Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Kleiner Schrittmotor hat mehr Kraft als großer, bei gleichem Strom


von Bernhard W. (dieseldunst)


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Hallo Leute,

um kurz zu beschreiben worum es geht: Ich verwende einen Schrittmotor 
der direkt an eine Achse angekoppelt ist. Der Schrittmotor soll die 
Achse nun genau in einen Winkel positionieren (die Achse hat ein 
entsprechendes Trägheitsmoment). Das ganze möglichst schnell und genau. 
Zuvor hatte ich einen kleinen Schrittmotor Nema_17 an dieser Achse 
angekoppelt. Als Treiber verwende ich den Pololu A4988.

Um das ganze nun zu verbessern, wollte ich nun einen größeren 
Schrittmotor anbringen. Anstatt eines Nema_17 (42mm Flansch) habe ich 
nun einen Nema_23 (60mm Flansch, eine extralange Bauweise für ein 
größeres Drehmoment)

Grundsätzlich dachte ich viel hilft viel und der größere Motor hat bei 
gleichem eingestellten Strom (1A) mehr Kraft (mehr Storm möchte ich 
nicht einsetzen, Ausgangsspannung ist groß genug 24V). Jetzt habe ich 
mehrere Rampen ohne Last an den zwei Motoren getestet, jedoch kommt es 
mir so vor als besitzt der kleinere Motor die größere Kraft und kommt 
auf eine höhere Drehzahl. (Dinge wie den unterschiedlichen 
Wellendurchmesser und ein entsprechend langsames Hochlaufen habe ich im 
Vergleich beachtet, die Motoren sind vom Prinzip baugleich: zwei 
Wicklungen)

Daten Nema_17: Nennstrom 1,8A; Haltemoment 0,5Nm; Rastmoment 0,002Nm; 
Induktivität pro Phase: 3,3mH; Nennspannung 24-48V; Wicklungswid 1,75ohm

Daten Nema_23: Nennstrom 3A; Haltemoment 3Nm; Rastmoment 0,006Nm; 
Induktivität pro Phase: 7,5mH; Nennspannung 6V; Wicklungswid 2ohm

Bei gleichem Strom müsste der größere Motor (größerer Durchmesser, 
länger) doch mindestens das gleiche Drehmoment besitzen, wenn nicht noch 
ein größeres? Also grob geschätzt der Nema_17 bei 1A ~0,25Nm und der 
Nema_23 bei 1A ~1Nm. Oder bin ich bei meiner Überlegung irgendwo auf dem 
Holzweg? Der größere Motor hat auch manchmal das Problem, dass er nicht 
mal anständig über die erste Resonanz rauskommt und hierbei außer tritt 
kommt. Vielleicht hat ja jemand eine gute Erklährung :D

Schöne Grüße

von Wolfgang (Gast)


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Thomas Müller schrieb:
> Also grob geschätzt der Nema_17 bei 1A ~0,25Nm und der Nema_23
> bei 1A ~1Nm.

Bei welcher Drehzahl/Schrittfrequenz?
Immerhin ist die Induktivität des Nema_23 doppelt so hoch.

Und bist du sicher, dass für den Nema_17 mit seinen 1,75Ω eine 
Nennspannung von 24-48V das richtige ist?
Ohne Strombegrenzung gibt das nur magischen Rauch.

von Manuel K. (manuelk)


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Nur kurz, warum soll bei der selben elektrischen Aufnahmeleistung 
plötzlich viel mehr mechanische Leistung entstehen?

Ich denke dass der Wirkungsgrad dieser Motoren ziemlich ähnlich ist... 
deshalb wird der grosse Motor nicht wirklich besser sein.

