Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Computernetzteil wiederbeleben


von Christian R. (cmrudolph)


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Hi,

am Wochenende hat mein Computernetzteil den Geist aufgegeben. Das lief 
so ab: zuerst konnte ich den PC nur anschalten, wenn das Netzteil 
mehrere Minuten lang in der Steckdose gesteckt hat. Manchmal ist der 
Computer nicht ganz angegangen - der Rechner hat Strom bekommen und die 
Lüfter haben für etwa 1/10 Sekunde angefangen zu drehen, dann ging der 
Rechner wieder aus und nach etwa 1 Sekunde drehten die Lüfter wieder 
ganz kurz. Das passierte in einer Endlosschleife.
Letztes Wochenende ließ sich der Rechner dann gar nicht mehr starten. 
Die LEDs auf dem Mainboard (dort sind aufgelötete, beleuchtete Power- 
und Resettaster) gingen erst nach etwa 10-20 Sekunden am Stom an - mit 
einem intakten Netzteil gehen sie sofort an.

Das Netzteil ist ein 600W Silverstone SST-ST60EF ATX Netzteil.
Hier einmal der Link zur Herstellerseite mit den technischen Daten 
(etwas nach unten scrollen):
http://www.silverstonetek.com/legacy.php?pid=186&area=en&model=ST60EF&tno=1

Nachdem das Netzteil jetzt 2 Tage stromlos war, habe ich es 
aufgeschraubt. Zwei Elkos sind leicht gewölbt.

Ich habe mal Detailaufnahmen gemacht und angehängt.
Auf dem ersten Bild sind die zwei Elkos zu sehen. Das zweite Bild ist 
eine (leider etwas unscharfe) Komplettaufnahme der Oberseite. Das dritte 
Bild zeigt die Platinenunterseite und das vierte den Ausschnitt der 
Platinenunterseite, an der die Elkos sitzen (in der Mitte, bei der 201er 
Reihe).

Wie schätzt ihr die Wahrscheinlichkeit ein, dass ich das Netzteil durch 
Austausch der Elkos wieder zum Laufen bekomme? Sollte ich irgend etwas 
anderes noch beachten?

von Joerg L. (Firma: 100nF 0603 X7R) (joergl)


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Christian Rudolph schrieb:
> Zwei Elkos sind leicht gewölbt.

Eindeutig. Die haben "dicke Backen"
Das sind die 2 aus dem Standby-Netzteil.

> Wie schätzt ihr die Wahrscheinlichkeit ein, dass ich das Netzteil durch
> Austausch der Elkos wieder zum Laufen bekomme?

Das hängt von Deiner Erfahrung ab.

Wie sind die anderen Elkos? Alle okay?
Irgendwas geplatzt, hat etwas geknallt oder gezischt?

Das eigentliche Problem: die jetzt noch intakten Elkos werden den 
defekten folgen. Früher oder später. Und dann ist die Frage berechtigt, 
ob sich der Aufwand lohnt....

von oszi40 (Gast)


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Christian Rudolph schrieb:
> Austausch der Elkos wieder zum Laufen bekomme? Sollte ich irgend etwas
> anderes noch beachten?

Du weißt, daß Strom gefährlich ist und beim Zusammenbau keine heißen 
Teile an die Kabel kommen dürfen. Dann suchst Du den kleinen Elko, der 
Anlaufschaltung, den ich leider nicht gleich gefunden habe. Zu 20% habe 
ich Hoffnung, der Rest erfordert mehr Aufwand und Wissen, da sich bei 
Schaltnetzteilen "die Katze oft in den Schwanz beißt".

von Christian R. (cmrudolph)


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Mit Netzteilen habe ich keine Erfahrung - Löten ist aber kein Problem. 
Von welcher Art von Erfahrung sprichst du?
Die anderen Elkos sehen noch absolut in Ordnung aus.
Es hat auch nichts geknallt, gezischt und noch nicht einmal gepfiffen 
oder hochfrequent gepiepst. Alles in allem war es ein stiller Tod.

Ich zähle etwa 13 Elkos, inklusive den zwei defekten und dem riesigen 
390µF Elko.

> Du weißt, daß Strom gefährlich ist und beim Zusammenbau keine heißen
> Teile an die Kabel kommen dürfen.
Ja, das weiß ich.

> Zu 20% habe
> ich Hoffnung, der Rest erfordert mehr Aufwand und Wissen, da sich bei
> Schaltnetzteilen "die Katze oft in den Schwanz beißt".
Danke für die Einschätzung.

: Bearbeitet durch User
von Kein Name (Gast)


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>Sollte ich irgend etwas anderes noch beachten?

