Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Schaltverluste bei schneller HV - Halbbrücke minimieren


von Lukas Fischer (Gast)


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Ich bastle gerade an einem Pulser, der eine Spannung von 1000V mit 
150kHz schnell (<20ns) schalten soll. Die Last soll eine minimal kleine 
Kapazität von ca. 30pF sein. Ich habe dafür eine Halbbrücke mit einem 
schnellen Low/Highside Mosfet Treiber mit bootstrap und ein paar 
verschiedene Mosfets getestet. Schaltung wie im Anwendungsbeispiel vom 
Treiberhersteller.
Die schnellen Schaltzeiten sind machbar(8ns rise und 8ns fall time bei 
600V), ich bin aber momentan durch die Stromaufnahme aus dem 1000V 
Versorgungs-DC/DC Wandler (25mA maximal) und die Wärmeentwicklung an den 
MOSFETs limitiert. Waveforms sind auch schön, ohne Pre-/Overshoots.
Ein kurzschließen der Versorgung durch zugleich offene FETs konnte ich 
ausschließen. Die Tests mit verschiedenen Typen lassen mich vermuten, 
dass die Ströme mit den Schaltzyklen steigen und von Ciss der MOSFETs 
abhängen, die jedes mal umgeladen werden müssen (stimmt das soweit?).
Also auf die Suche nach Typen mit kleinen Ein- und Ausgangskapazitäten 
und da ist jetzt das Problem.
Am liebsten wären mir 1200V Vdsmax, <15ns rise/fall time und wenig 
Kapazität. Momentan habe ich bis 600V den FQU1N60CTU mit 130pF Ciss 
getestet, der ist am Limit mit Spannung und wird bei 600V und 80kHz mit 
ca. 20mA im Mittel ziemlich heiß. Die 25mA der Versorgung sind damit 
auch schon recht knapp. Die kapazitive Last macht davon nur 6mA aus, 
also wird der rest wohl in den FETs verbraten.
Außerdem getestet habe ich noch den STP6NK90Z und den STF5NK100Z, die 
sind noch viel schlechter (35mA bei gleichen Einstellungen, bis das 
Netzteil ausschaltet).
Liege ich damit richtig, dass die Ciss meine Schaltung limitiert? Falls 
ja, hat jemand gute Tips für entsprechende MOSFETs mit weniger 
Kapazität? Ich habe den IXTU01N100 von IXYS im Auge, aber der ist nicht 
so leicht zu finden (Mouser mit 20€ Versand). Wenn mir jemand noch gute 
Vorschläge machen könnte die ich gleich mitbestellen kann wäre ich sehr 
froh.
Danke, Lukas

von 12345 (Gast)


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Ciss bringt vor allem den DC/DC-Wandler an seine Grenzen. Aber zur 
Erwärmung der Fets wird wohl Crss führen. Bei den genannten Daten gibt 
es ordentlich shoot-through, weil das Gate wieder aufgesteuert wird. 
Schafft man allenfalls mit 20V negativem Gate.

15ns bei der 1200V-Brücke? Schönes Vorhaben für das nächste 
Jahrhundert..

von Lukas Fischer (Gast)


Angehängte Dateien:

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Nachtrag: mir ist gerade aufgefallen, dass speziell der High side FET 
sehr heiß wird. Was kann das sein? Sollten die nicht symmetrisch 
belastet werden bei jedem Push/Pull? Meine Schaltung im Anhang.

von Lukas Fischer (Gast)


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12345 schrieb:
> Ciss bringt vor allem den DC/DC-Wandler an seine Grenzen. Aber zur
> Erwärmung der Fets wird wohl Crss führen. Bei den genannten Daten gibt
> es ordentlich shoot-through, weil das Gate wieder aufgesteuert wird.
> Schafft man allenfalls mit 20V negativem Gate.
>
> 15ns bei der 1200V-Brücke? Schönes Vorhaben für das nächste
> Jahrhundert..

