Ich wundere mich gelegentlich bei den vielen Fragen, Antworten, Schaltplänen, Simulationen usw. zu Audioverstärkern. Dafür gibt es mehrere Gründe: Ich seh da die tollsten Schaltungen, aber die sind doch irgendwie alle auf dem klassischen Differenzverstärker am Eingang aufgebaut und ähneln fast immer einem Leistungs-Operationsverstärker, der wie aus einem 741 Datenblatt übernomen scheint und dann mit ein paar dicken Brummern aufgepeppt wird. Ist das so weit verbreitet, daß niemand über ein anderes Konzept auch nur nachdenkt? Oder wo sonst kommt das her? Diese Verstärker werden dann mittels unserer Simulations - Helferlein auf dem Rechner auf ein paar ppm Klangtreue gezüchtet. Nur fast alle diese Simulationen bauen ja auf unrealistischen Vorgaben auf: Fast immer hat der in der Simulation angenommene Lautsprecher einen ausschließlich reellen Anteil mit genau 4 oder 8 Ohm und braucht auch kein Lautsprecherkabel. Zum anderen erfreuen wir uns exakt symmetrischer Betriebsspannungen mit einem Innenwiderstand von 0,0 Ohm und ohne jeglichen Brumm. Ist es ein Erfahrungswert, daß diese Faktoren wirklich nicht mehr merklich sind? Oder ist es nur modern, diese Dinge unter den Tisch fallen zu lassen? Ich hänge listigerweise mal ein Konzept eines symmetrischen Kopfhörerverstärkers an. Nicht, daß ich grad Lust hätte, das Ding zu bauen - ich möchte damit nur zeigen, daß man einen Lautsprecher nicht ausschließlich mit einem Operationsversärker betreiben kann. Vielleicht findet sich ja ein Audiophiler, der das Konzept mit Leben erfüllt ;)
Helge A. schrieb: > Ich hänge listigerweise mal ein Konzept eines symmetrischen > Kopfhörerverstärkers an. Nicht, daß ich grad Lust hätte, das Ding zu > bauen - ich möchte damit nur zeigen, daß man einen Lautsprecher nicht > ausschließlich mit einem Operationsversärker betreiben kann. Vielleicht > findet sich ja ein Audiophiler, der das Konzept mit Leben erfüllt ;) Ja, diese Art Schaltungen ist altbekannt und war vor etwa 30 Jahren "in". Ich würde auch nochmal die Dimensionierung prüfen, durch R12/13 fließen etwa 100mA, bisschen viel für Q5/6 und wozu dann noch eine Endstufe? Helge A. schrieb: > Ich seh da die tollsten Schaltungen, aber die sind doch irgendwie alle > auf dem klassischen Differenzverstärker am Eingang aufgebaut und ähneln > fast immer einem Leistungs-Operationsverstärker Du solltest mal begründen weshalb das falsch sein soll.
Ich wage nicht zu behaupten, das Konzept sei falsch. Ich möchte nur gern herausfinden, ob das Operationsverstärkerkonzept wiklich das aktuelle und überhaupt Non-Plus-Ultra ist oder ob wir uns vielleicht in dieser Hinsicht genauso auf eingefahrenen Bahnen bewegen, wie es auch kürzlich die Diskussion um die "1000uF Faustregel" gezeigt hat. Übrigens fließen durch R12-R13 "nur" ca. 30-40mA, was freilich für den gewählten Transistor zuviel Wärme bedeuten dürfte. Drei Stufen in dieser Anordnung sorgen für ausreichende Schleifenverstärkung, dachte ich..??
Dann mach mal was Besseres. Wir schauen's uns dann an.
> Ich hänge listigerweise mal ein Konzept eines symmetrischen > Kopfhörerverstärkers an. Hmm, ich sehe im Spice Error Log eine THD von 179 Prozent, wie du sie mit deinen Direktiven berechnet hast, das kann nicht wahr sein, so schlimm sieht das Signal nicht aus. Aber ganz allgemein gilt, daß ein Verstärker schon ohne Gegenkopplung möglichst linear sein sollte, damit mit Gegenkopplung die Linearität wirklich gut werden kann.
