Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Vereinfachter Multivibrator


von Andreas B. (golbi)


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Hallo zusammen,

ich bin absoluter Elektronik-Anfänger und versuche gerade die auf dem 
Bild dargstellte Schaltung zu verstehen, was mir aber leider nicht so 
recht gelingen mag.

Hier mal meine ersten Gedanken dazu:
Am Anfang ist der linke Transistor durchgeschaltet. Da der Kondensator 
zunächst noch keinen Widerstand darstellt, fließt ein Großteil des 
Basisstromes vom linken Transistor durch den 1k-Widerstand und der 
Kondensator wird aufgeladen. Nach und nach nimmt der Widerstand des 
Kondensators zu und der Aufladestrom nimmt ab. Dadurch wird die Spannung 
am Kollektor des rechten Transistors größer und dieser schaltet durch.


Jetzt liegt die rechte Seite des Kondensators am Minuspol der Batterie 
und es kommt zur Entladung.

An dem Punkt komm ich nun nicht mehr weiter. Sind meine Ideen bisher 
zumindest ansatzweise richtig?

Viele Grüße,
golbi

: Bearbeitet durch User
von Wolfgang (Gast)


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Andreas Blubb schrieb:
> Jetzt liegt die rechte Seite des Kondensators am Minuspol der Batterie
> und es kommt zur Entladung.
>
> An dem Punkt komm ich nun nicht mehr weiter

Dann probiere doch mal, deine Schaltung mit LTSpice zu simulieren. Das 
erlaubt dir, nach herzenslust den zeitlichen Verlauf von u.a. beliebigen 
Spannungen in der Schaltung zu verfolgen.

von Martin S. (sirnails)


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Andreas Blubb schrieb:
> Am Anfang ist der linke Transistor durchgeschaltet.

Nein. Bei 44kOhm Basiswiderstand fließen etwa 200µA Basisstrom. Das ist 
recht wenig und wird den Transitor keinesfalls in die Sättigung treiben. 
Eventuell dürfte er aber schon leiten.

Andreas Blubb schrieb:
> Da der Kondensator
> zunächst noch keinen Widerstand darstellt, fließt ein Großteil des
> Basisstromes vom linken Transistor durch den 1k-Widerstand und der
> Kondensator wird aufgeladen.

Eher nicht. Wenn, dann könnte hier nur der Strom der 
Basis-Emitterstrecke vom linken Transistor fließen, und der ist recht 
klein.

Eher leitet der rechte Transistor im Einschaltmoment. Seine Basis liegt 
über 22k an 9V. Es fließen damit 400µA Basisstrom. Bei einem Beta von 
100 entspräche das 40mA Kollektorstrom. Die LED leuchtet, es fallen über 
ihr irgendwas um die 3V ab, über den Widerstand 9V - 3V - 
Sättigungsspannung, also etwa 6 Volt, sodass der Kondensator auf auf 
Masse gezogen wird. Er liegt nun mit 22K + 22k + 1k auf Masse und lädt 
sich auf während er selbst einen 22k zu 1k Spannungsteiler bildet. An 
der Basis des linken Transistor stellt sich damit ein zunehmendes 
Potential ein, wodurch der Transistor zunehmend leitend wird und das 
Potential an der Basis des rechten Transistors verringert. Dadurch dass 
der rechte Transistor weniger leitet, steigt auch das Potential am 
Kondensator. Je höher das Potential am Kondensator wird, umso weniger 
Strom fließt durch diesen umso mehr sperrt der linke Transistor was 
seinerseits wieder dazu führt, dass der rechte Transistor immer 
leitender wird.

Zumindest jetzt mal auf einen schnellen Blick.

von Wilhelm F. (Gast)


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Andreas Blubb schrieb:

> ich bin absoluter Elektronik-Anfänger und versuche gerade die auf dem
> Bild dargstellte Schaltung zu verstehen, was mir aber leider nicht so
> recht gelingen mag.

Wo hast du das gefunden?

von Andreas B. (golbi)


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Danke für die schnelle Antwort, Martin, hat mir sehr geholfen.

Eins ist mir aber noch nicht ganz klar geworden:

Ich verstehe nicht wie der Kondensator einen Einfluss auf die 
Basisspannung des rechten Transistors haben kann.