Naja, so weit weg bin ich ja nicht, mit 8ns bei 600V. Ist ja kaum eine 
Last dran. Die genannten Werte sind ja schon gemessen am fertigen 
Aufbau, keine Wunsch- specs. Mich stört nur noch der Verbrauch...

von 12345 (Gast)


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Der "Verbrauch" wäre noch deutlich höher ohne die 5R-Widerstände. 8nS 
sind in einer Brücke ein Traumziel, mit den genannten Mosfets nie 
erreichbar.
Auch 20nS sind bei 1200V reine Utopie, erst recht nicht ohne negative 
Gatespannung wie im Schaltplan.

Bei solch hohen DeltaV/DeltaT bewirkt noch die kleinste Millerkapazität 
ein Aufsteuern des Gates des unteren Mosfets. 500nS sind eher üblich, 
mit guten Fets natürlich auch zu übertreffen...

von Lukas Fischer (Gast)


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Nochmal für's Verständnis: das Aufsteuern des unteren Gates sollte beim 
Einschalten des Oberen Mosfets passieren, und damit (über die 5R 
Widerstände) die HV kurzschließen oder?
Diese Befürchtung hatte ich auch, aber wegen anderer Ursache (schlechte 
synchronisierung der invertierten high und low Ansteuerung) und habe 
daher versuchsweise einmal mit insgesamt 2R und 80R statt der  beiden 5R 
gemessen und keinen Unterschied in der Stromaufnahme festgestellt. 
Ausserdem sollte in diesem Fall die Leistung an den Widerständen 
verbraten werden, der wird aber nicht warm, sondern der High-Side FET.
Einmal anngenommen, dass ich ganz utopischerweise die Rise- und Fall 
Times wirklich richtig gemessen habe und die Schaltgeschwindigkeit 
wirklich erreicht habe, was kann dann noch schiefgelaufen sein?
Danke, Lukas

von 12345 (Gast)


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Lukas Fischer schrieb:
> Nochmal für's Verständnis: das Aufsteuern des unteren Gates sollte beim
>
> Einschalten des Oberen Mosfets passieren, und damit (über die 5R
>
> Widerstände) die HV kurzschließen oder?

Ja. Durch den enorm schnellen Spannungshub am Ausgang beim Einschalten 
des oberen Fets wird das Gate des Low-Fets aufgesteuert. Das dürfte 
sogar incl. der Widerstände der Fall sein, aber man merkt es halt nicht 
an der Stromaufnahme, da sowohl die Widerstände, als auch der recht hohe 
Widerstand der Fets den shoot-throug begrenzen. Ist ja auch nur eine 
Sache von Nanosekunden. Bei niederohmigen Fets und ohne Widerstände 
knallt es, oder man erreicht zumindest nie diese Schaltzeiten.
Bei Brücken bzw. Synchrongleichrichtung muss man die Schaltflanken meist 
gut und gern eine Potenz langsamer machen. Und man ist immer auf der 
Suche nach Mosfets mit der geringstmöglichen gate-drain-Ladung im 
Vergleich zur gate-source. Da hab´ich schon bessere Fets gesehen als die 
oben Genannten.


Die oberen Fets werden meist etwas wärmer als die Unteren. Könnte ein 
Problem mit dem Bootstrapping sein. Oder es gibt längst hohe Querströme, 
aber der obere Fet schnürt durch geringere Gatespannung deutlich stärker 
ein.

Den Treiber-ICs ist übrigens auch nicht immer zu trauen. Habe schon 
welche gehabt, die plötzlich den oberen Mosfet dauerhaft abgeschaltet 
haben, obwohl alle restlichen Bedingungen einwandfrei waren. Lag 
vermutlich genau an zu hohem Dv/Dt, dann machen diese ICs gern mal was 
sie wollen...

von Lukas Fischer (Gast)


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Ok, danke dann mal für die ausführlichen Erklärungen. Haben Sie zufällig 
noch die Bauteilnamen von besseren FETs bei der Hand zum Testen?
Danke, Lukas

von 12345 (Gast)


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Leider nicht, da meine Brücken deutlich geringere Spannungen und ganz 
andere Mosfets haben (IRF7468 ist da recht optimal, hat min. doppelt so 
gute Werte wie der FQU1N60CTU). Siehe Verhältnis Total Gate Charge vs. 
Millercharge. Aber die angestrebten ca. 80.000V/µs schafft man mit 
diesen Fets auch laaange nicht...

Da bleibt schlichtweg nur die langwierige Suche. Evtl. gibt die 
Parametersuche z.B. bei Farnell was her...

