Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Blindleistung - Warum eigentlich ein Problem?


von K. H. (Gast)


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Hallo liebe µC Community,

mir stellt sich die Frage, warum Blindleistung überhaupt ein Problem für 
Netzbetreiber darstellt, dazu würde ich gerne besser verstehen, wie man 
sich Blindleistung eigentlich vorstellen kann :)

Ein Beispiel:

Wir betrachten einen idealen Kondensator ohne Widerstand. Sagen wir, wir 
nehmen einen 100 µF Kondensator und legen über diese eine 
Wechselspannung von 10 Volt bei 50 Hz an. Rein Rechnerisch ergibt sich 
dadurch eine (betragliche) Blindleistung von:

Q = U^2 / X = (10V)^2 / (1/(2*pi*50*100µF)) = (10V)^2*(2*pi*50*100µF) = 
3.141 VAr

Diese 3.141 VAr sind ja 3.141 Joule/s

Man stellt sich ja Blindleistung als Leistung vor, die im Netz hin und 
her pendelt. Aber wie kann man das energetisch verstehen? Die 
Spannungsquelle muss ja 3.141 Joule/s aufbringen, wohin verschwinden 
die? In diesem idealen Stromkreis gibt es ja keinen Widerstand, welche 
diese Energie in Wärme umsetzen könnte. Aber man könnte diese Schaltung 
ja stundenlang vorsichhin laufen lassen, wobei die Spannungsquelle immer 
schön 3.141 J jede Sekunde abgibt. Aber wohin geht diese Energie dann?

Kann man sich diese Leistung nicht etwa als Joule / Sekunde vorstellen 
die abgegeben werden?

Hoffe ihr könnt mich da etwas aufklären :)

Gruß

Quaditz

von Peter II (Gast)


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S. O. schrieb:
> Aber man könnte diese Schaltung
> ja stundenlang vorsichhin laufen lassen, wobei die Spannungsquelle immer
> schön 3.141 J jede Sekunde abgibt.
sie pendelt. Ein Pendel was pendelt verschwindent doch auch nicht.

> Aber wie kann man das energetisch verstehen? Die
> Spannungsquelle muss ja 3.141 Joule/s aufbringen,
muss sie nicht. Sie muss sie nur einmal aufbringen, danach hat die 
Spannugsquelle keine bedeutung mehr und liefert auch keine Energie.

> mir stellt sich die Frage, warum Blindleistung überhaupt ein Problem für
> Netzbetreiber darstellt
weil sie leider keine Leitungen ohne Widerstand haben. Damit erzeugt die 
Blindleistung dann doch wieder Wirkleistung.

von Gatz (Gast)


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Dadurch müssen die Generatoren größer dimensionieren werden, was 
natürlich kostet.

von K. H. (Gast)


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Ah ok, das hat mir zum Verständnis schonmal weiter geholfen, vielen 
Dank!

Mich hats immer nur etwas gewundert, dass das Kraftwerk ja auch im 
Idealfall Energie pro Sekunde an den Kondensator abgibt! Aber wie man an 
diesem Bild schön sehen kann,

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/00/Blindleistung-Leistungsverlauf.png

ist diese Energie pro Sekunde zur Hälfte positiv zur Hälfte Negativ, 
d.h. das Kraftwerk kriegt in jeder Periode die Energie wieder, die es 
innerhalb dieser Periode auch aufgebraucht hat. Wobei währrenddessen 
durch Leitungsverluste natürlich Energie verloren geht!

Hoffe das passt so :) Vielen Dank!

von Joe S. (bubblejoe)


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Außerdem muss die Blindleistung übertragen werden, womit die Leitungen 
dicker ausfallen müssen.

