alles bezogen natürlich auf Hinsicht 
der Reflexionen). Man muss oder kann gar nicht die Quelle an die 
Leitungsimpedanz anpassen?

9.
Zusammenfassend kann man dann sagen:
Die Leistungsanpassung zieht aber nach sich das die Quelle auch 75 Ohm 
hat, da der Verbraucher 75 Ohm hat. Und weil der Verbraucher 75 Ohm 
Eingangswiderstand hat, ist es zwecks unerwünschten Reflexionen 
notwendig das der Wellenwiderstand der Leitung 75 Ohm beträgt. So 
gesehen hängen dann Leitungs- und Leistungsanpassung doch wieder 
zusammen?

Ich weiß das ist jetzt recht viel Text geworden, würde mich aber 
trotzdem über Berichtigungen, Kommentare oder was auch immer sehr 
freuen. Ich bin mir fast sicher das dies nicht nur für mich, sondern 
auch für einige Mitleser hilfreich sein könnte.

MfG euer Andreas

von Thomas (Gast)


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Hey,

das sind wirklich viele Fragen.

Leider bin ich kein Experte - Das Buch Hochfrequenztechnik.. 
(http://www.amazon.de/Hochfrequenztechnik-Grundlagen-Kommunikationstechnik-Frank-Gustrau/dp/3446425888/ref=pd_sim_sbs_b_3) 
hat mir ein wenig mehr an Verständnis gebracht.
Allerdings ist es mit viel Mathematik gespickt - Differentialgleichungen 
sollten bereits bekannt sein, sowie evnt. die Maxwell-Gleichungen.

Ebenfalls - etwas anschaulicher und allgemeiner - folgendes Video über 
Wellen: http://www.youtube.com/watch?v=DovunOxlY1k .

Das die Leitungen auch "angepasst" sein müssen ist ebenfalls zur 
Verminderung von Reflexionen. Andernfalls gibt es z.B. Reflexionen 
zwischen Quelle und Leitung bzw. Verbraucher und Leitung.

Grüße,
  Thomas

von Wolfgang Horn (Gast)


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Hi, Andreas,

> ...Daraufhin habe ich
> das Internet nach Antworten darauf durchforstet und jetzt platzt mir
> fast der Schädl
Klingt nach Ausbaufähigkeit der Suchstrategie...

> 1....Leistungsanpassung....Stromanpassung...Spannungsanpassung
> Das hat aber erstmal nichts mit Leitungsanpassung zu tun?
Immer eine Frage des Zwecks.
Zur Leistungs- und Leitungsanpassung: Wer Leistungsanpassung will 
zwischen Sender und Empfänger, der sorgt besser dafür,
a) dass die Impedanz des einen konjugiert komplex zu der des anderen 
ist. Dies "konjugiert komplex" spielt eine Rolle, wenn die Impedanz 
nicht rein ohmsch ist.
b) das Leitungsstück dazwischen auch passt. Bei ohmscher Impedanz muß 
die Impedanz der Leitung dann halt auch passen.

> 2. > Leitungen ....75 Ohm...
Erledigt durch die Antwort zu 1.

> 3. Kann man bei HF-Signalen keine Spannungs- bzw. Stromanpassung machen?
Macht man besser nicht, weil die Länge des Verbindungskabels die 
Übertragung dann weseentlich beeinflusst.

> 4. Ich hab das so verstanden, dass die Quelle bei HF Quasi nicht die
> ganze Leitung "sieht", sondern nur den Anfang.
Dein Gefühl war richtig - der Sender bekommt alle Reflektionen zu spüren 
und beim Radio sogar die Einstrahlung der Sendeantenne.

> 5. Die HF-Quelle "sieht" also nur einen kleinen Teil der Leitung.
Nein.

> 6. Wenn man an die Quelle aber eine Spule+Kondensator mit diesem
> Verhältnis dranhängt ist das aber nicht das gleiche
Natürlich nicht. Zwei konzentrierte Schaltungselemente sind eben noch 
keine Leitung.
>
> 7. Am Ende... Eingangswiderstand unendlich ist...zurückreflektiert. Wenn
> der Eingangswiderstand 0 ist, läuft das Signal quasi über den Schirm
> wider zurück.
Nein. In beiden Fällen läuft es den Weg zurück, den es gekommen ist.

