Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Statistik über Elektronikausfälle


von Michael S. (msb)


Lesenswert?

Hallo!
Kennt jemand eine gute Quelle (egal ob Buch, Internet oder Eure eigenen 
Erfahrungen) für eine Statistik zum Ausfall von elektronischen 
Serienprodukten, wohl u.a. abhängig von Testverfahren (AOI, ICT, FT, 
Burn-In).

Ich muss Fragestellungen beantworten, wie:
- Wieviel muss man für Garantieausfälle kalkulieren
- Was kostet eine Garantieverlängerung auf 3 Jahre.
- Reicht AOI und Funktionstest
- Burn-In wie lange, Statisch/Dynamisch, Aktiv/Passiv

von Dave C. (dave_chappelle)


Lesenswert?

Ich denke da kann man kaum etwas allgemeines dazu schreiben, das sind 
Faktoren die so Produktspezifisch sind, dass sie sich schlecht 
verallgemeinern lassen.

Wenn du möchtest, kannst du das natürlich hier im Forum mal nachfragen?

Gruss

von oszi40 (Gast)


Lesenswert?

> - Burn-In wie lange, Statisch/Dynamisch, Aktiv/Passiv
Ohne die Teile und Verwendung genauer zu kennen, ist Lotto genauer.

Grundsätzlich kann man jedoch Frühausfälle verringern, wenn man Geräte 
24h testet. Dann sollten Fehlbestückungen, Montagefehler, Wärmefehler 
usw, schon aussortiert werden.

> - Wieviel muss man für Garantieausfälle kalkulieren
Ein defekter Dichtungsring kann auch Millionen Verlust bescheren wie man 
bei Apollo erkannt hat.

von Flash Gordon (Gast)


Lesenswert?

Die Dimensionierung der Bauteile ist zentral. Wenn man einen 16V Elko 
mit genau 16Vpeak betreibt ist ein Ausfall programmiert. Aber diese 
Daten sind ja alle im Datenblatt verfuegbar.

von Carsten R. (kaffeetante)


Lesenswert?

Das ist nicht in dieser Art vorhersehbar.

Es hängt davon ab wie gut der Entwickler auf dem aktuellen Gebiet der 
Konstruktionsaufgabe ist, ob es Neuland ist. Aber ebenso spielt die 
gesamte Fertigung mit rein und ob ein Schlipsträger mit dem Rotstift in 
das Design hineinpfuscht (Bauteile wegrationalisieren oder durch 
billigste ungeeignete Komponenten ersetzt) oder ob das Marketing mit der 
Chefetage ein "modernes" extrem kompaktes Design einfordert (siehe 
Hitzeprobleme bei einien Spielekonsolen ) und und und. Wie gut ist die 
Fertigung auf bleifreie Lötprozesse eingechworen? Lötstellen brechen 
aufgrund der mechanischen Spannungen durch die starke 
Temperaturschwankungen. Die erhöhte Leistungsdichte, Minituarisierung 
und Verfahrensänderungen zeitgleich können manchmal einen schlechten 
Cocktail ergeben.  Wie zuverlässig sind die Zulieferer? Gefälschtes / 
schlechtes Elektrolyt führte einstmals zu einem regelrechten 
Massensterben bei Mainboards. Und und und

Beispielsweise ist der Ring of Death bei einer bestimmten Spielekonsole 
kein exotisches Phänomen, wohingegen digitale Armbanduren durchaus eine 
halbe Ewigkeit halten können. Was will man da also für eine 
Produktsparte kalkullieren? Man kann nicht sagen: Elkos fallen mit der 
Wahrscheinlichkeit x in einem Zeitraum von y Jahren aus. Die 
Einsatzbedingungen haben massiven Einfluß darauf.

von Soul E. (Gast)


Lesenswert?

Michael S1. schrieb:

> Ich muss Fragestellungen beantworten, wie:
> - Wieviel muss man für Garantieausfälle kalkulieren

Im Consumerbereich (DVD-Player, Handy, ...) kalkuliert man 10% 
Rücklaufquote während der Garantiezeit ein. Es wäre möglich, diese Quote 
durch Qualitätsverbesserungen zu senken, was jedoch die Herstellkosten 
erhöht. Der genannte Wert stellt das betriebswirtschaftliche Optimum 
dar.

