Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik grundsätzlicher Umgang mit Ferrit-Beads in digitalen Schaltungen


von Martin (Gast)


Lesenswert?

Hallo alle zusammen,

ich habe ein paar Fragen zum grundsätzlichen Einsatz von Ferrit-Beads in 
"modernen" Digitalschaltungen. Also Schaltungen mit Komponenten wie z.b. 
Schaltregler, ARM Controller, SDRAM, TFT, USB, CAN, SD, NAND Flash usw.

Beim Schaltregler wird ja ein Eingangsfilter und ein Ausgangsfilter 
benötigt.

Ich habe mich jetzt schon eine Weile belesen, aber ich habe nie so 
richtig konkrete Fakten gefunden, oder ich habe falsch gesucht.

Der Ausgangsfilter des Schaltreglers wird üblicherweise als LC-Filter 
ausgelegt. Also als Tiefpass 2. Ordnung mit einer Dämpfung von 
40dB/Dekade.  Diesen Filter lege ich auf eine Grenzfrequenz von 1/10 der 
Schaltfrequenz aus. So weit so gut.

Jetzt geht es mir um die restlichen Schaltungskomponenten. Es wird ja 
öfter hier im Forum davon gesprochen, dass generell Ferrit-Beads in die 
Vcc-Leitungen vor den IC's reinkommen. Vom AVR kenne ich bereits die 
Kombination einer Induktivität in der Vcc-Leitung zusammen mit dem 
Abblockkondensator zur "Erzeugung" einer sauberen Spannung für den ADC. 
Ich denke mal, dass das jetzt genauso ist und das durch die höheren 
Frequenzen in der Schaltung generell ein LC-Filter vor den 
IC-Versorgungen eingeplant werden sollte.

Jetzt weiß ich nur nicht, wie ich diesen Filter dimensionieren soll. Ich 
will nicht nur irgendwelche typischen Werte. Ich möchte auch verstehen, 
wie ich auf die typischen Werte komme. Der 100nF Abblockkondensator wird 
ja als C für den Filter genommen oder schalte ich als Filter-C noch 
einen 1uF Kerko parallel zum Abblock-C ? Wie wähle ich jetzt den 
richtigen Ferrit-Bead? Nehme ich als Grenzfrequenz für die LC-Filter der 
ICs auch wieder die 1/10-Schaltfrequenz der Spannungsquelle an? Durch 
die Grenzfrequenz erhalte ich die Induktivität des Beads, aber welchen 
Widerstand wähle ich nun bei 100MHz?

Wie wichtig ist ein weiterer 10nF-Abblock-C parallel zum 100nF Abblock-C 
?


Ich hoffe ihr könnt mir helfen, ich will das wirklich mal verstehen, um 
generell richtig damit umgehen zu können. Vielleicht habt ihr auch gute 
Literaturtips für mich.

Danke! :-)

Viele Grüße

Martin

von Chris (Gast)


Lesenswert?


von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

In hochwertigen gemischt analog-digitalen Schaltungen verwende ich 
grundsätzlich Pi-Filter direkt an jedem Versorgungsspannungsanschluß, 
bestehend aus je einem 2,2µF/16V/X7R-Cap (vor und hinter dem Längsglied) 
und einer 742792040-Ferritbead von Würth als Längsglied. Um Resonanzen 
zu vermeiden, schalte ich dem Ferrit gerne noch einen 1R Widerstand in 
Serie. Alle Bauteile sind 0805.

Parallelschalten von weiteren Caps zu den 2µ2-Caps vermeide ich, weil 
sonst unangenehme Parallelresonanzen entstehen können, die die 
Entkopplung bei den Resonanzfrequenzen aushebeln können. Wenn ich 
parallelschalte, dann nur identische 2µ2-Caps.

So, was ist der Sinn dieser Pi-Filter? Wenn ein Chip einen Stromimpuls 
zieht, holt er sich ihn komplett aus dem unmittelbaren 2µ2-Entkoppelcap. 
Der Ferrit und der zweite 2µ2-Cap bewirken, daß sich der Stromimpuls 
nicht fortpflanzen kann, sondern auf einen sehr kleinen lokalen 
Stromkreis begrenzt bleibt. Dadurch wird der Stromimpuls für den Rest 
der Schaltung unsichtbar, nicht nur auf der Versorgungsspannung sondern 
auch auf der Massefläche, weil kein Masserückstrom mehr über die ganze 
Platine fließen kann. Der letzte Effekt ist die eigentlich Wohltat bei 
gemischt analog-digitalen Schaltungen, weil dadurch die Massefläche frei 
von digitalem Rauschen wird und man mit einer einzigen durchgehenden 
Massefläche (ohne Gaps und Kanäle) oft schon zum Ziel kommt. Wenn man 
jetzt noch digitale und analoge Schaltungsbereich strikt räumlich 
voneinander trennt, bewirkt der zusätzliche Proximityeffekt, daß die 
digitalen Masserückströme beinahe ausschließlich auf der digitalen Seite 
fließen und die analoge Seite beruhigt bleibt. Auf diese Weise lassen 
sich mehrere ADCs, DACs, µC und andere Schaltungsteile auf nur einer 
einzigen Platine mit nur einer einzigen durchgehenden Massefläche 
aufbauen, ohne daß es zu Qualitätseinschränkungen kommt.