> 8. Theoretisch könnte man auch eine Quelle mit einem Ausgangswiderstand
> von 3kOhm an eine Leitung mit 75 Ohm Wellenwiderstand anschließen, die
> wiederum am Ende mit einem 75 Ohm Abschluswiderstand bestückt ist. Es
> würde keine Reflexionen geben?
Doch klar. Schwere Fehlanpassung.

> 9. Zusammenfassend kann man dann sagen:
Eher nicht.

Zusammenfassungen sind eine gute Sache, aber besser auf korrekten 
Überlegungen.

Ich empfehle ein gutes Bastelbuch, vielleicht sogar den Rothammel. Der 
erklärt dies Thema recht gut. Andere werden auch gute Vorschläge haben.

Ciao
Wolfgang Horn

von Peter (Gast)


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>> 8. Theoretisch könnte man auch eine Quelle mit einem Ausgangswiderstand
>> von 3kOhm an eine Leitung mit 75 Ohm Wellenwiderstand anschließen, die
>> wiederum am Ende mit einem 75 Ohm Abschluswiderstand bestückt ist. Es
>> würde keine Reflexionen geben?
>Doch klar. Schwere Fehlanpassung.
Es gibt quasi eine Relflexion am am Übergang von 3kOhm zur 75Ohm 
Leitung, ohne Anpasstrafo wirst Du nur ein kleiner teil der möglichen 
Quellenleistung nutzen. Aber am Ende der Leitung gibt es keine 
Reflexion.

>> 8. Theoretisch könnte man auch eine Quelle mit einem Ausgangswiderstand>>
>> von 3kOhm an eine Leitung mit 75 Ohm Wellenwiderstand anschließen, die
>> wiederum am Ende mit einem 75 Ohm Abschluswiderstand bestückt ist. Es
>> würde keine Reflexionen geben?
>Doch klar. Schwere Fehlanpassung.
Die wenigsten HF-Entwickler werden jemals aufgrund der 
Maxwell-Gleichungen irgend was brechnen..

Faustformel: Die Impedanz von Leitungen sollte berücksichtigt werden, 
wenn deren Länge etwa mehr als 10% der Wellenlänge ausmacht.

In der HF-Technik rechnet man mit Impedanz- bzw. Leistungsanpassung, 
nicht mit Strom- oder Spannungsanpassung. Idealerweise Quellenimpedanz = 
Leitungsimpedanz = Lastimpedanz.

Die Leitungsimpedanz berechnet sich aus dem Verhältniss 
Induktivität/Kapazität pro Länge. Es sit die Impedanz, die eine Quelle 
sehen würde, wenn die Leitung unendlich lang wäre.

von Wilhelm S. (wilhelmdk4tj)


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Hallo zusammen,

möchte noch folgende Anmerkungen hinzufügen.

Woher kommt das Durcheinander mit den verschiedenen Impedanzen?

75 Ohm : Kabel- und TV-Technik
60 Ohm : z. B. alte - nicht nur R&S - Messgeräte, heute ungebräuchlich
50 Ohm : heute überall gebräuchlich bei kommerzieller Messtechnik

Beim Koaxkabel gibt es den widersprüchlichen Wunsch nach minimalem
Kabelverlust und maximal übertragbarer Leistung.

Die 75 Ohm bringen kleinere Verluste, das 50 Ohm Kabel kann dafür höhere
Spannungen (sprich Leistung) ab.
Die Sache mit den 60 Ohm stammt meines Wissens nach aus Deutschland, es
war eben ein Kompromiss.
Näheres ist in jedem Meinke-Gundlach nachzulesen.

Dieser auch heute (un)geliebte PL-239 Stecker stammt aus der Zeit
der Entwicklung der ersten Atombombe und ist alles Andere als ein
sorgfältig konstruierter HF-Stecker.
Da machen doch BNC, N, C, TNC, SMA, SMB, SMC und v. a. m.  einen
wesentlich besseren Eindruck.

