Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Steuerung Wirbelstrom Motor in Toband


von Gerd S. (sigma9)


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Hallo,

als langjähriger Passivnutzer muss ich mal selber was posten, da ich 
auch nach langer Suche nichts passendes gefunden habe.

Mein Projekt ist das "Aufpeppen" einer alten Spulentonbandmaschine (Akai 
GX630)

Ich habe Digitalsteurung, Digitaldisplay, IR-Fernbedienung,... 
implementiert (AVRs mit Peripherie) und bin zufrieden.

Jetzt mein Wunsch: es wäre schön, wenn man den Wickelmotoren etwas mehr 
Intelligenz einhauchen könnte. Diese werden im Original von 1974 mittels 
Transistortechnik und Relais im wesentlichen ein- / ausgeschaltet.

Mein Wunsch konkret: eine statusabhängige Drehzahlsteurung.

Bei den Motoren handelt es sich um Wirbelstrommotoren, Aussenläufer, Typ 
24XO-MR. Diese werden im Original je nach gewünschtem Zustand mit drei 
verschiedenen Spannungen angesteuert: 0V (Stop), 25V (durch schwachen 
Gegenzug Band straff halten), 96V (Band ziehen zum Umspulen). Alle drei 
Spannungen werden per Trafo aus der Netzspannung erzeugt, d.h. sind 
50Hz-Sinus-Wechselspannungen.

Meide Idee ist, entsprechende Spannungen (und welche dazwischen) 
"modern" zu erzeugen und je nach Zustand zu ändern. Encoder zur 
Drehzahlmessung habe ich bereits angebaut. Damit wären z.B. sanfter 
Bandanlauf unsd -stop möglich.

NUR: wie mache ist das "modern"?

- Amplitudensteurung (halt nahe am Original)? Wie erzeuge ich dann 
einfach und MC-steuerbar 25V...100V, 50Hz, Sinus-Wechselspannung, 
Leistung ca. 20W?

- oder doch besser Frequenzsteurung? Evt. mittels PWM? Ich habe hier 
viel über Phasenanschnitt oder Halbwellen-Austastung gelesen... aber 
tötet sowas nicht den Motor (auf Dauer)?

- oder noch was anderes?

Bin für Ideen und Anregungen jeder Art dankbar. Und: ja - es handelt 
sich um ein Hobbyprojekt mit sehr schlechtem Kosten-Nutzen-Faktor und 
jeder Menge eingbauter Nostalgie ;=)

TiA

Gerd

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Gerd Schweitzer schrieb:
> - oder doch besser Frequenzsteurung? Evt. mittels PWM? Ich habe hier
> viel über Phasenanschnitt oder Halbwellen-Austastung gelesen... aber
> tötet sowas nicht den Motor (auf Dauer)?

Das Problem dabei ist die Isolationsfestigkeit der Motore und (nicht zu 
vergessen) die magnetische Streustrahlung einer hochfrequenten PWM.
Das Isolationsproblem würde sich lösen lassen, wenn die eine Steuerung 
nicht von 230V, sondern aus den internen 100V speist, die auch original 
benutzt werden, aber ob die Motore frequenzabhängig steuerbar sind, 
müsste man probieren. Oft sind solche Motore nämlich nur sehr schlecht 
über Frequenz zu steuern, sondern nur über die Spannung.

Gerd Schweitzer schrieb:
> - Amplitudensteurung (halt nahe am Original)? Wie erzeuge ich dann
> einfach und MC-steuerbar 25V...100V, 50Hz, Sinus-Wechselspannung,
> Leistung ca. 20W?
> - oder doch besser Frequenzsteurung? Evt. mittels PWM? Ich habe hier
> viel über Phasenanschnitt oder Halbwellen-Austastung gelesen... aber
> tötet sowas nicht den Motor (auf Dauer)?
Kannst du also im Wesentlichen nur ausprobieren. Geeignet wäre (ohne 
jetzt viel Werbung zu machen) mein Frequenzumrichter aus dem Wettbewerb
http://www.mikrocontroller.net/articles/3-Phasen_Frequenzumrichter_mit_AVR

Oder ein winziges Wechselrichterchen, den du mit einer grösseren 
Endstufe ausrüsten müsstest - von meiner Projektseite hier ganz unten:
http://www.schoeldgen.de/avr/
'Variable frequency drive with Tiny 25/45/85'.
Beide Steuerungen kannst du mit Analogsignalen steuern oder durch 
Änderung der Software auch von irgendwas anderem.

von Gerd S. (sigma9)


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Danke für deine schnelle Antwort.

