Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Differenzverstärker VS. Instrumentalverstärker


von Stefan T. (Firma: TU Berlin) (stefantu)


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Hallo da draußen!

Ich probiere im Moment einen rauscharmen Vorverstärker für einen 
Audioanalyzer zu entwickeln.

Letztendlich soll eine Spannung, die über ein Leiterbahnstück über jenes 
1 Ampere rms fließt, auf etwa 1V rms verstärkt werden. Bei der 
Verstärkung gehe ich aktuell von etwa 20-30db aus.

Über die Leiterbahn wird ein Sinussignal mit etwa 10kHz geschickt

Ich muss an der Leiterbahn mit einer höheren Gleichtaktspannung rechnen 
als überhaupt Gegentaktspannung (gewünschtes Signal) vorhanden ist. Es 
liegt also an der Quelle alles andere als ein gegen Masse symmetrische 
Signal an.

Zunächst habe ich mich auf die klassische 
Instrumentalverstärkertopologie gestürzt und einen Prototypen 
entwickelt.
Bei diesem habe ich sehr lange damit gekämpft, dass die Eingänge 
zusammen mit dem angeschlossenen Kabel angefangen haben zu schwingen.
So ganz habe ich den Dreh auch noch nicht raus, wie niedrig eigentlich 
die Widerstandsbeschaltung eines Opamps ausfallen darf bevor die 
Angelegenheit instabil wird.

Mir ist in den letzten Tagen auch wieder der Differenzverstärker mit 
"asymmetrischer" Widerstandsbeschaltung in den Kopf gekommen.
Diese Kiste sieht man jedoch so häufig mit 4 gleichen Widerständen, dass 
man irgendwann beginnt zu glauben, dass es anders gar nicht ginge!

Simulationen zeigen, dass mit dem Differenzverstärker einfach wesentlich 
weiter kommen müsste.

So ergibt meine Simulation mit 4x LT1028 „parallel“ laufend mit einer 
Verstärkung von ca. 20db mit 100Ohm und 10Ohm Widerständen auf eine 
Rauschdichte von etwa 6nV/Sqrt(Hz).

Wie sieht es aber in der Praxis aus?
Ich habe die Befürchtung, dass sehr niedrige Eingangsimpedanzen (<10Ohm) 
die praktische Ausführung unmöglich machen könnten?

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


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Stefan Trampert schrieb:
> Letztendlich soll eine Spannung, die über ein Leiterbahnstück über jenes
> 1 Ampere rms fließt, auf etwa 1V rms verstärkt werden. Bei der
> Verstärkung gehe ich aktuell von etwa 20-30db aus.

D.h. du gehst von einem Widerstand der Leiterbahn von ca. 0,1 Ohm aus?

Stefan Trampert schrieb:
> Wie sieht es aber in der Praxis aus?
> Ich habe die Befürchtung, dass sehr niedrige Eingangsimpedanzen (<10Ohm)
> die praktische Ausführung unmöglich machen könnten?

Zunächst mal muss der LT1028 die 100Ohm in der Rückkopplung treiben 
können. Vom Maximalstrom sollte das bei û = 1,4 V noch gehen, aber sein 
Open Loop Gain (der für die Genauigkeit zuständig ist) liegt bei 
R_L=100Ohm schon einen Faktor 10 unter dem Wert der für R_L = 1kOhm 
spezifiziert ist (S. 7 unten im Datenblatt). Unter 100Ohm Lastwiderstand 
ist er nicht spezifiziert. Wenn bei 10kHz nur noch 60dB Open Loop Gain 
übrig bleiben und du eine Differenzverstärkung von 20dB willst, baust du 
einen Fehler von ~1% in die Schaltung ein.

Außerdem beruht die Gleichtaktunterdrückung des Diffamps darauf, dass 
die Widerstandspaare genau matchen. Wenn die Eingangswiderstände nur 
10Ohm betragen machen sich parasitäre Widerstände und der 
Shuntwiderstand vergleichsweise stark bemerkbar und ergeben eine miese 
Gleichtaktunterdrückung.