Soo große Unterschiede sind übrigens nicht zu erwarten. Wie gesagt, 
ansonsten im nächsten Jahrhundert einfach nochmal googeln...;-)


Übrigens hattes Du ja andere, schlechter geeignete Mosfets getestet. Daß 
diese noch wärmer wurden, ist auch ein Hinweis auf bereits bei den 
FQU1N60CTU vorhandenes shoot-through, erzeugt durch die Millerkapazität.

von Lukas Fischer (Gast)


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Also, jetzt nochmal nach längerem Einlesen:
Laut der IRF Mosfet Appnote 
(http://www.irf.com/technical-info/appnotes/mosfet.pdf) sieht's für mich 
so aus, als ginge es bei dem Miller Problem nicht nur um die Qgd oder 
die Kapaziät Cgd des FETs, sondern auch um Rg der Ansteuerung welches 
dv/dt zwischen Drain und Source möglich ist, bis die gate threshold 
voltage überschritten wird und er durchschaltet. Wenn Rg gering genug 
ist um den über Cgd eingestreuten Puls abzuleiten, kommt man mit den 
Schaltzeiten weiter runter. (dv/dt = Vth/(Rg*Cgd). Sehe ich das richtig? 
Wenn ja, dann bin ich da mit dem weglassen des Gate Widerstands recht 
gut unterwegs, solange mein mosfet Treiber durchhält.

Zu den Verlusten: eine Überschlagsrechnung gibt bei mir:
Energie pro Umladevorgang in den beiden Ciss der beiden Mosfets, der 
Last und etwas Reserve für den schlechen Aubau:
E=CU²/2 ~ 100µJ
mit 50kHz und steigender/fallender Flanke sind das
E*100.000 = 10 Watt = 16mA @ 600V

Das stimmt ziemlich genau mit dem überein was ich messe. Die Leistung 
wird demnach an den Fets beim Kurzschließen der aufgeladenen Ciss 
verbraten -> MOSFETs werden heiß. Der obere vielleicht mehr wegen der 
niedrigeren  Vg durch das Bootstrapping. (Stimmt das so?)

Wenn ich shoot-throughs hätte, würde sich das negativ auf die 
Flankensteilheit auswirken oder mir den Widerstand zwischen den Mosfets 
braten, dem ist aber nicht so... Ich häng mal Screenshots vom Oszi an 
wenn ich dazu komme.

Wenn ich das also alles richtig verstanden habe, bin ich nach wie vor 
auf der Suche nach einem ähnlich schnellen (rise-/fall-time) MOSFET mit 
weniger Ciss. Danke für Vorschläge...

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Lukas Fischer schrieb:
> Wenn ich das also alles richtig verstanden habe, bin ich nach wie vor
> auf der Suche nach einem ähnlich schnellen (rise-/fall-time) MOSFET mit
> weniger Ciss. Danke für Vorschläge...

Schau dir mal den APT4M120K an, den setze ich in einer ähnlichen 
Anwendung (1000V/12ns) ein; allerdings nicht bei 150 kHz.

Hast du mal geprüft, für welches du/dt dein Highside-Treiber 
spezifiziert ist? Das ist nach meiner Meinung das Hauptproblem bei so 
einer Anwendung.

von Lukas Fischer (Gast)


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Der sieh ja sehr interessant aus, speziell die turn-on delays und 
turn-on times und das Rds-on.
Ich habe in dem Datenblatt zum ersten mal den Wert "Effective Output 
Capacitance" gesehen, welche Kapazitäten tragen denn eigentlich genau zu 
den Umladeverlusten im MOSFET bei (mal abgesehen natürlich von der Gate 
Kapazität, die ja den Treiber belastet)?