Im Automotive-Bereich liegen die vom OEM geforderten Qualitätsziele bei 
(typischerweise) <100 ppm Ausfallrate innerhalb der ersten drei Jahre. 
Das ist um den Faktor 1000 besser als im Consumerbereich (weswegen man 
auch besonders geprüfte "qualifizierte" Bauteile verwendet), bedeutet 
bei der heutigen Anzahl an Steuergeräten aber troztdem, dass der Fahrer 
in der Garantiezeit statistisch gesehen zweimal in die Werkstatt muss.

> - Was kostet eine Garantieverlängerung auf 3 Jahre.

Consumer: wenn 10% in zwei Jahren ausfallen, wieviel % fallen dann in 3 
Jahren aus?


> - Reicht AOI und Funktionstest

Für Consumer ist das wohl üblich. Im Automotive-Bereich fällt es schwer, 
den ICT wegzudiskutieren.


> - Burn-In wie lange, Statisch/Dynamisch, Aktiv/Passiv

Burn-in kenne ich nur von Militär, Medizin, Luft- und Raumfahrt.

von Michael S. (msb)


Lesenswert?

Danke für Eure Antworten.

Ich gehe mal davon aus, dass alle Baugruppen insgesamt mit etwas 
Sicherheit designed wurden. Es musste bei der Entwicklung nicht auf den 
Cent geachtet werden und Schlipsträger haben wir auch nicht ;)
Es geht um eine Serie mit ca. 6000 Systemen, die aus je 20 Baugruppen (8 
verschiedene) plus  2 Netzteile bestehen.

Eine wirkliche MTBF Analyse ist zu aufwändig. Darum bin ich auf der 
Suche nach Erfahrungswerten, wobei ich davon ausgehe, dass diese 
zumindest grob übertragbar sind.

von Oliver (Gast)


Lesenswert?

Die BSH-GmbH ruft gerade komplette Serien an Geschirrspülern zurück, 
Baujahr 2005-2009. Kolportierte Kosten >700 Mio €.

Jetzt bist du wieder drann. Schätz mal schön...

Oliver

von Michael S. (msb)


Lesenswert?

Hallo SoulEye,
das ist ja ein erstaunlicher Unterschied zwischen Consumer und 
Automotive.
Meine Erwartung für unsere Systeme würde bei <0.5% in 3 Jahren liegen.
Mit einem Burn-In kann man ja Frühausfälle effektiv vermeiden. Am 
einfachsten ist ein passiver burn-in (ohne Spannung) wobei uns jedoch 
dymamik bei den Temperaturen empfohlen wurde.


Hallo Oliver,
das ist doch ein ganz anderes Thema.
Klar besteht ein Risiko eines solchen Design Fehlers, der bei uns z.B. 
durch Versicherungen gedeckt wäre, aber das ist nicht wonnach ich 
gefragt habe.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

Wenn du über Fehlerhäufigkeiten, Ursachen und Statistik bei 
elektronischen Baugruppen mehr wissen willst, ist die Untersuchung mit 
dem Titel
"Failure Trends in a Large Disk Drive Population"
von Eduardo Pinheiro et al. recht interessant. Hier werden Festplatten 
und deren Ausfälle ausführlich untersucht. Google nach diesem Titel - 
Google ist übrigens der Initiator dieser Untersuchung.

von Soul E. (Gast)


Lesenswert?

Und wenn Du selber Ausfallwahrscheinlichkeiten berechnen willst, wirst 
Du an der IEC-TR 62380 nicht vorbeikommen.

von Helge A. (besupreme)


Lesenswert?

Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich auch im Prüffeld für eichfähige 
Geräte gearbeitet. Es stellte sich heraus, daß ein 48h Burn-In bei 
20-70° ca. 5-10% Frühausfälle ergab. Beim Kunden ist danach die ersten 5 
Jahre sehr wenig (<1%) passiert. -- Danach weiß ich nicht, da hab ich 
gewechselt.

Komponenten waren je nach Kunde ca. 8-12 Eurokarten digital und analog, 
2 Netzteile.

Dieser Erfahrungswert ist aber mit Vorsicht zu genießen - jetzt sind 
andere Komponenten aktuell und die Verarbeitung hat sich geändert.

von Stefan (Gast)


Lesenswert?

soul eye schrieb:
> wenn 10% in zwei Jahren ausfallen, wieviel % fallen dann in 3 Jahren aus?

