Forum: Platinen Wie organisiert Ihr die Bestückung von Mustern und Kleinserien?


von Third E. (third-eye)


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Hallo,

wir haben in der Arbeit immer wieder Entwicklungsmuster und Prototypen 
zu bestücken. Die Anzahl an Platinen ist meist im Bereich von 5...100 
Stück.
Wir benutzen Eagle und generieren eine einfache Stückliste. Die wird 
dann ausgedruckt und der Kollege geht damit zum Bestückplatz und 
bestückt anhand der Liste.

Es passiert bei uns öfter mal folgendes Szenario:
Es wird erst mal eine Platine bestückt, um zu sehen, ob alles passt.
Dann fällt auf, dass die Schaltung nicht so funktioniert, wie sie soll 
und es werden z.B. Bauteiländerungen festgelegt. Da es meist eilt, wird 
an den Kollegen eine kurze email in der Art geschickt oder mündlich 
mitgeteilt: "Für R1 statt 10k 100k bestücken!". Weil man im Stress ist, 
wird das auch nirgends notiert.

Dann ein paar Wochen später sollen wieder die gleichen Leiterplatten 
bestückt werden. Natürlich denkt niemand mehr dran, dass da kurzfristig 
Bauteilwerte geändert wurden.
Was passiert? Natürlich werden falsche Teile bestückt, die dann von Hand 
ausgewechselt werden müssen.
Das Ganze ist extrem nervig und unprofessionell und passiert leider 
immer wieder.

In der Serienfertigung werden Bestückungen natürlich über den Automaten 
realisert und die Teile sind im ERP-System stücklistengeführt, aber in 
der Entwicklung noch nicht und da passieren immer wieder solche 
Schnitzer.

Habt Ihr eine Idee, wie man das besser organisieren könnte?

Am Bestückplatz einen PC aufstellen, mit dem immer automatisch die 
aktuellste Stückliste aufgemacht werden kann?
Natürlich braucht es dann auch Disziplin der Entwickler, dass es keine 
Bauteilwert-Änderungen "auf Zuruf" mehr geben darf.

VG
Third Eye

von Falk B. (falk)


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@ Third Eye (third-eye)

>und es werden z.B. Bauteiländerungen festgelegt. Da es meist eilt, wird
>an den Kollegen eine kurze email in der Art geschickt oder mündlich
>mitgeteilt: "Für R1 statt 10k 100k bestücken!". Weil man im Stress ist,
>wird das auch nirgends notiert.

>Was passiert? Natürlich werden falsche Teile bestückt, die dann von Hand
>ausgewechselt werden müssen.
>Das Ganze ist extrem nervig und unprofessionell und passiert leider
>immer wieder.

>Habt Ihr eine Idee, wie man das besser organisieren könnte?

Ganz einfach. Old school die Änderungen AUFSCHREIBEN. So viel Zeit ist 
IMMER!

>Am Bestückplatz einen PC aufstellen, mit dem immer automatisch die
>aktuellste Stückliste aufgemacht werden kann?

Nicht jedes Problem muss mit viel Aufwand, Elektzronik oder Software 
erschlagen werden. Manchmal reich Disziplin un der gesunde 
Menschenverstand.

>Natürlich braucht es dann auch Disziplin der Entwickler, dass es keine
>Bauteilwert-Änderungen "auf Zuruf" mehr geben darf.

Du hast es erfasst. Ist ja auch sooo schwer, dier paar Daten in einen 
neun Stand bzw. Textdatei zu schreiben. Im einfachsen Fall mit Rotstift 
als Korrektur auf Papier. So wurden vor Jahrzehnten schon Schiffe, 
Stahlwerke und Flugzeuge gebaut! Glaubt man heute gar nicht mehr!

von Bla (Gast)


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Naja, gleich im Plan ändern und ausgedruckte Exemplare vernichten oder 
ebenfalls ändern bzw. dem Bestücker die Anweisung dazu geben, es dort 
auch sofort zu ändern, damit keine veralteten Pläne herumfliegen, die 
eventuell weiterbenutzt werden.

von Mark B. (markbrandis)


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Third Eye schrieb:
> "Für R1 statt 10k 100k bestücken!". Weil man im Stress ist,
> wird das auch nirgends notiert.