Kannst du mir nochmal genau erklären, was du damit meinst, dass der 
Kondensator einen 22k zu 1k Spannungsteiler sein soll?

von Andreas B. (golbi)


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Wilhelm F. schrieb:
> Andreas Blubb schrieb:
>
>> ich bin absoluter Elektronik-Anfänger und versuche gerade die auf dem
>> Bild dargstellte Schaltung zu verstehen, was mir aber leider nicht so
>> recht gelingen mag.
>
> Wo hast du das gefunden?


Hab mir ein Lernpaket von Conrad für Einsteiger bestellt. Da war die 
Schaltung mit drinnen.

von Martin S. (sirnails)


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Andreas Blubb schrieb:
> Kannst du mir nochmal genau erklären, was du damit meinst, dass der
> Kondensator einen 22k zu 1k Spannungsteiler sein soll?

Ganz einfach. Links sperrt. Damit liegt die Basis am Transistor rechts 
mit einem Serienwiderstand von 22k auf Vcc. TR leitet. Wenn TR leitet, 
fällt über ihn die Kollektor-Emitterspannung von etwa 0,3V ab. Der 
rechte Anschluss des Kondensators liegt damit auf Masse + 0,3V - also 
auf Masse.

Wenn Du den Pfad jetzt von hinten verfolgst, so liegt der Kondensator 
auf Masse, dann kommt in Reihe ein 1k Widerstand, dann kommt ein Knoten 
an dem die Basis von TL liegt, dann ein 22k Widerstand, ein Knoten an 
dem die Basis von TR liegt, aber auch der 22k Widerstand gegen VCC. 
Ignoriert man an dieser Stelle also beide Knoten sowie deren Basen, so 
liegt der Kondensator in Reihe mit zwei mal 22k sowie 1k. Jetzt gehe ich 
davon aus, dass der erste Widerstand (der obere 22k) herausfällt, da 
kein Basisstrom an der Basis von TL fließt. Der Kondensator stellt einen 
Kurzschluss dar sodass sich an der Basis das Potential des unbelasteten 
Spannungsteilers 22k zu 1k einstellt.

Das ist aber nur eine ganz ganz kurze Momentaufnahme, denn der 
Kondensator beginnt ja standepedes sich aufzuladen. Dadurch steigt das 
Potential natürlich an und die Basisspannung an TL wird zunehmend 
angehoben wodurch der Transistor zunehmend leitend wird.

von Andreas B. (golbi)


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Kannst du mir vielleicht nochmal kurz erklären, warum die den oberen 22k 
Widerstand vernachlässigen kannst?

von Martin S. (sirnails)


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Weil kein Strom fließt und damit keine Spannung abfällt.

von Andreas B. (golbi)


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und der Basisstrom von TR?

von Andreas B. (golbi)


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Kann ich mir nicht folgende Masche denken:

Minuspol - leitender TR - leitender Kondensator - 1k Widerstand - 22k 
Widerstand - zweiter 22k Widerstand - Pluspol

Dann wäre der für mich ein 1k / 44k Spannungsteiler.

von einen Namen (Gast)


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LTSpice runterladen und selber simulieren :-)

von Utschitelnitza (Gast)


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Martin Schwaikert schrieb:
> Andreas Blubb schrieb:
>> Am Anfang ist der linke Transistor durchgeschaltet.
>
> Nein.

Halte dagegen: Doch.

> Bei 44kOhm Basiswiderstand fließen etwa 200µA
> Basisstrom. Das istrecht wenig und wird den Transitor
> keinesfalls in die Sättigung treiben.

So weit, so gut. - Aber das ist erst die halbe Wahrheit.
Es existiert nämlich ein zweiter Strompfad: Leuchtdiode,
1k-Widerstand, 10µ-Kondensator, noch ein 1k-Widerstand,
Basis-Emitter-Strecke, Masse.

Im Einschaltmoment ist der Elko, wie Andreas richtig erkannt
hat, ein Kurzschluss; es werden mehrere Milliampere in die
Basis des linken Transistors fließen. Der linke Transitor
steuert also durch.

> Andreas Blubb schrieb:
>> Da der Kondensator zunächst noch keinen Widerstand darstellt,
>> fließt ein Großteil des Basisstromes vom linken Transistor
>> durch den 1k-Widerstand und der Kondensator wird aufgeladen.
>
> Eher nicht.

Doch, genau das.

> Wenn, dann könnte hier nur der Strom der Basis-Emitterstrecke
> vom linken Transistor fließen, und der ist recht klein.

Wie kommst Du darauf?