Freilich ist das Vorhandensein einer wirklich durchgehenden Massefläche 
absolute Grundvoraussetzung für das Gelingen. Ich verwende deshalb immer 
eine 4-Lagenplatine, bei dir ich oft zwei Lagen als Massseflächen 
verwende. Zusätzlich verwende ich auf den Signallayern intensiv "ground 
fills", die ich mit reichlich Vias an den Masseflächen festmache. Auf 
eigentliche Versorgungslayer verzichte ich bei gemischt analog-digitalen 
Schaltungen, was bei extrem schnellen rein digitalen Schaltungen 
manchmal aber leider nicht geht.

Auch die Signalleitungen, besonders die digitalen, profitieren in der 
Regel von einer Verdrosselung oder zumindest einer näherungsweisen 
Wellenwiderstandsanpassung (Serienwiderstand beim Treiber). Auch 
symmetrische Signalführung, ob analog oder digital kann sehr hilfreich 
sein. Das hängt aber von der jeweiligen Schaltung ab. Entscheidend ist 
aber die Nutzung des Proximityeffekts, der die strikte räumliche 
Trennung von analogen und digitalen Signalen voraussetzt.

von MiWi (Gast)


Lesenswert?

Martin schrieb:
> Hallo alle zusammen,
>
> ich habe ein paar Fragen zum grundsätzlichen Einsatz von Ferrit-Beads in
> "modernen" Digitalschaltungen. Also Schaltungen mit Komponenten wie z.b.
> Schaltregler, ARM Controller, SDRAM, TFT, USB, CAN, SD, NAND Flash usw.
>
>
> Ferrit-Beads in die
> Vcc-Leitungen vor den IC's reinkommen.

Aber nur mit einem 100nC zw. Ferrit und Vcc-Anschluß!

> Vom AVR kenne ich bereits die
> Kombination einer Induktivität in der Vcc-Leitung zusammen mit dem
> Abblockkondensator zur "Erzeugung" einer sauberen Spannung für den ADC.

Ja, weil der ADC am AVR sich leicht stören läßt.

> Ich denke mal, dass das jetzt genauso ist und das durch die höheren
> Frequenzen in der Schaltung generell ein LC-Filter vor den
> IC-Versorgungen eingeplant werden sollte.

ein normaler uC braucht eine stabile Spannung. Dafür ist das C an den 
Versorgungspins da. Damit die Störungen, die der uC auf den 
Versorgungsleitungen verursacht wenn seine Ausgänge in ns von High nach 
Low schalten nicht allzuweit kommen sind die Ferrite da. Also etwas 
umgekehrt als Du das annimmst. Weil - die Versorgung muß(!) schon vor 
den Ferriten sauber sein, der Ferrit hilf da nicht mehr.

>
> Jetzt weiß ich nur nicht, wie ich diesen Filter dimensionieren soll. Ich
> will nicht nur irgendwelche typischen Werte. Ich möchte auch verstehen,
> wie ich auf die typischen Werte komme. Der 100nF Abblockkondensator wird
> ja als C für den Filter genommen oder schalte ich als Filter-C noch
> einen 1uF Kerko parallel zum Abblock-C ? Wie wähle ich jetzt den
> richtigen Ferrit-Bead? Nehme ich als Grenzfrequenz für die LC-Filter der
> ICs auch wieder die 1/10-Schaltfrequenz der Spannungsquelle an? Durch
> die Grenzfrequenz erhalte ich die Induktivität des Beads, aber welchen
> Widerstand wähle ich nun bei 100MHz?

