Hallo, seit wenigen Tagen bin ich nun auch Besitzer einer Heissluftlötstation, und zwar der ZD-939L: http://www.pollin.de/shop/dt/MjM4OTUxOTk-/Werkstatt/Loettechnik/Loetgeraete/Heissluft_Loetstation_mit_LCD_ZD_939L_4_Wechselduesen.html (Derzeit sind die Geräte abverkauft, sollen aber ab KW19 wieder zu haben sein, falls jemand auch Gelüste entwickeln sollte) Ich habe das Ding vor dem ersten Ausprobieren erst mal aufgeschraubt und mich vom ordungsgemäßen Zustand des Ziehungsgerätes überzeugt ;-) Das Ding ist einwandfrei verarbeitet, was mich sehr freut, denn der Konsum diverser Horror-Klassiker bei youtube hatte mich schon schlimmstes befürchten lassen. Die Transportsicherungsschrauben sind auch erfolgreich entfernt und ich habe auch bereits erfolgreich die ersten Lötzinn-Schmelzversuche unternommen. Aber jetzt gibt es mangels Erfahrung doch ein wenig Unsicherheit und daraus resultierende Fragen, die die langjährigen Heissluftkönner vielleicht locker klären können: Wie sind denn eure Erfahrungen mit dem Gerät im Speziellen und der Heissluftlöterei im Allgemeinen? Gibt es irgendwas, worauf man bei der Heissluftlöterei besonders achten muß? Besonders würde mich interessieren, bei welcher Temperatur ihr Eure Stationen betreibt, d.h: welche Einstellung von Temperatur und Luftstrom hat sich bewährt, um sowohl Bauteile als auch Platinen zu schonen und wie lange dauert bei Euch dann so ein durchschnittlicher (Ent-)lötvorgang? Welche Düsen sind sinnvoll und welche eher Spielerei? Ist eine Heizplatte sinnvoll oder gar nötig? Und wie geht man bei Bauteilen vor, die noch zusätzlich verklebt sind? Viele Fragen, ich weiß, aber ich will halt nicht schon zu Beginn alles kaputt machen :-)
Auf Teile deiner Fragen kann ich Antworten geben: Bei unserer Weller-Station habe ich nur eine 3mm-Düse. Man kann neben der Temperatur auch die Luftmenge regulieren. Ich nehme meistens eine recht hohe Temperatur (ca. 450°C) und eine geringere Luftmenge. Im Einsatz ist sie meist nur fürs Entlöten. Eine allgemeine Antwort auf die Frage nach der Dauer kann man nicht geben, denn es gibt viele Faktoren, die einem Geduld abverlangen. So z.B. das bleifrei Zinn oder Mehrlagenplatinen mit kräftigen Masseflächen drin. Dann dauert es schon u.U. Minuten. Eine Heizplatte habe ich (leider) nicht, das würde gerade die Probleme bei den großen Masseflächen deutlich reduzieren (so auf 120° vorheizen), denn dann ist einfach die Temperaturdifferenz, die man aufbringen muss, entsprechend kleiner. Man könnte die Platine auch vor dem Löten eine halbe Stunde bei 120° in einem Ofen "backen". 'Kaputtmachen': Es ist erstaunlich, was die Bauelemente und die Platine hier aushalten. Problematisch sind meist nur die Steckverbinder mit zuviel Kunststoffanteil. Wenn man nicht aufpasst, verziehen die sich sogar. Die TQFP-Düsen hätte ich gerne, ich vermute mal, dass hier durch das gezielte Anblasen der Pins die Temperaturbelastung deutlich kleiner bleibt. Aber auch ohne die habe ich schon mehrere TQFP ausgelötet und die sind dabei heil geblieben (für Kreuztausch bei der Fehlersuche). KLeine SMD-Passivbauteile gehen hervorragend, wenn sie nicht vollflächig auf einer Kupferfläche hängen. Übrigens, für manche Lötkolben gibt es auch Lötspitzen, die wie deine TQFP-Düsen aussehen. Das ist vermutlich noch schonender, aber für jede Gehäusegröße benötigt man eine andere Düse oder Lötspitze.