Und genau da liegt der Fehler. Es muss schriftlich festgehalten 
werden. Daran führt einfach überhaupt kein Weg vorbei.

Auf welche Art und Weise ist zunächst mal weniger wichtig. Man kann z.B. 
eine handschriftlich geänderte Stückliste ("Roteintrag") einscannen und 
diese neben dem Original-Dokument ablegen. Jedes Dokument bekommt dabei 
eine Revisionsnummer und es wird an zentraler Stelle festgehalten, 
welche Revisionsnummer von welchem Dokument für Projekt X denn nun die 
aktuell gültige ist.

Wenn keiner diese Korrektur-Arbeiten durchführt, dann ist der Aufwand 
hinterher viel größer als wenn man sie gemacht hätte.

: Bearbeitet durch User
von Falk B. (falk)


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@ Bla (Gast)

>Naja, gleich im Plan ändern und ausgedruckte Exemplare vernichten oder
>ebenfalls ändern bzw.

Muss man nicht zwangsweise. Man kann auch einfach eine solide 
Versionskontrolle machen. Sprich, man schreibt die Version 0.x drauf.

Manchmal kann man auch mit alten Ständen arbeiten.

von Utschitelnitza (Gast)


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Third Eye schrieb:

[Häufige Irrtümer bei Prototypen-Bestückung]

> Habt Ihr eine Idee, wie man das besser organisieren
> könnte?
>
> Am Bestückplatz einen PC aufstellen, mit dem immer
> automatisch die aktuellste Stückliste aufgemacht
> werden kann?

Gottes Willen, nein.
Der organisatorische Teil ist eigentlich relativ
einfach.

1) Simple Versionsverwaltung für die vorläufigen
Stücklisten einführen (wenn nicht schon vorhanden):
Stücklisten mit eindeutigem "Schlüssel" versehen; im
einfachsten Falle Datum und Uhrzeit. Stücklisten ohne
diesen Schlüssel strikt als ungültig erklären und
wegwerfen!

2) Der Bestücker bestückt ausschließlich nach der
ausgedruckten Stückliste, die - siehe oben - zwingend
Datum und Uhrzeit enthalten muss.
Änderungen werden vom Bestücker handschriftlich auf
auf der gedruckten Stückliste vermerkt.

3) Der Entwickler bekommt die handschriftlich korrigierte
Stückliste und arbeitet die Änderungen in die nächste
Version ein.

Das Verfahren hat den Vorteil, dass später einigermaßen
nachvollziehbar ist, wer wann was geändert hat. Wenn
nur der Bestücker handschriftliche Änderungen macht
und nur der Entwickler die Änderungen prüft und in den
Computer tippt, kann eigentlich kein Chaos entstehen,
weil die Zuständigkeiten getrennt sind.

> Natürlich braucht es dann auch Disziplin der Entwickler,
> dass es keine Bauteilwert-Änderungen "auf Zuruf" mehr
> geben darf.

