Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Künstlicher Sternpunkt - wieso funktioniert es?


von Andreas (Gast)


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Ich frage mich wie dieser künstliche Sternpunkt bei der Leistungsmessung 
denn helfen soll? Von der Last weiß ich ja bekanntlicherweise nichts. 
Ich habe sie zwar in meinem Bild eingezeichnet, jedoch kann das auch 
eine Dreieckschaltung sein...


Nun soweit ich das verstanden habe, haben wir bei der Leistungsmessung 
an einem 3Phasen Verbraucher das Problem, dass wir nicht an die Last 
kommen weil es irgendeine Schutzart davor gibt. Und deswegen bauen wir 
einen künstlichen Sternpunkt ein, damit wir die SPannungen messen 
können. Die Ströme wissen wir, weil sie in die Leiter von den Kebeln 
hineinfließen und wir uns da ranhängen können.
--------------
Stimmt das alles soweit überhaupt?

Ok, nun zum eigentlichen Problem: Ich verstehe einfach nicht was diese 
simple Schaltung bringen soll? In wahrheit pflanze ich ja eigentlich 
einen extra in Stern geschaltenen Verbraucher dazu und dadurch fließt 
dann blöderweise auch ein Strom. Das kann doch nicht von meinem 
Interesse sein oder?
Außerdem, nachdem ich heute hoffentlich verstehen werde wieso man das 
macht,  hätte ich noch eine zweite Frage: Wie kann ich die Widerstände 
(im künstlichen Verbraucher) ermitteln? Was sollten die darstellen außer 
einen extra Verbrauche mit Strom und daher mit mehr Geldausgaben?

Danke schonmal im Voraus!!

von Udo S. (urschmitt)


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Alternativ würdest du für die Leistungsberehnung die Spannungen zwischen 
den Phasen und die Ströme zwischen den einzelnen Phasen brauchen. Aber 
du hast nur die Strangströme und damit weist du nicht welcher Strom mit 
welcher Phasenverschiebung von L1 zu L2 von L1 zu L3, ... fliesst.
Also ist es einfacher dir einen künstlichen Sternpunkt zu schaffen und 
so die Spannungen zu messen.

von Andreas (Gast)


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Udo Schmitt schrieb:
> dir einen künstlichen Sternpunkt zu schaffen und
> so die Spannungen zu messen.

Aber wie stellen sich die Spannungen ein? Ich muss ja alle Impedanzen 
der künstlichen Schaltung dimensionieren, aber wie soll ich das tun, 
wenn ich nicht weiß wie es im Verbraucher drinnen ausschaut?

von Peter II (Gast)


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Andreas schrieb:
> Ich muss ja alle Impedanzen
> der künstlichen Schaltung dimensionieren, aber wie soll ich das tun,
> wenn ich nicht weiß wie es im Verbraucher drinnen ausschaut?

der Verbraucht hat doch überhaupt keine Einfluss auf den Künstlicher 
Sternpunkt.

von Andreas (Gast)


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Peter II schrieb:
> der Verbraucht hat doch überhaupt keine Einfluss auf den Künstlicher
> Sternpunkt.

Und da gehen unsere Meinungen auseinander (und ich weiß dass ich unrecht 
habe, daber ich weiß nicht wieso). Denn der Verbraucher hat 
beispielsweise eine unsymmetrische Last. Der künstliche Verbraucher kann 
aber auch eine symmetrische last haben wenn es wie du sagst keine Rolle 
spielt.
Wie kann ich dann die Ströme des originalverbrauchers mit den Spannungen 
des künstlichen Verbrauchers einfach so multiplizieren? Da kommt ja 
irgendwas raus...

Das ergibt keinen Sinn für mich

von Udo S. (urschmitt)


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Andreas schrieb:
> Ich muss ja alle Impedanzen
> der künstlichen Schaltung dimensionieren,

Rein ohmsch, und so hochohmig wie möglich daß du noch genau genug die 
Spannungen erfassen kannst.

von Peter II (Gast)


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Andreas schrieb:
> Wie kann ich dann die Ströme des originalverbrauchers mit den Spannungen
> des künstlichen Verbrauchers einfach so multiplizieren? Da kommt ja
> irgendwas raus...

wenn der Verbraucht nicht symmetrisch ist, dann sind die Ströme auch 
nicht symmetrisch. Und eine Symmetrische Spannung * Unsymmetrisch Strom 
= Unsymmetrisch Leistung.

von Udo S. (urschmitt)


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Andreas schrieb:
> Wie kann ich dann die Ströme des originalverbrauchers mit den Spannungen
> des künstlichen Verbrauchers einfach so multiplizieren?

Die Spannungen sind fest und verschieben sich durch die unsymmetrische 
Last ja nicht in der Phase. Nur der Strom ändert seine Größe und seine 
Phase, aber das misst du ja dann richtig.

von Peter II (Gast)


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wenn ich so darüber nachdenke, dürfte sogar egal sein wo der Künstlicher 
Sternpunkt liegt. Mann könnte auch einfach L1 als Künstlicher Sternpunkt 
ansehen. Dann müsste auch die Gesamtleistung stimmen. Phasenleistung 
stimmt dann nicht.