Hallo Löt-Blödel, zu deiner Frage, was ist mit verklebten Bauteilen ? Das Verkleben von Bauteilen dient meist nur einem Zweck, es soll das Bauteil solange festhalten, bis es verlötet ist. Der Kleber wird bei relativ niedrigen Temperaturen ausgehärtet. Höhere Temperaturen (400°C und mehr) zerstören die Haftwirkung, sodass der Kleber mechanisch kaum noch belastbar ist. Also, kleiner Kraftaufwand, große "lose" Wirkung. Sind alles Erfahrungswerte, als ich noch bei einer Firma gearbeitet habe, die "zur Familie gehört". Gruß deka65
Vielen Dank für Eure Hinweise. Ist es denn wirklich so, daß man die Temperatur eher im oberen Bereich wählt? Mir ist das noch nicht so ganz geheuer. Wenn ich mir zum Beispiel die Datenblätter von SMD-LEDs anschaue, dann ist da oft die Rede von maximal 5 oder 10s Lötzeit bei noch dazu ziemlich geringen Temperaturen. Wenn ich da jetzt wie HildeK schreibt "u.U. Minuten" auf irgendeinem Teil z.B. ein TQFP mit 400 oder mehr Grad herumbraten muß und nebenan kauern dummerweise ein paar solcher LEDs, haben die dann überhaupt noch eine Chance auf ein Weiterleben? Und wie steht es nach so einer Tortur um die Wiederverwendbarkeit dieses TQFP-ICs selbst aus? Wie sind da die Erfahrungen? Das bleihaltige Sn60Pb40 ist bei etwa 183 Grad Celsius nicht mehr fest und ab 192 Grad üblicherweise komplett aufgeschmolzen und das Flussmittel auch noch nicht verbrannt. Dann müsste Heissluft von ca. 250 Grad doch eigentlich locker reichen. Ist eine langerdauernde Behandlung mit 250 Grad oder eine kürzere mit 450 Grad für die Halbleiter gesünder? Wenn man den Kleber mit lösen muß, dann scheint es ja leider gar keine andere Wahl zu geben als mit der vollen Dröhnung draufzubrettern, oder?
Löt-Blödel schrieb: > Wenn ich mir zum Beispiel > die Datenblätter von SMD-LEDs anschaue, dann ist da oft die Rede von > maximal 5 oder 10s Lötzeit bei noch dazu ziemlich geringen Temperaturen. Wo misst die Station denn die Temperatur (wenn sie das überhaupt tut)? Im Luftstrom. Was heißt das für Leiterplatte und Bauteil? Dass irgendwann diese Temperatur am Bauteil erreicht ist. Wenn das Lot am Bauteil schmilzt, hast Du am Bauteil genau die Lotschmelztemperatur. Dann hörst Du auf zu heizen und das Bauteil kühlt wieder ab. Temperatureinstellung und Luftmenge an der Station bestimmen den Temperaturgradienten in °C/s. Also: viel Leistung und großer Luftstrom --> Großer Temperaturgradient, kurze Aufheizzeit wenig Leistung und kleiner Luftstrom --> kleiner Temperaturgradient, lange Aufheizzeit. Wie viel Leistung und Luftstrom Du nimmst, hängt wesentlich vom Aufbau der Leiterplatte ab. Wir benutzen einen Leister Hot Jet S mit 460W Heizleistung und max. 80l Luftstrom pro Minute, und unsere Vierlagen-Multilayer lassen sich nur löten bzw. entlöten bei maximalem Luftstrom und voller Leistung.
Also, wenn ich die bisherigen Rückmeldungen richtig zusammenfasste, dann ist volle Pulle angesagt - bei Temperatur und vielleicht mit Abstrichen beim Wind. Gibt es noch jemanden, der das bestätigen kann oder der es anders macht? Und was unternehmt ihr, daß umstehende Bauteile nicht wegfliegen oder beschädigt werden? Als Beispiel erwähne ich noch einmal kleine LEDs oder sonstiges Hühnerfutter neben einem z.B. TQFP. Auch alle sonstigen wichtigen Anekdötchen und Erfahrungen anderer nehme ich gerne an, sowohl zum Heisslöten allgemein als auch über die ZD-939L im Speziellen.