> müsste man probieren. Oft sind solche Motore nämlich nur sehr schlecht
> über Frequenz zu steuern, sondern nur über die Spannung.


Stimmt wohl - dafür spricht auch die Originalschaltung (weitere Info).
Die zweite Strangwicklung des Motors wird mit der gleichen Spannung wie 
die erste, allerdings mittels dickem Kondensator phasenverschoben 
bestromt. Dies ist ganz sicher für 50Hz, Motor-Induktivität und 
Phasenschieber-Kapazität optimiert.

> Oder ein winziges Wechselrichterchen, den du mit einer grösseren
> Endstufe ausrüsten müsstest - von meiner Projektseite hier ganz unten:
> http://www.schoeldgen.de/avr/
> 'Variable frequency drive with Tiny 25/45/85'.
> Beide Steuerungen kannst du mit Analogsignalen steuern oder durch
> Änderung der Software auch von irgendwas anderem.

Klingt schon gut - ist allerdings eine Frequenzsteuerung, und da bin ich 
auf Grund der obigen Argumente eher skeptisch.

> ...Ausprobieren...

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Allerdings habe ich ein bisschen 
Angst, dabei einen Motor zu killen, und Ersatzbeschaffung ist so gut wie 
unmöglich...

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Gerd Schweitzer schrieb:
> Klingt schon gut - ist allerdings eine Frequenzsteuerung, und da bin ich
> auf Grund der obigen Argumente eher skeptisch.

Du hast es dir nicht angeguckt, oder? Der Tiny kann mit Festfrequenz 
arbeiten und über das Poti die Amplitude steuern, oder (bei externer 
Kontrolle) sowohl Frequenz als auch Amplitude über Potis steuern.
Du könntest also den WR immer bei 50Hz lassen und trotzdem die Amplitude 
über den ADC Eingang steuern.

von Gerd S. (sigma9)


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Ja und nein...

Ich habs schon nachgeschaut, aber bei der Überscchrift "variable 
frequency drive" hab ich halt gedacht damit kann man NUR die Frequenz 
einstellen und nicht aufmerksam genug weitergelesen.

50Hz konstant lassen und Amplitude stellen klingt sehr gut.
Ich hab das zip von deiner HP runtergeladen, schaue es mir en detail an 
und komme evt. bei Fragen auf dich zurück.

von Stefan K (Gast)


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Wenn du die Steuerung schon einem Mikrocontroller übergibst mach sie 
besser als das Original: zur Schonung des Bandes wird das Drehmoment 
geregelt.
Dazu wird das Verhältnis der Drehzahlen beider Wickelteller ermittelt 
und der Bandzug anhand einer Tabelle konstant gehalten.
In diese Tabelle schreibst du den Bandwickelradius der Aufwickeltrommel 
gegen das Verhältnis der Umdrehungen der Wickelteller.
Für die Phase nach einem Startbefehl (Umspulen oder Play) wird, bis 
sinnvolle Daten von den Wickeltellern vorliegen, ein vorsichtig 
ausgelegtes Drehmoment angelegt, welches auch als Notprogramm bei 
Fehlfunktion der Steuerelektronik zur Anwendung kommen muss.
Viel Erfolg.

Stefan K.

von Gerd S. (sigma9)


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Danke für diese Idee!

Das werde ich so machen - insbesondere, weil ich sowieso schon an beiden 
Wickelmotoren Encoder habe. Mit einem Algorithmus sehr ähnlich deinem 
Vorschlag nutze ich das, um mittels MC die aktuelle Bandposition in 
Sekunden seit Bandanfang zu ermitteln. Das funktioniert so dann auch bei 
schnellem Vor- /Rücklauf.  Ist bisschen tricky, aber genau genug.