Die Basis-Emitter-Strecke ist primär eine Diode. Wenn die
Beschaltung passt, können prinzipiell auch 10mA oder noch
mehr in die Basis fließen. Dass der Transistor dann meilenweit
übersteuert ist (Sättigung), ist ja eine ganz andere Frage...

von Andreas B. (golbi)


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Danke für die Antwort.

Ich steh grad ein bisschen auf dem Schlauch. Durch die Masche Pluspol - 
22k - 22k - Basis-Emitter-Diode des linken Transistors - Minuspol ist 
doch die Spannung an der Basis-Emitter-Diode des linken Transistors 
vorgegeben.

Wie kann dann der von dir genannte zweite Strompfad einen Einfluss auf 
diese Spannung haben?

: Bearbeitet durch User
von Utschitelnitza (Gast)


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Andreas Blubb schrieb:

> Ich steh grad ein bisschen auf dem Schlauch. Durch die
> Masche Pluspol - 22k - 22k - Basis-Emitter-Diode des linken
> Transistors - Minuspol ist doch die Spannung an der
> Basis-Emitter-Diode des linken Transistors vorgegeben.

Nein, keineswegs. Wieso sollte?!

Es ist erstmal nur ein Widerstand von 44k vorhanden, der in
Richtung "Plus" zieht (sofern der linke Transistor gesperrt
ist, natürlich).

Welches Potenzial sich einstellt, hängt natürlich davon ab,
welche Widerstände an dem Punkt noch angeschlossen sind, und
welche Potenziale an den "anderen" Seiten dieser Widerstände
herrschen.

Knotensatz.

> Wie kann dann der von dir genannte zweite Strompfad einen
> Einfluss auf diese Spannung haben?

Ääähhh ...?!?!

Von der Basis des linken Transistors gehen zwei Widerstände
ab: Einmal ein 22k, und einmal 1k.

Wenn man den 1k auf +9V legt, fließen 9mA in die Basis hinein.
Wenn man den 22k auf +9V legt, fließen 0.4mA in die Basis hinein.
Die Steuerwirkung des 1k ist 22mal stärker als die Steuerwirkung
des 22k.

War das jetzt irgendwie verständlich? Oder kannst Du Dein Problem
nochmal anders formulieren?

von Andreas B. (golbi)


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Utschitelnitza schrieb:

> Welches Potenzial sich einstellt, hängt natürlich davon ab,
> welche Widerstände an dem Punkt noch angeschlossen sind, und
> welche Potenziale an den "anderen" Seiten dieser Widerstände
> herrschen.
>
> Knotensatz.


Ich glaube hier liegt mein Problem. Ich verstehe nicht, warum die 
anderen Seiten einen Einfluss auf die Spannung haben.

Ich gehe ja vom Pluspol zum 44k Widerstand, dann zur Basis-Emitter-Diode 
und dann zum Minuspol. Das ist eine komplette Masche. Jetzt kenn ich die 
Kennlinie der Basis-Emitter-Diode und kann dort die Kennlinie des 
44k-Widerstandes einzeichen. Durch Widerstand und Diode muss der selbe 
Strom fließen, also kann ich doch genau ablesen, welche Spannung an der 
Diode abfallen muss. Oder?

: Bearbeitet durch User
von Utschitelnitza (Gast)


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Andreas Blubb schrieb:
> Ich glaube hier liegt mein Problem. Ich verstehe nicht,
> warum die anderen Seiten einen Einfluss auf die Spannung
> haben.

Irgendsoetwas hatte ich vermutet :)

> Ich gehe ja vom Pluspol zum 44k Widerstand, dann zur
> Basis-Emitter-Diode und dann zum Minuspol.

Ja, gut.

> Das ist eine komplette Masche.

Ja.

> Jetzt kenn ich die Kennlinie der Basis-Emitter-Diode und
> kann dort die Kennlinie des 44k-Widerstandes einzeichen.
> Durch Widerstand und Diode muss der selbe Strom fließen,

Nein.

Du verwendest gerade das Prinzip "Spinat wird wesentlich
schmackhafter, wenn man ihn kurz vor dem Verzehr durch ein
saftiges Schnitzel ersetzt".

An der Basis ist noch ein weiterer Widerstand angeschlossen,
nämlich der vieldiskutierte 1k-Widerstand!

