Forum: Mechanik, Gehäuse, Werkzeug Leitet Kaptonband Wärme weiter oder reflektiert es sie?


von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Hallo Leute,

mal eine Frage an euch: Ich habe mir letztens ein Video angeschaut, in 
dem Anschlüsse auf einer Platine entlötet und durch neue Ersetzt wurden. 
Und zwar ganz normal reflow mit einem Heißluftgebläse. In dem Video 
wurden andere Bauteile um die Anschlüsse herum mit Kaptonband abgeklebt, 
um die Teile eben nicht zu beschädigen. Soweit auch alles in Ordnung.

Doch dann wurde im Video behauptet, dass das Kaptonband die Hitze 
reflektiert und die Bauteile quasi somit schützt. Ich dachte, dass das 
Kaptonband ein sehr guter Wärmeleiter ist, also genau das Gegenteil von 
dem behaupteten.

Was ist da nun richtig?

von Jens G. (jensig)


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>Doch dann wurde im Video behauptet, dass das Kaptonband die Hitze
>reflektiert und die Bauteile quasi somit schützt. Ich dachte, dass das

Bei einem Heißluftgebläse kaum, denn hier regiert ja sicherlich nicht 
die Wärmestrahlung, sondern die Wärmeleitung (von der Luft auf das 
Material).
Das Band wird also mit Sicherheit genau so warm wie das Lötzinn.
Was hier aber schützend wirken dürfte, ist:
- die Wärmeableitung auf umliegende beklebte Gebiete
  (hatte ich auch mal gedacht, daß es rel. gut Wärme leitet)
- und die abschirmende Wirkung gegen den heißen Wind (dahinterliegendes 
wird nicht direkt vom Wind getroffen)

Reflektieren wird es zwar auch ein bißchen, ist aber wohl kaum der 
Hauptbestandteil der Wirkung, denn ein Heißluftgebläse strahlt ja nicht, 
sondern bläst vorrangig (Wärmetransport durch Materietransport - also 
ähnlich wie Konvektion, mit anschließendem Wärmeübergang auf's andere 
Material).

von Timmo H. (masterfx)


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Kapton (Polyimid) hat einen relativ schlechten Wärmeleitwert, was 
prinzipiell zum Schutz vor Wärme natürlich gut ist, da es die Wärme 
schlecht leitet. Jedoch ist das Kapton Tape recht dünn (meist 0.06mm), 
was natürlich den Effekt reduziert. Luft hat aber noch einen viel 
schlechteren Wärmeleitwert (~10 mal geringer). Wenn du also Bauteile 
durch das Kapton-Tape von dem (heißen) Luftstrom abschirmst, und du 
dadurch ein "Luftpolster" zwischen Tape und Bauteil hast, welches i.d.R. 
erheblich dicker sein dürfte als das Kapton-Tape selbst, hast du damit 
schon eine erheblich höhere Wärmeisolation erreicht als durch das 
Kapton-Tape alleine.

Ich verwende es auch regelmäßig wenn ich QFN/DFN/BGA mit Heißluft löte 
wenn außen rum schon Bauteile bestückt wurden. Durch die hohe 
Hitzebeständigkeit behält es auch seine Form bei (bei Löttemperaturen)

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Timmo H. schrieb:
> Wenn du also Bauteile
> durch das Kaptopn-Tape von dem (heißen) Luftstrom abschirmst, und du
> dadurch ein "Luftpolster" zwischen Tape und Bauteil hast, welches i.d.R.
> erheblich dicker sein dürfte als das Kapton-Tape selbst, hast du damit
> schon eine erheblich höhere Wärmeisolation erreicht als durch das
> Kapton-Tape.

Hmmmm.....
Wenn ich mit heißer Luft an eine Platine gehe, um ein Teil aus- bzw. 
wieder einzulöten, dann erwärme ich zum einen das eigentliche Bauteil 
und zum Anderen die Platine selbst. Damit reflowe ich auch andere 
Bauteile auf der Platine. Der ganze Kleinkrams auf der Platine wird wohl 
an Ort und Stelle bleiben. Aber größere Sachen, wie andere Stecker & co. 
könnten (ist mir auch noch nie passiert) verrutschen oder sich auf einer 
Seite anheben. Deshalb würde es glaub ich mehr Sinn machen, das Band 
eher auf die Bauteile zu kleben.

von Olaf (Gast)


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> Aber größere Sachen, wie andere Stecker & co.
> könnten (ist mir auch noch nie passiert) verrutschen oder sich
> auf einer Seite anheben.

Vor allem werden Stecker schmelzen weil sie meistens keine Zulassung 
fuer Reflow haben.


Hey Leute, habt ihr noch nie bei einer Blinddarm OP zugeschaut? Da legt 
euch der Arzt doch auch ein Tuch mit einem Loch auf dem Bauch damit das 
Blut nicht woanders hinspritzt. :-)

Ich wickle meine Platinen immer in Alufolie ein. Dann schneide ich ueber 
das Bauteil das ich loeten moechte mit einem scharfen Cutter die Folie 
weg. Dann kann man problemlos mit dem Foen loeten ohne das etwas 
zerstoert wird. Ich hab erst letzte Woche wieder ein BGA64 mit 0.5er 
Pitch gewechselt ohne das etwas anderes auf der Platine irgendeinen 
Schaden genommen hat.

Olaf

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Olaf schrieb:
> Vor allem werden Stecker schmelzen weil sie meistens keine Zulassung
> fuer Reflow haben.

Den genauen Stecker habe ich jetzt leider nicht gefunden. Über einen 
Tipp und das Datenblatt würde ich mich freuen. Aber hir mal das 
Datenblatt eines ähnlichen Steckers:

http://docs-europe.electrocomponents.com/webdocs/0d9c/0900766b80d9c0fa.pdf

9.Resistance to soldering heat
No deformation of components affecting performance.
Reflow: At the recommended temperature profile
Manual soldering: 350ç ± 5ç for 5 seconds

Olaf schrieb:
> Ich wickle meine Platinen immer in Alufolie ein. Dann schneide ich ueber
> das Bauteil das ich loeten moechte mit einem scharfen Cutter die Folie
> weg. Dann kann man problemlos mit dem Foen loeten ohne das etwas
> zerstoert wird.

Die Platine ist aber nicht der Körper eines Menschen. In deinem 
Vergleich müsste der Arzt den ganzen Körper mit etwas Blut bedecken, 
damit sonst keine weiteren Schäden entstehen. Aber schluss mit den 
Bildern und Metaphern, bevor es noch ganz blutig wird.

Wenn du das Board einfach nur in Alufolie wickelst und dann anschließend 
auf eine Stelle mit Hitze draufgehst, entstehen zum Teil gefährliche 
Spannungen in der Platine. Deshalb wärme ich die Platinen immer auf ca. 
150°C vor.

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