Forum: Mikrocontroller und Digitale Elektronik 2-Stufiger BJT Verstärker ist nicht temperaturstabil


von Patrick B. (p51d)


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Hallo

Ich brüte gerade über einer Aufgabe von meiner Schule, bei der ich 
irgendwie nicht weiter komme:
Ziel ist es ein 2-Stufiger Verstärker mit Gleichspannungskopplung zu 
dimensionieren. Dabei soll die Verstärkung möglichst gross sein.

Berechnen und so ist kein Problem, nur habe ich bei der Simulation 
festgestellt, dass mir der DC-Arbeitspunkt mit variirenter Temperatur 
auch sehr stark schwankt. Soll heissen innerhalb von +10° bis +30° geht 
Vout von +10V auf etwa 0.5V. Nur wieso? Beide Stufen sind ja 
Emitter-Verstärker, die jeweils über den Emitterwiderstand stabilisiert 
sein sollten.

Achja, im Schema sind momentan alles errechnete Werte, also nicht 
wundern, wenns etwas Krumm aussieht.
Vorgehen war so: Vout mal auf +5V und Vr6 auf 0.1V (damit die 
Verstärkung rauf geht. Dann zum PNP zurückgerechnet und hier IC auf 1mA 
gesetzt. Dann noch das Bias und fertig.
Eingangswiderstand, Ausgangswiderstand und Verstärkung sind in der 
Aufgabenstellung nicht definiert. Verstärkung soll nur möglichst gross 
sein.

Besten Dank für die Hilfe
MFG
Patrick

von Jonas K. (jonas_k)


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Verbinde mal das obere Ende vom R1 am unteren Ende von R3 statt 
Versorgung, (und natürlich neu berechnen für selben Basisstrom), das ist 
auf jeden Fall stabilisierend.

Ansonsten halt Emitterwiderstand erhöhen.

Habs mal so ungefähr im Schaltplan korrigiert...

Patrick B. schrieb:
> Vr6 auf 0.1V

Aber etwas mehr als 0.1 V brauchst schon, damit sich da irgendwas 
stabilisiert :D

: Bearbeitet durch User
von Peter D. (peda)


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Mit 90 Ohm wirst Du kaum eine Stabilisierung erreichen, das ist viel zu 
niederohmig.
Mach die Werte deutlich größer und schalte einen Elko parallel.

Ein pnp als Eingangsstufe ist auch ungünstig, sämtliche Störungen auf 
der Versorgung addieren sich direkt zur Eingangsspannung. Nimm besser 
einen npn oder pole die VCC um.

von Patrick B. (p51d)


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Ok, habs mal etwas umgestellt: NPN am Eingang und dann die PNP Stufe. 
Widerstände im Emitter erhöht und die dazugehörenden Spannungen auf 1V 
angepasst.

Die NPN Stufe verschiebt mir den Vbias-Punkt jetzt von ~8.5V bei 0° auf 
~8.2V bei 100°. Die PNP verstärkt den Drift aber wieder. Vout wandert 
von 4.3V bei 0° auf 6.4V bei 100°.

Was mache ich sonst noch falsch?

@Peter: Klar, die Emitterwiderstände drücken mir momentan noch die 
Verstärkung, das kann man dann über einen 2. Widerstand und den besagten 
Kondensator lösen, aber das hat von mir aus gesehen nichts mit der 
Instabilität mit der Temperatur zu tun.

von Possetitjel (Gast)


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Patrick B. schrieb:

> Ich brüte gerade über einer Aufgabe von meiner Schule,
> bei der ich irgendwie nicht weiter komme:
> Ziel ist es ein 2-Stufiger Verstärker mit
> Gleichspannungskopplung zu dimensionieren. Dabei soll
> die Verstärkung möglichst gross sein.
>
> Berechnen und so ist kein Problem, nur habe ich bei der
> Simulation festgestellt, dass mir der DC-Arbeitspunkt
> mit variirenter Temperatur auch sehr stark schwankt.
> Soll heissen innerhalb von +10° bis +30° geht Vout
> von +10V auf etwa 0.5V.

Das ist korrekt.

Herzlichen Glückwunsch! Du bist soeben -- TUSCH! -- auf DAS
erste klassische Problem der Halbleiterschaltungstechnik
gestoßen: Die Temperaturdrift!

(Das zweite klassische Problem sind die Exemplarstreuungen.)

> Nur wieso?

Nun ja... kleiner Hinweis: Die BE-Spannung ist temperatur-
abhängig.
Frage an Dich: Wie wirkt sich das aus?