Es ist richtig, dass durch die 44k ein gewisser Strom in den
Knoten eingeprägt wird. In den *Knoten!*
Es garantiert niemand, dass dieser eingeprägte Strom ausgerechnet
durch die Basis des Transistors abfließt! Er kann auch durch den
1k-Widerstand abfließen!

> also kann ich doch genau ablesen, welche Spannung an der
> Diode abfallen muss.

Nein!

Abstrakt ausgedrückt: Du verwechselst Maschenströme und Zweigströme.

Maschenströme sind reine Rechengrößen, die Du einführen kannst,
wie Du lustig bist. Wenn Dein Maschenstrom durch die 44k und
die B-E-Strecke des linken Transistors fließen soll, ja dann ist das
eben so. Kein Problem. Das ist Deine Entscheidung.

Du darfst aber nicht argumentieren, dass jetzt genau dieser
Maschenstrom durch die B-E-Strecke des Transistors fließt. Das
wäre nur dann der Fall, wenn die B-E-Strecke nur zu genau einer
Masche gehören würde.

*Das ist aber nicht der Fall!*

Die B-E-Strecke des linken Transistors gehört auch zur Masche
"LED - 1k - 10µ - 1k - Basis-Emitter-Strecke - Masse".

Der Zweigstrom, der in der Basis-Emitter-Strecke des linken
Transistors fließt, ergibt sich aus der Überlagerung der beiden
Maschenströme. Das ist einfach so, weil dieser Zweig zu beiden
Maschen gehört.

von Martin S. (sirnails)


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Utschitelnitza schrieb:
> Maschenströme sind reine Rechengrößen, die Du einführen kannst,
> wie Du lustig bist.

Richtig. Und sie dienen nur dazu, ein linear abhängiges Gleichungssystem 
aufzustellen, welches dann mit Verfahren wie dem alten Gauß gelöst 
werden kann. Nur die Gesamtheit aller Gleichungen repräsentiert das 
Schaltungsnetzwerk.

>> Bei 44kOhm Basiswiderstand fließen etwa 200µA
>> Basisstrom. Das istrecht wenig und wird den Transitor
>> keinesfalls in die Sättigung treiben.
>
> So weit, so gut. - Aber das ist erst die halbe Wahrheit.
> Es existiert nämlich ein zweiter Strompfad: Leuchtdiode,
> 1k-Widerstand, 10µ-Kondensator, noch ein 1k-Widerstand,
> Basis-Emitter-Strecke, Masse.
>
> Im Einschaltmoment ist der Elko, wie Andreas richtig erkannt
> hat, ein Kurzschluss; es werden mehrere Milliampere in die
> Basis des linken Transistors fließen. Der linke Transitor
> steuert also durch.

Ach ja richtig. Da hast Du recht. Im Einschaltmoment wird hier ein 
Stromstoß den Transistor durchschalten - vermutlich voll in die 
Sättigung (bei etwa 2,6mA Spitzenstrom). Das ändert natürlich die 
Anfangsbedingung.

>> Wenn, dann könnte hier nur der Strom der Basis-Emitterstrecke
>> vom linken Transistor fließen, und der ist recht klein.
>
> Wie kommst Du darauf?

Weil ich davon ausging, dass mit 22K Basiswiderstand der TR durchsteuert 
und damit das Potential vom Kondensator auf Masse zieht. Allerdings sind 
die 380µA Basisstrom vom TR natürlich deutlich kleiner als die 2,6mA vom 
TL. Und somit dürfte Dein Einwand berechtigt sein.

von Andreas B. (golbi)


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Danke nochmals. Das mit den Strömen hab ich jetzt verstanden. Ich bin 
einfach davon ausgegangen, dass der Strom durch die BE-Diode vollständig 
durch den 44k Widerstand fließt. Da dies nicht der Fall ist, ist das mit 
der graphischen Lösung oben natürlich falsch. Das ist mir jetzt klar.

Neuer Versuch zur Schaltung:
Am Anfang ist TL leitend, wodurch TR sperrt. Der Basisstrom der TL lädt 
den Kondensator auf, wodurch dieser immer hochomiger wird. Dann fließt 
immer mehr Strom durch den 44k Widerstand und die CE-Spannung am TL wird 
immer kleiner. TL gerät in Sättigung und am TR fällt die 
Sättigungsspannung ab. TR wird leitend und der Kondensator entlädt sich. 
Dadurch nimmt die CE-Spannung am TL wieder zu und das Spiel beginnt von 
Neuem.

von Martin S. (sirnails)


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Andreas Blubb schrieb:
> TL gerät in Sättigung und am TR fällt die

Nein, dafür reicht der Basisstrom nicht ansatzweise aus. Allerhöchstens 
im Einschaltmoment. Im schwingenden Zustand nicht.

