Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik ESD-Problem verstehen: Beaglebone Black stürzt bei Berührung ab


von Gerd E. (robberknight)


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Hallo,

ich hab ein Beaglebone Black Board in einem Gehäuse 
(http://www.logicsupply.de/cases/mini-pc-cases/bb100/).

Wenn ich das laufende Gerät am Gehäuse berühre, stürzt das System 
meistens ab. Dabei verschwindet für 2 Sekunden der Ethernet Link, das 
System ist danach nicht mehr übers Netz erreichbar, die Konsole reagiert 
auch nicht mehr. Im Syslog ist nach dem nächsten Start auch nix zu 
finden. Beim Berühren spüre ich nichts besonderes, also z.B. keine 
kräftige Entladung. Ich muss für den Absturz auch nicht vorher mit 
Gummisolen durch die Wohnung schlurfen oder ähnliches.

Wenn ich das Ding dagegen auf meiner ESD-Matte stehen habe und das 
ESD-Armband anhabe konnte ich diesen Effekt noch nie beobachten.

Ich vermute daher ein ESD-Problem.

Hier noch ein paar Daten:
- Das Gehäuse ist aus einem lackierten Stahl.
- Ober- und Unterteil des Gehäuses sind mit Schrauben verbunden. Durch 
den Lack konnte ich mit dem normalen Durchgangsprüfer keine Verbindung 
zwischen beiden Teilen messen. Das heißt aber natürlich nicht daß da 
eine höhere Spannung nicht durchkäme
- Das BBB-Board ist mit verzinkten Schrauben am Gehäuse befestigt, 
Durchgang von Unterteil des Gehäuses auf Montagelöcher im 
Milliohm-Bereich
- Das BBB wird bei mir normal mit einem SKII-Steckernetzteil versorgt, 
ansonsten ist nur noch Ethernet verbunden

Der Schaltplan und das Layout vom BBB sind veröffentlicht 
(http://elinux.org/Beagleboard:BeagleBoneBlack#Hardware_Files), ich hab 
die vermutlich relevanten Teile angehängt. Die Montagelöcher sind mit 
einem "ESD-Ring" verbunden (Bottom-Layer, dunkles lila). Der ist 
wiederum mit einem 0,1Ohm-Widerstand (R136) unterhalb der Ethernetbuchse 
auf DGND verbunden (extra Layer, türkis). 2cm oder so daneben ist dann 
der Powerstecker P1 an dem es zum Steckernetzteil geht.

Ich würde gerne wissen, wie der ESD genau das Teil zum Abstürzen bringt. 
Ich vermute der ESD-Impuls wird durch die 0,1Ohm nicht wirklich 
beeindruckt und läuft dann über den Masselayer zu P1 und dort über den 
Y-Kondensator im Netzteil zur Erde. Auf dem Weg über den Masselayer 
verschiebt er durch die Induktivität die Spannungen so, daß der 
Prozessor, RAM oder Powermanagement durcheinanderkommen. Klingt das 
plausibel oder hat jemand ne bessere Erklärung?

Wie kann ich das Ding am besten gegen ESD robuster machen?

von Anja (Gast)


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Gerd E. schrieb:
> Klingt das
> plausibel oder hat jemand ne bessere Erklärung?

Klingt plausibel.
Die Abhilfe wäre also den 0.1 Ohm entfernen und direkt an der DC-Buchse 
2*100nF vom Gehäuse am besten direkt (oder notfalls auch am 
Distanzbolzen) mit kürzestmöglicher Verbindung an die beiden DC-Pins 
anschließen.

Gruß Anja

von Gerd E. (robberknight)


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Hallo Anja,

Danke für Deine Antwort.

Anja schrieb:
> Die Abhilfe wäre also den 0.1 Ohm entfernen

Wäre es nicht besser den durch 1MOhm zu ersetzen damit das Gehäuse nicht 
floatet? Die Variante mit 1M || kleiner C hab ich auch schon öfters in 
anderen Schaltplänen gesehen.

