Hallo alle zusammen, ich habe ein paar Fragen zum grundsätzlichen Einsatz von Ferrit-Beads in "modernen" Digitalschaltungen. Also Schaltungen mit Komponenten wie z.b. Schaltregler, ARM Controller, SDRAM, TFT, USB, CAN, SD, NAND Flash usw. Beim Schaltregler wird ja ein Eingangsfilter und ein Ausgangsfilter benötigt. Ich habe mich jetzt schon eine Weile belesen, aber ich habe nie so richtig konkrete Fakten gefunden, oder ich habe falsch gesucht. Der Ausgangsfilter des Schaltreglers wird üblicherweise als LC-Filter ausgelegt. Also als Tiefpass 2. Ordnung mit einer Dämpfung von 40dB/Dekade. Diesen Filter lege ich auf eine Grenzfrequenz von 1/10 der Schaltfrequenz aus. So weit so gut. Jetzt geht es mir um die restlichen Schaltungskomponenten. Es wird ja öfter hier im Forum davon gesprochen, dass generell Ferrit-Beads in die Vcc-Leitungen vor den IC's reinkommen. Vom AVR kenne ich bereits die Kombination einer Induktivität in der Vcc-Leitung zusammen mit dem Abblockkondensator zur "Erzeugung" einer sauberen Spannung für den ADC. Ich denke mal, dass das jetzt genauso ist und das durch die höheren Frequenzen in der Schaltung generell ein LC-Filter vor den IC-Versorgungen eingeplant werden sollte. Jetzt weiß ich nur nicht, wie ich diesen Filter dimensionieren soll. Ich will nicht nur irgendwelche typischen Werte. Ich möchte auch verstehen, wie ich auf die typischen Werte komme. Der 100nF Abblockkondensator wird ja als C für den Filter genommen oder schalte ich als Filter-C noch einen 1uF Kerko parallel zum Abblock-C ? Wie wähle ich jetzt den richtigen Ferrit-Bead? Nehme ich als Grenzfrequenz für die LC-Filter der ICs auch wieder die 1/10-Schaltfrequenz der Spannungsquelle an? Durch die Grenzfrequenz erhalte ich die Induktivität des Beads, aber welchen Widerstand wähle ich nun bei 100MHz? Wie wichtig ist ein weiterer 10nF-Abblock-C parallel zum 100nF Abblock-C ? Ich hoffe ihr könnt mir helfen, ich will das wirklich mal verstehen, um generell richtig damit umgehen zu können. Vielleicht habt ihr auch gute Literaturtips für mich. Danke! :-) Viele Grüße Martin
Lies dir das mal durch http://www.atmel.com/images/atmel-2521-avr-hardware-design-considerations_application-note_avr042.pdf
In hochwertigen gemischt analog-digitalen Schaltungen verwende ich grundsätzlich Pi-Filter direkt an jedem Versorgungsspannungsanschluß, bestehend aus je einem 2,2µF/16V/X7R-Cap (vor und hinter dem Längsglied) und einer 742792040-Ferritbead von Würth als Längsglied. Um Resonanzen zu vermeiden, schalte ich dem Ferrit gerne noch einen 1R Widerstand in Serie. Alle Bauteile sind 0805. Parallelschalten von weiteren Caps zu den 2µ2-Caps vermeide ich, weil sonst unangenehme Parallelresonanzen entstehen können, die die Entkopplung bei den Resonanzfrequenzen aushebeln können. Wenn ich parallelschalte, dann nur identische 2µ2-Caps. So, was ist der Sinn dieser Pi-Filter? Wenn ein Chip einen Stromimpuls zieht, holt er sich ihn komplett aus dem unmittelbaren 2µ2-Entkoppelcap. Der Ferrit und der zweite 2µ2-Cap bewirken, daß sich der Stromimpuls nicht fortpflanzen kann, sondern auf einen sehr kleinen lokalen Stromkreis begrenzt bleibt. Dadurch wird der Stromimpuls für den Rest der Schaltung unsichtbar, nicht nur auf der Versorgungsspannung sondern auch auf der Massefläche, weil kein Masserückstrom mehr über die ganze Platine fließen kann. Der letzte Effekt ist die eigentlich Wohltat bei gemischt analog-digitalen Schaltungen, weil dadurch die Massefläche frei von digitalem Rauschen wird und man mit einer einzigen durchgehenden Massefläche (ohne Gaps und Kanäle) oft schon zum Ziel kommt. Wenn man