Hallo, über Preise und Qualität in Deutschland, China und Bulgarien wurde schon viel geschrieben. Was ich nicht verstehe ist, wozu brauchen die Platinenhersteller 10 oder gar 15 Arbeitstage? In der Liste der Platinenhersteller http://www.mikrocontroller.net/articles/Platinenhersteller gibt es sogar Hersteller, die in 4 Stunden eine Platine herstellen können. Bei Pooling könnte man denken, dass die Hersteller vielleicht zwei Wochen lang die Aufträge sammeln, um dann Alles auf ein Riesen-Panel zu packen und in einem Zug durch die Fertigung zu jagen. Aber dann würde der letzte Besteller seine Platinen schon nach 1 AT bekommen. Hab noch nie gehört, dass es sowas gab. Ich musste letztens wieder eine mittlere Serie Platinen bestellen (ca. 300dm³). Überall, wo ich nachgefragt habe hieß es: "Oh, auch noch mit chemisch Gold... nein, das schaffen wir nicht schneller... es sei denn Sie bestellen im Eildienst...". Das hieß 100/200/300% Aufschlag. Geht es nur ums Geld? Eigentlich bin ich kein Freund von Verschwörungstheorien, aber gibt es denn nicht genug Konkurrenz in Deutschland, dass ein 4-Stunden Prozess 2 Wochen auf sich warten lässt? Das erinnert an die Conrad-Bestellungen in den 90ern.
Hier siehst du alle notwendigen Schritte: http://www.pcb-pool.com/ppde/info_manufacturingprocess.html Wenn ich bei PCB-Pool als Beispiel bleibe, so beginnen diese nach wenigen Tagen mit der Produktion und pro Tag werden dann ein paar der Schritte durchgeführt. (man bekommt ja regelmäßig Updates des Fortschritts). Wenn du dir bspw. das Bild vom Galvanikaufbau anschaust, dann siehst du, dass dort Platinen mit einer Fläche deutlich größer als 300dm³ auf einmal behandelt werden. Ich kenne mich zwar nicht aus, aber würde mal vermuten, dass du nicht deren einziger Kunde zu dem Zeitpunkt bist und du dich somit in einer Schlange anstellen musst, da vor dir auch noch Kunden auf ihre Platine warten. Die Fertigung an sich ist bei diesen Pool-Herstellern auch vermutlich dahingehend optimiert, dass man möglichst viele Platinen in einem Schritt bearbeiten kann, somit man daran interessiert ist zu sammeln und einen bestimmten Fertigungsprozess an möglichst vielen Platinen an einem Tag durchführt. Hast du es eilig, so bedeutet das erhöhten Verwaltungsaufwand, da du eben aus dem Rahmen und somit aus der Routine mit deiner Platine fällst und im schlimmsten Fall wird vermutlich ein Mitarbeiter deine Platine auch noch gesondert fertigen müssen, außerhalb des üblichen Produktionszeitraums, d.h. er mischt sich bei den verschiedenen Stationen vielleicht mit rein und bringt Überall ein bisschen Unordnung rein. Auch garantieren sie eine Einhaltung der Lieferzeit. Und desto mehr Zeit sie haben, desto flexibler sind sie und können die günstigen Aufträge als Puffer verwenden um die Eilaufträge in der vorgegebenen Zeit abfertigen zu können ohne sich in die Quere zu kommen. Das wäre meine Erklärung. Geht es nur ums Geld? Natürlich. Drauflegen will keiner. So ein Pool lebt von einem festen Ablauf. Desto weniger Sonderwünsche, desto geradliniger der Fertigungsprozess und desto günstiger (siehe den PCB-Pool Ableger http://www.jackaltac.com/)
Die meisten Firmen, nicht nur die Leiterplattenhersteller, leben davon, ihren Kram möglichst schnell zu erledigen. Im ersten Schritt wird nämlich Geld investiert. Dieses kommt frühestens nach der vollständigen Produktion, der Rechnungsstellung, dem Versand und dem Eintreffen beim Kunden, wieder rein. Man kann also davon ausgehen, dass Firmen, in denen der Durchschnittliche IQ oberhalb der Zimmertemperatur liegt, ein grundlegendes Interesse daran haben, ihr Geld so schnell wie möglich wieder rein zu bekommen. So funktioniert unsere Wirtschaft nun mal. Eine gut durchorganisierte Produktion hat eine recht gut kalkulierbare "Laufzeit". Kein Wunder, es geht ja nicht um Deine Bestellung sondern um ein relativ großes Volumen. Rein rechnerisch sieht das so aus: Wird der gesamte Leerlauf minimiert, so wird auch gleichzeitig der Gewinn maximiert. Von einem gewissen Punkt aus kostet die Beschleunigung aber mehr, als man dem "normalen" Kunden zumuten kann - oder glaubt ihm zumuten zu können. Selbst den letzten Auftrag, in der Reihe nach vorne zu schieben, kostet. In diesem Falle Aufschlag. Auch sind verschieden Prozesse, vor allem wenn's um Chemie geht, nicht beliebig in Gang zu setzen oder zu stoppen. Alles muss seinen Gang gehen. Ein beliebter Trick die Laufzeit zu verkürzen ist: Man schicke die Bestätigung der Bestellung erst einen Tag später – achte mal drauf wann die Bestätigung eingetroffen ist.
