Forum: Offtopic Reinraum Erfahrungen?


von Walter R. (improv)


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Hallo,

wer von euch kann mir etwas vom Arbeiten im Reinraum erzählen? Mir geht 
es um so banale Dinge wie:
Wie ist das mit den Toilettengängen? Jedes Mal komplett neu einkleiden?
Wasser trinken während der Arbeit?
Bartträger nicht willkommen?

Wenn jemand Erfahrungen hat und einfach mal berichten kann, wie er/sie 
es mit solchen - in anderen Umgebungen sonst so einfachen Dingen - 
handhabt.

Danke.

: Gesperrt durch Moderator
von Christian B. (luckyfu)


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Walter Reiter schrieb:
> Hallo,
>
> wer von euch kann mir etwas vom Arbeiten im Reinraum erzählen? Mir geht
> es um so banale Dinge wie:
> Wie ist das mit den Toilettengängen? Jedes Mal komplett neu einkleiden?
Ja, d.h. die Unterwäsche kannst du anbehalten.
(Mit Unterwäsche meine ich eine Art Trainingsanzug, welcher unter der 
Reinraumkleidung getragen wird)
> Wasser trinken während der Arbeit?
kommt sicher auf die Reinraumklasse an, ich denke aber eher nein. Das 
Problem dabei sind weniger die Partikel, die Flüssigkeiten naturgemäß 
nicht emittieren, sondern eher die Gefahr, daß das Behältnis umfallen 
kann und eine Maschine dadurch beschädigt wird und sei es nur, daß es zu 
einer Notabschaltung kommt. (Bei Reinräumen mit Mundschutzpflicht 
erübrigt sich die Frage sowieso)
> Bartträger nicht willkommen?
Spielt keine Rolle. In höheren Reinraumklassen hat man einen Mundschutz, 
da passt der Bart drunter. (Schauen eh nur die Augen raus aus der 
Verkleidung) Natürlich ist das Verhalten anzupassen. Wenn du dich im 
Reinraum permanent am Bart kratzt (Ohne Mundschutz) würde mich nicht 
wundern, wenn dir eine Rasur nahegelegt wird.
>
> Wenn jemand Erfahrungen hat und einfach mal berichten kann, wie er/sie
> es mit solchen - in anderen Umgebungen sonst so einfachen Dingen -
> handhabt.
Ich hatte als Student sehr viel mit Reinraumarbeit zu tun. u.a. bei 
Infineon

Das Problem ist eher, daß du permanent in steriler Umgebung arbeitest. 
Du darfst dich darauf einstellen, daß du häufiger krank wirst. Ich habe 
das zwar nie erlebt, aber war auch nicht lange genug drin. Arbeiter 
jedoch erzählten davon. Ganz garstig ist z.B. Schnupfen, weil dann der 
Mundschutz dauernd vollgesifft ist. d.h. : selbst bei leichter Erkältung 
gibt's nen Krankenschein, denn mal eben Naseputzen ist nicht.

: Bearbeitet durch User
von Walter R. (improv)


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Danke Christian, für deine Antwort.
Wurde man in deinem Fall vom Arbeitgeber in der maximalen Anzahl der 
erlaubten Toilettengängen beschränkt? Oder war das sowieso kein Thema, 
wenn man unter der Arbeit nichts getrunken hat? Hast du das gut 
ausgehalten, wenig zu trinken?

von Jörg W. (dl8dtl) (Moderator) Benutzerseite


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Christian B. schrieb:
> In höheren Reinraumklassen hat man einen Mundschutz, da passt der Bart
> drunter.

Selbst bei niedrigerer Reinraumklasse muss man halt als Bartträger
dann eine „Bartbinde“ umbändeln.  Ich hatte zum Glück nur einmal das
Vergnügen.  Wenn ich permanent in so einer Umgebung arbeiten müsste,
würde ich mich vermutlich lieber rasieren und auch nicht zu lange
Haare tragen, schon, damit man unter den Klamotten nicht so schwitzt.