Das mit dem Treiber ist ein guter Tipp, ich werde versuchen noch andere 
zum Testen zu finden.

von 12345 (Gast)


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Lukas Fischer schrieb:
> Zu den Verlusten: eine Überschlagsrechnung gibt bei mir:
>
> Energie pro Umladevorgang in den beiden Ciss der beiden Mosfets, der
>
> Last und etwas Reserve für den schlechen Aubau:
>
> E=CU²/2 ~ 100µJ
>
> mit 50kHz und steigender/fallender Flanke sind das
>
> E*100.000 = 10 Watt = 16mA @ 600V

Solche Berechnungen sagen mir ehrlich gesagt gar nichts. Schaue im 
Datenblatt lediglich auf die nötigen Ladungen (total gate charge für die 
Treiberverluste), und beachte dabei die Schaltfrequenz. 10W bei 50KHz 
dürften für die beiden Mosfets aber viel zu viel sein, man braucht dazu 
irgendwas unter 1W. 50KHz schaltet man ganz locker mit "riesigen" 
Mosfets im Niederspannungsbereich, da bräuchte man ja dann 1000W zur 
Ansteuerung...


Wenn Du das Gate hart an den Treiber legst, kann dieser natürlich 
theoretisch den Miller-Puls abfangen. Praktisch ist das jedoch immer die 
schlechteste Lösung, Gatewiderstände sind gerade bei einer Brücke 
praktisch immer üblich, und müssen gerade hier oft sehr hoch gewählt 
werden. Denn gegen die kapazitive Kopplung zwischen Drain und Gate ist 
die stärkste Treiberstufe machtlos, man kann dieses Aufsteuern praktisch 
nur durch quälend langsame Gateansteuerung, und daraus resultierend auch 
langsamen Spannungshub am Ausgang eindämmen.
Auch kommt noch der interne Gatewiderstand hinzu, den kann man nicht 
beseitigen.

Meine Vermutung nach wie vor: beide Transistoren leiten gleichzeitig, 
wobei der Obere den etwas höheren Widerstand hat, und daher die meiste 
Verlustleistung erzeugt.


Der APT4M120K ist auch nicht viel besser. Die Ladungen verraten es, 
obgleich er eine schön geringe Crss hat.
Vor allem braucht der generell eine fast 10x so hohe Ansteuerleistung.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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12345 schrieb:
> Wenn Du das Gate hart an den Treiber legst, kann dieser natürlich
> theoretisch den Miller-Puls abfangen. Praktisch ist das jedoch immer die
> schlechteste Lösung, Gatewiderstände sind gerade bei einer Brücke
> praktisch immer üblich, und müssen gerade hier oft sehr hoch gewählt
> werden.

Wie kommst du denn zu so einer Aussage? Wenn man eine Brücke schnell 
schalten möchte, muss man die Transistoren niederohmig ansteuern, anders 
geht es nicht.
Manchmal ist es sinnvoll, den Einschaltvorgang geziehlt etwas langsamer 
zu machen, um das du/dt zu begrenzen. In die andere Richtung kann man 
das Gate aber relativ problemlos sehr niederohmig ansteuern.

> Denn gegen die kapazitive Kopplung zwischen Drain und Gate ist
> die stärkste Treiberstufe machtlos, man kann dieses Aufsteuern praktisch
> nur durch quälend langsame Gateansteuerung, und daraus resultierend auch
> langsamen Spannungshub am Ausgang eindämmen.

Nein. Wenn man den ausgeschalteten Mosfet mit einem kräftigen Treiber 
bzw. Transistor hart auf 0V schaltet (oder sogar auf ein negatives 
Potential), hilft das sehr wohl, um ein ungewolltes Einschalten durch 
die Miller-Kapazität zu verhindern. Zusätzlich muss man natürlich auch 
di/dt und die parasitären Induktivitäten beachten.

Mit einem Mosfet, bei dem ein separater Source-Anschluss als 
Bezugspotential für den Treiber herausgeführt ist, kann man damit extrem 
schnell schalten, ohne dass es Probleme durch die Drain-Gate Kapazität 
gibt.

Der IXZ308N120 z.B. ist für du/dt von bis zu 200V/ns im abgeschalteten 
Zustand spezifiziert, das wären rechnerisch 5 ns für einen 1000V Sprung.
Das ist allerdings auch nicht gerade ein Low-Cost Mosfet.

