Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik Alle IC-Pins gleichzeitig anfassen? Zerstörung ja/nein?


von Steffen S. (steffenkame)


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Hallo!

Ein Kollege meinte, es ist kein Problem bei einen IC alle Pins 
gleichzeitig anzufassen, da ja dann an allen Pins ein Kurzschluss 
herrsche.

Doch er kann seinen Finger nicht genau zeitgleich auflegen. Kann die 
eventuell vorhandene Ladung die 10 ms vorher (im Gegensatz zu den 
anderen Pins) auf einem Pin ist, den IC zerstören?

Gruß kame

von Rolf Magnus (Gast)


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Steffen S. schrieb:
> Doch er kann seinen Finger nicht genau zeitgleich auflegen. Kann die
> eventuell vorhandene Ladung die 10 ms vorher (im Gegensatz zu den
> anderen Pins) auf einem Pin ist, den IC zerstören?

Die kann den IC auch schon zerstören, wenn du noch gar keinen Pin 
berührst.

von Steffen S. (steffenkame)


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Also du meinst, wenn man nur das Gehäuse berührt oder?

Doch warum? Kannst du das vielleicht genauer ausführen?

Danke
Steffen

von Andreas B. (andreasb)


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Steffen S. schrieb:
> Also du meinst, wenn man nur das Gehäuse berührt oder?

Auch OHNE Berührung. Es muss nur der Funken überspringen.

> Doch warum? Kannst du das vielleicht genauer ausführen?

ESD.
http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrostatische_Entladung

Ich persönlich habs bisher einmal erlebt, war ein SD RAM, welches vor 
dem Anfassen funktioniert hat, und der, ders raus genommen hat, hat sich 
nicht geerdet. Wäre ja sowieso quatsch... ;-)

Das RAM war hinüber.

Nicht alle ICs sind gleich empfindlich, Vorsicht ist aber wie immer 
besser als Nachsicht ;-)


mfg Andreas

von Thomas E. (thomase)


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Steffen S. schrieb:
> Also du meinst, wenn man nur das Gehäuse berührt oder?
>
> Doch warum? Kannst du das vielleicht genauer ausführen?
Bist du schon mal über einen Fußboden geschlurft und hast dann an der 
Türklinke eine geschossen gekriegt? Und zwar bevor du die Klinke berührt 
hast? Das, was in deinem Finger piekt, kann dein IC zerstören. Das sind 
mehrere KV.

Aber eigentlich ist deine Frage doch nur rein akademisch.
In einer ordentlichen Elektronikwerkstatt trägt man ESD-Baumwollkittel 
und  ESD-Schuhwerk, ist am Platz selbstverständlich angeschnallt. Wenn 
man sich ein Bauteil aus der geerdeten Schublade holt, fasst man das mit 
der ESD-Pinzette an und legt das in seine ESD-Transportschachtel. Erst 
wenn man sich an seinem Platz wieder angeschnallt hat, darf man das 
Bauteil auch mit seinen Fingern anfassen.

Machst du das nicht, kriegst du von der ESD-Fachkraft was auf die Omme.

mfg.

: Bearbeitet durch User
von stefanus (Gast)


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Mir ist ein in 30 Jahren vermutlich genau einmal passiert. Ein frisch 
gekauftes CMOS IC (aus der 40xx Reihe) funktionierte nach dem Einbau 
nicht.

Möglichwerweise wurde der Chip auch bereits defekt geliefert.

Ich will damit nur sagen, dass Mikrcochips nur sehr selten kaputt gehen, 
wenn man sie anfasst.

Es schadet jedenfalls nicht, sich vorher durch anfassen einer geerdeten 
Metallplatte zu entladen. Manche Kleidungsstücke und frisch gewaschene 
Haare laden sich auch gerne mal auf. Also besser Nackig und ungewaschen 
basteln :-)

von Thomas E. (thomase)


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stefanus schrieb:
> Also besser Nackig und ungewaschen
> basteln
Gute Idee. Dann kann man sich das nervige Handgelenkband um den 
Schniedel binden.

mfg.

von Rudolph (Gast)


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Ganz wichtig ist auf gar keinen Fall den JFS Pin anzufassen. :-)

von Moby (Gast)


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Hab bei den AVR-Controllern schon Tausendmal die Pins berührt- nie mit 
bösen Folgen. Man sollte das ja nun nicht unbedingt absichtlich tun- 
aber wenns passiert ist die Chance auf Zerstörung < 1%. Also keine 
Panik.

von Falk B. (falk)


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@ Moby (Gast)

>Hab bei den AVR-Controllern schon Tausendmal die Pins berührt- nie mit
>bösen Folgen.

TAUSEND Mal berüht,
TAUSEND mal ist nix passiert,
TAUSEND und eine Nacht,
Und es hat Zooom gemacht!

https://www.youtube.com/watch?v=9s_cXehaGM0

;-)

von Moby (Gast)


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Mach den Leuten nicht unnötig Angst :-)

von Max H. (hartl192)


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Ich habe auch noch nie einen PIC mit ESD gegrillt. Es gibt aber auch 
Bauteile die da sehr empfindlich sind, z.B. Laserdioden.

von Moby (Gast)


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Die AVRs sind relativ hart im Nehmen. Einer der vielen Vorteile.

von Andreas D. (rackandboneman)


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Denke mal es geht da um Nanosekunden nicht Millisekunden ... wenn du ein 
Bauteil in leitfähigem Schaum anfasst ist die Gleichzeitigkeit ja 
gegeben... da bliebe noch ungeschirmter Die gegen alle Pins als 
ESD-Pfad...

von Peter R. (pnu)


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Gleichzeitigkeit gibts zwar in der Mathematik, nicht aber in der 
Realität!