Walter Reiter schrieb:
> maximalen Anzahl der erlaubten Toilettengänge

He, das sind doch nicht die Lidl-Kassiererinnen.

von Harald W. (wilhelms)


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Christian B. schrieb:

> Du darfst dich darauf einstellen, daß du häufiger krank wirst.

Eigentlich müsste es ja eher gesünder sein, da ja auch die
Bakterien mit ausgefiltert werden.
Gruss
Harald
PS: Ich hatte allerdings teilweise das Problem, in der ersten
Viertelstunde Kopfschmerzen zu haben.

von Anja Zoe C. (zoe)


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Reinraum ist nicht gleich Reinraum. Ein RR in Klasse 100.000 (nach dem 
alten Fed Standard) ist was ganz was anderes als ein 100er wie er in der 
Chipfertigung zu finden ist.
Letzteres ist wie ich finde wirklich unangenehm, mit dem 
Ganzkörperkondom bei dem nur noch die Augen rausschauen. Wenn Du da oft 
auf's Klo mußt ist das ein nicht zu unterschätzender Zeitaufwand (vom 
Material mal abgesehen) der sich mit Sicherheit auf die Arbeitsleistung 
auswirken wird.
Ein 100.000er dagegen ist eher wie ein sauberes Wohnzimmer :-) Man hat 
ein Mäntelchen und Überschuhe an, bei den meisten RR auch ein kleines 
Häubchen auf und das wars. Da geht das Umkleiden schnell.
Essen und Trinken sind allerdings - genauso wie Bleistifte - nirgends, 
auch nicht im 100.000er zugelassen.

Viel unangenehmer als die Mäntelchen finde ich allerdings den Luftzug, 
den einige RR aufweisen; da gibt es welche die als regelrechte 
Krankmacher verschrien sind (ich nehm da immer warme Socken und ein 
Fleece mit das ich bis zum Kragen schließen kann), andere sind dagegen 
ausgesprochen verträglich.

Zoe

von Harald W. (wilhelms)


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Anja zoe Christen schrieb:

> (ich nehm da immer warme Socken und ein
> Fleece mit das ich bis zum Kragen schließen kann)

Ich bin durch die Vollbekleidung eigentlich eher ins Schwitzen gekommen.

von Martin K. (maart)


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Harald Wilhelms schrieb:
> Christian B. schrieb:
>
>> Du darfst dich darauf einstellen, daß du häufiger krank wirst.
>
> Eigentlich müsste es ja eher gesünder sein, da ja auch die
> Bakterien mit ausgefiltert werden.

Ob man das so sagen kann? Ich dachte, dass das Immunsystem erst durch 
reale Angriffe "trainiert" wird. Da wird es also im RR schön 
verhätschelt und draußen kommt dann irgendwann mal die richtige 
Klatsche, da nicht "vorbereitet".

von Johannes O. (jojo_2)


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Walter Reiter schrieb:
> Bartträger nicht willkommen?

Der Zuständige für einen Reinraum an der Uni erzählte uns: Bei ihren 
Praktika zur Halbleiterproduktion haben Gruppen mit Bartträgern eine 
deutlich geringere Ausbeute. Scheint hier also durchaus Probleme zu 
geben.

Bei der Chipherstellung sind auch Raucher sehr ungern gesehen und werden 
erst gar nicht eingestellt. Durch die Atemluft werden DEUTLICH MEHR 
Partikel ausgeatmet im Vergleich zu einem Nichtraucher.


Christian B. schrieb:
> Das Problem ist eher, daß du permanent in steriler Umgebung arbeitest.
> Du darfst dich darauf einstellen, daß du häufiger krank wirst.

Auch das hatte er uns bei (längerer und regelmäßiger!) Arbeit im 
Reinraum gesagt: Man muss sich erst daran gewöhnen und vermehrte 
Krankheiten zu Beginn seien normal. Grund dafür? Keine Ahnung... Die 
Zugluft, welche die Schleimhäute austrocknet?