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Hast du an den Bandzugfühlern keine Lichtschranke? Ich glaube, es war 
eine Braun TG1000, die über diese Fühler (das Band läuft vor und nach 
den Köpfen darüber) die Wickelteller gesteuert hat und damit für sehr 
saubere Bandwickel gesorgt hat.
In einem Tiny85 ist noch jede Menge Platz neben den Sinusroutinen, da 
lässt sich so mancher Algorithmus implementieren. Beim Tiny25 kann es 
schon mal knapp werden.
Ich habe mir nur noch ein einziges Tonbandgerät aufbewahrt, aber das hat 
es in sich - eine Nagra IV SJ.

: Bearbeitet durch User
von Michael G. (transi)


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Ein schönes Teil hast du da.
Denke, eine gute Lösung für den Leistungsteil ist bereits im Schaltplan 
zu finden. Der Capstan Motor wird ja geregelt und ist auch ein 
Asynchronmotor der mit Phasenschieberkondensator läuft. Die Ansteuerung 
erfolgt über einen Brückengleichrichter mit Transistor als Stellelement. 
Damit ist eine kontinuierliche Amplitudenregelung realisiert
So eine Stufe sollte für die Wickelmotoren auch möglich sein. 
Ansteuerung des Transistor mittels der Drehzahl/Drehmoment 
proportionalem DC Signal, das natürlich mittels PWM und Siebung oder 
DA-Wandler erzeugt werden kann. Damit hast du alles Digital, bis auf die 
Leistungsstufe die dann aber auch so funktioniert wie sie in den Geräten 
dieser Kategorie (Revox, Braun usw.) immer realisiert wurde. Das Braun 
TG1000 oder die Revox A700 hat genau so eine Endstufe für die 
Bandzugregelung (mit Analoger Regelung).

Viel Spaß beim Digitalisieren der analogen Maschine

Gruß

Transi

von Gerd S. (sigma9)


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@Matthias:

Nein, hat das Original nicht. Deren Lösung: die Wickelmotoren mit 
geringem (aber konstantem, ungerelgelten) Gegen-Drehmoment das Band 
spannen lassen. Funktioniert befriedigend, aber nicht gut. Insbesondere 
am Anfang und Ende (sehr grosse/kleine Wickeldurchmesser) werden die 
Bandwickel nicht schön.
Auch das sollte digital und geregelt viel besser werden ;=)

MC: Kein Problem. Meine Lösung hat als Zentralgehirn einen mega1284 und 
drumherum mittlerweile drei tiny2313. Letztere sind letztlich 
intelligente Porterweiterungen und ersetzen für 1,60E Schieberegister, 
Adresslogik und Ausgangstreibertransitor-Array. Interne Kommunikation 
(1pin) via USART.

Nagra IV S3 kenne ich nicht, hört sich aber teuer an. Werd ich mal 
googlen.


@Michael:

Auch ne Idee... schaue ich mir mal genauer an. Allerdings glaube ich, 
das das was Matthias vorgeschlagen hat letztlich nicht so weit davon weg 
ist, nur mit modernen Bauteilen ausgeführt (gab es 1974 schon MOSFETs?).

Du hast recht - das Teil ist schön. Von aussen sowieso (finde ich), und 
von innen ist es im Rahmen der damaligen Möglichkeiten gut gebaut und 
die Mechanik sehr robust. Daher auch usprünglich meine Idee, das mit 
heutiger MP-Eleltronik aufzupeppen.


/Gerd

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Michael G. schrieb:
> Die Ansteuerung
> erfolgt über einen Brückengleichrichter mit Transistor als Stellelement.
> Damit ist eine kontinuierliche Amplitudenregelung realisiert
> So eine Stufe sollte für die Wickelmotoren auch möglich sein.

