Forum: HF, Funk und Felder Verständnisproblem Durchfutungssatz


von Christian (Gast)


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Hallo,

nehmen wir an, ich habe ein 100 m langes einadriges Kabel, durch das 
ein Wechselstrom mit f = 100 kHz und I = 1 A fließt.

Nun kann ich doch eine Stromzange um dieses Kabel legen und würde den 
Strom messen.

Das ganze funktioniert ja über das Magnetfeld. Der Durchflutungssatz 
besagt, dass das Kurvenintral über die H-Feldsträke um einen Leiter 
herum gleich dem fließenden Strom ist. Nach diesem Prinzip funktionieren 
Stromzangen.

Wenn ich jetzt 80 m der 100 m in einem massiven Metallrohr verlege (die 
Enden des Rohres seien nirgendwo angebunden) und nun wieder die 
Stromzange herumlege (um das Rohr), müsste die Stromzange ja den 
gleichen Wert anzeigen wie ohne Rohr, da der Strom in dem Kabel ja 
dergleiche geblieben ist.

Andererseits hat das Rohr (5 mm dicke Kupferwand) ja auch eine gewisse 
Schirmwirkung auf das Magnetfeld (die Eindringtiefe bei 100 kHz beträgt 
210 µm), so dass das Magnetfeld außerhalb deutlich kleiner sein müsste. 
Trotzdem muss die Stromzange das gleiche anzeigen (Durchflutungssatz), 
aber sie arbeitet ja, in dem sie das Magnetfeld misst und integriert.

Wo ist der Denkfehler, wie ist es wirklich?

von Onkel Dittmeyer (Gast)


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Du musst bedenken, dass die Schirmwirkung durch Wirbelströme im Rohr 
ensteht, die wiederum Magnetfelder erzeugen, die dem erzeugendem Feld 
entgegen wirken. In Summe misst die Zange daher ein schwächeres Feld.

von nochwas (Gast)


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Der Denkfehler ist da. Wenn man ein Kupferrohr um ein einadriges Kabel 
legt, wirkt das wie ein Schirm wenn es auf festes Potentisal gelegt 
wird. Bedeutet es wirkt kapazitiv. Dann ist der Strom zu einem Teil 
Verschiebungsstrom. Und am anderen Ende nicht 1A. Wenn das Kupferrohr 
floating ist, wirkt es als zweiter Leiter, kapazitiv gekoppelt. Wenn man 
ein ferromagnetisches Material nimmt, hat man eine viel hoehere 
Induktivitaet, muss also viel mehr spannung anlegen.

von Christian (Gast)


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Onkel Dittmeyer schrieb:
> Du musst bedenken, dass die Schirmwirkung durch Wirbelströme im
> Rohr
> ensteht, die wiederum Magnetfelder erzeugen, die dem erzeugendem Feld
> entgegen wirken. In Summe misst die Zange daher ein schwächeres Feld.

Ok, das verstehe ich. Die Wirbelströme bilden in Summe einen Strom, der 
dem Strom im Kabel entgegenfließt. Nur was passiert mit diesem Strom an 
den Rohrenden? Irgendwie muss ja Kirchhoff noch erfüllt bleiben 
(notfalls mit Verschiebungsströmen, aber die sehe ich in dem 
Frequenzbereich nicht).

von nochwas (Gast)


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Wirbelstroeme ? Welche Wirbelstroeme ? Ein Kabel in einem Rohr ist eher 
eine Leitung. Kirchhoff gilt an jedem Punkt, das ist aber nicht so, dass 
am Ende einer Leitung daselbe rauskommt wie reingeht. Unnd eine Leitung 
hat Verschiebungsstroeme. Deswegen ist die Gruppen Geschwindigkeit auch 
kleiner als die Lichtgeschwindigkeit.

von RFM12 (Gast)


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nochwas schrieb:
> Wirbelstroeme ? Welche Wirbelstroeme ? Ein Kabel in einem Rohr ist eher
> eine Leitung. Kirchhoff gilt an jedem Punkt, das ist aber nicht so, dass
> am Ende einer Leitung daselbe rauskommt wie reingeht. Unnd eine Leitung
> hat Verschiebungsstroeme. Deswegen ist die Gruppen Geschwindigkeit auch
> kleiner als die Lichtgeschwindigkeit.

Am Ende und am Anfang des Rohres wirst du 1A messen. Also wenn das 
Amperemeter über dem Leiter OHNE dem Rohr ist. Denn wie du bereits 
gemerkt hast muss Kirchhoff gelten, das tut er auch.
Innerhalb des Rohres induziert der Strom zwar Spannung im Kupfer, aber 
dies bedeutet doch nicht, dass der Strom im Leiter dadurch geringer 
wird.
Die Ströme im Rohr fließen entgegengesetzt zum verursachenden (Lenz'sche 
Regel) Strom. Deswegen ist das Magnetfeld auch nicht mehr so groß. Das 
Ringintegral des Durchflutungssatz liefert dir die SUMME aller 
eingeschlossenen Ströme. Es wird also so sein, dass du über dem Kupfer 
einen geringeren Strom haben wirst. So als ob du ein Ringintegral über 
die Hin- UND Rückleitung machen würdest. Diese wäre jedoch exakt 0A.