Damit das allerdings wirklich funktioniert, ist schon ein sorgfältig 
optimiertes Platinenlayout notwendig; einen Highside-treiber mit 
Bootstrap-Versorgung würde ich dafür auch nicht empfehlen.

von Lukas Fischer (Gast)


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Ich habe heute den Aufbau noch einmal genauer durchgemessen auf shoot 
through wegen du/dt und wollte fragen, ob ich das so richtig verstanden 
habe: wenn der highside MOSFET durchschaltet und den lowside Drain 
hochzieht, schaltet die Cgd des unteren diesen kurz durch. Umgekehrt 
vermutlich genauso. Aber zu messen gehts einfacher beim lowside FET, 
weil der gegen Ground liegt. Hab ich jetzt gemacht, ein bissal klingelt 
es da wirklich: ein paar Schwingungen, die über Vth gehen, innerhalb von 
ca. 100ns abklingen (siehe Anhänge).
Ich habe dann eine niedrigere Versorgungsspannung des Mosfet Treibers 
gewählt -> flachere Flanken ("nur" mehr 12ns statt 8ns) -> weniger 
shoot-throughs. Ausserdem ist noch mehr Luft was die Vgmax Spannung 
während der tu/dt peaks betrifft. Für den Stomverbrauch aus der HV 
Versorgung hat das leider wenig Unterschied gemacht (<5%).

Ich bin mir aber trotzdem noch nicht sicher ob mir der Stromverbrauch 
wirklich durch die shoot-throughs erzeugt wird (dann müßte wohl ein 
höherer Widerstand von z.B. 500R zwischen den Mosfets einen Niedrigeren 
Strom bewirken, tut er aber nicht).

Jetzt daher eine Frage an die Optimisten in der Runde: hat schon jemand 
Erfahrungen damit gemacht, ob / wie lang ein Mosfet eine derartige 
Vergewaltigung aushält? Ist das ok dem Gate ein paar (Magen-) Schwinger 
zu gönnen, oder ist das um jeden Preis auf Kosten der Flankensteilheit 
zu vermeiden?

Das mit der negativen gate Ansteuerung hab ich auch schon mal in einer 
Appnote gelesen als "Only necessary for exceptional switching speed" 
(oder so) und das reizt mich natürlich schon sehr das auszuprobieren. 
Aber ich weiß nicht ob ich schon fit bin mir einen eigenen 
High-/Low-Side Gate Treiber mit negativer Gate Ansteuerung zu bauen mit 
diesen Specs. Da halt ich mich lieber an das was schon funktioniert. 
Aber für den Fall, dass ich's doch noch versuchen will, gibt's da einen 
guten Einstiegspunkt im Web (speziell was HV, wenig Last und schnelle 
Schaltzeiten angeht)?
Wenn noch jemand einen alternativen Gate Treibertypen zu meinem IR2213 
im Hinterkopf hätte, wäre ich auch sehr dankbar. Die diversen parametric 
searches von Distributoren lassen einen ja nicht mal auswählen, ob der 
eine floatende High side für bootstrapping hat und wie hoch er floaten 
darf. Maximal direkt beim Hersteller und ich such schon den ganzen 
Nachmittag.

Bzgl. des IXZ308N120, der schaut ziemlich mächtig aus, ja. Was genau 
bringt das mit dem zusätzlichen Source Anschluss? Ist das wirklich 
soviel besser als dick mit Kupfer auf kürzestem weg zur 
Versorgungskapazität und dem Gate-Treiber zu fahren?

Danke für die Kompetenten Kommentare und Bauteilvorschläge, das hilft 
mir enorm weiter.

von Lukas Fischer (Gast)


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Lukas Fischer schrieb:
> ein paar Schwingungen, die über Vth gehen, innerhalb von
> ca. 100ns abklingen (siehe Anhänge).

Ah das hab ich noch vergessen: Rot ist die geschaltete Spannung am 
Ausgang (ca 600V) und das Gelbe Signal die Gate Spannung des Low-Side 
Mosfets.

von Lukas Fischer (Gast)


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Jetzt habe ich ein gutes Google Stichwort gefunden: die "Miller Clamp". 
Damit und 1200V kommt man noch am ehesten weiter.
Was sagt ihr zum M81738FP und dem M81019FP von Mitsubishi?

von 12345 (Gast)


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Johannes E. schrieb:
> Wie kommst du denn zu so einer Aussage? Wenn man eine Brücke schnell
>
> schalten möchte, muss man die Transistoren niederohmig ansteuern, anders
>
> geht es nicht.
>
> Manchmal ist es sinnvoll, den Einschaltvorgang geziehlt etwas langsamer
>
> zu machen, um das du/dt zu begrenzen. In die andere Richtung kann man
>
> das Gate aber relativ problemlos sehr niederohmig ansteuern.