Oder verstehe ich dich falsch?

von Paul H. (powl)


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Nö.. schau mal.. der Strom wird in den Wicklungen des Stators in ein 
Magnetfeld umgesetzt. Wenn da mehr Wicklungen vorhanden sind hat der 
Motor in der Regel eine höhere Nennspannung und auch ein stärkeres 
Magnetfeld bei gleichem Strom. Das erkauft man sich durch eine sehr 
schnell ansteigende Gegen-Induktionsspannung die wiederum für einen 
schnelleren Drehmomentabfall bei hohen Drehzahlen sorgt (was durch 
heutzutage übliche Konstantstrom-Schrittmotortreiber weitestgehend 
ausgeglichen wird)

von Udo S. (urschmitt)


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Drehmoment ist direkt proportional zum Strom. Wenn der kleine jetzt noch 
einen größeren Widerstand hat und das evt. bedeutet mehr Windungen, dann 
hat der kleine est mal bei gleichem Strom sogar mehr Drehmoment.
Der große ist nur stärker belastbar und hat wenn man ihn entsprechend 
belastet auch mehr Drehmoment.

Thomas Müller schrieb:
> Ausgangsspannung ist groß genug 24V
Was tatsächlich am Schrittmotor ankommt hängt ja erst mal davon ab ob 
dein Treiber den Strom begrenzt

Thomas Müller schrieb:
> und der größere Motor hat bei
> gleichem eingestellten Strom (1A) mehr Kraft (mehr Storm möchte ich
> nicht einsetzen

von Bernhard W. (dieseldunst)


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- mein Fokus liegt auf den unteren Drehzahlen (Direktantrieb), also so 
bis 100-200 Umdrehungen pro min, da sollte das Moment bei beiden Motoren 
noch nahe beim Haltemoment liegen.

- Über den Motortreiber stelle ich den richtigen Strom ein / 
Stromregelung. Die Spannung braucht man nur als Potential, um gegen die 
Induktivität anzukommen.

- Naja die Kraft greift weiter außen an -> größeres Drehmoment; längere 
Motor -> größere Spulen -> mehr Fluss bei gleichem Strom?

- Jup, gegen die Induktivität komme ich eigentlich an, vor allem in den 
unteren Drehzahlen.

Hmm sehr rätselhaft...

von Bernhard W. (dieseldunst)


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Udo Schmitt schrieb:
> Drehmoment ist direkt proportional zum Strom.

Na dann sollte der große Motor ja stärker sein. Der Kleine hat ungefähr 
0,28Nm/A und der Große 1Nm/A. Der große Motor hätte bei gleichem Strom 
dann das 4 fache Drehmoment.

von Udo S. (urschmitt)


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Thomas Müller schrieb:
> Na dann sollte der große Motor ja stärker sein.

Was versteht du an "proportional" nicht?
"Proportional" ist NICHT dasselbe wie "gleich"

Thomas Müller schrieb:
> Daten Nema_17: Nennstrom 1,8A; Haltemoment 0,5Nm; Rastmoment 0,002Nm;
> Induktivität pro Phase: 3,3mH; Nennspannung 24-48V; Wicklungswid 1,75ohm
>
> Daten Nema_23: Nennstrom 3A; Haltemoment 3Nm; Rastmoment 0,006Nm;
> Induktivität pro Phase: 7,5mH; Nennspannung 6V; Wicklungswid 2ohm

An deinen Daten kann was nicht stimmen.
Wenn der Nema17 einen Nennstrom von 1,8A und einen Wicklungswiderstand 
von 1,75 Ohm hat dann kann er nicht eine Nennspannung von 24-48V haben 
sondern hat eine von knapp über 3V.

Ich sehe folgende Möglichkeiten:
1. Du überlastest den kleinen Motor und er hat deshalb ein 
"gefühlt/gemessen" größeres Drehmoment
2. Dein "kommt mir so vor" täuscht dich
3. Deine Daten zu den Schrittmotoren stimmen nicht
4. Dein Nema23 ist defekt/Ausschuss

Da hilft jetzt aber keine Spekulation von uns, da musst du messen 
(tatsächlicher Strom/Spannung am Motor und Drehmoment.
Drehmoment kann man sich behelfen (Haltemoment) indem man ein Alu-Profil 
mittig an die Welle befestigt, waagrecht stellt und in einem definierten 
Abstand ein Gewicht anbringt. Das aknn z.B. ein Gefäß sein in das man 
Wasser füllt bis das Haltemoment überschritten wird.

Aber vieleicht haben die Schrittmotorspezis hier noch bessere Ideen

von Bernhard W. (dieseldunst)


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... proportional = quadratischer Zusammenhang oder? :D Deine Spekulation 
über die Wicklung ist wohl auch nicht der Bringer, schaut man die Werte 
Widerstand und Induktivität an. Na Spaß bei Seite, ich bin nur auf dein 
Drehmoment ~ Strom eingegangen und habe über die Nennangaben die 
Faktoren berechnet...