War das halbwegs nachvollziehbar?

Lg

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Christian schrieb:
> Andererseits hat das Rohr (5 mm dicke Kupferwand) ja auch eine gewisse
> Schirmwirkung auf das Magnetfeld (die Eindringtiefe bei 100 kHz beträgt
> 210 µm), so dass das Magnetfeld außerhalb deutlich kleiner sein müsste.

Man muss hier unterscheiden, wie das Magnetfeld zur Kupfer-Oberfläche 
orientiert ist.

Wenn die magnetischen Feldlinien senkrecht zur Kupfer-Oberfläche stehen, 
dann entstehen im Kupfer Wirbelströme, die dem Magnetfeld entgegen 
wirken und das Kupfer wirkt als Abschirmung mit einer sehr geringen 
Eindringtiefe.

Wenn die Feldlinien parallel zur Oberfläche des Kupfers verlaufen, 
verhält sich das anders. Um hier ein entgegengesetztes Magentfeld zu 
erzeugen, müsste ein Strom in Längsrichtung durch das Rohr fließen, was 
aber bei offenen Enden nur sehr begrenzt möglich ist (nur kapazitiv); 
deshalb gibt es hier keine wirkungsvolle Abschirmumg und du kannst auch 
außerhalb des Kupferrohrs den Strom messen.

von Christian (Gast)


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Johannes E. schrieb:

> Wenn die Feldlinien parallel zur Oberfläche des Kupfers verlaufen,
> verhält sich das anders.

Hier verlaufen sie natürlich parallel zur Oberfläche.


> Um hier ein entgegengesetztes Magentfeld zu
> erzeugen, müsste ein Strom in Längsrichtung durch das Rohr fließen,

Was ja auch logisch ist, da der ursprüngliche Strom ja auch in 
Längsrichtung fließt.


> was
> aber bei offenen Enden nur sehr begrenzt möglich ist (nur kapazitiv);
> deshalb gibt es hier keine wirkungsvolle Abschirmumg und du kannst auch
> außerhalb des Kupferrohrs den Strom messen.

Ist das so? Also Du meinst, wenn ich in der Mitte des Rohres die Zange 
anlege, dass diese dann auch (nahezu) 1 A anzeigt?

von Alex X. (Gast)


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Hallo,

der Leiter in der Mitte mit dem z-gerichteten Strom erzeugt ein 
phi-gerichtetes Magnetfeld. Die Feldlinien sind parallel zur Oberfläche. 
Im Kupferschirm werden nun Wirbelströme erzeugt, die der Änderung des 
magnetischen Felds entgegen gerichtet sind. Die Wirbelströme sind somit 
auch z-gerichtet. Der Strom im Rohr ist natürlich über den Querschnitt 
räumlich bezüglich der Koordinate rho (unabhängig von z und phi) 
verteilt aber man kann mal salopp sagen, auf der nach innen zugewandten 
Seite in die eine Richtung und auf der äußeren Seite wieder zurück. 
(Alles hinreichend weit von den Enden entfernt.)
In der Summe ist der induzierte Strom durch die Querschnittsfläche aber 
Null. Die induzierten Ströme haben damit keinen Einfluss auf das 
magnetische Feld im Außen- und Innenraum des Rohrs nur innerhalb des 
Rohrs ändert sich die magnetische Feldstärke im Vergleich zu vorher.

Fazit: Die Stromzange zeigt den Leiterstrom von 1A an.

Zur Schirmung mit Wirbelströmen: Eine Schirmwirkung ist nur auf die 
Komponente der magnetische Feldstärke gegeben, die senkrecht auf dem 
Schirm steht.

von Tüftleer (Gast)


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Christian schrieb:
>Hallo,
>
> Durchfutungssatz

was ist das?

von Johannes E. (cpt_nemo)


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Christian schrieb:
> Ist das so? Also Du meinst, wenn ich in der Mitte des Rohres die Zange
> anlege, dass diese dann auch (nahezu) 1 A anzeigt?

Ja, das denke ich schon; habs aber mit so einem Kupferrohr noch nicht 
getestet.

Was ich schon oft "getestet" habe ist eine Messung bei abgeschirmten 
Leitungen, also Einzeladern mit einem Schirmgeflecht außen rum.


PS: Der "Skin-Effekt" bzw. die Eindringtiefe bezieht sich auf einen 
Strom, der in einem metallischen Leiter fließt und beschreibt, dass 
dieser Strom hauptsächlich entlang der Oberfläche des Leiters fließt.

Für ein Magnetfeld gelten andere Gesetzmäsigkeiten. Das kann man z.B. 
auch erkennen, wen man einen Trafo betrachtet. Hier hat man einen 
großen, massiven Eisenkern und da dringt das Magnetfeld auch in den Kern 
ein und wird nicht irgendwie abgeschirmt bzw. bleibt nur an der 
Oberfläche.

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