Irgendeiner der Pins ist immer der Erste. Er bekommt zuerst Kontakt über 
Lichtbogen und über den entlädt sich die statische Ladung. Dabei sinkt 
ja die Spannung und auch die Wahrscheinlichkeit, das die andren Kontakte 
noch Spannung abbekommen.

btw. Das hat mir immer in den Programmieranleitungen für Mikrokontroller 
(auch AVRs) und Eproms gestunken, als ich Programmiergeräte dafür baute.
Da wird wiederholt Gleichzeitigkeit von Signalen verlangt/erlaubt. Die 
kann aber per Hardware garnicht erfüllt werden, außer man schaltet 
irgendwelche 8-bit-Register per gemeinsamem enable-Anschluss. -und da 
entstehen schon Unterschiede durch verschiedene Leitungskapazitäten.

: Bearbeitet durch User
von San L. (zwillingsfreunde)


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Peter R. schrieb:
> btw. Das hat mir immer in den Programmieranleitungen für Mikrokontroller
> und Eproms gestunken:
>
> Da wird wiederholt Gleichzeitigkeit von Signalen verlangt/erlaubt. Die
> kann aber per Harware garnicht erfüllt werden, außer man schaltet
> irgendwelche 8-bit-Register per gemeinsamem enable-Anschluss.

Nun ist immer die Frage, wie man "Gleichzeitigkeit" definiert. Ist damit 
in der Tat Gleichzeitig gemeint, also eine zeitliche differenz von exakt 
0, oder wie in der Elektornik oft üblich eine zeitliche Differenz welche 
vernachlässigbar ist und somit als Gleichzeitig angesehen werden kann.

Max H. schrieb:
> Ich habe auch noch nie einen PIC mit ESD gegrillt. Es gibt aber auch
> Bauteile die da sehr empfindlich sind, z.B. Laserdioden.

PIC hab ich bisher einmal hingekriegt. Da liefern aber mehrere 
unglückliche Umstände zusammen. Ansonsten kann ich sagen, arbeite seit 3 
Jahren fast täglich mit den Dingern, hab sie auch oft in der Hand und 
passiert ist sonst nie etwas.

Falk Brunner schrieb:
> TAUSEND Mal berüht,
> TAUSEND mal ist nix passiert,
> TAUSEND und eine Nacht,
> Und es hat Zooom gemacht!

Immer wieder nett deine Beiträge, bringen mich regelmässig zum lachen. 
Aber ist in der Tat so, die Chance dass früher oder später mal etwas 
kaputt geht besteht immer.

von Patrick (Gast)


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Auch beim 100%ig gleichzeitigen Berühren aller Pins kann das Bauteil 
geschädigt werden, da das integrierte Silizium und die dort vorhandenen 
Ladungsträger auf einem Potential ungleich dem des Berührenden liegen 
können.
ESD hängt nicht nur vom Potentialunterschied, sondern hauptsächlich auch 
von den vorhandenen Kapazitäten und den inneren Widerständen selbiger 
ab. Dazu gibt es in den entsprechenden Normen auch unterschiedliche 
Modelle (z. B. Human Body Model, welches den menschlichen "Bediener" 
beschreibt, oder das Maschinenmodell (Ja, auch hier gibt es nochmals 
Unterschiede - führt hier jetzt zu weit)).
Mit anderen Worten zielen ESD-Schutzmaßnahmen grundsätzlich darauf ab, 
das Entstehen einer hinreichend großen Potentialdifferenz in der 
Verarbeitungskette zu vermeiden; das tatsächliche Potential ist quasi 
"egal". Dabei kommt es natürlich auch immer auf die konkreten Umstände 
an - ein blankes Siliziumdie eines DSPs muss anders behandelt werden als 
eine Industriebaugruppe im geschlossenen Gehäuse, bei welcher nur die 
Steckerpins frei liegen.

ESD muss auch nicht zwangsläufig den sofortigen Ausfall des Bauteils zur 
Folge haben - ganz im Gegenteil. Und genau diese ESD-Vorschädigungen, 
die einen mittelfristigen Ausfall zur Folge haben, sind die 
heimtückischsten.
Erst kürzlich wieder bei einem Elektronikhersteller erlebt: Über die 
Zeit (teilweise nach Jahren) kamen ca. ein Promille der insgesamt 
ausgelieferten Exemplare einer elektronischen Baugruppe als Feldausfälle 
zurück. Obwohl ziemlich schnell der Verdacht einer ESD-Vorschädigung 
während der Fertigung aufkam (im Design ließen sich auch nach 
ausführlicher Untersuchung keine Fehler finden, und es konnte auch kein 
kundenseitiger Betrieb außerhalb der Spezifikation nachgewiesen werden), 
konnte auch nach einer langwierigen und entsprechend teuren Untersuchung 
die genaue Quelle nicht geklärt werden. In der Folge wurden in der 
Fertigung mehr oder weniger auf Verdacht weitere ESD-Schutzmaßnahmen 
eingeführt; zurück blieb (wie immer bei solchen Szenarien) ein recht 
hoher finanzieller und Imageschaden.

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