@Frank M. Danke für deine Erklärung. Bei PCB-Pool sind die maximalen Platinenabmessungen 370mm x 500mm. Ich denke, das ist eine Platine wie auf den Fotos zu sehen ist. Theoretisch müsste diese Größe die Grenze zwischen Pooling (warten auf andere Aufträge bis das Panel voll ist) und sofort Loslegen darstellen. In der Prozessauflistung von PCB-Pool habe ich zwei Zeiten gefunden - 60 Minuten zur Trocknung des Lötstopplackes und 90 Minuten zum Verpressen bei Multilayer. Ich denke, wenn sie diese Zeiten so hervorheben, dann werden die anderen Schritte wohl deutlich weiniger Zeit benötigen. Die Verzögerung kommt also durch den Takt. D.h. die Hersteller, die schneller sind takten schneller, weil sie entweder mehr Aufträge oder kleinere Losgrößen haben? Um mal einen zweiten Hersteller zu nennen, Vi&Rus zum Beispiel hat eine Standardfertigungszeit von 3AT. P.S. 300dm³ würden ca. 16 PCB-Pool-Nutzen einnehmen, auf dem Foto gehen 15 Stück durch die Galvanik. Einer würde tatsächlich aus der Reihe tanzen :-)
Falls die Leiterplattenhersteller freie Kapazitäten in ihrer planbaren Produktion haben, erfolgt bei allen die ich kenne die Auslieferung so schnell wie möglich, oftmals vor dem garantierten Fertigstellungstermin. Wer aber unbedingt Eildienst braucht wird halt mit mehr oder minder hohen Aufpreisen zur Kasse gebeten.
Anonym schrieb: > Ich denke, wenn sie diese Zeiten so hervorheben, dann > werden die anderen Schritte wohl deutlich weiniger Zeit benötigen. Kaum - auch wenn z.B. die Zeit zum Aufverkupfern nur 20 min beträgt, so ist das die Taktzeit, aber eben nicht die Durchlaufzeit - der gesamte Prozess (und nur dieser eine) besteht aus mehr als 10 Bädern, mehrere zur Vorbehandlung, eine ganze Anzahl Spülprozesse, Trocknen nicht zu vergessen, das ganze liegt dann eher über 1 Std. Und erst wenn die LP aus diesem Teil der Fertigungsstrassen herausgekommen sind, kann Fotolack auflaminiert werden, usw. In der Halbleiterfertigung sind die Taktzeiten einzelner Prozesse auch recht harmlos, aber bis aus einer Scheibe Silizium fertige Prozessoren geworden sind, vergehen teilweise Wochen. Gruss Reinhard
Anonym schrieb: > Um mal einen zweiten Hersteller zu nennen, Vi&Rus zum Beispiel hat eine > Standardfertigungszeit von 3AT. Hä? Siehe Anhang!
... schrieb: > Hä? Siehe Anhang! Ups, tatsächlich. Ich habe immer mit 3AT bestellt. Wahrscheinlich, weil die Preise dann ungefähr wie in Deutschland sind. Gegenüber 10AT sind es auch "nur" 50% Aufschlag. Aber muss Contag (der mit 4 Stunden) denn nicht die ganzen Prozessschritte durchlaufen? Oder hat er leistungsfähigere Trockner und aggressivere Chemie?