Von anderen Reinraumarbeitern hab ich auch schon Gemeckere gehört, dass 
sie die Luft usw. sehr unangenehm finden.

Ich war selbst auch schon ein paar mal in sowas drin, hab aber keine 
Probleme damit gehabt. ist alles halb so schlimm bzw. es kommt 
vermutlich auch jeweils aufs eigene Empfinden drauf an.

von Walter R. (improv)


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Danke. Ist die Luftfeichtigkeit im Reinraum  bei Chipherstellung unter 
30%?

von Dimitri R. (Firma: port29 GmbH) (port29) Benutzerseite


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Christian B. schrieb:
> Ja, d.h. die Unterwäsche kannst du anbehalten.
> (Mit Unterwäsche meine ich eine Art Trainingsanzug, welcher unter der
> Reinraumkleidung getragen wird)

Trainingsanzug...
Okay, ich erzähle dir mal von meinen ersten Arbeitstagen in Reinraum.

Vorstellungsgespräch bzw. Vorstellungsrunde
Ich habe eigentlich nicht damit gerechnet, dass ich in den Reinraum 
gehen würde. Trotzdem hat man mich dazu eingeladen. Ich habe den 
Schutzanzug deshalb über meine normale Kleidung angezogen. Ich trage 
XXL, von der Länge hat der Anzug sehr gut gepasst. Von der Breite hätte 
man allerdings noch einen zweiten Menschen unterbringen können. In der 
Jeans war es allerdings relativ scheiße zu arbeiten. Es war überall auch 
relativ stickig. Allerdings war die Luft wirklich angenehm sauber.

Erster Arbeitstag
Für den ersten Arbeitstag habe ich mir andere Klamotten mitgebracht. 
Eine dünne Hose und ein dünnes T-Shirt. Wir hatten da die Auswahl 
zwischen diesen Einweg Anzügen von Tyvek Anzügen oder gewaschenen 
Anzügen aus Stoff. Ich habe mich da für diese einweg Dinger entschieden. 
Trotz des dünnen T-Shirs war es richtig heiß in dem Anzug. Ich habe mich 
mit anderen Leuten unterhalten. Die meinten alle, dass sie bis auf eine 
Unterhose nichts anhaben.

Zweiter Arbeitstag
Wieder der gleiche Anzug aus Tyvek, nur hatte ich diesmal darunter nur 
die Unterhose an. Der Anzug fühlte sich auf der Haut richtig scheiße an. 
Und vor allem dann, wenn man schwitzt. Dann klebt es, wenn auch nur sehr 
leicht. Außerdem reibt dann der Stoff an sich selbst, man hörte mich 
schon vom weiten kommen.

Dritter Arbeitstag
Diesmal nur mit Unterhose und Stoffanzug. Da war alles in Ordnung.

Zum Thema Bart bzw. rasieren:
Ja, am Anfang habe ich mich jeden morgen rasiert. Aber an einem Montag 
hatte ich morgens wenig Zeit und habe darauf verzichtet. Hatte also ein 
drei Tage Bart. Drei Tage Bart und Mundschutz... das ist das 
beschissenste, was es gibt. Die Bartstoppeln bleiben hängen und wenn man 
den Kopf dreht, dann zwickt es. Bäh... Ein Mal und nie wieder.

Zum Thema WC:
Ich weiß nicht woran es liegt, auch heute bin ich regelmäßig in 
Reinräumen. Wenn ich zu Hause bin, dann suche ich das WC schon relativ 
regelmäßig auf. Bei der Arbeit im Reinraum reichte es aber aus, wenn ich 
morgens ging und dann in der Mittagspause und dann am Ende der Arbeit. 
Ist irgendwie ganz komisch, dass sich der Körper so schnell darauf 
einstellt.