jetzt noch digitale und analoge Schaltungsbereich strikt räumlich voneinander trennt, bewirkt der zusätzliche Proximityeffekt, daß die digitalen Masserückströme beinahe ausschließlich auf der digitalen Seite fließen und die analoge Seite beruhigt bleibt. Auf diese Weise lassen sich mehrere ADCs, DACs, µC und andere Schaltungsteile auf nur einer einzigen Platine mit nur einer einzigen durchgehenden Massefläche aufbauen, ohne daß es zu Qualitätseinschränkungen kommt. Freilich ist das Vorhandensein einer wirklich durchgehenden Massefläche absolute Grundvoraussetzung für das Gelingen. Ich verwende deshalb immer eine 4-Lagenplatine, bei dir ich oft zwei Lagen als Massseflächen verwende. Zusätzlich verwende ich auf den Signallayern intensiv "ground fills", die ich mit reichlich Vias an den Masseflächen festmache. Auf eigentliche Versorgungslayer verzichte ich bei gemischt analog-digitalen Schaltungen, was bei extrem schnellen rein digitalen Schaltungen manchmal aber leider nicht geht. Auch die Signalleitungen, besonders die digitalen, profitieren in der Regel von einer Verdrosselung oder zumindest einer näherungsweisen Wellenwiderstandsanpassung (Serienwiderstand beim Treiber). Auch symmetrische Signalführung, ob analog oder digital kann sehr hilfreich sein. Das hängt aber von der jeweiligen Schaltung ab. Entscheidend ist aber die Nutzung des Proximityeffekts, der die strikte räumliche Trennung von analogen und digitalen Signalen voraussetzt.
Martin schrieb: > Hallo alle zusammen, > > ich habe ein paar Fragen zum grundsätzlichen Einsatz von Ferrit-Beads in > "modernen" Digitalschaltungen. Also Schaltungen mit Komponenten wie z.b. > Schaltregler, ARM Controller, SDRAM, TFT, USB, CAN, SD, NAND Flash usw. > > > Ferrit-Beads in die > Vcc-Leitungen vor den IC's reinkommen. Aber nur mit einem 100nC zw. Ferrit und Vcc-Anschluß! > Vom AVR kenne ich bereits die > Kombination einer Induktivität in der Vcc-Leitung zusammen mit dem > Abblockkondensator zur "Erzeugung" einer sauberen Spannung für den ADC. Ja, weil der ADC am AVR sich leicht stören läßt. > Ich denke mal, dass das jetzt genauso ist und das durch die höheren > Frequenzen in der Schaltung generell ein LC-Filter vor den > IC-Versorgungen eingeplant werden sollte. ein normaler uC braucht eine stabile Spannung. Dafür ist das C an den Versorgungspins da. Damit die Störungen, die der uC auf den Versorgungsleitungen verursacht wenn seine Ausgänge in ns von High nach Low schalten nicht allzuweit kommen sind die Ferrite da. Also etwas umgekehrt als Du das annimmst. Weil - die Versorgung muß(!) schon vor den Ferriten sauber sein, der Ferrit hilf da nicht mehr. > > Jetzt weiß ich nur nicht, wie ich diesen Filter dimensionieren soll. Ich > will nicht nur irgendwelche typischen Werte. Ich möchte auch verstehen, > wie ich auf die typischen Werte komme. Der 100nF Abblockkondensator wird > ja als C für den Filter genommen oder schalte ich als Filter-C noch > einen 1uF Kerko parallel zum Abblock-C ? Wie wähle ich jetzt den > richtigen Ferrit-Bead? Nehme ich als Grenzfrequenz für die LC-Filter der > ICs auch wieder die 1/10-Schaltfrequenz der Spannungsquelle an? Durch > die Grenzfrequenz erhalte ich die Induktivität des Beads, aber welchen > Widerstand wähle ich nun bei 100MHz? Das, was Du als Ferrit bezeichnest sind keine Spulen im Sinn von Induktivität sondern extrem frequenzabhängige Widerstände. Die wandeln quasi Frequenz nach Wärme um (ja... bildlich gesprochen...). Ferrite werden daher nicht mit einem L angegeben sondern mit ihrer Impedanz bei einer bestimmten Frequenz 1000 Ohm@100MHz (und Du findest keine