@Hoppla du wolltest was hübsches. Bild anbei. Hab noch zwei, drei Werte verändert. @ MaWin Fourier ist nit optimiert, mit ...-V(OUT) ist der Fehler im log weg. Offene Verstärkung sagt mir das Simulationsprogramm ca. 900-1000, das ist gut genug. Offen läßt sich in der Simulation 2f mit wenigen mV und 3f mit noch weniger mV an OUT sehen. Da sich derartige Verzerrungen (10-fach stärker) gut als "Röhrensound" oder "warmer Klang" verkaufen lassen, stört mich das nit ;) Zumal die geschlossene Schleife in der Simulation diese Verzerrungen noch soweit reduziert, daß Nichtlinearitäten in der fft Berechnung im großen und ganzen untergehen. V1 aus der Software generiert (oben links) kommt bei fft fast genau so schlecht weg wie OUT (oben rechts). - Das läßt sich beseitigen, aber dann rechnet meine Daddelkiste länger als ich brauche, diesen Text hier zu schreiben. Überraschend schön übrigens der Frequenzgang, den die Simulation aus dem bißchen Vogelfutter rausrechnet. Hab's mal angehängt. Wie ich bereits am Anfang schrieb, dies ist eine Beispielsimulation. Für einen realen Aufbau muß die Verlustleistung der Transistoren berücksichtigt werden, und ich werd's nit aufbauen. Ich brauche keinen Kopfhörerverstärker.. ;) Allerdings, womit wir wieder beim Thema ankommen, trau ich "Schöne Welt" Simulationen ohne Netztrafo in der Nähe, mit reellen Widerständen als Lautsprecher usw. keine ernsthafte Aussage über eine reale Schaltung zu. Damit schließt sich der Kreis, und meine eingangs gestellte Frage ist immer noch offen: Wie "egal" sind die realen Umgebungsbedingungen für unsere hübschen Simulationen? Und auf welchen anderen ausgetretenen Pfaden wandeln wir noch, ohne uns dessen bewußt zu sein?
Ich sehe in deiner Schaltung zumindest keinerlei Vorkehrungen gegen DC-Drift am Ausgang oder gar Temperaturkompensation - du verlässt dich mehr oder weniger darauf, das sich das schon irgendwie zwischen den Dioden und den Transistoren ausgleicht. Das ist ja gerade der Grund für die klassische Operationsverstärker Schaltung. Bei der hast du Drift und Verstärkung einfach besser im Griff und kannst diese Parameter frei festlegen. Helge A. schrieb: > Da sich derartige Verzerrungen > (10-fach stärker) gut als "Röhrensound" oder "warmer Klang" verkaufen > lassen, stört mich das nit ;) Naja, diese Zeiten sind ja eigentlich vorbei. Wenn du Röhrensound haben willst, ist eine dedizierte DSP Vorrichtung dafür vermutlich besser als der 'eingebaute' Effekt, den du nicht loswirst. Das da auch keinerlei Schutzschaltungen gegen Überstrom drin sind, ist bei einem KH-Amp ja nicht so tragisch - höchstens für die Endstufe.
Helge A. schrieb: > Allerdings, womit wir wieder beim Thema ankommen, trau ich "Schöne Welt" > Simulationen ohne Netztrafo in der Nähe, mit reellen Widerständen als > Lautsprecher usw. keine ernsthafte Aussage über eine reale Schaltung zu. Und was hindert dich daran, für den Lautsprecher einen komplexen Widerstand zu verwenden. Genau dafür ist eine Simulation sehr gut geeignet, da man hier sehr einfach unterschiedliche Lasten ausprobieren kann. Man kann, wenn man möchte, in der Simulation so ziemlich alle Effekte testen, die in der Realität auftreten können (z.B. Bauteiltoleranzen, Temperaturdrift, Brumm auf der Spannungsversorgung, ...).
Helge A. schrieb: > Ich möchte nur gern herausfinden, ob das Operationsverstärkerkonzept > wiklich das aktuelle und überhaupt Non-Plus-Ultra ist... Gegenüber deiner Schaltung hat es schon mal den Vorteil, dass man sehr kleine und stabile Offsetwerte erreichen kann. Die komplementären Transistoren sind eben nicht genau gleich und die Vorspannungseinstellung mit den 4 Dioden ergibt auch eine resulierende Drift von ~2mV/K. Helge A. schrieb: > Ich hänge listigerweise mal ein Konzept eines symmetrischen > Kopfhörerverstärkers an. Na dann hänge ich auch mal meine vor einiger Zeit gezeigte symmetrische Schaltung eines Kopfhörerverstärkers für 1,2V und 8R Last an: Beitrag "Re: Kopfhörerverstärker für 1,2V - geht das?"