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, S. O.,

> ist diese Energie pro Sekunde zur Hälfte positiv zur Hälfte Negativ,
> d.h. das Kraftwerk kriegt in jeder Periode die Energie wieder, die es
> innerhalb dieser Periode auch aufgebraucht hat.
Richtig, bei Fehlanpassung kommt die Energie zurück.
Dummerweise mit einem Phasenwinkel. Den muß der Generator ausgleichen. 
Wäre bei manchen nicht die Sicherung geflogen, hsollen sie beim Versuch 
ihre Kupferwicklung verflüssigt.

50 Hz sind zwar keine HF, impedanzrichtige Anpassung trotzdem sinnvoll.

Ciao
Wolfgang Horn

von Reinhard Kern (Gast)


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S. O. schrieb:
> Wobei währrenddessen
> durch Leitungsverluste natürlich Energie verloren geht!

Eben. Das Kraftwerk muss z.B. 1050W einspeisen, damit der Verbraucher 
1000W bekommt, aber der zahlt eben nur die 1000W. Das ist zwar 
grundsätzlich so, aber die Leitungsverluste zu Lasten des Versorgers 
entstehen eben durch Blindstrom genauso wie durch Wirkstrom. Im 
Extremfall (Kondensator) muss der Versorger die Leitungsverluste durch 
den Blindstrom tragen und der Kunde zahlt überhaupt nichts.

Von den Auswirkungen auf die Netzstabilität mal ganz abgesehen.

Gruss Reinhard

von U. B. (Gast)


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> 50 Hz sind zwar keine HF, impedanzrichtige Anpassung trotzdem sinnvoll.

In der Energietechnik hat sich die "Spannungsanpassung" durchgesetzt, 
dass ergibt besseren Wirkungsgrad über alles ...

http://de.wikipedia.org/wiki/Spannungsanpassung

von Wolfgang H. (frickelkram)


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Reinhard Kern schrieb:
> S. O. schrieb:
...
> entstehen eben durch Blindstrom genauso wie durch Wirkstrom. Im
> Extremfall (Kondensator) muss der Versorger die Leitungsverluste durch
> den Blindstrom tragen und der Kunde zahlt überhaupt nichts.
...

Also ganz so ist es nicht, diese "Verluste" werden natürlich einfach auf 
alle umgelegt und schlagen sich im Grundpreis nieder.

von Reinhard Kern (Gast)


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Wolfgang Heinemann schrieb:
> Also ganz so ist es nicht, diese "Verluste" werden natürlich einfach auf
> alle umgelegt und schlagen sich im Grundpreis nieder.

Schön (wie sollte es auch sonst sein), aber umso ungerechter ist es ja, 
wenn einzelne Verbraucher exorbitant viel Blindstrom "verbrauchen", sie 
tun das ja auf Kosten der Allgemeinheit. Daher wird das zurecht durch 
technische Vorschriften eingeschränkt.

Gruss Reinhard

von U. B. (Gast)


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>  Daher wird das zurecht durch technische Vorschriften eingeschränkt.

Und bei Sondertarif-Kunden z.T. mittels Blindstromzählern auch in 
Rechnung gestellt.

von aha (Gast)


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Jetzt weiß ich auch, warum wir als Privatverbraucher 28cent zahlen, 
obwohl der Strom nur knapp unter 4 cent liegt :-)
Also ist der Blindstrom schuld...

von RWE, EON, EnBW, Vattenfall und andere Abzocker (Gast)


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Ohne Blindstrom würden die 4ct pro kWh berechnen. Allein mir fehlt der 
Glaube.

von aha (Gast)


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Nein, der Strom wird für unter 4 ct gehandelt. Und das ist Tatsache.
Weil es aber Abnehmer gibt, die ihn geschenkt bekommen, kostet er uns 
dafür dann 28ct. Auch Tatsache.
Aber das gehört nicht zum Thema :-)

von U. B. (Gast)


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Geht nicht anders:

Eine bekannte und fast allseits beliebte Doktorin der Physik (mit 
einschlägiger Propaganda-Erfahrung) hat durchgesetzt, dass elektrische 
Energie, die hätte geliefert werden KÖNNEN, auch vergütet werden MUSS.
Und zwar alleine vom Strom-Normaltarif-Kunden, der sich schlecht wehren 
kann.
(Eine vergleichbare Regelung gibt es beim Kindergeld nicht ... )

So etwas gibt dem Begriff 'Blind'leistung zweifellos eine neue
Dimension ...

von amateur (Gast)


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Ob Blind oder nicht, Leitung ist auch mit Strom verbunden. Mir ist schon 
vor langer Zeit das Gerücht zu Ohren gekommen, dass das Leitungsnetz 
auch einen ohmschen Widerstand hat. Ohmsche Widerstände heißt aber auch, 
dass Dein Strom, auch wenn er blind ist, einen Spannungsabfall 
produziert.

von Das Merkel (Gast)


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Leider ist es so! Und leider fehlen mir auch Alternativen dies zu 
ändern.

von aha (Gast)


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> ...(Eine vergleichbare Regelung gibt es beim Kindergeld nicht ... )

Aber bei der GEZ! Und seit kurzem gibt's gar keine Ausnahmen mehr.

von U. B. (Gast)


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> ... dass das Leitungsnetz auch einen ohmschen Widerstand hat

Die richtigen 'Experten' in der Exekutive stehen kurz vor der Lösung,
sie haben soeben erfahren, dass man einfach nur diesen ohmschen 
Widerstand kurzschliessen muss:

Derzeit sind beim einschlägigen Eletronik-Versand Null-Ohm-Widerstände 
ausverkauft !

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, U. B.,

beachte die Besserwisser-Regel: "Wer sich als Besserwisser profilieren 
will, der sollte es wirklich besser wissen."

>> 50 Hz sind zwar keine HF, impedanzrichtige Anpassung trotzdem
> sinnvoll.
>
> In der Energietechnik hat sich die "Spannungsanpassung" durchgesetzt,
> dass ergibt besseren Wirkungsgrad über alles ...

Da war sogar vom Kondensator die Rede, von zurück fließender Energie!
Sobald die mit einem Phasenwinkel zurück kommt.

Hierzu auch Wikipedia, "Blindwiderstand": "Ein idealer linearer 
Blindwiderstand verursacht nur Blindleistung im Netz, verbraucht jedoch 
keine Wirkleistung. Die zum Auf- und Abbau elektrischer oder 
magnetischer Felder benötigte elektrische Energie wird wieder an den 
Erzeuger zurückgegeben, belastet jedoch die Leitungen."


Korrektur: Die Zusatzbelastung ist nicht auf die Leitungen beschränkt. 
Sondern der Generator wird durch den Phasenwinkel eines Blindwiderstands 
zusätzlich belastet.
Siehe auch "Blindleistungskompensation": 
http://de.wikipedia.org/wiki/Blindstromkompensation

Ciao
Wolfgang Horn

von Elo (Gast)


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äh, wo bitte gibt es real im Netz und beim Verbraucher so kapazitive 
Lasten?
die meisten und größten sind induktiv, gut SNT machen da wieder mal ne 
Ausnahme,
mit Kapazitäten werden Blindleistungen kompensiert, also das Bsp. oben 
ist voll fürn Popo

von Wolfgang H. (Firma: AknF) (wolfgang_horn)


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Hi, Elo,

> äh, wo bitte gibt es real im Netz und beim Verbraucher so
> kapazitive Lasten?
Natürlich sind induktive sehr viel häufiger. Beispielsweise die 
Vorschaltdrossel vor den üblichen Leuchtstofflampen.
Schau einfach unter "Blindstromkompensation".