Wenn Du damit meinst, das Gate langsam, aber niederohmig anzusteuern, 
dann ja. Falls damit gemeint ist, das Beste für eine Brücke ist auch die 
superschnelle Ansteuerung des Gates, dann nein. Diese Ansteuerungsart 
ist in einer Brücke praktisch unmöglich. Oder sagen wir mal mit 
nachfolgender Fehlersuche verbunden.
Bei einer Brücke geht es ganz selten danach was man möchte. Vielmehr 
bestimmen die Transistoren der Brücke, was technisch möglich ist.


Er hat ja schon shoot-through, und er wird es bei der knackigen 
Ansteuerung auch nicht wegbekommen. Warum? Weil die Fets trotz direkter 
Ankopplung an den Treiber keinen unbegrenzten Spannungshub je 
Zeiteinheit zulassen. Selbst wenn z.B. beim unteren Fet Gate und Source 
verlötet wären, wird dieser Fet kurzzeitig aufgesteuert, sobald drain 
exorbitant abpfeift. Das ist rein ein Phänomen des Mosfets, man kann es 
nur durch negative Vorspannung, und/oder durch niedrigere DV/DT halbwegs 
umgehen.
Die 100ns, die es nun klingelt, sind ja schon ein recht guter Wert, und 
nur erreicht, weil er ziemlich kleine Fets verwendet. Er kann ohne 
Bedenken die Ansteuerung auf vielleicht 200ns zurückfahren (durch recht 
hohe Gatewiderstände). Und er kann den Treiber mit dem kleinsten 
Ausgangsstrom nutzen. Der beste Treiber wird den Ausgang dieser Brücke 
keine ns schneller machen.

Der IXZ308N120 ist natürlich ein Super Mosfet, gerade auch was die 
Kapazitäten anbetrifft. Falls Lukas das Geld ausgeben will, kann er ja 
damit mal seine Brücke aufbauen.
Bin mir aber sicher, daß auch hier die 15ns ein Wunsch bleiben werden. 
Egal was das Datenblatt dazu sagt. Vermutlich sind darin bereits -20V 
Gatespannung einberechnet...

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Lukas Fischer schrieb:
> Jetzt daher eine Frage an die Optimisten in der Runde: hat schon jemand
> Erfahrungen damit gemacht, ob / wie lang ein Mosfet eine derartige
> Vergewaltigung aushält? Ist das ok dem Gate ein paar (Magen-) Schwinger
> zu gönnen, oder ist das um jeden Preis auf Kosten der Flankensteilheit
> zu vermeiden?

Bei der Messung wäre ich mir nicht sicher, ob die gemessene 
Gate-Spannung tatsächlich real ist. Vor allem die Sinusschwingung sieht 
verdächtig aus, normalerweise kann am Gate keine negative Spannung 
anliegen.

Bei so steilen Flanken ist die Gefahr groß, dass sich Störungen irgendwo 
in die Tastkopfleitung einkoppeln, so dass die am Oszi sichtbaren 
Signale nicht unbedingt der Realität entsprechen.
Man kann das überprüfen, indem man den Tastkopf-Spitze und die 
Masse-Klemme  zusammen am Mosfet-Drain anschließt; hier sollte 
eigentlich kein Signal kommen.

Ob das für den Mosfet schädlich ist, kann man nicht so einfach 
beurteilen. Das Ziel muss sein, zu verhindern, dass der Mosfet nochmal 
einschaltet; dann passiert dem Mosfet auch nichts.

> Was genau
> bringt das mit dem zusätzlichen Source Anschluss? Ist das wirklich
> soviel besser als dick mit Kupfer auf kürzestem weg zur
> Versorgungskapazität und dem Gate-Treiber zu fahren?

Das Problem sind die parasitären Induktivitäten der Anschluss-Pins und 
der Bond-Drähte innerhalb des Mosfet-Gehäuses.