> Fourier ist nit optimiert, mit ...-V(OUT) ist der Fehler im log weg. Toll, wenn ich V(OUT) gegen -V(OUT) ersetze, entfällt in meinem LTSpice kommentarlos der ganze Fourier Block in der Ausgabe. > Genau dafür ist eine Simulation sehr gut geeignet, da man hier > sehr einfach unterschiedliche Lasten ausprobieren kann. Problematisch ist es halt, die real(istischen) Nebenwerte zu erhalten.
> V1 aus der Software generiert (oben links) kommt bei fft fast genau so > schlecht weg wie OUT (oben rechts). Dir ist dierser Artikel bekannt ? http://preamp.org/elektronik/klirrfaktor-simulieren-mit-ltspice
>Ist das so weit verbreitet, daß niemand über ein anderes Konzept auch nur >nachdenkt? Oder wo sonst kommt das her? Es ist einfach diejenige Topologie, die die geringsten Klirrverzerrungen erzeugt, wenn man es richtig macht. Auch die Betriebsspannungsunterdrückung und andere Parameter lassen sich damit optimieren. Bedenke einfach nur mal, daß eine Konstantstromquelle in der Eingangsstufe den Einfluß von Betriebsspannungsschwankungen weitgehend unterdrücken kann. Aus ähnlichen Gründen kommen Kaskoden, Stromqspiegel und andere Spezialitäten in einer solchen Endstufe zum Einsatz. Beschäftige dich mal mit den Gedanken von Douglas Self...
Ah fein :) Noch eine witzige kleine Verstärkerschaltung! Ich hab nach einer realistischen Simulation einer Lautsprecherbox gesucht. Was ich gesehen habe, ist ein Modell eines einzelnen Lautsprechers frei in Luft. Ich werde jedoch den Verdacht nicht los, daß sich eine gewöhnliche geschlossene Lautsprecherbox mit mehreren Sytemen doch auch elektrisch anders verhalten müßte. Nicht, daß es dazu keine Informationen gäbe. Leider ist Lebenszeit aber nun mal begrenzt, und komplexere Modelle als "8 Ohm" beliefen sich immer gleich auf einen Studiengang oder erforderten Gerätschaften im Rahmen eines Ingenieur-Jahresgehaltes (nach oben offen). Mir zu komplex, um das Bauteil "Lautsprecherbox" in eine Simulation eingeben zu können. Gibt es ein realistisches Lautsprecherbox-Modell für Spice? Oder bin ich viel zu pingelig und das hat keinen Einfluß? Die Seite preamp.org hatte ich vor einiger Zeit gefunden gehabt, aber die Adresse war mir untergegangen. Kommt auf die Merkliste! - Ich hatte etwas ähnliches gefunden, allerdings wurden immense Datenmengen erzeugt und der Rechner war dann gleich zwanzig Minuten beschäftigt. Man kann alles versauen, wenn man dem falschen Rat folgt ;)
Helge A. schrieb: > Gibt es ein realistisches Lautsprecherbox-Modell für Spice? Gibt es bestimmt irgendwo, aber das wäre dann ein Modell für eine ganz bestimmte Lautsprecher-Box, also auch nicht allgemein gültig. Ich würde einfach eine Reihenschaltung aus L und R machen und die Werte von L und R in bestimmten (sinnvollen) Grenzen durchsteppen. Zusätzlich könnte man auch noch einen LC-Schwinkreis dazubauen. Wenn der Verstärker damit in allen Bereichen stabil arbeitet, hat man schon deutlich mehr Aussagekraft als wenn man im Labor Messungen mit zwei oder drei unterschiedlichen Lautsprechern macht.
Was für ein komplexes Thema. Falls irgendjemand interesse an ein paar vereinfachten Modellen hat, 3 Links: http://www.linkwitzlab.com/thor-design.htm - Bass Box Modell berechnen http://users.ece.gatech.edu/~mleach/papers/vcinduc.pdf - "einfache" Theorie http://sound.westhost.com/tsp.htm - Beispielrechnung Lautsprecher
Johannes E. schrieb: > Ich würde einfach eine Reihenschaltung aus L und R machen und die Werte > von L und R in bestimmten (sinnvollen) Grenzen durchsteppen. Zusätzlich > könnte man auch noch einen LC-Schwinkreis dazubauen. Ein Lautsprechersystem ist viel komplexer als eine einfache RL(C)-Zusammenschaltung, weil über die Ankopplung der Membran an den akustischen Raum ihr dynamisches Verhalten (und damit das induktive Verhalten) von dem akustischen Umfeld, i.e. primär der akkustischen Impedanz der Lautsprecherbox abhängt.
