Forum: HF, Funk und Felder Mikrowelle Energieeintrag


von Julia P. (Gast)


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Hallo,

nach dem ich in einem anderen Forum leider keine Antowrt erhalte 
(http://www.physikerboard.de/topic,33682,-mikrowelle.html) , erlaube ich 
mir die Frage auch hier zu stellen:

ich lese öfters, dass die Mikrowelle nur Wasser bzw Dipole erwärmt. 
Wieso wird dann im Mikro auch ein leeres Glas, ein leerer Teller oder Öl 
nach bereits kurzer Zeit heiß? Ich hab auf Wikipedia gelesen, dass die 
dielektrische Erwärmung für das Aufheizen verantwortlich ist, kennt 
jemand Quellen wo der Frequenzgang der komplexen Permittivität für 
unterschiedliche Materialien (zB Öl) angeführt sind?

Danke & LG
Julia

von Nilix (Gast)


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Hallo Julia

Ich versuch es mal zu Erklären.

Durchläuft eine elektromagnetische Welle ein Medium, so regt es die 
Atomelektronen zu erzwungenen Schwingungen an. Diese schwingenden Dipole 
strahlen ihrerseits wieder elektromagnetische Wellen mit derselben 
Frequenz,
aber phasenverzögert ab Einerseits kann man die Überlagerung vieler 
Einzelwellen betrachten, die von vielen solchen schwingenden Dipolen 
abgestrahlt werden, wobei man eine andere Richtung wählt als die der 
anregenden Welle. Bei geeigneter räumlicher Anordnung der Dipole ist 
eine konstruktiv interferierende Überlagerung möglich, dadurch entstehen 
intensive Wellen, die in andere Richtungen laufen als die anregende 
Welle Als Bragg-Gitter bezeichnet man Gitterstrukturen, an denen 
elektromagnetische Wellen Beugungs- und Interferenzphänomene aufzeigen.
Ein Beispiel dafür ist die Beugung von Röntgenstrahlen an 
Kristallgittern. An den besetzten Plätzen des Kristalls, die man 
einzelnen zuein-
ander parallelen Netzebenen zugeordnet hat, werden die Röntgenstrahlen 
gebeugt. Man erhält immer dann eine auslaufende Gesamtwelle, wenn die 
Einzelstrahlen konstruktiv interferieren, d.h. wenn die Wegstrecke 2δ
ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist. Mit Hilfe des 
Einfallswinkels θ und des Netzebenen Abstandes d erhält man die
Bragg-Bedingung aus dieser Interferenzforderung.

Gruß Nilix

von Plasmon (Gast)


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Julia P. schrieb:
> ich lese öfters, dass die Mikrowelle nur Wasser bzw Dipole erwärmt.

Nein, das ist Unsinn. Jedes Material - wenn es nicht gerade ein 
Supraleiter ist - setzt elektromagnetische Leistung in Wärme um. Das 
können Verluste aufgrund endlicher Leitfähigkeit sein, magnetische 
Verluste oder eben dielektrische Verluste. Bei den dielektrischen 
Verlusten (Verluste aufgrund ständiger Umpolarisierung des Materials) 
gibt es wiederum mehrere Mechanismen: Ionenpolarisation, 
Elektronenpolarisation und Orientierungspolarisation. Letztere dominiert 
bei Wasser, weil H2O ein polares Molekül ist.

Ob ein Material nun stark oder weniger stark erwärmt wird, hängt von 
vielen Faktoren ab:

- dielektrischer Verlustwinkel
- Feldstärke
- Frequenz
- Eindringtiefe

Die Liste ist nicht vollständig. Von der Frequenz hängt es ab, weil 
Verlustwinkel und Eindringtiefe frequenzabhängig sind. Die Feldstärke im 
Material kann wiederum stark von der Geometrie und der Position 
abhängen. Es können sich lokale Maxima (sogenannte Hot Spots) ausbilden. 
Damit das wenigstens im zeitlichen Mittel nicht passiert, dreht sich der 
Teller in der Mikrowelle.

Die Mikrowelle erwärmt nicht nur Wasser. Nur ist es häufig so, dass, 
wenn Wasser enthalten ist, dieses dann dominant erhitzt wird, weil 
Wasser bei 2,4 GHz schon eine recht hohe Absorptionsrate hat. Wenn aber 
kein Wasser da ist, sondern andere verlustbehaftete Materialien, dann 
werden die natürlich auch heiß.

Quellen über frequenzabhängiges e_r und tan delta sind rar, weil die 
genaue Messung gerade im Mikrowellenbereich recht aufwendig ist.

von Jeromyo H. (jeromyo) Benutzerseite


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Hallo,
ich möchte bloss kurz auf "Nilix"' Antwort eingehen, und zwar dieser 
Abschnitt bereitet mir Kopfzerbrechen:

Durchläuft eine elektromagnetische Welle ein Medium, so regt es die
Atomelektronen zu erzwungenen Schwingungen an. Diese schwingenden Dipole
strahlen ihrerseits wieder elektromagnetische Wellen mit derselben
Frequenz,[...]

Wie will ein Molekül, bei einem Trinkglas z.B. SiO2, im Kristallgitter 
zu nicht realem "SiO4" zu einem "schwingenden" Dipol werden? Die 
Elektronen sind in einer kovalenten Bindung eingebunden, und das Molekül 
Siliziumdioxid besitzt meiner Erkenntnis nach kein Dipolmoment, also das 
mit der "Dipolbildung" würde ich sehr gerne genauer erläutert bekommen.

Gruß Jeromyo

von Lukas T. (tapy)


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Ich denke, Nilix Antwort sollte hier mal raus gelöscht werden. Stark am 
Thema vorbei. Sehr stark. Es geht hier kaum um Interferenz von Wellen. 
Es hat niemand nach den Grundlagen der _Röntgen_beugung gefragt.

von Stefan M. (derwisch)


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@ Plasmon,

Sehr schön beschrieben.
Das ist -wie ich finde- ein Beispiel für eine hilfreiche Antwort.

Sehr verständlich, kurz und trotzdem vollständig.

von Purzel H. (hacky)


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Zu jeromyo. Fuer quarz ist es zuefaelligerweise grad so, dass der quasi 
keine verluste bis zu den mir bekannten 90GHz hat.

von Jeromyo H. (jeromyo) Benutzerseite


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