> Sättigungsspannung ab.

Nein, umgekehrt. Er ist im Einschaltmoment in Sättigung und läuft 
allmählich über seinen linearen Bereich in Richtung Knick.

> TR wird leitend und der Kondensator entlädt sich.

Genau. Damit ist die Zeitkonstante bestimmt.

> Dadurch nimmt die CE-Spannung am TL wieder zu und das Spiel beginnt von
> Neuem.

Ja (ohne jetzt nochmal auf die Schaltung gesehen zu haben).

von Udo S. (urschmitt)


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Bipolar-Transistor-Multivibratoren sind oft etwas tricky weil man
1. Die Ströme vorrangig vor den Spannungen sehen muss
2. Im Umschaltmoment sich die Spannungssprünge an beiden Seiten des 
Kondensators vorstellen muss.
Ich hatte mir als Jugendlicher da auch öfter die Haare gerauft. Damals 
gbs aber noch keine Simulationen für den PC.

von Andreas B. (golbi)


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Martin Schwaikert schrieb:

> Nein, umgekehrt. Er ist im Einschaltmoment in Sättigung und läuft
> allmählich über seinen linearen Bereich in Richtung Knick.

Was meinst du genau mit "in Richtung Knick"? Was passiert, wenn die 
CE-Spannung zurückgeht genau?

von Utschitelnitza (Gast)


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Andreas Blubb schrieb:
> Am Anfang ist TL leitend,

Ja.

> wodurch TR sperrt.

Ja.

> Der Basisstrom der TL lädt den Kondensator auf,

Ja.

> wodurch dieser immer hochomiger wird.

Sehr unschöne Formulierung. - Die Spannung am Kondensator
steigt, ja. Der Ladestrom, der ja auch der Basisstrom von
TL ist, sinkt.

> Dann fließt immer mehr Strom durch den 44k Widerstand

Nein. Die beiden 22k spielen bis jetzt keine Rolle.

> und die CE-Spannung am TL wird immer kleiner.

Nein. TL ist ja die ganze Zeit schon in der Sättigung, die
CE-Spannung von TL ist die ganze Zeit schon nur 50mV, oder
100mV.
Solange Ladestrom fließt, ist TL voll geöffnet, also
maximal leitfähig.

> TL gerät in Sättigung

Nein.

Umgekehrt: Wenn der Elko fast voll ist, ist der Ladestrom
sehr niedrig. Der Elko-Ladestrom ist aber gleichzeitig der
Basisstrom vom TL!
Bei fast vollem Elko wird der Lade-(Basis-)Strom zu klein,
um TL weiterhin voll geöffnet zu halten. TL steuert langsam
zu, d.h. seine CE-Spannung wird langsam größer (positiver).

Wenn die CE-Spannung von TL etwa 0.7V erreicht hat, beginnt
TR aufzusteuern. Die CE-Spannung von TR sinkt. Dadurch
ändern sich die Spannungs- und Stromverhältnisse am Elko;
der Ladestrom reißt fast schlagartig ab, dadurch wird TL
fast schlagartig zugesteuert.
Die Basis von TR liegt jetzt über 22k (also den Kollektor-
widerstand von TL) auf Plus; es fließt ein Basisstrom von
etwa 0.4mA in die Basis von TR. Jetzt ist TR aufgesteuert
und in der Sättigung, während TL zugesteuert (gesperrt)
ist.

Die Entladephase beschreibe ich jetzt nicht noch, das ist
mir zu anstrengend. :)

von Utschitelnitza (Gast)


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Udo Schmitt schrieb:
> Bipolar-Transistor-Multivibratoren sind oft etwas tricky weil man
> 1. Die Ströme vorrangig vor den Spannungen sehen muss

Stimmt.

> 2. Im Umschaltmoment sich die Spannungssprünge an beiden
> Seiten des Kondensators vorstellen muss.

Ja, sehr richtige Anmerkung.

Um das nochmal hervorzuheben: Für Zeiten, die kurz gegen
die Zeitkonstante sind (wie z.B. die Umschaltmomente des
Multivibrators), ist der Kondensator eine Spannungsquelle!