Naja die Daten stehen so im Datenblatt. Was der Hersteller damit meint 
sei mal dahin gestellt. Beides mal steht "Nennspannung"

Ich tippe mal auf "der Motor ist im Eimer" oder Müll. Vielleicht ist 
auch der Treiber Schuld.

Das aktuelle Ergebniss kann es auf jedefall nicht sein. Aber danke :)

von Thorsten O. (Firma: mechapro GmbH) (ostermann) Benutzerseite


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Hallo Udo!

> Wenn der Nema17 einen Nennstrom von 1,8A und einen Wicklungswiderstand
> von 1,75 Ohm hat dann kann er nicht eine Nennspannung von 24-48V haben
> sondern hat eine von knapp über 3V.

Das ist richtig, interessiert aber heute eigentlich nicht mehr, weil 
vernünftige Treiber mit Konstantstromansteuerung arbeiten, so auch bei 
dem o.g. Pololu Board. Was ich sonst von dem Ding halte habe ich hier ja 
schon öffter geschrieben...

> Aber vieleicht haben die Schrittmotorspezis hier noch bessere Ideen

Die Rechnung von Thomas war schon in etwa richtig. Auch wenn es bisher 
nicht üblich ist, bei Schrittmotoren eine Drehmoment-Konstante 
anzugeben, kann man die ausrechnen. Man kommt dann für den kleinen Motor 
auf 0,27Nm/A, für den großen auf 1Nm/A.

Wenn das in der Praxis nicht so hinhaut kann das folgende Gründe haben:
- Das Massenträgheitsmoment des großen Motors ist bei den geforderten 
Beschleunigungen schon so groß, dass der Motor mehr damit beschäftigt 
ist, sich selbst zu beschleunigen als die Last anzutreiben. Daten zu den 
Massenträgheiten der Motoren und der Last fehlen und leider, also kann 
man da nur mutmaßen.
- Die Daten von verschiedenen Herstellern variieren z.T. erheblich. 
Wärend bei manchen Markenherstellern das im Katalog angegebene 
Haltemoment als minimaler Wert garantiert wird, sehen andere das eher 
als Mittelwert der einer gewissen Schwankungsbreite unterliegt. Damit 
ist aber der o.g. Unterschied mit Faktor 3 nicht zu erklären. Trotzdem 
würde mich interessieren, von welchen Herstellern die Motoren sind.

Mit freundlichen Grüßen
Thorsten Ostermann

von Bernhard W. (dieseldunst)


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Also final kann ich sagen, der Motor ist wohl in Ordnung :D

Den Wert der Nennspannung kann man getrost vernachlässigen, wie oben 
erwähnt. Was zählt ist der Strom.

Nun bin ich mal so vorgegangen und habe den Schrittmotor konstant 
bestromt und ein definiertes Moment an den Motor angebracht. (eine 
Wasserflasche :D) Rechnerisch kommt man dann ziemlich gut auf die 
Herstellerangaben vom Haltemoment

Zu den Motoren: Der eine ist vom Hersteller Igus und der andere aus 
billig Fernost weshalb ich auch ein wenig skeptisch war...

Schlussendlich hätte ich nicht gedacht, dass die Motoren solch eine 
unterschiedliche Charakteristik an den Tag legen. Zum Beispiel kann ein 
Motor im freien Hochlauf, am zu langsam überfahrenen Resonanzpunkt 
schnell aus dem Schritt kommen. Bei meiner Ansteuerung ist zudem das 
Problem, dass man den größeren Motor wegen seiner Induktivität mit einer 
deutlich höheren Spannung versorgen sollte. Geht man vom 
Vollschrittbetrieb in einen kleineren Schrittmodus über, verhält sich 
der große Motor deutlich besser. Somit kann ich ihn in den unteren 
Drehzahl gut gebrauchen und er entwickelt auch ein großes Moment.

Nach Stunden der Spielerei bin ich nun schlauer. Vielen Dank für eure 
Kommentare :)

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