Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik EN 61010-1: Labornetzteile - Schutzkleinspannung?


von doone (Gast)


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Hallo Zusammen,

eine Frage: Wenn die Sicherheit eines Labornetzteils der EN 61010-1: 
Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und
 Laborgeräte – Allgemeine Anforderungen

entspricht, ist seine Ausgangsspannung dann Schutzkleinspannung? Sprich 
muss es einen Sicherheitstransformator enthalten oder kann in billigen 
auch was gefährlicheres verbaut sein?

Konkret geht es um das Peaktech 6035D - sollte aber bei der 
grundsätzlichen Frage keine Rolle spielen, solange der Trafo unter 50V 
ausgibt.

Würde mich brennend interessieren, besitze leider die Richtlinie nicht 
und hab schon viel Zeit mit googlen verbracht. Ich hoffe hier im Forum 
ist jemand schlauer und kann mir helfen. Vielleicht sogar mit einem 
kurzen Zitat aus der Richtlinie zu den Sicherheitsanforderungen an 
solche Geräte.

Natürlich ist ein Labornetzteil an sich Schutzklasse 1, jedoch müsste 
man das Arbeiten an der Ausgangsseite doch als "Arbeiten an 
Schutzkleinspannung" bezeichnen dürfen?

Danke und Gruß,
Doone

von Johannes E. (cpt_nemo)


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In der EN 61010 gibt es das Kapitel 6 - "Schutz gegen gefährliche 
Körperströme".

Dort sind die Schutzmaßnahmen beschrieben, die für so ein Gerät gelten.

Wenn die Ausgangs-Klemmen nicht ausreichend gegen Berührung geschützt 
sind, und davon kann man bei so einem Gerät ausgehen, dann muss die 
Ausgangsspannung selber ungefählich sein.

Da der Ausgang an einem Labornetzteil üblicherweise potentialfrei, also 
nicht geerdet ist, muss zum Netz hin entweder eine doppelte bzw. 
verstärkte Isolierung vorhanden sein.

Alternativ wäre von der Norm her auch eine geerdete Schutzabschirmung 
möglich. Dazu müsste der Trafo zwischen Primär- und Sekundärwicklung 
eine geerdete Folie haben, die einen enpsrechenden Querschnitt hat, was 
bei einem Labornetzgerät allerdings nicht sehr praktikabel ist.

doone schrieb:
> Natürlich ist ein Labornetzteil an sich Schutzklasse 1, jedoch müsste
> man das Arbeiten an der Ausgangsseite doch als "Arbeiten an
> Schutzkleinspannung" bezeichnen dürfen?

Das Gerät insgesamt ist Schutzklase 1, der Breich der Ausgangsspannung 
hat Schutzklasse zwei.

In der Norm steht dazu:
"Geräte, welche teilweise nach Schutzklasse II, jedoch auch teilweise 
nach Schutzklasse I gebaut sind, werden als Schutzklasse I eingestuft.


Der Begriff "Schutzkleinspannung" taucht in der 61010 nur im Anhang auf. 
Es wird dort also nicht direkt festgelegt, dass ein Labornetzgerät den 
Anforderungen der Schutzkleinspannung entsprechen muss! Es gibt ja auch 
Labornetzgeräte, die höhere Spannungen ausgeben.

Das bedeutet, nur wenn der Hersteller ausdrücklich angibt, dass das 
Gerät diese Anforderungen erfüllt bzw. wenn das Symbol für Schutzklasse 
III am Gerät vorhanden ist, ist es tatsächlich für Schutzkleinspannung 
geeignet.

von b35 (Gast)


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Der Beitrag von Johannes ist fein und schön erklärt!
(Das Thema ist bei genauem hinsehen ja nicht so einfach).