Das ist der Hauptpunkt, an dem es scheitern wird. Es ist
ein Umdenken in die Richtung erforderlich, dass zwischen
"Entwickeln" und "kleine Stückzahl fertigen" noch eine
separate Arbeitsphase erforderlich ist, nämlich "Fertigungs-
unterlagen prüfen und ggf. debuggen".
Die Ideen und Algorithmen (Transaktionslog, Versionsverwaltung
usw.) kann man alle von den Softwerkern klauen; die haben
die beschriebenen Probleme nämlich auch. In der Praxis sind
vielen Leuten selbst ständig auftretenden Fehler wurscht.
"Wieso... geht doch irgendwie..." :-/
Daran scheitert es dann.

von Utschitelnitza (Gast)


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Falk Brunner schrieb:
> @ Bla (Gast)
>
>>Naja, gleich im Plan ändern und ausgedruckte Exemplare
>>vernichten oder ebenfalls ändern bzw.
>
> Muss man nicht zwangsweise. Man kann auch einfach eine
> solide Versionskontrolle machen. Sprich, man schreibt
> die Version 0.x drauf.
>
> Manchmal kann man auch mit alten Ständen arbeiten.

Ich würde noch weiter gehen: Veraltete Exemplare
keinesfalls vernichten!
Die Änderungen müssen nachvollziehbar bleiben. Was
in der einen Version handschriftlich eingetragen wurde,
taucht dann i.d.R. bei der nächsten im Computer auf.

von Bürovorsteher (Gast)


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Die Zeichnungen haben einen Ausgabestand, der bei Änderungen von a auf b 
usw.
weitergezählt wird. Parallel dazu wird eine ÄM 
(Änderungsmitteilung)gemacht, in der die Änderungen dokumentiert werden.
Diese ÄM-Nr wird im Zeichnungsfeld neben dem Ausgabestand eingetragen.
Die alten Zeichnungen werden genau  n i c h t  vernichtet, weil 
ansonsten nichts mehr nachvollzienbar ist.

Die Ld (Liste der Dokumentationen) enthält die für das Projekt gültigen 
Zeichnungsnummern mit den dazugehörigen Ständen.

Ganz alter Hut, haben wir bei uns im Osten schon Jahrzehnte vor 
irgendwelchen ISO 9001 so gemacht, ist aber eigentlich noch viel älter.
Funktioniert.

Was lernt ihr heutzutage eigentlich in der Schule/Hochschule?

von Ex-Student (Gast)


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>Was lernt ihr heutzutage eigentlich in der Schule/Hochschule?<

In der Schule habe ich noch vor 20 Jahren so ein Kram wie Napoleon, 
Polynomdivision und 10-Finger-Schreiben gelernt

Und im Studium Kreisintegrale etc. Die Projektmanagment Vorlesung war 
maximal fürn Arsch, da der Prof selbst nie was gearbeitet hat. Ich 
glaube, das kommt einigen bekannt vor.


Das von "Bürovorsteher" ist eigentlich Stand der Technik, vielleicht 
noch ein Namen desjenigen, der etwas geändert hat. Dann kann man noch 
mal anrufen/vorbeilaufen wenn man es nicht richtig nachvollziehen kann. 
'Das Reden' hat man heute irgendwie auch verlernt, dafür gibts jetzt 
Kanban Boards mit Zettel drauf ;)

von Embedded (Gast)


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Qualitätssicherungsmaßnahmen, wie sie hier beschrieben wurden, greifen 
eigentlich erst wirklich in der Serienproduktion. Während der 
Entwicklung kann man damit etwas lockerer umgehen (man muss z.B. nicht 
jeden Zwischenstand dokumentieren), aber man sollte zumindest den 
aktuellen Stand allen Beteiligten klar mitteilen können. Man braucht 
also eine zentrale Stelle, bei der die Unterlagen abgelegt sind und auf 
die alle zugreifen können. Ideal ist natürlich, wenn man die 
Qualitätssicherungsmaßnahmen auch während der Entwicklung verwendet. Ein 
einfaches Versionskontrollsystem kann dafür durchaus ausreichend sein. 
Allerdings sollte auf der Leiterplatte auch der tatsächliche Stand 
ersichtlich sein. Man muss also irgendwie einen Bezug vom EDV-System zum 
physikalischen Objekt herstellen. Das kann zum Beispiel durch einen 
Barcode-Aufkleber erfolgen.

von Klaus I. (klauspi)


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Third Eye schrieb:
> Es passiert bei uns öfter mal folgendes Szenario:
> Es wird erst mal eine Platine bestückt, um zu sehen, ob alles passt.
> Dann fällt auf, dass die Schaltung nicht so funktioniert, wie sie soll
> und es werden z.B. Bauteiländerungen festgelegt. Da es meist eilt, wird
> an den Kollegen eine kurze email in der Art geschickt oder mündlich
> mitgeteilt: "Für R1 statt 10k 100k bestücken!". Weil man im Stress ist,
> wird das auch nirgends notiert.