Ciao
Wolfgang Horn

von Peter II (Gast)


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Wolfgang Horn schrieb:
> Natürlich sind induktive sehr viel häufiger. Beispielsweise die
> Vorschaltdrossel vor den üblichen Leuchtstofflampen

die aber schon seit jahren nicht mehr neu verbaut werden und meist durch 
lampen mit Schaltnetzteilen ersetzt werden. Es wohl wohl bald mit 
Indukivitäten Kompensiert werden müssen.

von Elo (Gast)


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> Es wird wohl bald mit Indukivitäten Kompensiert werden müssen.
ist das nun der technische Fortschritt oder der Schritt kurz vorm 
Abgrund ?
wo Kupfer ja immer teurer wird, müssen dann wohl alte Eisenschweine > 
E-Motoren in die Kompensationsanlage rein?

von Wilhelm F. (Gast)


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Peter II schrieb:

> Es wohl wohl bald mit
> Indukivitäten Kompensiert werden müssen.

Wie ist es im Energienetz denn jetzt? Eher induktiv oder eher kapazitiv?

In den Anfangszeiten der Elektrotechnik siebte man übrigens gleich 
gerichteten Drehstrom mit Spulen. Die Zeiten von 
Mehrphasen-Quecksilberdampfgleichrichtern. Ausreichende Kondensatoren 
gab es da noch nicht.

von Fred (Gast)


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Peter II schrieb:

> weil sie leider keine Leitungen ohne Widerstand haben. Damit erzeugt die
> Blindleistung dann doch wieder Wirkleistung.

Das ist definitiv falsch.

von uint32_t (Gast)


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Wilhelm F. schrieb:
> Wie ist es im Energienetz denn jetzt? Eher induktiv oder eher kapazitiv?

Man bemüht sich, das Netz eher leicht kapazitiv zu lassen, damit die 
(Momentan-)Spannung stabiler bleibt und Störströme ungleich bzw. größer 
50Hz und HF kurzgeschlossen werden.

von Wolfgang H. (frickelkram)


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Reinhard Kern schrieb:
> Wolfgang Heinemann schrieb:
...
> Schön (wie sollte es auch sonst sein), aber umso ungerechter ist es ja,
> wenn einzelne Verbraucher exorbitant viel Blindstrom "verbrauchen", sie
> tun das ja auf Kosten der Allgemeinheit. Daher wird das zurecht durch
> technische Vorschriften eingeschränkt.

korrekt ... und nicht hämisch grinsen wenn der neue Fernseher im Standby 
0,5W Zieht und dafür den Rest in Blindleistung verballert ...

von Wolfgang H. (frickelkram)


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Wolfgang Heinemann schrieb:
> Reinhard Kern schrieb:
>> S. O. schrieb:
...
>
> Also ganz so ist es nicht, diese "Verluste" werden natürlich einfach auf
> alle umgelegt und schlagen sich im Grundpreis nieder.

damit meinte ich natürlich nicht das es auf alle zu gleichen Teilen 
umgelegt wird ... wo kämen wir denn da hin?

von noch ein aha (Gast)


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Hallo,

"aha" schrieb : "Aber bei der GEZ! Und seit kurzem gibt's gar keine 
Ausnahmen mehr."

und das ist auch gut so, ich kann den Verein und seine Methoden zwar 
auch nicht leiden - aber wofür die Rundfunkgebühren gezahlt werden 
müssen ist eine wichtige und gute Sache:

Das trifft jetzt nicht immer unbedingt auf die öffentlich rechtlichen TV 
Programme in der Zeit bist so 20 - 22 Uhr zu, aber es gibt besonders bei 
einzelnen ARD Programmen manchmal spät Abends echte Sahnestückchen die 
mann auch nicht im Bezahlfehrnsehen bekommt - und auf anspruchsvolle 
Radioprogramme (nicht alles ist SWR3 oder WDR4) möchte ich auch nicht 
verzichten.