Wenn man das mal so einfach hochrechnen könnte. Im Bereich 
Unterhaltungselektronik würde ich mal grob schätzen, dass die 
Ausfallrate innerhalb 3 Jahren gut doppelt so hoch ist, wie innerhalb 
von 2 Jahren. Die Geräte sind ja teilweise absichtlich so designt, dass 
sie nicht allzu lange halten.

von Soul E. (Gast)


Lesenswert?

Stefan schrieb:

> (...) Die Geräte sind ja teilweise absichtlich so designt, dass
> sie nicht allzu lange halten.

Das ist richtig. Allerdings weniger aus Bosheit ("geplante 
Obsoleszenz"), sondern mehr aus Sparsamkeit. Nicht teurer als unbedingt 
nötig -- "Requirements Engineering" nennt man das heute.

Den (Consumer-)Kunden interessiert nicht was drin ist, sondern was es 
kostet. Erklär dem mal, dass der DVD-Player fünf Euro mehr kostet weil 
da Nichicon-Elkos und OnSemi-MOSFETs verbaut sind...

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

Helge A. schrieb:
> Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich auch im Prüffeld für eichfähige
> Geräte gearbeitet. Es stellte sich heraus, daß ein 48h Burn-In bei
> 20-70° ca. 5-10% Frühausfälle ergab.

Generell ist es natürlich so, das Geräte in kleineren, hochpreisigen 
Segmenten sorgfältiger und haltbarer gebaut werden können, weil der 
Presidruck ja nicht so hoch ist wie bei der Massenware.
Bestes Beispiel sind hochwertige Labor(mess)geräte, die oft über 10-20 
Jahre und länger benutzbar sind, wenn sie nicht von der Technologie 
überholt worden sind - ich habe hier Geräte, die seit über 25 Jahren 
klaglos ihren Dienst versehen.
Auch Satellitentechnik muss übrigens mindestens so lange halten wie der 
Treibstoff - und das können schon mal 12-15 Jahre sein.

von Helge A. (besupreme)


Lesenswert?

Sicher. Es ging ja ursprünglich um Nicht-consumer Geräte. 2 Netzteile 
und 20 Komponenten wären dafür vermutlich nicht ganz passend. Und es 
wurde auch erwähnt, daß eher nach Funktion als nach Controller designt 
wurde ;)

Bei gut aufgebauter Technik ist man fein raus, wenn man den Anfang der 
"Badewannenkurve" nach dem Burn-In durch hat. Danach sollte bei 
ordentlichem Design vergleichsweise wenig passieren, bis Spätausfälle 
einsetzen.

Mein altes Gebrauchs-Scope für unterwegs, das kleine russische damals 
vom Völkner, ist jetzt etwa 30. Einzige 'Reparatur' war, daß ich den 
Y-Verstärker von 7,5 auf 15MHz umgebaut habe.

Haltbarkeit IST machbar.

von H.Joachim S. (crazyhorse)


Lesenswert?

Naja - schlechtes Beispiel.
Wieviele Betriebsstunden hat denn das Oszi? Wieviele Einschaltzyklen? 
Und einen zentralen Schwachpunkt hat es auch - die Röhre.

von Andy P. (Gast)


Lesenswert?

soul eye schrieb:
> Erklär dem mal, dass der DVD-Player fünf Euro mehr kostet weil
> da Nichicon-Elkos und OnSemi-MOSFETs verbaut sind...

Sollte ein Consumer-Produzent mit so etwas Werbung machen (ohne dabei zu 
flunkern) wäre ich ohne zu Zögern bereit, auch 10-15% mehr dafür zu 
zahlen, als ein vergleichbares "BILLIG!"- Produkt.