Ein Spannungssprung, der auf der einen Seite des Kondensators
stattfindet, findet in voller Höhe auch auf der anderen Seite
statt - aber natürlich um die momentane Ladespannung versetzt.
(Prinzip "Ladungspumpe")

> Ich hatte mir als Jugendlicher da auch öfter die Haare
> gerauft. Damals gbs aber noch keine Simulationen für den PC.

=:o)

von Martin S. (sirnails)


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Utschitelnitza schrieb:
> Jetzt ist TR aufgesteuert
> und in der Sättigung, während TL zugesteuert (gesperrt)
> ist.

Bei 400µA Basisstrom?

von Andreas B. (golbi)


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Durch den 44k Widerstand kann kein Basisstrom fließen, weil der 
Widerstand zu hoch ist? Oder wieso beachtest du ihn nicht?

von Peter D. (peda)


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Der Arbeitspunkt des T1 ist so zu legen, daß T2 noch im analogen Bereich 
arbeitet. Dann ergibt sich über den Kondensator eine Mitkopplung und die 
Schaltung schwingt.

Der Knackpunkt ist daher die Stromverstärkung des T1, ob sie überhaupt 
anschwingt und mit welchem Tastverhältnis.
In der Praxis fand diese Schaltung daher kaum Anwendung.
Sie diente lediglich dazu, Leser von Bastelbüchern in den Wahnsinn zu 
treiben. Mal schwang sie und mal nicht.

Für deutlich bessere Reproduzierbarkeit und Anschwingverhalten nimmt man 
daher die klassische Schaltung (nur ein Kondensator mehr).

von Utschitelnitza (Gast)


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Martin Schwaikert schrieb:
> Utschitelnitza schrieb:
>> Jetzt ist TR aufgesteuert und in der Sättigung,
>> während TL zugesteuert (gesperrt) ist.
>
> Bei 400µA Basisstrom?

Na aber.

Wenn der Transistor nur eine Stromverstärkung von 100 hat,
was für einen BC547 eher wenig ist, müsste ein Kollektorstrom
von 0.4mA * 100 = 40mA fließen, damit man im linearen Bereich
ankommt.
Die Beschaltung lässt aber nur ca. 7mA zu. Ergo ist der
Transistor in der Sättigung.

von Utschitelnitza (Gast)


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Andreas Blubb schrieb:
> Durch den 44k Widerstand kann kein Basisstrom fließen,
> weil der Widerstand zu hoch ist?

Jein... Deine Grundidee ist schon richtig: An die Basis
ist auch ein Zweig angeschlossen, der mit 1k bzw. 2k
sehr viel niederohmiger ist - und der sehr viel mehr
Strom liefern kann. Dieser Zweig - der Zweig mit dem
Elko nämlich - wird also das Schaltungsverhalten
dominieren; deshalb betrachte ich diesen Zweig vorrangig.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund:

> Oder wieso beachtest du ihn nicht?

Solange TL leitend ist (also in der Aufladephase des
Kondensators), ist die Kollektor-Emitter-Spannung von
TL vielleicht 0.1V, wenn es hoch komm.

An der Basis von TL liegen ungefähr 0.7V an - die
normale Basis-Emitterspannung halt. Am Kollektor von
TL liegt aber nur 0.1V an (Ja! Das geht! Klingt komisch,
ist aber so.)

Der 22k-Widerstand, der von der Basis von TL zu seinem
Kollektor geht, ist also quasi "falsch herum gepolt".
Das Basis-Potenzial ist höher als das Kollektorpotenzial.
Wo soll da zusätzlicher Basisstrom herkommen?

Es ist im Gegenteil so, dass ein Teil des Ladestromes des
Kondensators gar nicht in die Basis von TL fließt, sondern
"nutzlos" über den 22k und die Kollektor-Emitter-Strecke
zur Masse abfließt.

Der Kondensator kann also nicht ganz voll geladen werden;
das "Umkippen" der Schaltung tritt etwas früher ein, als
ich beschrieben hatte. Ansonsten ändert sich nichts.

Ach so: Wenn TL gesperrt ist, fließt sowiso kein Basisstrom
in die Basis von TL - andernfalls wäre TL nicht gesperrt :)
Der 22k von der Basis zum Kollektor von TL ist nur der
Entladewiderstand für den Elko. Das sieht man aber nicht
auf den ersten Blick. :O)

von Wilhelm F. (Gast)


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einen Namen schrieb:

> LTSpice runterladen und selber simulieren :-)

Danke für die fertige Schaltung, das spart mal 10 Minuten Arbeit für die 
Eingabe. Also ich hab auch mal simuliert.