> Beide Stufen sind ja Emitter-Verstärker, die jeweils
> über den Emitterwiderstand stabilisiert sein sollten.

Das ist auch so. Ohne Emitterwiderstände wäre es noch
schlimmer.
Frage an Dich: Wie funktionieren die Emitterwiderstände
im Detail? Was bewirken sie?

> Achja, im Schema sind momentan alles errechnete Werte,
> also nicht wundern, wenns etwas Krumm aussieht.

Schon okay; macht nix.

> Vorgehen war so: Vout mal auf +5V und Vr6 auf 0.1V (damit
> die Verstärkung rauf geht. Dann zum PNP zurückgerechnet
> und hier IC auf 1mA gesetzt. Dann noch das Bias und fertig.

Jaja... bis hierhin ganz einfach.

> Eingangswiderstand, Ausgangswiderstand und Verstärkung
> sind in der Aufgabenstellung nicht definiert. Verstärkung
> soll nur möglichst gross sein.

Jaaa... woher weißt Du, dass Deine Dimensionierung schon
das Maximum an Verstärkung ergibt? (Ergibt sie nämlich
nicht; je kleiner die Emitterwiderstände, desto größer
die Verstärkung. Aber da wächst auch etwas anderes mit...)

von Patrick B. (p51d)


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Sehr nützlich, dein Beitrag...
Ich weiss, das die Mobilität der Elektronen und Löcher stark 
temperaturabhängig ist, dass VBE etwa -2mV/K (errechnet sich ja aus 
Sättigungsstrom und der Termospannung) und dass hfe +1%/K hat. So grob. 
Die genauen Formeln sind mir jetzt zu blöde zum eintippen.

Ich weiss auch, was die Emitterwiderstände bewirken sollen, und wie ich 
die Verstärkung erhöhen kann A=RC/(re+RE). Also RE mit einem parallelen 
Kondensator kurzschliessen (und ev. noch einen weiteren RE in serie 
Hinzufügen, damit die Verstärkung dann nicht zu gross wird).
Aber die Verstärkung hat doch absolut nichts mit dem Arbeitspunkt und 
dessen Stabilität zu tun, oder (kann ja sein, dass ich in meiner 
4jährigen Lehre und jetzt in dem 2 Semestern Elektrotechnikstudium etwas 
noch nicht begriffen habe).

von Possetitjel (Gast)


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Patrick B. schrieb:

> Was mache ich sonst noch falsch?

Nichts.

Dir ist nur die Tragweite des Problems nicht klar: Die
Temperaturdrift ist eines DER Grundprobleme in der
analogen Transistortechnik.

Bist Du ganz sicher, dass Du nebenbei beim Lösen einer
Schulaufgabe das hinbekommst, woran sich mancher Ingenieur
die Zähne ausgebissen hat?

Für das Beherrschen der Temperaturdrift gibt es zwei
klassische Lösungen. Die eine hat Peter schon angedeutet:
Eine frequenzabhängige Gegenkopplung.
Kapazitiv überbrückten Emitterwiderstände sind eine
Möglichkeit der frequenzabhängigen Gegenkopplung, es
gibt aber noch andere (und bessere).

Vorteilhaft an dieser Lösung ist, dass sie technisch sehr
einfach zu realisieren ist.
Nachteilig ist jedoch, dass sie den Nutzen der gleichspannungs-
gekoppelten Stufen in Frage stellt - man hat ja jetzt wieder
unterschiedliche Verstärkungen für AC und DC. Für Audio-
anwendungen stört das nicht, aber als Messverstärker ist das
nicht tauglich.

Die andere klassische Lösung für das Driftproblem geht die
Operationsverstärkertechnik. Um Dir nicht den Spaß am Lernen
zu nehmen, liefere ich hier nur das Stichwort und überlasse
es Dir, selbst den Trick zu entdecken...

von Ulrich H. (lurchi)


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Bei hoher DC verstärkung wird die Drift leicht zum Problem. Für die 
einfachen Eingangsstufe kommt man kaum unter die typischen 2 mV/K an TK. 
Wegen der Verstärkung in der ersten Stufe kann man das auch kaum mit der 
2. Stufe kompensieren.