Außerdem verstehe ich nicht ganz, wieso du bei einem Eingangssignal von 
û=140mV so extrem aufs Rauschen schaust: die Fehler der Schaltung 
aufgrund des geringen Open-Loop Gain und der geringen 
Gleichtaktunterdrückung sollten meiner Abschätzung nach deutlich über 
dem Rauschen der Schaltung liegen, oder hab ich mich verrechnet?

Wenn der Strom sinusförmig bei 10kHz ist, interessiert dich der 
DC-Anteil eigentlich nicht. Du könntest hochpassfiltern und das 
1/f-Rauschen "normaler Verstärker" loswerden. Dann hätte ich sowas 
früher mit einem AD620 gebaut (<20nV/SQRT(Hz) bei 10kHz), heute gibt es 
wahrscheinlich bessere Bausteine.

Wie du den Instrumentenverstärker durch eine Kabelkapazität am Eingang 
zum Schingen bringen könntest, verstehe ich nicht. Ein Kabel am Ausgang 
kann mit seiner Kapazität zu Schwingneigung führen, aber das lässt sich 
durch einen Isolationswiderstand oder einen nachgeschalteten 
Leitungstreiber beheben.

von Peter R. (pnu)


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Stefan Trampert schrieb:
> Bei diesem habe ich sehr lange damit gekämpft, dass die Eingänge
> zusammen mit dem angeschlossenen Kabel angefangen haben zu schwingen.
> So ganz habe ich den Dreh auch noch nicht raus, wie niedrig eigentlich
> die Widerstandsbeschaltung eines Opamps ausfallen darf bevor die
> Angelegenheit instabil wird.

Verstärkereingänge neigen bei Anschluss von Leitungen zum Schwingen, da 
Leitungen sowohl Kapazität als auch Induktivität haben.
Sicherheit dagegen bekommt man, wenn man einen Widerstand im Bereich von 
100 Ohm bis 10kOhm in reihe zum Eingang legt.
Der stört das gewollte Signal nicht. Da der instrumentation-amplifier ja 
hochohmige Eingänge hat, kann man mit 10 kOhm das C und das L der 
Leitung vom Eingang des Opamp trennen.

von Stefan T. (Firma: TU Berlin) (stefantu)


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Vielen Dank für Eure Antworten!

Zu dem was Peter geschrieben hat:

Diese 100Ohm bis 10k Ohm verschlechtern das Rauschen der Schaltung 
ungemein. Die LME 49990 haben ein extrem hohes Stromrauschen an den 
Eingängen.
Leider gibt das Datenblatt des LME 49990 nicht so viel her:
http://www.ti.com/lit/ds/symlink/lme49990.pdf
Da gibt es leider nichtmal eine Open Loop Gain Kurve.
Meine "try and error" Eingangsfilter mit 10m XLR Kabel sah eher nach 
einem PI Filter aus.
Die genaue Schaltung weiß ich allerdings nicht aus dem Kopf.
Was ich jedoch weiß ist, dass ich die 50Ohm in Serie mit den Eingängen 
nochmals zusätzlich mit 100uH gebrückt habe.
Das tückische ist eben, dass alle Widerstände die normalerweise in 
irgendeinem Sinne dämpfen möglichst gering ausfallen müssen.
Und genau ein solcher Filter (der eigentlich auch die 
Gleichtaktunterdrückung nur verschlechtern kann), dürfte doch streng 
genommen mit einem Differenzverstärker und der Assymetrie der 
Eingangsimpedanzen (Gleichtakt <-> Gegentakt) gar nicht richtig 
funktionieren?

Zu Achim:

Ich habe meine ersten Simulationen mit dem LT 1028 gestartet, weil 
dieser in der Datenbank von LT Spice verfügbar war. Als 
Operationsverstärker für meine Schaltung steht dieser eher weniger zur 
Wahl. Da habe ich mit dem LME 49990 einfach viel bessere Erfahrungen 
gemacht, solange die Schaltung nicht schwingt (Was bei 110MHz 
Verstärkungs-Bandbreiten-Produkt nicht immer einfach ist)!