Meine Erkenntnis:

Die Schaltung ist in der Wahl der Bauteilwerte etwas eingeschränkt, 
damit sie funktioniert. Womöglich müssen die Transistoren auch gleich 
sein, und dürfen kaum streuen. Vermutlich bekam der Erfinder die Werte 
eher durch Probieren heraus. Das alles für nur ein einziges eingespartes 
Bauteil, den zweiten Kondensator im üblichen bekannten Transistor-AMV. 
An diesem kann man auch leicht nur durch die Auswahl der Kondensatoren 
das Tastverhältnis bzw. die Frequenz einstellen.

Um nur den einzelnen Kondensator einzusparen, und mir dafür andere 
Unannehmlichkeiten einzuhandeln, würde ich mir die hier gezeigte 
Schaltung nicht wirklich antun.

Hier im Forum gab es auch mal eine größere Diskussion über einen 
Impulsgenerator mit einem Transistor. Trickschaltungen! Ich testete die 
Schaltung wirklich über ein paar Tage. Die Transistoren sind irgendwann 
aus zunächst unerklärlichen Gründen durch, ohne erlaubte Parameter zu 
überschreiten. Die Zündung erfolgte über die inverse UBE, womit UCE 
einen negativen Widerstand bekommt, ähnlich wie bei der 
Thyristorzündung.

Wenn ich sehe, wie hier über die Funktionsweise gerätselt wird, auch 
dort ist der AMV mit zwei Kondensatoren einfacher erklärbar und 
berechenbar. Natürlich hat aber auch der Nachteile, nämlich eine 
eingeschränkte Betriebsspannung nur bis ca. 9V, um die UBE im Kippmoment 
nicht in Inversrichtung zu durchbrechen.

Diesen AMV baute ich früher mal mit allen möglichen verschiedenen 
Transistoren auf, auch gemischt. Z.B. links einen AC153 und rechts einen 
2N3055, der frißt einfach alles, und läuft.

Aber jedem das seine, und wenns nur für den Lerneffekt ist.



Andreas Blubb schrieb:

> Hab mir ein Lernpaket von Conrad für Einsteiger bestellt. Da war die
> Schaltung mit drinnen.

Schön ist das ja nicht gerade. Ausgerechnet in einem Lernpaket sollte 
eine Schaltung nach meiner Auffassung vollständig erklärt sein.

von Utschitelnitza (Gast)


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Utschitelnitza schrieb:
> Martin Schwaikert schrieb:
>> Utschitelnitza schrieb:
>>> Jetzt ist TR aufgesteuert und in der Sättigung,
>>> während TL zugesteuert (gesperrt) ist.
>>
>> Bei 400µA Basisstrom?
>
> Na aber.
>
> Wenn der Transistor nur eine Stromverstärkung von 100 hat,
> was für einen BC547 eher wenig ist, müsste ein Kollektorstrom
> von 0.4mA * 100 = 40mA fließen, damit man im linearen Bereich
> ankommt.
> Die Beschaltung lässt aber nur ca. 7mA zu. Ergo ist der
> Transistor in der Sättigung.

Nachtrag: Vermutlich fließen deutlich weniger als 0.4mA
Basisstrom. Ich habe übersehen, dass in der Entladephase
ein Spannungsteiler entsteht, nämlich aus dem Kollektor-
widerstand von TL (22k), dem Kollektor-Basis-Widerstand
von TL (=Entladewiderstand, 22k) und dem 1k im Elko-Zweig.

Der größte Teil der erwähnten 400µA fließt als Umladestrom
in den Elko; nur ein kleiner Teil wird in die Basis von TR
fließen können.

Dank an Peter für seinen Hinweis.

TR ist somit vermutlich nicht in der Sättigung - aber aus
ganz anderen Gründen :o)

von Utschitelnitza (Gast)


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Wilhelm F. schrieb:
> Wenn ich sehe, wie hier über die Funktionsweise gerätselt wird,

Hey, hey, hey! Nicht solche Sprüche :O)

> Natürlich hat aber auch der Nachteile, nämlich eine
> eingeschränkte Betriebsspannung nur bis ca. 9V, um
> die UBE im Kippmoment nicht in Inversrichtung zu
> durchbrechen.