Zwei Anmerkungen darf ich noch machen.
- Labornetzgeräte können auch nach SK II gebaut werden.
- Kap. 6 lautet in der Ausgabe 2011-07 „Schutz gegen el. Schlag“ 
(pardon).

von Johannes E. (cpt_nemo)


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b35 schrieb:
> Kap. 6 lautet in der Ausgabe 2011-07 „Schutz gegen el. Schlag“

Danke, ich hab hier noch die Kopie einer älteren Version rumliegen...

von doone (Gast)


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Hallo,

vielen Dank für die (ausführlichen) Antworten. Mein Problem ist dass ich 
eine Gefährdungsbeurteilung für das Arbeiten an einem Labornetzteil 
erstelle. Hier benötige ich eine Begründung, warum bei einem 
Labornetzteil mit 24V und 2,5A keine Gefahr durch elektrischen Schlag 
besteht. Habe leider Probleme eine stichhaltige Argumentation zu finden.

Der verbaute Transformator hat den Aufdruck HH150-009 30025EY. Leider 
kann ich hierzu kein Datenblatt finden. Eine Schutzleiterverbindung zum 
Trafo ist nicht vorhanden.

In der CE-Erklärung steht: bezüglich der Niederspannungsrichtlinie 
(2006/95/EG) wurden die Normen EN-61010-1:2010 herangezogen.

Im Datenblatt hingegen heißt es: Sicherheit: IEC 1010-1.

Wäre:
Da die Ausgangsspannung des Netzteils maximal 24V DC beträgt und das 
Gerät entsprechend EN-61010-1:10 zertifiziert ist, besteht bei 
Verwendung eines nicht beschädigten Geräts keinerlei Gefährdung durch 
elektrischen Schlag, somit darf nach Unterweisung auch ohne Aufsicht 
einer Elektrofachkraft daran gearbeitet werden.
rechtlich sauber?

Unterweisung würde beinhalten:
- Gefahr bei Verwendung eines beschädigten Geräts - Nur einwandfreies 
Gerät verwenden
- Gefahr durch Wärme/Brand: Gerät nicht unbeaufsichtigt betreiben, bei 
Verlassen Netzstecker ziehen, keine angeschlossenen Schaltungsteile 
berühren
- Gefahr durch Lichtbogen: Bei Inbetriebnahme von Schaltungen 
Schutzbrille tragen
- Schaltungen, die auf Steckboards oder Platinen aufgebaut sind,dürfen 
keine Elektrolytkondensatoren oder Spulen enthalten. Solche Schaltungen 
dürfen nur mit einer Elektrofachkraft in Betrieb genommen werden.


Wäre dankbar für weiteres Feedback.

Danke und Gruß,
Doone

von Johannes E. (cpt_nemo)


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doone schrieb:
> Da die Ausgangsspannung des Netzteils maximal 24V DC beträgt und das
> Gerät entsprechend EN-61010-1:10 zertifiziert ist, besteht bei
> Verwendung eines nicht beschädigten Geräts keinerlei Gefährdung durch
> elektrischen Schlag,

1. Das Gerät ist nicht "zertifiziert", es gibt lediglich eine Erklärung 
des Herstellers bzw. Importeurs, dass das Gerät zur EN-61010-1:10 
konform ist. Eine Zertifizierung würde bedeuten, dass das Gerät von 
einer authorisierten Stelle geprüft worden ist und dann ein 
entsprechendes Zertifikat ausgestellt worden ist.

2. Konformität zur EN-61010-1:10 bedeutet nicht, dass "keinerlei 
Gefärdung" bestehen kann. Es gibt immer ein gewisses Restrisiko, vor 
allem wenn man nicht weiß, was mit diesem Gerät gemacht wird. Aus einer 
24V DC - Quelle kann man mit einer geeigneten Schaltung durchaus 
gefährliche Spannungen erzeugen.

doone schrieb:
> ... somit darf nach Unterweisung auch ohne Aufsicht
> einer Elektrofachkraft daran gearbeitet werden.

Das hört sich für mich ganz sinnvoll an.