Das hat jetzt alles kein Zusammenhang mit Blindleistung aber musste doch 
mal gesagt werden (vieleicht landet es Offtopic Bereich)

noch ein aha

von Johannes O. (jojo_2)


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Wolfgang Horn schrieb:
>> äh, wo bitte gibt es real im Netz und beim Verbraucher so
>> kapazitive Lasten?
> Natürlich sind induktive sehr viel häufiger. Beispielsweise die
> Vorschaltdrossel vor den üblichen Leuchtstofflampen.
> Schau einfach unter "Blindstromkompensation".

Das stimmt aber nicht ganz!

Folgende Grafik wurde bei uns in der VL mal gezeigt: (ich schätze, dass 
sie für Deutschland ganz ähnlich gilt)
http://www.eeh.ee.ethz.ch/fileadmin/user_upload/eeh/news_events/Kolloquien/S101015_Spannungsregelung_im_Uebertragungsnetz_der_Schweiz_PRINT.pdf
Seite 18

Man sieht, dass tagsüber durchaus die induktive Blindleistung dominiert. 
Nachts aber eher die kapazitive. Begründet wurde das, glaub ich, damit, 
dass Nachts viele Elektrolyseanalgen usw. laufen, die eher kapazitive 
Blindleistung generieren.


Bzgl. der Problematik: Die Stabilität des Generators und die 
Ständererwarmung muss auch beachtet werden! Bei zuviel geforderter 
ind/kap. Blindleistungsabgabe kann das ein Problem werden.

von eProfi (Gast)


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Autor:  Gatz (Gast)  Datum: 16.08.2013 12:10
> Dadurch müssen die Generatoren größer dimensionieren werden,
> was natürlich kostet.
Nicht nur diese, sondern das gesamte Netz (Leitungen, Trafos, 
Sicherungen) wird dadurch belastet.


Heute ist neben Verschiebeblindleistung die Verzerrungsblindleistung ein 
großes Problem. Sie entsteht durch nichtlineare Verbraucher, vor allem 
Netzteile mit Gleichrichter und Siebelko. Bei diesen fließt ja Strom und 
damit die gesamte Leistung nur in der kurzen Zeit, wenn die Netzspannung 
größer als die C-Spannung ist --> Eindellen der Sinuskuppe

Deshalb ist für Verbraucher mit mehr als 70W PFC vorgeschrieben.

Solche "neuartigen" Belastungen können manchmal durch 
Resonanzerscheinungen zu großen Problemen führen.
Da helfen oft nur aktive Filter, die dafür sorgen, dass der 
Versorgungsstrom wieder sinusförmig wird. Die Firma Dominit Netzqualität 
ist da ein Ansprechpartner.

Mich wundert eh, dass hierfür nicht z.B. die Solarwechselrichter 
verwendet / verdonnert werden. Die müssten ja nur in der Sinuskuppe mehr 
Strom liefern.

von S. D. (der_nachtfuchs)


Angehängte Dateien:

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So sieht das aus.

Wenn die Hälfte im Bierglas Schaum wäre, würdest du dich auch beschweren 
;-)

von Bernd W. (berndwiebus) Benutzerseite


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Hallo Johannes O.

> Man sieht, dass tagsüber durchaus die induktive Blindleistung dominiert.
> Nachts aber eher die kapazitive. Begründet wurde das, glaub ich, damit,
> dass Nachts viele Elektrolyseanalgen usw. laufen, die eher kapazitive
> Blindleistung generieren.

Das hat auch etwas mit den Netzten selber zu tun. Freileitungsnetzte 
sind eher induktiv und haben einen Wellenwiderstand von 300-600 Ohm, 
Erdkabel sind stark kapazitiv mit einem typischen Wellenwiderstand um 50 
Ohm. *)

In sehr schwach belasteten Netzten dominiert der kapazitive Anteil der 
Leitung das Netz.
Hier kommt auch die "natürlich Leistung" einer Energieleitung ins Spiel, 
weil, überspitzt ausgedrückt, die kapazitive Last einer Leitung immer 
vorhanden ist, die induktive aber erst entsteht, wenn Strom fliesst. Das 
stimmt zwar nicht ganz, weil ja auch der kapazitive Blindstrom einer 
Leitung ein Stromfluss ist, der zur induktiven Blindlast beiträgt. **)