Auf Ebay gibt es das Ding neu für 69,27 ohne Versandkosten. Da musst du 
aufpassen, dass du nicht mit 3x Ersatzteile bestellen mehr bezahlst.

von Sinus T. (micha_micha)


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Die Standby-Baugruppe im Netzteil ist, falls nicht extern abgeschaltet, 
im Dauerbetrieb. Die Bauelemente werden also wesentlich stärker 
gestresst, als die im Haupt-Netzteil.
Es lohnt sich auf alle Fälle, die Elkos im SB-Teil zu wechseln. Man muss 
nicht befürchten, das der Rest gleich nachfolgt

von Hans J. (step_up_mosfet)


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Christian Rudolph schrieb:
> Ich zähle etwa 13 Elkos, inklusive den zwei defekten und dem riesigen
> 390µF Elko.

Der 390µF Elko ist nicht defekt.

Es sind eigentlich immer die Elkos am Ausgang, oft liegen noch ein 
Haufen Kabel über und neben den Elkos so dass sie nur sehr schlecht 
gekühlt werden können.

Das die Kondensatoren da sitzen und gekocht werden wird Absicht sein ... 
sonst würden die Leute nur ein mal ein Netzteil kaufen und müssten sich 
nur noch eine neue CPU/Mainboard/RAM anschaffen.

Tausche einfach die kleinen Ausgangselkos (10 bis 16V und meist über 
1000µF) aus.
Die Elkos die besonders nahe an der Gleichrichterdiode sind haben oft 
einen kompletten Kapazitätsverlust oder sogar einen internen 
Kurzschluss.

Wenn du dein Netzteil nach dem Austausch der Elkos wieder läuft solltest 
du darauf achten dass die neuen ordentlich gekühlt werden.
Ich hab bei meinem Netzteil mit der Blechschere ein rechteckiges Loch 
erzeugt indem ich dort wo die Kabel sind etwas Blech weggeschnitten 
habe.

Das Blech muss dann ordentlich mit einer Feile abgerundet werden damit 
die Kabel nicht eingeschnitten werden.
Hinter dem neuen Loch sitzt nun ein weiterer Lüfter der mit 5V läuft.


Vorsicht: Ziehe immer den Netzstecker, schließe den Eingangselko kurz 
und erde ihn an einer geerdeten Rohrleitung.
Zur Sicherheit solltest du das Kaltgerätekabel rausziehen und dich etwas 
weiter von den Steckdosen wegsetzen, so dass du nicht beim letzten Test 
doch noch das Kabel stecken lassen hast.

Teste das Netzteil auch nicht am PC, sondern nutze an 5V eine 
Halogenlampe um dem Netzteil eine Mindestlast vorzugaukeln.
Aktivieren kannst du das Netzteil indem du den PS_On-Pin mit GND 
verbindest.
http://www.hardware-experten.de/tutorials/74-tutorial-atx-netzteil-ohne-board-starten

von Christian R. (cmrudolph)


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Hans Jelt schrieb:
> sonst würden die Leute nur ein mal ein Netzteil kaufen und müssten sich
> nur noch eine neue CPU/Mainboard/RAM anschaffen.

Interessant. Das Netzteil ist nämlich schon älter als der Rest des PCs 
(abgesehen von Peripherie), weil ich CPU, Mainboard und RAM 
zwischenzeitlich mal ausgetauscht habe.

Hans Jelt schrieb:
> Aktivieren kannst du das Netzteil indem du den PS_On-Pin mit GND
> verbindest.

Genau so hatte ich zwischenzeitlich (als der Rechner immer wieder 
durchgestartet ist, siehe erstes Posting) getestet, ob das Netzteil 
funktioniert. Mit der Überbrückung lief es, sodass ich den Fehler 
erstmal auf das Mainboard geschoben habe.

Danke für die Tipps, ich werde die Elkos dann demnächst austauschen.

Natürlich werde ich auch die Sicherheitshinweise beachten.

von Hilde (Gast)


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Auf der Unterseite solltest Du mal die Lötstellen checken!
Auf Bild NT_Platine.jpg gibt es einen Schlitz, linke Seite 2. Lötstelle 
von oben schaut "kalt" aus. Auch gibt es im oberen mittlere und linken 
teil zwei Minimelf Doden. Jeweils links davon sind drei Lötstellen 
(vermutlich von einem bedrahteten Transistor), die beiden mittleren Pins 
wollen auch nachgelötet werden.

von 3svgq34z (Gast)


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Hilde schrieb:
> NT_Platine.jpg


Schau mal ganz links auf dem Foto den SOT-Transistor an.

Ist der geschmolzen?

Das Netzteil wird wohl auch ohne 5V_STANDBY mittels POWER_ON gegen
GND starten. Dein Mainboard braucht aber die 5V_STANDBY, um überhaupt
das Signal POWER_ON sinnvoll bedienen zu können.
Daher ist es nicht ganz abwegig, wenn das Netzteil zwar manuell
startet, am Mainboard aber nicht.

Die Elkos vom Standby-Netzteil kann man ja einfach tauschen.
Reichelt hat hier z.B. die FC- (besser FR-)Serie von Panasonic im
Programm.