Güteangaben im Datenblatt). Bei denen steigt quasi der Widerstand mit der Frequenz (ja, ich weiß, eine ziemliche Vereinfachung aber für Deinen Fragezweck passend). IaW: der Ferrit läßt den DC-Anteil fast ungefiltert durch, für die Störungen im 100MHz-Bereich sieht er aber für die Störung wie ein zB 1k-Widerstand aus und dementsprechend reicht ein 10n (mit geringer Eigen_induktivität_, daher Bauform 0805 oder 0603) aus um da schon ausreichend Dämpfung zu erreichen. Schau Dir einmal die Kurven zu 742792042 von Würth an, da ist das mit dem Z und der Frequenz sehr schön zu sehen. > Wie wichtig ist ein weiterer 10nF-Abblock-C parallel zum 100nF Abblock-C Naja... das ist eine schwierige Frage denn das hängt sehr vom Layout und den Cs ab. Aber im allgemeinen nicht sehr wenn der 100n eine kleine Bauform hat (0805, 0603). Denn: Die Serieninduktivität der Cs macht Dir beim Parallelschalten der Cs schnell einen unschönen Strich durch die ach so schöne Rechnung. Und die Serieninduktivität bekommst Du nur durch eine kleine Bauform in den Griff. Grüße MiWi
Wenn man filtern will, sollte man sich ueber den Frequenzbereich Gedanken machen. Wenn also der Switcher bei 100kHz arbeitet sollte man sich mit den Oberwellen auseinandersetzen. Und zwar dort, wo der LC nicht mehr wirkt, zB ab 1..10MHz.
>Das, was Du als Ferrit bezeichnest sind keine Spulen im Sinn von >Induktivität... Doch, eigentlich schon. Wenn man sich den Impedanzschrieb der "742792040" genau anschaut, erkennt man eine Gerade bis 10MHz, wie man sie von einer richtigen Induktivität erwartet: http://katalog.we-online.de/pbs/datasheet/742792040.pdf Man liest eine Niederfrequenz-Induktivität von rund 1,5µH ab. Genau diese Induktivität kann mit dem 2µ2-Cap eine Resonanz bei rund 90kHz nach der Thomsonformel bilden, wenn der Serienwiderstand kleiner als SQRT(2L/C), also rund 1R ist. Aber du hast natürlich Recht: Oberhalb von rund 10MHz zeigt das Kernmaterial erhebliche ohmsche Verluste und der Ferrit bringt kaum noch eine Induktivität zustande: Der Ferrit verwandelt sich in einen mehr oder weniger großen Widerstand. Bei noch größeren Frequenzen kommt die Streukapazität zwischen den Anschlüssen ins Spiel und der Ferrit verliert wieder seine dämpfende Wirkung.
Hey vielen Dank euch allen :-) Ich habe gerade in der "Trilogie der Induktivitäten" (Würth Elektronik) geschaut und dort wird im Kapitel: Kleinrechnerboard auch der Pi-Filter für die Versorgungsleitungen eingesetzt wird. Das war mir bis heute neu, danke Kai für diesen Tip. Woher sehe ich ob die 90 kHz Grenzfrequenz ausreichend ist? Ist das so eine Faustformel, dass man eine Grenzfrequenz kleiner 100kHz annimmt, oder hängt das mit der Taktfrequenz des zu versorgenden IC's zusammen? Wie wähle ich den richtigen Ferrit? Wähle ich den Ferrit nach Herstellerempfehlungen, z.b. steht beim WE 742792040: "Ideal für Datenleitungs- und Versorgungsleitungsentkopplung" und dem Induktivitätswert oder wähle ich ihn nach dem Impedanzwert@100MHz aus? @Flash Gordon: Danke. jetzt habe ich den Grund für den Ferrit auch verstanden - das das reine LC-Filter eben irgendwann nicht mehr wirkt. Vielen Dank euch allen :-)
wichtig ist, dass das Ferrit nicht durch die Gleichstrom Vormagnetisierung in die Sättigung getrieben wird. Immerhin handelt es sich ja um einen Kern ohne Luftspalt! Der im Datenblatt angegebene Maximalstrom muss sich nicht unbedingt auf die Sättigung beziehen, jedenfalls wird das nie erwähnt. Die Firma FAIR_RITE macht in ihren Datenblättern auch Angaben über die Impedanz Verläufe mit Vormagnetisierung. Das kann man sich mal ansehen um ein Gefühl dafür zu bekommen.