Wenn in der Source-Leitung ein großer Strom fließt und dieser Strom 
schnell geschaltet wird, entsteht durch das di/dt an dieser Induktivität 
eine Spannug. Das bedeutet, dass sich der Source-Anschluss im Mosfet 
gegenüber dem externen Source-Pin verschiebt.
Bei negativem di/dt, also beim Ausschalten, ist diese Spannung negativ, 
dadurch geht der interne Souce-Anschluss auf ein negatives Potential. 
dabei kann es passieren, dass der Mosfet leitfähig wird, obwohl außen am 
Gate 0V anliegt (bezogen auf den Gate-Pin), weil die interne Gate-Source 
Spannung über die Threshold-Spannung ansteigt.

Das ist allerdings eher ein Problem, wenn große Ströme geschaltet 
werden; bei deiner Anwendung schätze ich diese Gefahr eher gering ein.

Lukas Fischer schrieb:
> Wenn noch jemand einen alternativen Gate Treibertypen zu meinem IR2213
> im Hinterkopf hätte, wäre ich auch sehr dankbar.

Es gibt sehr viele Low-Side Treiber, die sehr schnell schalten können 
und große Gate-Ströme liefern können (z.B. ADP3634). Die haben 
allerdings keine Potentialtrennung. Die Potentialtrennung kann man mit 
unterschiedlichen Methoden erreichen, z.B: Optokoppler, digitale 
Isolatoren (ADUMxxx, ISOxxx), induktive Kopplung, Lichtleiter, ...

Das Problem sind die zulässigen du/dt-Werte, die ISOxxx - Bausteine von 
TI haben z.B. typisch 50 V/ns, die meisten Optokoppler haben eher 
niedrigere Grenzwerte. Für wirklich hohe Spannungstransienten bei 
Spannungen im Bereich 1000V oder mehr sind nach meiner Erfahrung nur 
Übertrager zur Potentialtrennung sinnvoll, damit kann man eine hohe 
Robustheit gegen Common-Mode Transienten bei gleichzeit geringer 
Propagation Delay erreichen.

12345 schrieb:
> Wenn Du damit meinst, das Gate langsam, aber niederohmig anzusteuern,
> dann ja. Falls damit gemeint ist, das Beste für eine Brücke ist auch die
> superschnelle Ansteuerung des Gates, dann nein. Diese Ansteuerungsart
> ist in einer Brücke praktisch unmöglich.

Ich wollte damit sagen, dass man einen Gate-Treiber auch asymetrisch 
beschalten kann, z.B. mit einer Diode, so dass der Widerstand in beide 
Richtungen unterschiedlich ist.
Man kann also das Gate sehr schnell und niederohmig abschalten und die 
Einschaltflanke etwas langsamer machen und damit das du/dt auf einen 
zulässigen Wert begrenzen.

Wenn die Impedanz in beiden Richtungen gleich groß ist, besteht 
natürlich die Gefahr, dass der abgeschaltete Mosfet wieder einschaltet, 
wenn in beiden Mosfets der Brücke die Miller-Kapazität gleich groß ist.

12345 schrieb:
> Er hat ja schon shoot-through, und er wird es bei der knackigen
> Ansteuerung auch nicht wegbekommen. Warum? Weil die Fets trotz direkter
> Ankopplung an den Treiber keinen unbegrenzten Spannungshub je
> Zeiteinheit zulassen.

"Ungebrenzt" natürlich nicht, aber manche Mosfets können durchaus mit 
sehr schnellem du/dt betrieben werden, ohne dass etwas passiert. Ich 
schalte wie gesagt in einer ähnliche Anwendung mit 1000 V in 12 ns mit 
zwei APT4M120K in einer Halbbrücke und das funktioniert sehr gut.

Das Hauptproblem sind meistens weniger die Mosfet-Chips an sich, sondern 
eher das Platinen-Layout, die (parasitären) Induktivitäten der 
Mosfet-Gehäuse und die Gate-Treiber.

> Der IXZ308N120 ist natürlich ein Super Mosfet, ...
> Bin mir aber sicher, daß auch hier die 15ns ein Wunsch bleiben werden.

Ich habs ausprobiert, für den IXZ308N120 sind 15 ns überhaupt kein 
Problem. Aus Kostengründen bin ich dann aber zum APT4M120K gewechselt, 
der für meine Anwendung auch schnell genug war.