Anonym schrieb: > Aber muss Contag (der mit 4 Stunden) denn nicht die ganzen > Prozessschritte durchlaufen? Contac behauptet ja nicht, 4 Stunden wären die normale Fertigungszeit, vielmehr: "STANDARD sind 5 Arbeitstage, aber es geht auch schneller. Unsere Maxime: der schnellste Hersteller von Leiterplatten-Prototypen in Europa zu sein. Soll es einmal ganz schnell gehen, liefern wir Ihnen einfache Leiterplatten bereits ab 4 Stunden, komplexe Multilayer bereits ab 14 Stunden in Ihr Haus." Da ist schon mal die Frage, was genau sind einfache Leiterplatten, und 14 Std für Multilayer hört sich auch schon ganz anders an. Mit Geld kann man viel erreichen, besonders mit viel oder sehr viel Geld, nur 2 Beispiele: Für supereilige Aufträge wird die normale Fertigung unterbrochen und der Eilauftrag sofort weiter duchgeführt, der übliche Weg, oder es stehen ansonsten ungenutzte Anlagen zur Verfügung. Für einen Blitzauftrag ist es i.a. notwendig, dass ein entsprechend geschulter Mitarbeiter den Auftrag ständig durch die Fertigung begleitet und alle Hindernisse umgehend aus dem Weg räumt, sonst klappt das nicht. Nachtschicht ist auch eine Möglichkeit. Das verursacht natürlich alles erhebliche Mehrkosten. Man kann auch technisch da oder dort was abknapsen, etwa bei höherer Temperatur trocknen, was man wegen des Energieverbrauchs sonst nicht macht. Ausserdem sind die Fertigungstechniken für Muster und Kleinststückzahlen optimiert, es gibt nur sehr selten Verrückte, die 1000 Leiterplatten innerhalb eines Tages brauchen und bezahlen wollen. Mir ist ein durchgeführter Auftrag bekannt über einen 16-Lagen-Multilayer innerhalb eines Tages, dafür erhielt der Hersteller 25000 Euro. Für 1 Stück. Das muss es dann für den Kunden echt wert sein. Gruss Reinhard
Um bei der Analogie zum Versandhandel zu bleiben, fasse ich zusammen: in 10-20 Jahren wird automatisierte Leiterplattenproduktion in 1-2 AT der Normalfall sein. Aufpreise wird es nur für extra schnellen Versand (vgl. Amazon Morning- oder Evening- Express) der Platinen geben.
Anonym schrieb: > Bei Pooling könnte man denken, dass die Hersteller vielleicht zwei > Wochen lang die Aufträge sammeln, um dann Alles auf ein Riesen-Panel zu > packen und in einem Zug durch die Fertigung zu jagen. Aber dann würde > der letzte Besteller seine Platinen schon nach 1 AT bekommen. Hab noch > nie gehört, dass es sowas gab. Sowas geht nicht. PCB haben ja auch verschiedenen Dicken, verschiedene Cu Stärken, verschiedene Lötstoppfarben. Alles was ich bisher gesehen hab: Eine Leiterplatte, ein Nutzen. Es sei denn der Kunde legt schon verschiedene Leiterplatten zusammen in einen Nutzen.
jan bader schrieb: > Sowas geht nicht. PCB haben ja auch verschiedenen Dicken, verschiedene > Cu Stärken, verschiedene Lötstoppfarben. Aber doch nicht im Pool. Da gibt es genau eine Dicke, eine CU-Stärke und eine Lötstoppfarbe. Alles andere läuft auf Mehrpreis hinaus.
Naja, jeder Platinenfertiger hat für ein paar Tage Aufträge "auf Lager", die kommen ja unregelmäßig rein und die Maschinen und Mitarbeiter möchten aber gleichmäßig ausgelastet werden (schon wegen der knappen Kalkulation). Eilfertigung ist da i.A. einfach dass man sich Vordrängeln darf und gleich als nächstes dran kommt obwohl noch für 5 Tage andere Aufträge auf dem Schreibtisch liegen. Und ja, das muß extra kosten weil sonst jeder den Eildienst will. Außerdem: Standard-Lieferzeit geht fast immer, während Eildienst schon mal abgelehnt wird wenn kurz vorher zu viele Eilaufräge rein gekommen sind.
Beim Eildienst gelten oft auch Einschränkungen in der Auswahl der Parameter. Eine Dicke, ein Oberflächenfinish, nur grüner Lötstopplack, etc. Bei meinem "Stammhersteller" haben die 1AT-Jobs einen anderen Lötstopplack, der etwas weniger kratzfest ist als der in der Serie verwendete. Somit nehme ich an, dass eine andere Fertigungslinie verwendet wird und der Prozess auf Zeitersparnis ausgelegt ist.
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