Das Problem: es gibt solche Anbieter nicht mehr. Die einstigen Anbieter 
haben sich in drei Gruppen aufgeteilt:
1. sie zehren von ihrem vergangenen Ruf und bauen jetzt auch billig mit 
entsprechend niedrigen Preis
2. sie behaupten, qualitativ überdurchschnittliche Produkte zu bauen, 
genau wie einst, jedoch im Inneren ist billig
3. sie gehen in den Qualitäts- und Preisansprüchen in den 
Oberklasse-Bereich

Wobei ich da evtl eine Marktlücke sehe: Ähnlich wie typische fundierte 
Tests könnte man doch KnowHow und Medienredaktion für eine entsprechende 
Langlebigkeit anbieten. Wenn man sich z.b. heutige Testberichte von 
TomsHardware oder der Ct durchschaut, werden solche Betrachtungen - 
obwohl sie manchmal schon von den beitragbegleitenden Produktfotos 
schreien - gar nicht angestellt. Hier fehlt den Autoren eindeutig die 
Kompetenz.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


Lesenswert?

H.Joachim Seifert schrieb:
> Naja - schlechtes Beispiel.
> Wieviele Betriebsstunden hat denn das Oszi? Wieviele Einschaltzyklen?
> Und einen zentralen Schwachpunkt hat es auch - die Röhre.

Ich kann nur von meinem Hameg 203-6 (Baujahr 1986) reden und einem 
historischen Philips Labornetzteil (PE1509) von ca. 1980:
Einschaltzyklen etwa 1/Tag sind ungefähr 10000 beim Hameg und etwa 12000 
beim NT. Die Röhre des Hameg wurd noch nie regeneriert (ja, ich habe 
noch einen Regenerator :-) und ist hell und scharf. Betriebsstunden sind 
schwer abzuschätzen, es werden so ca. 70000-80000 beim Oszi sein und 
etwa 150000 beim NT, dieses ist oft tagelang an.
Beide Geräte sind im Originalzustand - es wurde noch nie auch nur ein 
Bauteil gewechselt. Lediglich ca. alle 5 Jahre werden die Schalter und 
Regler gereinigt.

: Bearbeitet durch User
von Oliver (Gast)


Lesenswert?

Michael S1. schrieb:
> Hallo Oliver,
> das ist doch ein ganz anderes Thema.
> Klar besteht ein Risiko eines solchen Design Fehlers, der bei uns z.B.
> durch Versicherungen gedeckt wäre, aber das ist nicht wonnach ich
> gefragt habe.

Schön, daß die Welt so einfach Schwarz/Weiß ist. Selbstverständlich wird 
eure Versicherung im Falle eines Falles deine Sicht uneingeschränkt 
teilen.

69 Geräte von über 2Mio sind in D in Brand geraten, angeblich wegen 
eines fehlerhaften Bauteils. Ob das jetzt ein Designfehler ist, darüber 
darf und wird hinter den Kulissen sicher heftigst diskutiert.

Oliver

von Michael S. (msb)


Lesenswert?

Hallo Oliver,
mal ganz einfach gefragt: Hast Du einen Vorschlag wie man das "richtig" 
angeht?

von Soul E. (Gast)


Lesenswert?

Michael S1. schrieb:
> Hallo SoulEye,
> das ist ja ein erstaunlicher Unterschied zwischen Consumer und
> Automotive.

In dem Zusammenhang muss man allerdings auch im Hinterkopf behalten, 
dass bei Consumer-Elektronik die Herstellkosten ca 30-60% des 
Ladenpreises ausmachen. D.h. ein bis zwei Drittel von dem was der Kunde 
zahlt decken die Entwicklungskosten oder sind Gewinn. Aktuelles Beispiel 
-- da neue Eifon 
http://www.isuppli.com/Teardowns/News/Pages/Groundbreaking-iPhone5s-Carries-199-BOM-and-Manufacturing-Cost-IHS-Teardown-Reveals.aspx

Da kann man gerne mal 15% der HK für Qualitätskosten vorhalten. Wenn ein 
Kunde meckert, bekommt er halt ein neues Gerät


Im Automotive-Bereich liegt der Gewinn der Zulieferer bei 5..8%. Wenn 
man da ein Teil austauschen muss, gibt das direkt Verluste. Dazu kommen 
Vertragsstrafen ("Werkstattpauschale"), so dass ein defektes Steuergerät 
effektiv den Gewinn von 20-50 guten zunichte macht.

(Zwischen dem Serien-VK an den OEM und dem was der Endkunde beim 
Freundlichen für das Ersatzteil berappt, liegt meist Faktor 10. Ein 
großer Teil davon sind Logistikkosten.)

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.