Die Widerstände werden natürlich "genau" gematcht 0,01% sollte da 
möglich sein. Je höher die Verstärkung des Differenzverstärkers desto 
besser ist auch die Gleichtaktunterdrückung.
Mich interessieren später auch "nur" die Verzerrungen an der Leiterbahn 
bzw. dem Steckverbinder. Wenn ich davon ausgehe, dass das 
Ursprungssignal Verzerrungsarm ist muss ich keine perfekte 
Gleichtaktunterdrückung erreichen.
(Mit einem passiven Notch Filter und einem Lockin Verstärker bin ich auf 
etwa -150db k3 gekommmen und hatte damit zunächst den ersten Meilenstein 
"geschafft")

Das Operationsverstärker durch zu niedrige Eingansimpedanzen und am 
Eingang angeschlossene Trasmissionlines anfangen zu schwingen, war für 
mich auch ein neues Phänomen. Wenn man es auf dem Labortisch sieht ist 
man dann doch schnell überzeugt. Letzten Endes sind die Eingänge durch 
den Biasstrom und auch die Eingangskapazität mehr als man möchte an die 
Internas des Operationsverstärkers gekoppelt.

Leider habe ich genau dazu noch keine richtige Litertur gefunden.
Bei Duglas self sind einige interessante Ausführungen zur 
Rauschminimierung (mit einem Instrumentalverstärker aus über 16 NE 
5532ern) aber genau zu meinem Problem habe ich leider noch nichts 
gefunden.
Wobei der Fall, dass der Eingangswiderstand so gut wie keine Rolle 
Spielt auch wirklich selten anzutreffen ist.

: Bearbeitet durch User
von Achim S. (Gast)


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Stefan Trampert schrieb:
> Die Widerstände werden natürlich "genau" gematcht 0,01% sollte da
> möglich sein.

0,01% von 10 Ohm sind 1mOhm - da spielen evtl. kleine Änderungen der 
Temperatur oder der Lötstelle schon eine große Rolle. 0,01% von 1kOhm 
wären einfacher zu kontrollieren.

Stefan Trampert schrieb:
> Das Operationsverstärker durch zu niedrige Eingansimpedanzen und am
> Eingang angeschlossene Trasmissionlines anfangen zu schwingen, war für
> mich auch ein neues Phänomen. Wenn man es auf dem Labortisch sieht ist
> man dann doch schnell überzeugt

Ich glaube es dir schon. Beim Diffamp, wo die Rückkopplung in Richtung 
der Eingänge geht, kann ich es vielleicht sogar verstehen. Beim 
Instrumentenverstärker kann ich es im Augenblick höchsten darüber 
verstehen, dass es über die Leitungen zu einer Kopplung der Eingänge auf 
die Versorgung oder die Ausgänge kommt.

von Stefan T. (Firma: TU Berlin) (stefantu)


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Beim INA 217 habe ich eine interessante Stelle im Datenblatt gefunden:
____________________________________________________________________
Very low source impedance (less than 10Ω) can cause the INA217 to 
oscillate. This depends on circuit layout, signal source, and input 
cable characteristics. An input network consisting of a small inductor 
and resistor, as shown in Figure 2, can greatly reduce any tendency to 
oscillate. This is especially useful if a variety of input sources are 
to be
connected to the INA217. Although not shown in other
figures, this network can be used as needed with all applica-
tions shown.
_____________________________________________________________________

So richtig wird natürlich nicht darauf eingegangen woher diese 
Oszillation her stammt, aber zumindest gibt mir das Datenblatt einen 
Anhaltspunkt.
Der LME 49990 hat einen maximalen Bias Strom von 1uA!
Bei meiner aktuellen Topologie mit jeweils zwei Instrumentalverstärkern 
ergibt dies auf jeder Leitung immerhin 2uA die ausreichen das ganze 
Kabel anzuregen.
Die Versorgungspannung habe ich bei angeregter Schwingung an den Opamps 
gemessen, diese blieb weitestgehend unbeeindruckt.

: Bearbeitet durch User
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