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Lukas Fischer schrieb:
> Was sagt ihr zum M81738FP und dem M81019FP von Mitsubishi?

Der ist für maximal 50 V/ns spezifiziert, das wären 20 ns für 1000 V!

von Lukas Fischer (Gast)


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Johannes E. schrieb:
> Es gibt sehr viele Low-Side Treiber, die sehr schnell schalten können
> und große Gate-Ströme liefern können (z.B. ADP3634). Die haben
> allerdings keine Potentialtrennung. Die Potentialtrennung kann man mit
> unterschiedlichen Methoden erreichen, z.B: Optokoppler, digitale
> Isolatoren (ADUMxxx, ISOxxx), induktive Kopplung, Lichtleiter, ...

Nachdem ich auch Negative Spannungen schalten möchte, habe ich mir mal 
kurz die Empfehlungen von Johannes zu den digitalen Isolatoren 
angesehen, danke nochmal.

Ich hab noch eine zwei Verständnisfragen:

Wenn man eine Spannung von -1000 statt der +1000 schalten will, legt man 
dann den GND des gesamten Gate-Treibers auf -1000, oder? Also digitale 
Koppler für die L-in und H-in, galvaniscch getrennten DC-DC für die 
Logik und die Gate-Treiber Versorgung floatend auf den -1000 (also max. 
dv/dt für Common Mode Transients der Optokoppler beachten). Stimmt das 
so? Gibt es da sonst noch was zu beachten?

Und noch zu dem Tipp mit den Low side Treibern plus Potentialtrennung 
als High Side Treiber: Braucht der dann einen Potentialgetrennten DC-DC 
als Versorgung, oder kann man die auch einfach Bootstrappen? Ich denke 
mir, wenn ich den ganzen DC-DC mit hinauf ziehe mit der Brücke, dann 
werde ich wohl Probleme mit seiner Kapazität gegen den Eingang bekommen 
oder?

Danke, Lukas

von Markus (Gast)


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Hallo!

Datenblatt IR2213:
Absolute Maximum Ratings
dVs/dt Allowable Offset Supply Voltage Transient (Figure 2) — 50 V/ns

1000V bei kleiner 20ns würde dies verletzen, und an diese Grenze würde 
ich nicht rangehen wollen.

Wenn Du (oder jemand anderes) einen Treiber-IC findet, der ein größeres 
Du/dt abkann, dann wäre ich auch sehr interessiert. Bisher habe ich 
nichts gefunden.
Einzige Möglichkeit, die ich kenne: mit Übertrager (auf deren Kapazität 
achten) arbeiten. Leider ist dann ein statischer Betrieb (nicht Dein 
Problem aber meins;-) sehr aufwendig.
Ach ja, auch ein DC/DC-Wandler für die High-Side muß das du/dt abkönnen.

Welche Bootstrap Diode kommt zum Einsatz? Die bekommt nämlich auch das 
du/dt zu spüren und über deren Kapazität fließt dann auch ein Strom.
Daher vermutlich der "HitzkopFET" auf der High-Side.

Zu Deinem Bild: 
http://www.mikrocontroller.net/attachment/preview/176020.jpg
Man sieht auf der steigenden Flanke(rot) einen Absatz. Hier ist der 
untere Transistor im linearen Bereich, d.h. für ca. 4ns fließt ein Strom 
durch den eigentlich gesperrten Transistor, entsprechend der gemessenen 
Gatespannung.
Den Absatz sieht man auch bei der fallenden Flanke.
Hier hilft effektiv wohl nur eine negative Gate-Spannung.

Die "shoot-throughs" sind wohl eher Überschwinger durch den induktiven 
Anteil des Ausgangskreises.
Um die wegzubekommen müßtest Du den Ausgangskreis abstimmen, Stichwort 
Aperiodischer Grenzfall :

Welche Deadtime verwendest Du? Eigentlich kannst Du diese ausreichend 
groß machen, wenn nur eine kapazitive Last von 30pF dranhängt. Es fließt 
nach dem Umladen kein Strom mehr, die Fets können also frühzeitg 
abgeschaltet werden. Dann tritt auch definitiv kein echter Shoot-Through 
auf.

Gruß
Markus

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