Das Problem hat die vereinfachte Schaltung auch. Insofern
also kein Minuspunkt für den Standard-Multivibrator.

> Andreas Blubb schrieb:
>
>> Hab mir ein Lernpaket von Conrad für Einsteiger bestellt.
>> Da war die Schaltung mit drinnen.
>
> Schön ist das ja nicht gerade. Ausgerechnet in einem
> Lernpaket sollte eine Schaltung nach meiner Auffassung
> vollständig erklärt sein.

Hmm. Stimmt eigentlich.
Die vereinfachte Variante ist eine schlimme Trickschaltung.

von Martin S. (sirnails)


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Utschitelnitza schrieb:
> TR ist somit vermutlich nicht in der Sättigung - aber aus
> ganz anderen Gründen :o)

Da scheint dein Blick wohl etwas ausgeprägter zu sein als meiner. Bei 
mir gab es als Übung gerade die paar Klausuren in Schaltungstechnik. Für 
ein Gespür reicht das noch nicht.

von Wilhelm F. (Gast)


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Utschitelnitza schrieb:

> Wilhelm F. schrieb:
>> Wenn ich sehe, wie hier über die Funktionsweise gerätselt wird,
>
> Hey, hey, hey! Nicht solche Sprüche :O)

Ach, halb so schlimm, wer mich ein wenig kennt. Denn ich diskutiere auch 
gerne mit, und, man wird es kaum für möglich halten, aber ich rätsele 
selbst noch ein wenig.

Manchmal hilft es, das Schaltbild etwas umzuzeichnen, werde das auch 
noch mal probieren. Beim herkömmlichen AMV sehe ich die Funktionsweise 
auch am besten und auf den ersten Blick, wenn beide Kreise gespiegelt 
gezeichnet sind, und die beiden Kondensatoren wirklich in der 
Schaltungsmitte über Kreuz eingegezeichnet sind.

Zeichnungen über Kreuz gehen mit den üblichen Schaltplaneditoren z.B. in 
LTspice leider nicht, nur waagerechte und senkrechte Linien und 
Bauteilstellungen. In meinen alten Lehrbüchern wurde wohl noch von Hand 
am Reißbrett gezeichnet.

;-)

von Martin S. (sirnails)


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Wilhelm F. schrieb:
> Zeichnungen über Kreuz gehen mit den üblichen Schaltplaneditoren z.B. in
> LTspice leider nicht,

Bei Eagle geht das doch?!

von Wilhelm F. (Gast)


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Martin Schwaikert schrieb:

> Wilhelm F. schrieb:
>> Zeichnungen über Kreuz gehen mit den üblichen Schaltplaneditoren z.B. in
>> LTspice leider nicht,
>
> Bei Eagle geht das doch?!

Danke, gut schon mal zu wissen. Habe lange keine Platine mehr gemacht. 
Mein uraltes Layoutprogramm aus den 1980-ern konnte sowas auch schon. 
Schade, kann es nicht mehr auf neuen Systemen verwenden. Denn es war mal 
eine unlimitierte Vollversion. Weg geworfenes Geld, für etwas, was keine 
5 Jahre funktioniert, und nicht mehr supportet wird.

von Helmut L. (helmi1)


Angehängte Dateien:

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Martin Schwaikert schrieb:
> Bei Eagle geht das doch?!

Sicher geht das bei Eagle. Mach ich ab und zu auch um den Plan etwas 
aufzulockern :=)

Hier noch eine "Blink Schaltung"

: Bearbeitet durch User
von Andreas B. (golbi)


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Danke für die Antworten, ich habs jetzt glaub ich verstanden. Ich glaub, 
dass ichs jetzt ganz gut verstanden habe.

Im Lernpaket, das ab 14 Jahren ist und vollkommen ohne Vorkenntnisse 
auskommen soll, ist das ganze so erklärt:

Ein Blinkgeber in einem Fahrzeug steuert üblicherweise nur eine Lampe 
an. Hier wird ein weiteres Flipflop aufgebaut, das selbstständig hin- 
und herschaltet. Die Schaltung benötigt nur einen Kondensator. Zwei 
Transistoren in Emitterschaltung bilden einen Verstärker. Die 
Rückkopplung vom Ausgang auf den Eingang geht über einen Kondensator, 
der sich immer wieder auflädt und entlädt.

von Martin S. (sirnails)


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So kann man das natürlich auch sagen.

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