(Alle angaben ohne Gewähr!)

von Mr. Claudius (Gast)


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Du kannst jeden (unsymmetrischen) Verbraucher in Dreieckschaltung oder 
Sternschaltung ohne Neutralleiteranschluss zu einem Äquivalent in 
Sternschaltung mit Neutralleiter transformieren und umgekehrt. Letzteres 
lässt sich mit Hilfe des nachgebildeten Sternpunktes am einfachsten 
messen.

von Andreas (Gast)


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Ich werde wohl den mathematischen weg gehen müssen um euch zu zeigen was 
ich meine, na gut, das geht auch!

Ich gehe von allgemeinen Außenleiterspannungen aus:

Diese drei Außenleiterspannungen sind alle so konstant mit fixem 
Phasenwinkel, das glaub ich schon.
Jedoch können die Innenleiterspannungen im echten Verbraucher irgendwie 
in der komplexen Ebene liegen, denn es gibt ja keinen Sternpunkt, schon 
vergessen? Es gibt also eine Verlagerungsspannung U0 die mir das 
Zeigerdiagramm verschircht (wenn ich es so ausdrücken darf!!). Somit 
sind auch die Beträge der Spannungen der echten Einzelverbraucher (zb 
bei Sternschaltung) nicht mehr alle gleich.
Es fließen demnach auch unterschiedliche Ströme in den echten 
Verbraucher hinein. Ich nehme diese einmal allgemein an:

Um mir jetzt die Wirkleistung zu berechnen muss ich schreiben:

Angenommen ich kenne die last und es sei ein Sternverbruacher mit 
unsymmetrischer Last, dann kenn ich alle oben genannten Werte und kann 
mir somit die Wirkleistung, Blindleistung usw... errechnen wie ich 
gezeigt habe.

Ich versuche jetzt einmal einen Widerspruchsbeweis indem ich euch diesen 
speziellen Fall zeige wo es eben nicht funktioniert (meiner Meinung 
nach):
1
Eure Behauptung
Ihr wollt mir also erklären, dass wenn ich einen Symmetrischen 
Verbraucher mit R = unendlich parallel dazuschalte (was ja überhaupt 
keine Wirkung auf irgendwas hat), dann soll gelten:

Und das kann deswegen nicht sein, weil die Spannungen im virtuellen 
Netzwerk um GENAU 120° verschoben sind. Im echten Netzwerk jedoch nicht 
unbedingt. Ich habe euch also mathematisch gezeigt, dass es nicht 
möglich ist die Wirkleistung aus den Spannungen eines anderen Netzwerks 
bei ALLEN Fällen in der Praxis zu berechnen. Das klingt ja auch 
irgendwie naturfremd...

Bitte zeigt mir wo mein Denkfehler ist :((

von Possetitjel (Gast)


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Andreas schrieb:

> Jedoch können die Innenleiterspannungen

Strangspannungen.
Die Spannung, die an einem STRANG des Verbrauchers abfällt,
heißt STRANGspannung. Die Strangspannung ist gleich der
Leiterspannung, wenn der Verbraucher im Dreieck geschaltet
ist; ist der Verbraucher im Stern geschaltet, sind Strang-
und Leiterspannung verschieden. Das nur nebenbei.

> im echten Verbraucher irgendwie in der komplexen Ebene
> liegen, denn es gibt ja keinen Sternpunkt, schon
> vergessen?

Stimmt so nicht.

1) Wenn es keinen Sternpunkt im Verbraucher gibt, ist der
Verbraucher im Dreieck geschaltet. Dann sind die Strang-
spannungen (im Verbraucher) identisch zu den Leiterspannungen.

2) Wenn der Verbraucher als (unsymmetrischer) Stern geschaltet
ist, gibt es NATÜRLICH einen Sternpunkt. Dieser ist nur nicht
identisch zum Sternpunkt des speisenden Netzes (Sternpunkt-
verschiebung). Das ist wohl das, was Du meinst.

> Es gibt also eine Verlagerungsspannung U0 die mir das
> Zeigerdiagramm verschircht (wenn ich es so ausdrücken darf!!).

Ja. Sternpunktverschiebung.

> Somit sind auch die Beträge der Spannungen der echten
> Einzelverbraucher (zb bei Sternschaltung) nicht mehr alle
> gleich.

Ja, richtig. Aber Achtung: Die Spannungen sind NICHT
unabhängig wählbar! Wenn zwei Stangspannungen vektoriell
vorgegeben sind (in der komplexen Ebene), ist der
Sternpunkt damit festgelegt, und somit auch die dritte
Strangspannung.

> Es fließen demnach auch unterschiedliche Ströme in
> den echten Verbraucher hinein.

Ja, auch richtig. Dasselbe wie oben: Die Ströme sind
NICHT unabhängig wählbar. Der Knotenpunktsatz muss
für jeden beliebigen Moment erfüllt sein!