Was die praktische Erfahrung anbetrifft:
Im Kurzwellenbereich und bei manierlichen Leistungen (<=100 Watt) ist
das alles nicht so 'furchtbar' wichtig. Wenn aber die Frequenz
und die Leistung steigen, sollte man doch ein sorgfältiges Auge darauf
haben!
Jedes dB, das im Empfangszweig und (oder) Sendezweig verloren geht,
ist dahin.
Die NASA und ESA kämpfen um jedes zehntel dB; ebenso die TV und
Rundfunkstationen. Sie wollen ihre Hörer erreichen und nicht
unnütz die Atmosphäre erwärmen.




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Wilhelm

von Andreas (Gast)


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Danke für die vielen Antworten!

Thomas:
Youtube-Video "AT&T Archives: Similiarities of Wave Behavior (Bonus 
Edition)"
Dieses Video ist sehr interessant!

@Wolfgang Horn:
Ich werd mir nen Rothammel zulegen, wahrscheinlich tuts auch eine ältere 
Auflage.

Peter schrieb:
> In der HF-Technik rechnet man mit Impedanz- bzw. Leistungsanpassung,
> nicht mit Strom- oder Spannungsanpassung. Idealerweise Quellenimpedanz =
> Leitungsimpedanz = Lastimpedanz.
und
> Es gibt quasi eine Relflexion am am Übergang von 3kOhm zur 75Ohm
> Leitung, ohne Anpasstrafo wirst Du nur ein kleiner teil der möglichen
> Quellenleistung nutzen. Aber am Ende der Leitung gibt es keine
> Reflexion.

Okay. Amateurfunker, oder Sendeanlagen mit kleiner Leistung arbeiten 
auch beim Verstärker vor der Antenne mit Leistungsanpassung. Also 50 Ohm 
bei Ausgangswiderstand, Wellenwiderstand und Antenneneingangswiderstand 
(ich glaube (Ab-)Strahlungswiderstand + (Leiter-)Verlustwiderstand). Der 
Wirkungsgrad liegt dann unter 50%. Also min. die hälfte der 
abgestrahlten Leistung der Antenne wird beim Verstärker in Wärme 
umgewandelt. Richtig so?

Ich hab noch irgendwo gelesen, dass große Sender mit viel Leistung keine 
Leistungsanpassung machen, sondern mit einer kleinen Quellenimpedanz 
arbeiten. Wenn ich das richtig verstanden habe gibt es dadurch dann 
Reflektionen am Leitungsanfang zurück zum Verstärker (also meinentwegen 
5cm Platinenleitung vom Tansistor zum Stecker). Damit muss der dann klar 
kommen. Es wird aber an der Leitung trotzdem Leistung abgegeben, da es 
ja keine totalreflektion ist. Der Wirkungsgrad kann mit dieser Methode 
auch über 50% liegen. Stimmt das auch so?

Achja und zur "Endstufe": Die besteht doch auch aus Transistoren im 
linearbetrieb. Also PWM kann ja wohl nicht gehen. Daher ist hier der 
Wirkungsgrad doch auch sehr gering.
Hier wird geschrieben das der Sender Wachenbrunn 85% Wirkungsgrad hätte.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sender_Wachenbrunn
Kann das sein?

von Frischfisch (Gast)


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Andreas schrieb:
> Ich hab noch irgendwo gelesen, dass große Sender mit viel Leistung keine
>
> Leistungsanpassung machen, sondern mit einer kleinen Quellenimpedanz
>
> arbeiten. Wenn ich das richtig verstanden habe gibt es dadurch dann
>
> Reflektionen am Leitungsanfang zurück zum Verstärker (also meinentwegen
>
> 5cm Platinenleitung vom Tansistor zum Stecker). Damit muss der dann klar
>
> kommen. Es wird aber an der Leitung trotzdem Leistung abgegeben, da es
>
> ja keine totalreflektion ist. Der Wirkungsgrad kann mit dieser Methode
>
> auch über 50% liegen. Stimmt das auch so?

Bei dieser Anordnung gibt es keine Probleme, solange das entfernte 
Kabelende angepasst ist, also von dort keine Reflexionen zurückkommen. 
Man spart sich die Verluste in der Quelle. Erst durch Fehlanpassung am 
entfernten Ende können Reflexionen zurück an den Quellenausgang 
gelangen, und dort erneut reflektiert werden oder sogar Schaden an der 
Quelle anrichten.

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