Da ist wohl ein gewisses Denkproblem in den Köpfen. Die Leute haben oft 
nur soviel Streß weil ständig geschludert wird. Einfach mal durchatmen 
und 5 Minuten mehr investieren oder bei Deinem Extremfall auch 
dokumentieren und formell abarbeiten spart im nachhinein sehr viel 
unproduktive Arbeit ein.

> Dann ein paar Wochen später sollen wieder die gleichen Leiterplatten
> bestückt werden. Natürlich denkt niemand mehr dran, dass da kurzfristig
> Bauteilwerte geändert wurden.
> Was passiert? Natürlich werden falsche Teile bestückt, die dann von Hand
> ausgewechselt werden müssen.
> Das Ganze ist extrem nervig und unprofessionell und passiert leider
> immer wieder.

Versionsnummern verwenden? Egal ob digital oder als Handakte. Bestücker 
bestückt nur das was schriftlich eindeutig vorliegt und genau da werden 
die Änderungen auch eingetragen. Da ist Streß keine Entschuldigung 
sondern Streß-Vermeidungen genau die Begründung. Das ist im Sinne aller 
Beteiligten.

> Habt Ihr eine Idee, wie man das besser organisieren könnte

Das kommt halt auf das Unternehmen und die Angestellten an. Manche leben 
ja geradezu von der Illusion gestresst zu sein. Je nach 
Unternehmenskultur wird soetwas auch gern gesehen und dient dann auch 
als Entschuldigung für viele Fehler (Hier meine ich Fehler im Sinne von 
generellem persönlichem Versagen desjenigen).

> Am Bestückplatz einen PC aufstellen, mit dem immer automatisch die
> aktuellste Stückliste aufgemacht werden kann?
> Natürlich braucht es dann auch Disziplin der Entwickler, dass es keine
> Bauteilwert-Änderungen "auf Zuruf" mehr geben darf.

Warum soll in Deiner Firma ein Schnellschuß "auf Zuruf" so oft notwendig 
sein? Das ist doch nicht die Notaufnahme in einem Krankenhaus, wo der 
Patient ansonsten vermutlich hopps geht.

Ich würde mir aber bevor ich hier etwas ändere mal generell die Abläufe 
in Deiner Arbeit mal ansehen. Ich denke da bestehen gute Chancen, dass 
man sehr viel verbessern kann.

von Amateur (Gast)


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Im Grunde genommen geht es bei solchen Problemen um Disziplin (igitt) 
und Hierarchie.

Derjenige, der sagt bzw. sagen darf: "Da muss was geändert werden", der 
MUSS das auch in die Organisation bringen. Also das volle Programm mit 
einer neuen Versionsnummer und einem Änderungskommentar.

Normalerweise werden für den Bestücker ja keine Pläne angefertigt, 
sondern nur ausgedruckt. Gleiches gilt für die zugehörigen Stücklisten.
Normalerweise tut der Bestücker bei Folgeaufträgen nur nach der 
Versions- bzw. Revisionsnummer schauen um festzustellen ob sich in den 
Maschineneinstellungen, vom letzten mal, was geändert hat, oder nicht.
Üblicherweise macht sich das ja auch in den Rüstkosten bemerkbar. 
Vielleicht braucht Ihr aber so etwas auch nicht im Auge behalten...

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