Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Kurzschlusstrom bei CMOS-Inverter


von Michael S. (xcess)


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Hallo,

mir ist die Entstehung des Kurzschlussstroms beim Umschalten eines 
CMOS-Inverters ( 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/03/Inverter1.svg ) 
nicht so ganz klar.
Der Kurzschlussstrom soll auftreten, da bei einem Umschaltvorgang 
kurzzeitig beide Transistoren leiten.
Bisher habe ich das so verstanden, dass der N-MOS-Transistor (oben) bei 
einer positiven, der P-MOS-Transistor (unten) bei einer negativen 
Drain-Source-Spannung leitet (beide selbstsperrend).
Wenn jetzt beispielsweise ein Signalwechsel am Eingang von LOW auf HIGH 
stattfindet, sollte das doch in etwa so ablaufen:

1. GS-Spannung negativ: PMOS leitet (da GS-Spannung < 
Treshold-Spannung), NMOS sperrt (da GS-Spannung < Treshold-Spannung)
2. GS-Spannung = 0: PMOS sperrt (da GS-Spannung > Treshold-Spannung), 
NMOS sperrt (da GS-Spannung < Treshold-Spannung)
3. GS-Spannung positiv: PMOS sperrt (da GS-Spannung > 
Treshold-Spannung), NMOS leitet (da GS-Spannung > Treshold-Spannung)

Wo entsteht da jetzt der Kurzschlussstrom? Bzw. wo ist mein Denkfehler? 
:-D
Danke schonmal im Voraus!

von (prx) A. K. (prx)


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Michael S. schrieb:
> Bisher habe ich das so verstanden, dass der N-MOS-Transistor (oben) bei
> einer positiven, der P-MOS-Transistor (unten)

Und wenn du die nun vertauschst, dann wird daraus wirklich ein Inverter. 
Der obere ist P-MOS, der untere N-MOS.

von mhh (Gast)


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Michael S. schrieb:
> Bzw. wo ist mein Denkfehler?

Du hast die Zeit vergessen zu berücksichtigen - die Ausschaltzeit des 
Transistors von Ansteuerung weg bis Stromhahn zu.

von Michael S. (xcess)


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A.K. schrieb:
> Und wenn du die nun vertauschst, dann wird daraus wirklich ein Inverter.
> Der obere ist P-MOS, der untere N-MOS.

Du hast natürlich völlig recht, mein Fehler


mhh schrieb:
> Du hast die Zeit vergessen zu berücksichtigen - die Ausschaltzeit des
> Transistors von Ansteuerung weg bis Stromhahn zu.

Und wie wirkt sich die konkret auf den Kurzschlussstrom aus?

von mhh (Gast)


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Michael S. schrieb:
> Und wie wirkt sich die konkret auf den Kurzschlussstrom aus?

Das es ihn gibt.

Die Einschaltzeit eines Transistors ist kleiner als die Ausschaltzeit. 
Im Moment der Überlappung hast Du den Kurzschluss.

von HildeK (Gast)


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Michael S. schrieb:
> Und wie wirkt sich die konkret auf den Kurzschlussstrom aus?

Beide FETs leiten kurzzeitig, der eine immer weniger, der andere immer 
mehr. Während der Zeit fließt ein Strom, der u.A. abhängig ist vom RDSon 
der beteiligten Transistoren und natürlich davon, wie weit beide 
aufgesteuert sind. Da können schon einige zehn mA zusammenkommen - für 
entsprechend kurze Zeit. Auch aus dem Grund muss man den 
Entkoppelkondensator spendieren.

von Dietrich L. (dietrichl)


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Allgemeines zu den Auswirkungen des Kurzschlussstromes:

1. Erzeugt hochfrequente Stromspitzen auf der Versorgung; sie erzeugen 
Spannungsabfälle an der Induktivität der Versorgungsleitungen. Dagegen 
wirkt ein Stützkondensator.
2. Bewirkt höheren Stromverbrauch. Wenn nichts schaltet, brauch CMOS 
(fast) keinen Strom. Daher ist die Stromaufnahme abhängig von der 
Taktfrequenz, siehe z.B. Datenblatt von µCs.
3. Man soll nicht langsam schalten, weil dann der Querstrom länger 
fließt. Die Stromspitzen sind dann zwar nicht so hochfrequent, aber der 
Mittelwert dagegen größer. Daher: Signale mit kleinerer Flankensteilheit 
sollten immer über Schmitttrigger-Eingänge schnell gemacht werden.