Ein eher unpraktischer (aber für eine Simulation brauchbar) weg ist es 
die 2. Stufe vor allem als Stromverstärkung auszulegen, also kaum 
Spannungsverstärkung, und dann damit den TK der 2. Stufe zu 
kompensieren. Die 2. Stufe darf hinder der niederohmigen Stife davor im 
Prinzip auch einen hohen Strom nutzen. Da zu sind dann aber ein NPN und 
ein PNP (oder umgekehrt) nicht geeignet weil die Drift der beiden Stufen 
in die selbe Richtung geht. Möglich wäre die 1. Stufe als Emitterfolger 
und dann eine Basisschaltung - also zusammen eine 
Differenzverstärkerstufe.

Es ginge aber auch mit 2 NPN Stufen als Emitterschaltung - ist aber mit 
der DC Kopplung nicht so einfach (der Spannungsteiler zwischen den 
Stufen wirkt ggf. Kontraproduktiv).

von Possetitjel (Gast)


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Patrick B. schrieb:

> Sehr nützlich, dein Beitrag...

Ich habe Deine Antwort leider zu spät gelesen - ansonsten
hätte ich auf meine zweite verzichtet (und auf die dritte
sowieso...)

> Ich weiss, das die Mobilität der Elektronen und Löcher
> stark temperaturabhängig ist, dass VBE etwa -2mV/K
> (errechnet sich ja aus Sättigungsstrom und der
> Termospannung) und dass hfe +1%/K hat. So grob.

Richtig.

> Ich weiss auch, was die Emitterwiderstände bewirken sollen,
> und wie ich die Verstärkung erhöhen kann A=RC/(re+RE).
> Also RE mit einem parallelen Kondensator kurzschliessen
> (und ev. noch einen weiteren RE in serie Hinzufügen, damit
> die Verstärkung dann nicht zu gross wird).

Auch richtig.

> Aber die Verstärkung hat doch absolut nichts mit dem
> Arbeitspunkt und dessen Stabilität zu tun, oder

Oh doch.

> (kann ja sein, dass ich in meiner 4jährigen Lehre und
> jetzt in dem 2 Semestern Elektrotechnikstudium etwas
> noch nicht begriffen habe).

Das ist ganz offensichtlich so, ja.

Gestatte mir drei Anmerkungen:

1) Es scheint mir typisch für der Turbo-Lernen der neueren
Zeit zu sein, dass zwar alle Fakten vermittelt werden, der
Zusammenhang aber verloren geht. Du weisst alle Fakten, die
notwendig sind - bist aber nicht in der Lage, die passende
Schlussfolgerung zu ziehen.

2) Du schriebst etwas von einer Schulaufgabe. Da es mir
widerstrebt, einem Lernenden die Lösung haarklein vorzukauen,
habe ich mich auf grundsätzliche Anmerkungen beschränkt. Eine
davon ist: Du hast nichts "falsch" gemacht, sondern bist auf
ein grundlegendes praktisches Problem gestoßen.
Dieses Problem hatten andere Leute auch schon, und sie haben
Lösungen dafür entwickelt.

3) Brecht lässt seinen Galilei sagen: "Eine Hauptursache für
die Armut in den Wissenschaften ist meist eingebildeter
Reichtum. Es ist nicht ihr Ziel, der unendlichen Weisheit
eine Tür zu öffnen, sondern eine Grenze zu setzen dem
unendlichen Irrtum."
Es mag wohl sein, dass Du einen Zusammenhang zu Deinem
eigenen Wissensstand enteckst.

Ich habe fertig.

von Jonas K. (jonas_k)


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Was immer noch eine weitere Möglichkeit ist, den Arbeitspunkt zu 
stabilisieren, wäre ein anderer Abgriff des Basispannungsteilers.

hab mal eben gegoogelt, und auch eine Seite gefunden wos erklärt ist: 
http://www.elektronik-kompendium.de/sites/slt/1102161.htm

von Helge A. (besupreme)


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Eine mögliche Lösung für deine Aufgabe, mit einem Betriebsbereich von 
mindestens 0-70°. Die Temperaturabhängigkeit wird durch R4+R5 bzw. R6+R7 
begrenzt. Damit das die Verstärkung nit zu sehr verringert, sind die 
beiden Elkos dabei.

von Patrick B. (p51d)


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Ok, allem Anschein nach ist es nicht möglich, dass der Verstärker den 
DC-Punkt über den Temperaturbereich von 0 bis 100°C auf mV genau 
einhält. Bin jetzt mitlerweile bei einem Drift von ~1.5V (was ich 
akzeptiere, aber vieleicht der Lehrer nicht. Dann darf der mir 
weiterhelfen).