Löt-Blödel schrieb: > Also, wenn ich die bisherigen Rückmeldungen richtig zusammenfasste, dann > ist volle Pulle angesagt - bei Temperatur und vielleicht mit Abstrichen > beim Wind. Hallo Löt-Blödel, wir haben hier im Labor eine ähnliche, mit analog-Einstellung. Bei mir wird Lead-free (kleine Bauteile, 0603 o.ä.) mit 330Grad und größere Bauteile (Steckerleisten, Spulen, ...) mit 360Grad entlötet. Bleifrei etwa 30Grad weniger. rgds
Löt-Blödel schrieb: > erwähne ich noch einmal kleine LEDs Die werden grundsätzlich von der anderen Seite entlötet und von Hand gelötet, alles andere beschädigt die Linse! rgds
Löt-Blödel schrieb: > daß umstehende Bauteile nicht wegfliegen o Festhalten mit Pinzette oder besser: Luftzufuhr reduzieren! rgds
6A66 schrieb: > Die werden grundsätzlich von der anderen Seite entlötet und von Hand > gelötet, alles andere beschädigt die Linse! Aber wenn das jetzt ebenfalls SMDs sind und sich neben dem auszulötenden Teil befinden? Muß man dann realistischerweise davon ausgehen, das diese als Kollateralschäden regelmäßig ebenfalls gleich mit ersetzt werden müssen, oder hat man dann im Prozess was falsch gemacht?
So, nun habe ich mal an eine alte Druckerplatine als ersten ernsten Versuch herangewagt und ich muß sagen, das Ergebnis ist nicht übel! Angefangen habe ich mit 330 Grad und halbem Wind. Innerhalb weniger Sekunden waren die ersten Widerstände und Kondensatoren abgelöst. Für die ICs habe ich mich dank Eurer Ermunterung nach und nach tatsächlich bis auf 400 Grad "vorgewagt" und im Laufe einiger Minuten ein nettes Häufchen Teile zusammenbekommen. Daß das ganze immer auch eine Gratwanderung sein dürfte, habe ich auch feststellen dürfen, denn mit 400 Grad ist es mir erfolgreich gelungen, jeweils ein Pad des LS373 und eines LS14 leicht mitanzulupfen ;-) Bei den ICs selber ist aber kein Beinchen gekrümmt worden. Wie würde das Ergebnis wohl aussehen, wenn man so eine Lötzange benutzt hätte? http://www.pollin.de/shop/dt/Mzk4OTUxOTk-/Werkstatt/Loettechnik/Loetgeraete/Loet_Entloetpinzette_Tweezer_Set.html http://www.ebay.de/itm/SMD-Loetzange-Loetkolben-Entloetkolben-mit-8-Paar-Spitzen-/400663924639 Wer "gewinnt" da: Heissluft oder Lötzange?
Löt-Blödel schrieb: > Wer "gewinnt" da: Heissluft oder Lötzange? Lötpinzette (oder 2 Lötkolben) gewinnt klar für die 2-Pinner - geht einfach schneller, gezielter und ohne Gefahr daß benachbarte Stecker schmelzen. Ich hab für meine Lötpinzette auch etwas breitere Spitzen, damit kann ich auch TSSOP-8 etc. direkt auslöten. Das Tauschen der Spitzen dafür lohnt aber nur wenn viele Teile auszulöten sind. Alles was mehr als 8 Pins hat, ist fast immer mit Heissluft besser zu entlöten. Ach so: ich gehe hier von meiner JBC PA1200 Zange aus, nicht von den verlinkten Billigteilen. Wie die sich schlagen kann ich nicht sagen.