> rechtlich sauber?

Da solltest du einen Jurist fragen. Es gibt da vermutlich viele Fallen, 
die man beachten muss.

> Unterweisung würde beinhalten:
> ...

Wo soll denn das Netzgerät eingesetzt werden? Ich würde die Unterweisung 
etwas spezifischer ausrichten:

Für Schule/Ausbildung ist es ja meistens so, dass die Schaltung vom 
Lehrer vorgegeben wird. Ich würde dann vorschreiben, dass nur solche 
Schaltungen damit betreieben werden dürfen, die vom Lehrer/Betreuer 
vorgegeben wurden oder die vom Lehrer/Betreuer genehmigt wurden.

Das bedeutet, die Schüler müssen zuerst erklären, was sie machen wollen. 
Wenn sich das für den Betreuer zu gefährlich anhört, dann wird er sagen, 
dass das nur unter Aufsicht geht.

Elkos und Spulen sind ja nicht generell gefährlich, solange die nicht 
bei hohen Spannungen betrieben werden.

Einen Step-Down Wandler mit Elkos, der z.B. von 24 V auf 12 V wandelt, 
kann man schon auch ohne Aufsicht betreiben. Ein Sperr-Wandler, der aus 
24V eine Hochspannung erzeugt, eher nicht.

Die Gefahr eines Lichtbogens ist bei 24V eigentlich nicht so groß, die 
Schutzbrillenvorschrift halte ich für etwas übertrieben.

Man könnte dann noch ein paar Punkte ergänzen:
- Labornetzgerät darf nicht geöffnet bzw. technisch verändert werden
- Es dürfen keine Spannungswandler für höhere Spannungen damit betrieben 
werden (z.B. Inverter für KFZ/LKW, Weidezaungeräte, ...)
- Es dürfen keine Labornetzgeräte in Reihe geschaltet werden.

von Reinhard Kern (Gast)


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doone schrieb:
> Habe leider Probleme eine stichhaltige Argumentation zu finden.

Die Schutzkleinspannung aus dem Titel ist es sicher nicht, das ist ein 
Missverständnis - damit ist die Versorgung eines Gerätes gemeint, nicht 
was rauskommt, also so eine kleine Bosch- oder Dremel-Spindel wird mit 
Schutzkleinspannung betrieben.

Die Schutzmassnahme Schutzkleinspannung gilt also für ein entsprechendes 
Gerät, das am Labornetzteil betrieben wird, aber nicht für das 
Labornetzteil selbst.

Gruss Reinhard

von oszi40 (Gast)


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Johannes E. schrieb:
> Schutzbrillenvorschrift halte ich für etwas übertrieben.

Auch kleine, verpolte Elkos eitern schlecht aus dem Auge. Erinnere Dich 
an Sünden aus der Lehrzeit.
Kleinspannung http://de.wikipedia.org/wiki/Kleinspannung

von Johannes E. (cpt_nemo)


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oszi40 schrieb:
> Auch kleine, verpolte Elkos eitern schlecht aus dem Auge.

Dass man sich die nicht ins Auge steckt, sollte eigentlich jedem klar 
sein. Das gilt aber auch für alle anderen Bauteile, Werkzeug usw. ;-)

Auch wenn man einen Elko verpolt an 24V anschließt, wird der einem nicht 
gleich ins Auge springen.

von Reinhard Kern (Gast)


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Johannes E. schrieb:
> Auch wenn man einen Elko verpolt an 24V anschließt, wird der einem nicht
> gleich ins Auge springen.

Da wäre ich nicht so sicher, ich musste schon mal nicht meine Augen, 
aber das Labor reinigen, weil überall Fetzchen mit ätzender Feuchtigkeit 
herumlagen. Aber es gibt sicher Menschen mit viel höherer 
Risikobereitschaft.

"wird schon nicht" war auch der Standardspruch in Tchernobyl.

Gruss Reinhard

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