Zum Thema Krankheiten:
Ich hatte damals bei der Arbeit das Problem, dass es an einigen Stellen 
total warm war, aber andere Stellen deutlich runterklimatisiert wurden. 
Da hat man dann eben 10-15°C Unterschied. Krank geworden bin ich während 
der 6 Monate Arbeit zwar nicht, ich hatte aber ganz komische Zustände, 
dass mal die Nase lief oder ich mich krank gefühlt habe, als ich nach 
Hause gefahren bin, am nächten Morgen aber top fit war.

von Anja Zoe C. (zoe)


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Nach der ECSS Vorschrift sollen es 55% +- 10% sein, Temperatur 21°C +- 
3°C.

Zu trocken will man es wegen ESD Effekten ja auch nicht haben.

Zoe

von Knecht L. (gonz)


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> Wie ist das mit den Toilettengängen? Jedes Mal komplett neu einkleiden?
Ja. Toilette gibts nur draussen, wie vorher beschrieben.

> Wasser trinken während der Arbeit?
Nein. Im Reinraum gibt es oft Chemikalien. In unserem Reinräumen und 
Laboren sind Lebensmittel daher generell verboten. Du musst bedenken, 
dass nicht nur Du der Umgebung Schaden zufügen kannst, wenn Du z.B. aus 
einer Flasche im Reinraum trinkst (Mundschutz beiseite, Flasche fällt 
um). Ebenso können an Deinen Handschuhen gefährliche Substranzen sein, 
die beim Aufschrauben der Flasche an das Verschlussgewinde der Flasche 
gelangen. Von dem Gewinde nimmst Du die Substanzen dann in Dich auf.

Also besser alles menschliche draussen lassen, sonst torpdierst Du Deine 
Arbeit und Dich selbst. Korrektes zwischenmenschliches Verhalten sollte 
jedoch auf jeden Fall und gerade im Reinraum nicht vor der Schleuse 
gelassen werden ;)

von Matthias S. (da_user)


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Viele bekommen aufgrund der trockenen Luft Probleme mit den Augen.
Aufgrund des ständigen von oben nach unten gerichteten 
Linear(Luft-)Strom (je nach RR-Klasse und Generation), des relativ 
harten Bodens und der Schuhe gibts auch öfter mal Rückenschmerzen.

Als Allergiker habe ich meine kritischen Zeiten im RR richtig gehend 
genossen.

Bei mir war es ein FrontEnd RR von IFX. Auch im dazugehörigen BE-RR war 
ich schon.

Getragen wurde außerhalb des RR und im Grauraum ein Trainigsanzug mit 
passenden Schuhen und Haarnetz. Dieses Outfit war dann auch BE-fähig.

Für den RR rein in die Schleuse, Schuhe runter, SitOver, rein in den 
RR-Anzug (inkl. Handschuhe) und ab durch die Schleuse. Handys waren nur 
von einem bestimmten Netzbetreiber erlaubt und mussten auch in ein 
Plastiksäckchen, solange sie nicht permament im RR waren.

Piercings, Ringe und so waren nicht erlaubt, auch keine Kulis sondern 
nur Faserschreiber und spezielles Papier.

: Bearbeitet durch User
von Sascha E. (baracuss)


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Ich habe von einigen Infineon Leuten gehört das sie je nach RR 3 Stunden 
vor und wärend der Arbeit nicht rauchen dürfen.

von Matthias S. (da_user)


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Bei mir waren's damals, wenn ich mich recht erinnere, zwei std.

von Harald W. (wilhelms)


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Sascha E. schrieb:

> Ich habe von einigen Infineon Leuten gehört das sie je nach RR 3 Stunden
> vor und wärend der Arbeit nicht rauchen dürfen.

Das man im Reinraum nicht rauchen darf, dürfte ja wohl selbstver-
ständlich sein. Bei uns hiess es zusätzlich: Eine halbe Stunde
vorher nicht rauchen. In unserem Labor gab es aber sowieso wenig
Raucher, da man bei Messungen von nm auch ausserhalb des Reinraums
keine Raucher brauchen konnte. Typische Rauchpartikel habe ich
auch vermessen. Es waren "Felsbrocken" von typisch 80nm Länge.
Gruss
Harald

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