Noch was: Ist es nicht möglich bei LTSpice die Phase in einer anderen 
Farbe (ev. separater Trace, nur welcher Befehl muss ich dazu nutzen) 
darzustellen oder zumindest diese fetter zu plotten? Das wird ja 
automatisch hinzugefügt, aber wirklich sichtbar ist anders...

von Helge A. (besupreme)


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Um geringere Temperaturverschiebung zu bekommen, kannst du einen 
Differenzverstärker aufbauen. Das ergibt dir aber einen Differenzausgang 
und keinen massebezogenen. Um den Massebezug wieder herzustellen, sind 
dann weitere Transistoren notwendig, wie in einem 
Operatiosverstärker-IC.

von Ulrich H. (lurchi)


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Die Differenzstufe geht in erster Näherung auch mit nur einem Ausgang. 
Den 2. gegenphasigen Ausgang könnte man auch noch haben, muss ihn aber 
nicht nutzen. Es ist noch eine Frage in wie weit man Stromquellen durch 
eine hohe Spannung und einen großen Widerstand ersetzt - zumindest in 
der Simulation kann man das sehr weit treiben.

Interessant ist weniger die Drift bezogen auf den Ausgang, sondern eher 
bezogen auf den Eingang. Die Kern-Frage ist da halt, wie wird man 
deutlich besser als die 2 mV/K von Ube.

Eine akzeptable Lösung sollte so etwas wie eine Drift von weniger als 
0.1 mV/K (bezogen auf den Eingang) und eine über 100-fache Verstärkung 
bringen.

von Helge A. (besupreme)


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Spannend wär, eine solche Schaltung mit weniger als 7 Transistoren zum 
Laufen zu bekommen. (Hier ist der Grenzwert nur 2 Transistoren... besser 
in einem neuen Fred..)

: Bearbeitet durch User
von Possetitjel (Gast)


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Ulrich H. schrieb:

> Es ist noch eine Frage in wie weit man Stromquellen durch
> eine hohe Spannung und einen großen Widerstand ersetzt -

Hmmm. Warum sollte man das wollen?

> zumindest in der Simulation kann man das sehr weit treiben.

Ja... in der Praxis kracht es dann irgendwann, wenn man den
Transistor zusteuert, weil er die Spannung nicht mehr sperren
kann bzw. die Verlustleistung nicht verträgt.

> Interessant ist weniger die Drift bezogen auf den Ausgang,
> sondern eher bezogen auf den Eingang. Die Kern-Frage ist
> da halt, wie wird man deutlich besser als die 2 mV/K von Ube.

Ich kann Dir grad nicht folgen. Die Standard-Lösung ist doch
der Differenzverstärker!?

von Patrick B. (p51d)


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Operationsverstärker haben wir auch schon nur aus Transistoren und Fets 
aufgebaut, nur ist hier nicht die Aufgabe einensolchen zu bauen, sondern 
ein 2-Stufiger Verstärker mit Gleichspannungs-Kopplung.

Also so wie ich das sehe bekomme ich mit dieser Einschränkung keine 
bessere Stabilisierung, oder?

von Ulrich H. (lurchi)


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Je nachdem wie man 2 Stufige Verstärkung interpretiert, kann man die 
Differenzverstärkerschaltung auch als 2 Stufige Verstärkung 
interpretieren:
ein Emitterfolger und eine Basisschaltung dahinter. Das ist der logische 
Weg um mit 2 Transistoren eine driftarme DC verstärkung zu erreichen. 
Die übliche Stromquelle an den Emittern kann man halt durch einen 
Widerstand und eine relativ große negative Spannung annähern. Die 
Transistoren sehen die Spannung nicht - das können also auch ruhig -100 
V oder mehr sein - vor allem in der Simulation.

Die andere Lösung wären 2 Stufen als NPN Emitterschaltung: die 1. Stufe 
mit nur etwa 3 facher Verstärkung, und dann als Trick ein Teiler 1:3 
dahinter.
Mit dem Teiler von etwa 1/3 sollte man mit dem DC Level ungefähr 
hinkommen.  Die ersten Stufe zusammen mit dem Teiler gibt nur eine -1 
fache Verstärkung mit den typischen - 2mV/K TK (bezogen auf den Eingang) 
bzw. +2mV /K  bezogen auf den Ausgang. Damit kann man dann den Tk der 2. 
Stufe kompensieren kann - allerdings ist der Abgleich deutlich 
schwieriger als bei der schön einfachen Differenzstufe.

Die Lösung einmal mit NPN und einmal mit PNP als Emitterschaltung ist 
jedenfalls eine sehr schlechte Wahl.

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