Das ist für die damalige Zeit eine sehr saubere und schöne Lösung, die 
auch keinerlei Störungen addiert - es wird halt nur die Leistung im 
Transistor verbraten, was aber bei 20W Motoren eben höchstens 20W sein 
können. Die Lösung mit einem PWM Generator und Amplitudenregelung ist 
sicher energiesparender, erfordert allerdings mehr Aufwand bzgl. der 
Filterung der PWM, damit da nichts in die Magnetköpfe und NF einstrahlt.

Gerd Schweitzer schrieb:
> Nagra IV S3 kenne ich nicht

Die Nagra IV S(-TC für Time Code) war zu ihrer Zeit das 
Filmtonbandgerät, Zweispur mit Rasen, in dem der Pilotton aufgezeichnet 
wurde. Im Film 'Lola rennt' spielt die IV S eine Hauptrolle. Die IV SJ 
war eher für Messzwecke und hat einen kalibrierten Vorverstärker mit 
Abschwächer, schaltbar in 1dB Stufen, hier wird der Pilotton mit FM 
Modulation aufgezeichnet.
https://en.wikipedia.org/wiki/Nagra

von Gerd S. (sigma9)


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Hallo,

wollte mal von meinen Fortschritten berichten - hatte während der Ferien 
ein wenig mehr Zeit.

1. Habe bei IBeh eine identische Maschine als defekt ersteigert. Habe 
nun ein komplettes Ersatzteillager und traue mich an den Motoren 
rumzufummeln.

2. Habe mehr und genauer gemessen. Resultat: der Motor hat vier 
verschiedene Zustände:
(a) Reverse-Betrieb (der andere Motor zieht): 5W
(b) Play: 20W
(c) Quicktension (2sec am Anfang um Band zu spannen): 70W
(d) Fast: 80W
Die Leistungen ergeben sich durch Anlegen der passenden Spannung. Die 
Impedanz von (Motorstrang1 // (Motorstrang2 + BetriebsC) = 140Ohm @ 
50Hz.

3. Habe alle Schaltpäne von Spulen-Tonbandgeräten die ich finden konnte 
(ca. 30 Stück) hinsichtlich der Motorsteuerung angeschaut (vielleicht 
kann man ja was lernen...). Das Ergebnis war ernüchternd:
- Fast alle (inc. Revox, Akai) machen das gleich: Motorspannnung mittels 
Relais umschalten.
- Ausnahme 1: Teac regelt mittels MC, nutzt aber 
Niedervolt-Gleichstrommotoren
- Ausnahme 2: Akai 730 hat meinen Motor mit Triacs statt Relais - also 
auch nur schalten, nicht regeln.
-Ausnahme 3: Otari baut heute noch Geräte mit MC, aber auch mit 
24V-Gleichspannungsmotoren.

Ist historisch interessant: zu den Zeiten, als die Ingenieure immer 
besser gelernt haben gute Geräte zu bauen, waren ICs gerade noch 
exotisch und daher teuer. Als diese später viel billiger wurden, baute 
man keine Spulengeräte mehr, was eine direkte Folge ist (MP3 etc waren 
einfacher und billiger). Hier kann man einen allgemeinen Trend 
beobachten: Mechanische Qualtität (teuer!) wird ersetzt durch "sloppy" 
Aufbau mit Verbesserung durch EEPROM-LUT.

Konsequenz:
Habe mich entschlossen, meine Regelung wie folgt zu machen:
- Leistung stellen durch Änderung der Amplitude einer 
50Hz-Sinusspannung.
- Dieses elektronisch realisieren durch Darlington-Push-Pull-Stufe mit 
entsprechender Dimensionierung. (Stichwort Wechselstromsteller im Forum)
- Optoentkopplung des Steuersignals am Eingang durch LED-LDR-Koppler.
- Referenzgewinnung am Ausgang mittels Kleinst-Trafo (galvan. getrennt!)
- eigentliche Regelung im MC

Im Moment bin ich dabei, diesen Schaltplan zu konkretisieren und 
passende Bauteile zu suchen (zB: MJ15003/4 als passendes NPN-PNP-Paar 
mit ausreichender Leistung und Spannungsfestigkeit).

Ist alles noch in Arbeit.

/Gerd

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