Wolfgang schrieb: > der akkustischen > Impedanz der Lautsprecherbox ... die man vielleicht auch in ein elektrisches Ersatzschaltbild überführen könnte. Google spuckt mit folgendem Link https://www.google.com/search?q=loudspeaker+equivalent+circuit schon einiges dazu aus, was auch brauchbar aussieht. Bei Herrn Sengpiel http://www.sengpielaudio.com findet man noch vieles zu Akustik und Mikrofonierung.
Wolfgang schrieb: > Ein Lautsprechersystem ist viel komplexer als eine einfache > RL(C)-Zusammenschaltung, ... Es kommt drauf an, was man eigentlich simulieren möchte. Wenn man einen Verstärker simuliert, dann sind die interessanten Parameter hauptsächlich der Frequenzgang, die Linearität, Rauschverhalten, die Ausgangsimpedanz und die Stabilität bei unterschiedlichen Lasten. Das genaue Modell des Lautsprechersystems ist dafür nicht so wichtig. Wenn man eine komplette Lautsprecherbox simulieren möchte, dann sieht die Sache natürlich anders aus, aber darum ging es hier doch gar nicht.
Die Schaltung oben ist im Prinzip die vereinfachte Schaltung eines current feedback OPs (statt der Dioden am Eingang sitzen da eher 2 Emitterfolger: das gibt dann auch gleich eine bessere Symmetrie) als nicht invertierender Verstärker. So wirklich schlecht ist die Schaltung auch nicht, aber halt auch nicht so anders als die normalen Verstärker. Was eventuell noch fehlt ist die gezielte Begrenzung der Bandbreite der Regelschleife - ob die Schaltung so unter allen Umständen stabil ist und nicht schwingt müsste die Simulation zeigen. Ein Nachteil ist allerdings das die Eigenschaften der Transistoren/Dioden eingehen und ohne Abgleich ggf. etwas Offset entsteht. Wirklich bessere Eigenschaften würde ich von der Topologie aber auch nicht erwarten, vor allem nicht bei der einfachen Ausführung mit eher geringer Gegenkopplung. Eine Induktive oder ähnliche Last wird ggf. schon simuliert, genau so wie der Ausgangswiderstand der Versorgung. Gegen Brummen und Asymmetrie der Versorgung sind die Schaltungen meist recht tolerant - auch das kann man mit simulieren, bzw. in der Simulation überprüfen.
Warum baut man AB Endstufen eigentlich immer mit einem diskret aufgebauten Differenzpaar anstatt einem integrierten OP? Eine Klasse B Endstufe mit schnellen OP davor braucht keinen Ruhestrom und müsste doch auch relativ wenig Verzerrungen aufweisen oder? Gibt es eigentlich auch Endstufen die wie Schaltnetzteile aufgebaut sind? Also nicht Klasse D, sondern eher ein Schaltnetzteil welches mit hoher Frequenz taktet und welches mit dem Eingangssignal moduliert wird. Ich frage mich auch warum es nicht mehr voll-digitale Endstufen mit Sigma-Delta gibt (also digitales PCM rein und bis zur Klasse D Endstufe alles digital). Kennt jemand solch ein Projekt? Ich denke das Problem wird bei den hohen Schaltfrequenzen liegen. Die Sigma-Delta Klasse D Endstufen welche ich bisher gesehen haben schaffen nur ein paar Watt. Ist bei digitalen Verstärkern eigentlich immer ein Feedback notwendig? Ich frage mich auch wie man sowas aufbauen würde (ohne den Modulator analog aus zu führen).
Man kann eine AB Endstufe auch mit einem OP oder mehreren Aufbauen. Bei kleiner Leistung geht das auch ganz gut - aber dann gibt es dann auch fertige ICs. Bei größerer Leistung hat man aber das Problem das die OPs selten mehr als +-20 V vertragen. So wirklich besser wird es mit dem OP aber auch nicht - auch die übliche Differenzverstärkerstufe mit Stromspiegel und VAS Stufe liegt bei der GBW nicht so schlecht. Die voll Digitale Schaltung, also mit digital bestimmten PCM Signal für die Schaltstufe hat halt auch so seine Probleme: Die Schaltstufe kann auch verzerren, etwa durch die nichtlinearen Eigenschaften der Induktivitäten oder die Temperaturabhängigkeit von Schaltzeiten und Induktivitäten / Kapazitäten. Um das Auszugleichen braucht es das Feedback, und das geht besser (vor allem schneller) analog als Digital. Die Endstufe so linear aufzubauen, dass man ohne das Feedback auskommt, ist halt nicht so einfach.
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