> 2*100nF

Normale 100nF Kerkos? Die sind doch meist für max 50V ausgelegt, da 
vermute ich daß die bei so nem ESD-Impuls mit höherer Spannung die 
Kapazität verlieren.

Wären nicht z.B. 1nF / 2KV besser geeignet, oder ist das dann zu wenig 
Kapazität?

Gruß,

Gerd

von M.A. S. (mse2)


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Ich kenne das Phänomen 'Mikrocontrollerschaltung in Metallgehäuse stürzt 
bei Berührung ab' auch.
Damals war mein Metallgehäuse nicht leitend mit der Elektronik 
verbunden, es gab bei ESD in das Gehäuse eine kapazitive Kopplung nach 
innen, die zum Absturz führte.
Abhilfe brachte in meinem Falle eine GND Verbindung mit dem Gehäuse, und 
zwar am Versorungsspannungseingang der Schaltung.

Vorher gab es Abstürze bei fast jeder Berührung (ausser im Labor auf 
ESD-Matten). Nachher haben wir problemlos die ESD-Prüfung im EMV-Labor 
bestanden.

: Bearbeitet durch User
von Gerd E. (robberknight)


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Michael S. schrieb:
> Damals war mein Metallgehäuse nicht leitend mit der Elektronik
> verbunden, es gab bei ESD in das Gehäuse eine kapazitive Kopplung nach
> innen, die zum Absturz führte.

Danke für den Hinweis. Was Du beschreibst ist ja ein ganz anderer 
Mechanismus als ich zuerst vermutet habe. Wäre bei mir aber durchaus 
möglich, da ich ja zwischen Oberteil des Gehäuses und Unterteil/Board 
keinen Durchgang gemessen habe. Die Berührung findet natürlich meistens 
auf das Oberteil statt.

Da würde es wohl was helfen den Lack im Bereich der Schrauben etwas 
abzuschmirgeln so daß da guter Kontakt hergestellt wird. Das ist ganz 
einfach, das werde ich als erstes mal probieren.

von Anja (Gast)


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Gerd E. schrieb:
> Normale 100nF Kerkos? Die sind doch meist für max 50V ausgelegt, da
> vermute ich daß die bei so nem ESD-Impuls mit höherer Spannung die
> Kapazität verlieren.

Ok, sollten halt schon X7R oder besser sein. (kein Z5U oder Y5V)
Rechne mal nach was passiert wenn Du die ca 150-300pF deines Körpers mit 
< 2KV (sonst würdest Du deutlich was merken) auf einen 100nF-Kondensator 
umlädst. Selbst wenn das verlustfrei passieren würde reichen 50V 
Nennspannung locker aus.
Unter 10nF-4,7nF (dann aber 100-200V) würde ich nicht gehen.

Gruß Anja

von Gerd E. (robberknight)


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Anja schrieb:
> Rechne mal nach was passiert wenn Du die ca 150-300pF deines Körpers mit
> < 2KV (sonst würdest Du deutlich was merken) auf einen 100nF-Kondensator
> umlädst. Selbst wenn das verlustfrei passieren würde reichen 50V
> Nennspannung locker aus.

stimmt.

So, ich habe aber jetzt erst mal mit Michaels Tipp angefangen und die 
beiden Halbschalen gut leitend miteinander verbunden: Lack an den 
Schraublöchern abgeschliffen, Schrauben aufgerauht. An den Anschlüssen 
oder dem 0,1Ohm Widerstand hab ich noch nix geändert. Hat jedenfalls 
schon eine klare Verbesserung gebracht, ich hab es mit normalem Berühren 
jetzt nicht mehr geschafft das Ding zu killen.

Leider hab ich hier keine ESD-Pistole so daß ich keine definierten 
Verhältnisse für Vorher-Nachher-Vergleiche herstellen kann. Hier im 
Forum waren aber mal ein paar Tipps mit Piezo-Feuerzeuganzündern, in die 
Richtung werde ich wohl mal noch etwas rumprobieren.

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