Löt-Blödel schrieb: > Wer "gewinnt" da: Heissluft oder Lötzange? Ich löte auch gerne 0603 und 0402 mit Heißluft ein. Lands vorher mit etwas bleihaltigem Lot vorverzinnen erhitzen und reinsetzen, meist reichen etwa 3s bei 330Grad dass 0402/0603 dann angelötet sind. Alternativ: mit feiner Spitze anlöten und mit Heißluft nachlöten, schwimmt sauber ein. rgds
Ich verwende Heißluft, normalen Lötkoblen, als auch so eine Lötzange. (Temperaturangaben beziehen sich alle für bleifrei) Alle drei haben ihren Nutzen. Heißluft verwende ich zum Verlöten von den meisten SMD Bauteilen wenn ich eine Leiterplatte bestücke. Mit Lotpaste aus der Spritze benetze ich alle relevanten Pins, platziere dann die Bauteile, heize die Platine auf einem Preheater auf 100-150 Grad vor und verlöte dann mit Heißluft die Bauteile einzeln. (Ich habe einen Aoyue int853A). Das Vorheizen finde ich ist unabdingbar beim Heißluftlöten, spätestens wenn ICs mit Masseflächen dabei sind oder Leiterbahnen unterschiedlicher Breite kommt man ohne kaum aus. Es verkürzt auch die Zeit die man pro Bauteil verwendet, reduziert den Thermischen Schock, ... Ebenso wird dadurch die Lotpaste fest und die Bauteile fixiert, was das wegblasen mit Heißluft minimiert. Bei Heißluft verwende ich meist 400 Grad und einen Luftstrom welcher 0603 Bauteile nicht wegbläst, jedoch stark genug um das Schwimmen der Bauteile erkennen zu können. Wenn du ICs ohne Beinchen verlöten willst (bspwq DFN/QFN) so kommst du ohne Heißluft auch nicht weit. Den Lötkolben verwende ich für bedrahtete Bauteile, Nachbesserungen oder Kabel. Aber auch größere ICs mit dicht gepackten Beinchen löte ich gerner mit dem Lötkolben. (Drag soldering) Die Lötzange ist ideal zum Auslöten von SMD Widerständen, Kondensatoren, ... Alles mit zwei, maximal drei Beinchen. Das geht deutlich schneller als mit Heißluft, da die Wärme gezielt zugeführt wird. Somit ideal um kleine Korrekturen oder Versuche durchzuführen, ohne die Platine vorheizen zu müssen. Eingelötet wird der SMD Widerstand dann mit dem Lötkolben. Erst ein Pad auf der Leiterplatte verzinnen, dann mit einer Pinzette und dem Lötkolben die eine Seite verlöten und im Anschluss das zweite Pad. Geht auch wieder flotter als Lotpaste auftragen und Heißluft zu verwenden. Entlöten mehrbeiniger SMD Bauteile funktioniert auch nur wirklich gut mit Heißluft. Damit umliegende Bauteile nicht miterhitzt werden, kleine Widerstände ggf. sogar entlötet werden, kann man umliegende Bauteile mit Kaptonband überkleben, welches den hohen Temperaturen stand hält und die Bauteile vor der Heißluft schützt.
:
Bearbeitet durch User
Vielen Dank Euch allen, das ist wirklich sehr informativ. Ich habe inzwischen auf der alten Druckerplatine etwas weitergeübt und dabei lernen dürfen, daß ab einer gewissen Größe der ICs (>80-100Pins oder so) mit der dünnen Düse von 4,4mm nicht mehr viel geht bzw. es zu lange dauert, mit kreisenden Bewegungen die Sache ausreichend warm zu bekommen. Die Gefahr, ein Pad von der Platine zu reissen steigt dann offenbar ziemlich stark an. Für diese großen Gehäuse scheinen mir nach meinen Anfängererfahrungen die Düsen mit den dazu passenden Footprints fast unerlässlich. Vielleicht würde es aber auch mit dem "nackten" Griffstück allein ganz gut funktionieren, das werde ich demnächst testen. Bei allem was kleiner ist, also auch SOIC mittlerer Größe, scheinen mir angepasste Düsen dagegen fast überflüssig, denn das hat mit den runden Düsen von 2,5 und 4,4mm sehr gut funktioniert. Nachher werde ich mal die Lötpaste aus dem Kühlschrank holen und versuchen, irgendwas irgendwo einzulöten. Über die Anschaffung eines Preheaters werde ich vielleicht auch mal nachdenken. Vorerst werde ich Versuche mit einer alten Campingherdplatte machen. Eine Frage noch zum Thema BGAs. Ganz kurz und knapp: wie macht ihr das? Vorwärmen? Wie heiß, wie lang? Welches Flussmittel und wieviel davon? Und was gibt es da generell sonst noch zu beachten?
Ganz toller Thread! Hat mir sehr Mut gemacht, mich mal an die Heißluftlötgeschichte ranzuwagen. Und: Es war überaus erfolgreich!!! Danke an all die Profis hier und vor allem auch an den Themensteller!! Guten Rutsch, 3 Jahre nach Threaderöffnung :-) Georg
Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.