Das, was Du als Ferrit bezeichnest sind keine Spulen im Sinn von 
Induktivität sondern extrem frequenzabhängige Widerstände. Die wandeln 
quasi Frequenz nach Wärme um (ja... bildlich gesprochen...). Ferrite 
werden daher nicht mit einem L angegeben sondern mit ihrer Impedanz bei 
einer bestimmten Frequenz 1000 Ohm@100MHz (und Du findest keine 
Güteangaben im Datenblatt). Bei denen steigt quasi der Widerstand mit 
der Frequenz (ja, ich weiß, eine ziemliche Vereinfachung aber für Deinen 
Fragezweck passend). IaW: der Ferrit läßt den DC-Anteil fast ungefiltert 
durch, für die Störungen im 100MHz-Bereich sieht er aber für die Störung 
wie ein zB 1k-Widerstand aus und dementsprechend reicht ein 10n (mit 
geringer Eigen_induktivität_, daher Bauform 0805 oder 0603) aus um da 
schon ausreichend Dämpfung zu erreichen. Schau Dir einmal die Kurven zu 
742792042 von Würth an, da ist das mit dem Z und der Frequenz sehr schön 
zu sehen.


> Wie wichtig ist ein weiterer 10nF-Abblock-C parallel zum 100nF Abblock-C

Naja... das ist eine schwierige Frage denn das hängt sehr vom Layout und 
den Cs ab.

Aber im allgemeinen nicht sehr wenn der 100n eine kleine Bauform hat 
(0805, 0603). Denn: Die Serieninduktivität der Cs macht Dir beim 
Parallelschalten der Cs schnell einen unschönen Strich durch die ach so 
schöne Rechnung. Und die Serieninduktivität bekommst Du nur durch eine 
kleine Bauform in den Griff.


Grüße

MiWi

von Flash Gordon (Gast)


Lesenswert?

Wenn man filtern will, sollte man sich ueber den Frequenzbereich 
Gedanken machen. Wenn also der Switcher bei 100kHz arbeitet sollte man 
sich mit den Oberwellen auseinandersetzen. Und zwar dort, wo der LC 
nicht mehr wirkt, zB ab 1..10MHz.

von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

>Das, was Du als Ferrit bezeichnest sind keine Spulen im Sinn von
>Induktivität...

Doch, eigentlich schon. Wenn man sich den Impedanzschrieb der 
"742792040" genau anschaut, erkennt man eine Gerade bis 10MHz, wie man 
sie von einer richtigen Induktivität erwartet:

http://katalog.we-online.de/pbs/datasheet/742792040.pdf

Man liest eine Niederfrequenz-Induktivität von rund 1,5µH ab. Genau 
diese Induktivität kann mit dem 2µ2-Cap eine Resonanz bei rund 90kHz 
nach der Thomsonformel bilden, wenn der Serienwiderstand kleiner als 
SQRT(2L/C), also rund 1R ist.

Aber du hast natürlich Recht: Oberhalb von rund 10MHz zeigt das 
Kernmaterial erhebliche ohmsche Verluste und der Ferrit bringt kaum noch 
eine Induktivität zustande: Der Ferrit verwandelt sich in einen mehr 
oder weniger großen Widerstand. Bei noch größeren Frequenzen kommt die 
Streukapazität zwischen den Anschlüssen ins Spiel und der Ferrit 
verliert wieder seine dämpfende Wirkung.

von Martin (Gast)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

Hey vielen Dank euch allen :-)

Ich habe gerade in der "Trilogie der Induktivitäten" (Würth Elektronik) 
geschaut und dort wird im Kapitel: Kleinrechnerboard auch der Pi-Filter 
für die Versorgungsleitungen eingesetzt wird.

Das war mir bis heute neu, danke Kai für diesen Tip. Woher sehe ich ob 
die 90 kHz Grenzfrequenz ausreichend ist? Ist das so eine Faustformel, 
dass man eine Grenzfrequenz kleiner 100kHz annimmt, oder hängt das mit 
der Taktfrequenz des zu versorgenden IC's zusammen? Wie wähle ich den 
richtigen Ferrit? Wähle ich den Ferrit nach Herstellerempfehlungen, z.b. 
steht beim WE 742792040: "Ideal für Datenleitungs- und 
Versorgungsleitungsentkopplung" und dem Induktivitätswert oder wähle ich 
ihn nach dem Impedanzwert@100MHz aus?

@Flash Gordon: Danke. jetzt habe ich den Grund für den Ferrit auch 
verstanden - das das reine LC-Filter eben irgendwann nicht mehr wirkt.



Vielen Dank euch allen :-)

von kingcopper (Gast)


Lesenswert?

wichtig ist, dass das Ferrit nicht durch die Gleichstrom 
Vormagnetisierung in die Sättigung getrieben wird. Immerhin handelt es 
sich ja um einen Kern ohne Luftspalt! Der im Datenblatt angegebene 
Maximalstrom muss sich nicht unbedingt auf die Sättigung beziehen, 
jedenfalls wird das nie erwähnt.
Die Firma FAIR_RITE macht in ihren Datenblättern auch Angaben über die 
Impedanz Verläufe mit Vormagnetisierung. Das kann man sich mal ansehen 
um ein Gefühl dafür zu bekommen.

von Kai K. (klaas)


Lesenswert?