>Das war mir bis heute neu, danke Kai für diesen Tip. Woher sehe ich ob >die 90 kHz Grenzfrequenz ausreichend ist? Die 90kHz sind reiner Zufall. Entscheidend für die Wahl des Ferrits war, daß die ohmschen Verluste möglichst früh einsetzen und im 100MHz-Bereich möglichst groß sind, die 0805-Bauform, damit ich sie noch handhaben kann, und daß bei 1GHz noch möglichst viel Impedanz vorhanden ist. Dann noch die Hochstromfähigkeit, damit ich sie universell einsetzen kann. Bei den Caps wollte ich auf jeden Fall 0805-Bauform und möglichst viel "unverfälschte" Kapazität, also ein X7R bei 16V Nennspannung. Das läuft dann ungefähr auf einen 2µ2-Cap heraus. Der zusätzliche 1R Serienwiderstand ergibt sich dann aus der Theorie, um die Resonanz zu vertreiben. Man kann oft aber auch mit einer gewissen Resonanz noch gut leben und den zusätzlichen Serienwiderstand einfach weglassen, vor allem, wenn der Ferrit selbst noch etwas Serienwiderstand mitbringt. Die genauen Werte sind also recht unkritisch. Man will eben im Bereich zwischen 10MHz und 1GHz möglichst viel Dämpfung zustande bringen, ohne allzu große Spannungsabfälle über den Längsgliedern in Kauf nehmen zu müssen. Dabei ist die Topologie des Pi-Filters von besonderem Vorteil.
Man sollte sich mal den Frequenzgang eines X7R anschauen. Ein 100nF 1206 geht vielleicht bis 10MHz, oben dran wird er induktiv. Ein 10nF geht vielleicht bis 100MHz. Und ein 1uF ist bei 1MHz schon am Ende.
@ Flash Gordon (Gast) >Man sollte sich mal den Frequenzgang eines X7R anschauen. na dann schau mal RICHTG hin. >Ein 100nF 1206 >geht vielleicht bis 10MHz, oben dran wird er induktiv. Ein 10nF geht >vielleicht bis 100MHz. Und ein 1uF ist bei 1MHz schon am Ende. jaja, das übliche Halbwissen. Dann schau mal nicht nur auf die Resonanzfrequnz mit minimalem Blindwiderstand, sondern schau dir auch mal den ABSOLUTWERT an. Und da ist ein 100nF bei 10 MHz immer noch kleiner als ein 10nF im gleichen Gehäuse, auch wenn er "offiziell" schon induktiv aussieht.
>Man sollte sich mal den Frequenzgang eines X7R anschauen. Ein 100nF 1206 >geht vielleicht bis 10MHz, oben dran wird er induktiv. Ein 10nF geht >vielleicht bis 100MHz. Und ein 1uF ist bei 1MHz schon am Ende. Ein Entkoppelcap darf induktiv werden und wirkt dann immer noch, weil er dann trotzdem eine weitaus größere Induktivität, nämlich die der Zuleitung bis zum Netzteil kurzschließt. Die Induktivität eines Caps wird von der Bauform bestimmt und nicht von der Nennkapazität. Deswegen haben ein 2µ2-Cap und ein 10n-Cap im 0805-Gehäuse die gleiche Induktivität. Will man unbedingt noch niedrigere Induktivitäten erreichen, dann nimmt man entweder eine kleinere Bauform, also beispielsweise 0603, oder schaltet zwei identische 0805-Caps parallel. Wenn man unterschiedliche Caps parallel schaltet, kann das im Anhang gezeigte passieren: Die beiden Caps resonieren und erzeugen ein Impedanzmaximum, bei der die Entkoppelwirkung gleich Null ist. HF-Schaltungen schwingen dann gewöhnlich genau auf dieser Frequenz... Noch niedrigere Induktivitäten bei Entkoppelcaps können sich aber oft nicht segenreich auswirken, weil irgendwann die endliche Induktivität der Massefläche dominiert.
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