Gruß Dietrich

von (prx) A. K. (prx)


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Michael S. schrieb:
> Wo entsteht da jetzt der Kurzschlussstrom? Bzw. wo ist mein Denkfehler?

MOSFETs haben neben "auf" und "zu" noch Zwischenwerte. Für Vcc=5V:

(1) Vin = 0V: P auf, N zu, kein Strom.
(2) Vin = 2,5V: P teilweise auf, N teilweise auf, deutlich Querstrom.
(3) Vin = 5V: P zu, N auf, kein Strom.

Da Vin nicht unendlich schnell wechselt entsteht zwischendrin sowas wie 
(2). Der Stromverbrauch ist also umso prononcierter, je langsamer das 
Eingangssignal sich ändert.

Da die Schwellspannung der MOSFETs beispielsweise eines 74HC Gatters 
unabhängig von der Versorgungsspannung ist, ist der so entstehende 
Querstrom im Zwischenbereich massiv abhängig davon. Bei maximal 
zulässiger Versorgungsspannung von 6V sind die MOSFETs im 
Zwischenbereich teilweise beide weitgehend aufgesteuert, während bei 2V 
kaum Querstrom auftritt.

Andererseits wird eine CMOS Komponente mit grösserer Schwellspannung der 
MOSFETs langsamer, denn wenn man ein mit einer realen Flankensteilheit 
versehenes Eingangssignal betrachtet, dann schaltet ein Transistor um so 
später ein, je höher die Schwellspannung ist.

Daraus entsteht ein Dilemma: Hohe Schwellspannungen machen langsamer, 
niedrige Schwellspannungen erhöhen bei häufig schaltenden Komponenten 
den Stromverbrauch durch den grösseren Querstrom beim umschalten.

von Michael S. (xcess)


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Danke erstmal für die super ausführliche Erklärung! Das leuchtet alles 
soweit auch ein, jetzt hab ich nur noch ein Problem:

Warum steuert der p-Transistor bei 0V durch?

Ich dachte immer bei selbstsperrenden p-Transistoren müsste eine 
negative Spannung anliegen, damit diese durchsteuern? Und bei einer 
negativen Spannung hätte ich dann beim Pegelwechsel diesen 
"Übergangsbereich", in dem beide Transistoren durchleiten, nicht, oder?

von (prx) A. K. (prx)


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Michael S. schrieb:
> Warum steuert der p-Transistor bei 0V durch?

Source 5V, Gate 0V => leitet.

Wenn nicht explizit anders angegeben beziehe ich Spannungen auf GND...

> Ich dachte immer bei selbstsperrenden p-Transistoren müsste eine
> negative Spannung anliegen, damit diese durchsteuern?

...während du das wohl anders handhabst.

von Yalu X. (yalu) (Moderator)


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Michael S. schrieb:
> Warum steuert der p-Transistor bei 0V durch?
> Ich dachte immer bei selbstsperrenden p-Transistoren müsste eine
> negative Spannung anliegen, damit diese durchsteuern?

Ja, die Gate-Source-Spannung muss negativ sein. Da die Source auf VCC 
liegt, führt eine Eingangsspannung von 0V zu einer Gate-Source-Spannung 
vom 0V-VCC = -VCC < 0, was den Mosfet leitend macht.

von Michael S. (xcess)


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Yalu X. schrieb:

> Ja, die Gate-Source-Spannung muss negativ sein. Da die Source auf VCC
> liegt, führt eine Eingangsspannung von 0V zu einer Gate-Source-Spannung
> vom 0V-VCC = -VCC < 0, was den Mosfet leitend macht.

Genau das war mein Denkfehler! Danke vielmals!

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