Du kannst auch gleich alle Sekundär-Elkos tauschen, auch die vom
"Haupt"netzteil. Dann hat sich das erst mal erledigt.

Wenn ich schon diese türkise (?) Farbe der Elkos sehe, weiß ich schon
Bescheid.

von Christian R. (cmrudolph)


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Hilde schrieb:
> linke Seite 2. Lötstelle
> von oben schaut "kalt" aus

Die Lötstelle sieht live besser aus, als auf dem Foto.

Hilde schrieb:
> Jeweils links davon sind drei Lötstellen
> (vermutlich von einem bedrahteten Transistor), die beiden mittleren Pins
> wollen auch nachgelötet werden

Ja, es sind Transistoren. Und die Lötstellen sehen wirklich nicht so gut 
aus.

3svgq34z schrieb:
> Schau mal ganz links auf dem Foto den SOT-Transistor an.
>
> Ist der geschmolzen?

Der sah auch in echt geschmolzen aus, es war aber nur ein Kleber, der 
sich leicht abkratzen ließ. Darunter sieht der Transistor unversehrt 
aus.

3svgq34z schrieb:
> Die Elkos vom Standby-Netzteil kann man ja einfach tauschen.
> Reichelt hat hier z.B. die FC- (besser FR-)Serie von Panasonic im
> Programm.

Und Low ESR ist für die Elkos in Ordnung? Im eingebauten Zustand kann 
ich zumindest nicht sonderlich viel Beschriftung auf den Elkos erkennen, 
abgesehen von der Spannungsfestigkeit und Kapazität.
Preislich ist der Unterschied zwischen den FC und FR gar nicht so groß, 
da kann ich auch gleich die FR nehmen.

3svgq34z schrieb:
> Wenn ich schon diese türkise (?) Farbe der Elkos sehe, weiß ich schon
> Bescheid.

Ist die Qualität der Teapo Elkos so schlecht? :D

Und nochwas: aud der Platine sind zwei Verstellwiderstände, die sicher 
zur Kalibrierung gedacht sind. Die kann ich einfach ignorieren?

von Matthias K. (kannichauch)


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Hallo

Die Elkos altern, besonders bei Hitze und manche Sorten sowieso.
Wenn Du löten kannst, löte doch die verdächtigen Elkos einmal aus und 
prüfe sie.(Kapazität und evtl. Selbstentladung) Unbedingt Polarität und 
Einbauort merken, bzw. aufschreiben.

Der Ersatz für die Elkos muss geeignet sein, also spezielle Typen.

Ist noch ein weiterer Fehler vorhanden, halte ich die Fehlersuche für zu 
aufwendig. Dann braucht man mehr Kenntnisse und spezielle Teile.
Dann würde ich persönlich auf eine Reparatur verzichten.
Es kommt auch drauf an, wie gut Du die elektrische Sicherheit 
bewerkstelligen kannst.

Das Netzteil nachher ohne Mainboard oder mit altem Mainboard testen.
Spannungen messen.

Mir sind mal Elkos in einem Netzteil explodiert, konnten nachher 
ausgetauscht werden, wieder alles ok.

MfG
Matthias

von 3svgq34z (Gast)


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Christian Rudolph schrieb:
> Und Low ESR ist für die Elkos in Ordnung?


Ich würde eher sagen zwingend notwendig.


> Im eingebauten Zustand kann
> ich zumindest nicht sonderlich viel Beschriftung auf den Elkos erkennen,
> abgesehen von der Spannungsfestigkeit und Kapazität.


Die kann man auch mal auslöten :-)


> Preislich ist der Unterschied zwischen den FC und FR gar nicht so groß,
> da kann ich auch gleich die FR nehmen.


Solange das später mit den verfügbaren Bechergrößen/Rastermaßen passt, 
würde ich auch immer FR bevorzugen.


> 3svgq34z schrieb:
>> Wenn ich schon diese türkise (?) Farbe der Elkos sehe, weiß ich schon
>> Bescheid.
>
> Ist die Qualität der Teapo Elkos so schlecht? :D


Ich würde diesen Hersteller nicht einsetzen.
Vergleiche doch mal das Datenblatt der eingesetzten Kondensatoren mit
den neuen von z.B. Panansonic FC/FR.


> Und nochwas: aud der Platine sind zwei Verstellwiderstände, die sicher
> zur Kalibrierung gedacht sind. Die kann ich einfach ignorieren?


Ja. Oder willst Du noch zusätzlich zur Reparatur Deines Netzteils etwas 
verstellen? Wohl kaum.

von Christian R. (cmrudolph)


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Danke nochmal für die ausführlichen Hinweise. Dann werde ich die Elkos 
demnächst austauschen. Die Kosten liegen (mit der FR Serie bei Reichelt) 
unter 7 Euro, wenn ich alle bis auf den großen Becherelko austausche. 
Wenn es dann funktioniert ist gut, wenn nicht, dann ist es auch nicht 
schlimm.

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