> Ich nehme diese einmal  allgemein an: [...]

Ich verstehe Deine Rechnungen bzw. Deine Argumentation
nicht. Vielleicht hilft aber folgendes weiter:

1) Die Stern-Dreieck-Umrechnung ist meines Wissens eine
Äquivalenztransformation. Das bedeutet: Es ist ohne
Wissen über die reale Innenschaltung des Verbrauchers
prinziell unmöglich, nur durch Messungen von außen zu
bestimmen, welche Schaltungsart und welche (komplexen)
Widerstandswerte vorliegen.

2) Wenn Du in der Sternschaltung einen Strang durch einen
Kurzschluss ersetzt, dann erhältst Du dieselbe Struktur,
wie wenn Du in der Dreieckschaltung einen Strang weglässt.
Man kann also bei zwei Strängen zwischen drei Außenleitern
nicht einmal eindeutig entscheiden, ob eine entartete Stern-
oder eine entartete Dreieckschaltung vorliegt (!).

3) Es ist also durch reine Strom-Spannungs-Messung im
speisenden Netz i.d.R. unmöglich, die berechneten
Teil-Leistungen bestimmten Strängen im Verbraucher
zuzuordnen, weil es (fast immer) zwei mögliche Lösungen
gibt, nämglich eine unter der Annahme, dass der Verbraucher
im Stern, und eine unter der Annahme, dass der Verbraucher
im Dreieck geschaltet ist.

4) Deine Überlegung, dass die aus den netzseitigen
Größen (Leiterspannungen und Leiterströme) berechneten
Teil -Leistungen NICHT mit den Leistungen in den einzelnen
Strängen des Verbrauchers übereinstimmen werden, ist daher
vermutlich richtig. Die Gesamtleistung im Verbraucher
müsste allerdings wieder stimmen.

5) Man kann die Sternpunktverschiebung im Verbraucher
sicher aus den Leiterströmen berechnen; im Moment habe
ich aber keine Idee, wie das geht.

von U. B. (Gast)


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von Andreas (Gast)


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U. B. schrieb:
> http://de.wikipedia.org/wiki/Aronschaltung

Das ist mir alles bereits klipp und klar!!
Ich sehe nur nicht ein wie ich dazu komme mit einer parallelschaltung 
einer völlig unabhängigen Schaltung meine Leistungen berechnen kann...

von b35 (Gast)


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Alte mechanische elektrodynamische Wattmeter (auf denen habe ich noch 
gelernt) besitzen zwei Spulen, je eine für den Spannungs- und den 
Strompfad. Sie sitzen auf einem Messwerk (eine fest, die andere 
beweglich) und zeigen das Produkt von U x I x cos_phi an.
Bei der 3-Wattmeter Methode im Dreileiternetz ohne Null (unabhängig ob 
die Last im Stern oder Dreieck geschaltet) ist die gelieferte Leistung:

P1+P2+P3 =
UL1-N x I1 x cos_phi1 +UL2-N x I2 x cos_phi2 + UL3-N x I3 x cos_phi3

(das ist genau Deine 2. Gleichung)

Die Spannungen gegen Null sind aber nicht verfügbar, also wird ein 
künstlicher Sternpunkt erzeugt. Dazu hat man früher drei gleiche 
Wattmeter (gleiche Ri) verwendet, den "Spannungsausgang" -bei den 
Wattavi Geräten mit  U* bezeichnet-  der drei Instrument 
zusammengeschaltet und somit den Sternpunkt erzeugt.
Die drei unbezeichneten Widerstände sind also die Spannungsspulen der 
alten Wattmeter (mit Vorwiderständen) , oder Du führst diese Spannungen 
Deinem Messsystem (uC) zu (eigentlich fehlen noch die "Stromspulen" der 
Messgeräte, bzw. die Stromwandler oder Shunts für das Messsystem).
Hoffe das war etwas verständlich, falls nicht empfehle ich ein 
klassisches Messtechnik Grundlagenbuch (oder Script).

von old man (Gast)


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Eventuell liegt's nur an der Sicht der Dinge. Eigentlich braucht den 
künstlichen Sternpunkt niemand. Du kannst ja ganz einfach die Spannungen 
Phase gegen Phase messen. Damit und den einzelnen Strömen sollten sich 
alles im Drehstromnetz berechnen lassen.

Wenn du dann versuchst das praktisch aufzubauen, wirst du merken, dass 
das nicht unaufwändig wird. Also hilft man sich mit einem Trick. Durch 
den künstlichen Sternpunkt schafft man sich ein einziges Bezugspotential 
für die 3 Spannungsmessungen, was den Schaltungsaufbau wesentlich 
vereinfacht. Aus den 3 Sternspannungen kann man dann sehr einfach die 
Spannungen Phase gegen Phase zu jedem Zeitpunkt berechnen. Leistungen 
und Ströme spielen dabei keine Rolle, es geht nur um die Spannung. Ab 
diesem Zeitpunkt rechnest du dann nur noch mit den berechneten 
Spannungen Phase gegen Phase und alles passt wieder.

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