>Das war mir bis heute neu, danke Kai für diesen Tip. Woher sehe ich ob
>die 90 kHz Grenzfrequenz ausreichend ist?

Die 90kHz sind reiner Zufall. Entscheidend für die Wahl des Ferrits war, 
daß die ohmschen Verluste möglichst früh einsetzen und im 100MHz-Bereich 
möglichst groß sind, die 0805-Bauform, damit ich sie noch handhaben 
kann, und daß bei 1GHz noch möglichst viel Impedanz vorhanden ist. Dann 
noch die Hochstromfähigkeit, damit ich sie universell einsetzen kann. 
Bei den Caps wollte ich auf jeden Fall 0805-Bauform und möglichst viel 
"unverfälschte" Kapazität, also ein X7R bei 16V Nennspannung. Das läuft 
dann ungefähr auf einen 2µ2-Cap heraus. Der zusätzliche 1R 
Serienwiderstand ergibt sich dann aus der Theorie, um die Resonanz zu 
vertreiben. Man kann oft aber auch mit einer gewissen Resonanz noch gut 
leben und den zusätzlichen Serienwiderstand einfach weglassen, vor 
allem, wenn der Ferrit selbst noch etwas Serienwiderstand mitbringt.

Die genauen Werte sind also recht unkritisch. Man will eben im Bereich 
zwischen 10MHz und 1GHz möglichst viel Dämpfung zustande bringen, ohne 
allzu große Spannungsabfälle über den Längsgliedern in Kauf nehmen zu 
müssen. Dabei ist die Topologie des Pi-Filters von besonderem Vorteil.

von Flash Gordon (Gast)


Lesenswert?

Man sollte sich mal den Frequenzgang eines X7R anschauen. Ein 100nF 1206 
geht vielleicht bis 10MHz, oben dran wird er induktiv. Ein 10nF geht 
vielleicht bis 100MHz. Und ein 1uF ist bei 1MHz schon am Ende.

von Falk B. (falk)


Lesenswert?

@ Flash Gordon (Gast)

>Man sollte sich mal den Frequenzgang eines X7R anschauen.

na dann schau mal RICHTG hin.

>Ein 100nF 1206
>geht vielleicht bis 10MHz, oben dran wird er induktiv. Ein 10nF geht
>vielleicht bis 100MHz. Und ein 1uF ist bei 1MHz schon am Ende.

jaja, das übliche Halbwissen. Dann schau mal nicht nur auf die 
Resonanzfrequnz mit minimalem Blindwiderstand, sondern schau dir auch 
mal den ABSOLUTWERT an. Und da ist ein  100nF bei 10 MHz immer noch 
kleiner als ein 10nF im gleichen Gehäuse, auch wenn er "offiziell" schon 
induktiv aussieht.

von Kai K. (klaas)


Angehängte Dateien:

Lesenswert?

>Man sollte sich mal den Frequenzgang eines X7R anschauen. Ein 100nF 1206
>geht vielleicht bis 10MHz, oben dran wird er induktiv. Ein 10nF geht
>vielleicht bis 100MHz. Und ein 1uF ist bei 1MHz schon am Ende.

Ein Entkoppelcap darf induktiv werden und wirkt dann immer noch, weil er 
dann trotzdem eine weitaus größere Induktivität, nämlich die der 
Zuleitung bis zum Netzteil kurzschließt.

Die Induktivität eines Caps wird von der Bauform bestimmt und nicht von 
der Nennkapazität. Deswegen haben ein 2µ2-Cap und ein 10n-Cap im 
0805-Gehäuse die gleiche Induktivität. Will man unbedingt noch 
niedrigere Induktivitäten erreichen, dann nimmt man entweder eine 
kleinere Bauform, also beispielsweise 0603, oder schaltet zwei 
identische 0805-Caps parallel. Wenn man unterschiedliche Caps parallel 
schaltet, kann das im Anhang gezeigte passieren: Die beiden Caps 
resonieren und erzeugen ein Impedanzmaximum, bei der die 
Entkoppelwirkung gleich Null ist. HF-Schaltungen schwingen dann 
gewöhnlich genau auf dieser Frequenz...

Noch niedrigere Induktivitäten bei Entkoppelcaps können sich aber oft 
nicht segenreich auswirken, weil irgendwann die endliche Induktivität 
der Massefläche dominiert.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.