Jedenfalls verändert sich das Verhalten einer Energieleitung in 
Abhängigkeit von ihrer Last, und wenn sie so ohmsch belastet ist, das 
sich ihre eigenen Blindanteile wegkompensieren, hat man die 
(http://de.wikipedia.org/wiki/Nat%C3%BCrliche_Leistung natürliche 
Leistung) der Leitung erreicht. So ist auch eine Freileitung im Leerlauf 
leicht kapazitiv. Bei Belastung wird sie aber induktiver, bis bei 
natürlicher Leistung eine Kompensation von kapazitivem und induktivem 
Anteil gegeben ist. Steigert man die Last weiter, wird die Leitung dann 
induktiv, weil jetzt der induktive Anteil überwiegt. Aufgrund der 
höheren Anfangskapazität ist der Punkt der natürlichen Leistung bei 
Erdkabeln später erreicht.

Über das für und wieder von Freileitung gegenüber einem Erdkabel kann 
man lange streiten. Technisch gesehen ist es eine Auslegungssache. Durch 
Ästhetische- und Naturschutzgründe wird daraus ein Politikum.

Ästhetische Gründe lasse ich persönlich nicht gelten, sonst kommt noch 
einer daher und verlangt, das ich mit einem Sack über dem Kopf rumlaufe.
Persönlich finde ich Freileitungen eher "interessant", besonders wenn 
Mastbilder verwendet werden, die sich nicht an dem langweiligen 
Donauschema orientieren. Reine Ästhetik ist auf Dauer halt langweilig.

Und beim Naturschutz gibt es auch differenzierende Meinungen.

*) Für die 50Hz und die ersten Oberwellen sind die Stossstellen kein 
Problem, aber durchaus für die hochfrequenten Anteile, die beim Schalten 
auftreten. Durch Reflexionen an den Stossstellen können sich in 
Schaltanlagen erhebliche Überspannungen aufbauen. Gegen die 
höherfrequenten Anteile aus Blitzeinschlägen in Freileitungen stellt die 
Stossstelle einen gewissen Selbstschutz für das Kabel dar. Beim Übergang 
von der Freileitung auf das Kabel wird ein Teil der Leistung in die 
Freileitung zurück reflektiert.

**) Tatsächlich kann der kapazitive Blindstrom eines Kabels schnell so 
gross werden, dass Hoch/Höchstspannungsleitung auch auf kurzen 
Abschnitten im Leerlauf aktiv gekühlt werden müssen (hohler Innenleiter 
und Wasserströmung hindurch). Das hat aber auch etwas mit der relativ 
schlechten Kühlung eines im Boden verlegten Erdkabels verglichen mit 
einer gut luftgekühlten Freileitung zu tun. Freileitungen sind oft so 
dünn ausgelegt, das sie bei Vollast weit über 100°C warm werden. Ein 
Anfassen wäre also auch ohne die Hochspannung nicht ratsam. ;-)

Ach, es ist solange her, und ich hab soviel vergessen. :-(

Mit freundlichem Gruß: Bernd Wiebus alias dl1eic
http://www.dl0dg.de

von Helmut L. (helmi1)


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Stefan E. schrieb:
> Wenn die Hälfte im Bierglas Schaum wäre, würdest du dich auch beschweren
> ;-)

Dann gibt es in England gar keine Blindleistung weil es da keinen Schaum 
auf dem Glas gibt :=)

Dein Beispiel gibt die Phasenbeziehung nicht korrekt wieder.

von Frank X. (flt)


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Elo schrieb:
> äh, wo bitte gibt es real im Netz und beim Verbraucher so kapazitive
> Lasten?

Die  Höchstspannungsleitungen sind kapazitiv und werden
mit grossen Drosseln kompensiert...

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