Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Kabelkapazität&-impedanz


von Soap (Gast)


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Hallo,
ich wollte mich etwas mit Kabel-Messgeräten vertraut machen und bin auf 
2 Ungereimtheiten gestoßen, Dinge, die ich im Studium nie hinterfragt 
habe:
1. Wie misst man eigentlich normalerweise Kabelkapazitäten (Koax, 
2-Draht...), z.B. mit Leistungstestern? Messen diese die echte Kapazität 
oder nicht eher den Effekt der Kombination aus der Kabelkapazität und 
-induktivität? Es wird ja kein Kurzschlussfall gemessen, nur der 
Leerlauf, so dass ich nicht sicher bin, ob man das trennen kann.
Meine Frage kommt daher:
Leitungstester 1 zeigt 15nF an, Leitungstester 2 25nF. Anhand der Länge 
dürfte das Kabel (geschirmte Doppelader, 120 Ohm) maximal 30nF haben. 
LCR-Meter zeigt 27nF an, aber selbst wenn ich verschiedene Spulen (nH 
bis uH) in Reihe schalte, auch weiterhin. Was geht hier vor sich? Wie 
kommen diese Unterschiede (möglicherweise) messtechnisch zustande? In 
den Manuals/Datenblättern waren dazu keine Infos. Ich habe im Forum 
einiges zur Impedanz gefunden, von der Vierpolmessung bis zu 
Reflektometrie. Aber leider nichts über Kapazität.

2. Warum liegt die Impedanz der längeren Kabel (so ab 20m) bei 130 Ohm, 
der kürzeren aber bei (normgerechten) 120 Ohm? Sowohl laut 
Leitungstester als auch beim Berechnen durch die Spannungsstufe am 
Oszilloskop, wenn ich eine Rechteckspannung anlege? Wenn die Impedanz 
durch Leitungsbeläge steigt, dann doch wenigstens kontinuierlich? Egal 
ob 20m oder 1km, sie liegen bei 130 Ohm, die kurzen (1-10m) liegen bei 
120 Ohm. Wie kommt das zustande?

Ich hoffe, dass ihr mich etwas in die richtige Richtung leiten könnt. 
(Ich bin leider nicht so der Messtechniker, was sich hoffentlich bald 
ändert...)

von Bernhard (Gast)


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>Wie misst man eigentlich normalerweise Kabelkapazitäten

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie das dein Leitungstester macht, kann 
ich dir nicht sagen. Generell: Wenn man bei tiefen Frequenzen misst, 
dann spielen Induktivitäten keine Rolle und man kann im Leerlauffall 
sehr genau die Kabelkapazität ermitteln.

>Leitungstester 1 zeigt 15nF an, Leitungstester 2 25nF. Anhand der Länge
>dürfte das Kabel (geschirmte Doppelader, 120 Ohm) maximal 30nF haben.
>LCR-Meter zeigt 27nF an

Vermutlich Messfehler. Offenbar haben die Geräte eine erhebliche 
Ungenauigkeit. Ich würde mit Oszilloskop und Funktionsgenerator die 
Kabelkapazität genauer ermitteln können.

>2. Warum liegt die Impedanz der längeren Kabel (so ab 20m) bei 130 Ohm,
>der kürzeren aber bei (normgerechten) 120 Ohm?

Kann ich jetzt nur vermuten, folgende Ideen:
-Messfehler des Geräts, welcher in Abhängigkeit der Kabellänge 
unterschiedlich wirkt
-Messgerät verwendet unterschiedliche Messfrequenzen in Abhängigkeit der 
Kabellänge und das Kabel hat eine frequenzabhängige Impedanz

Allerdings ist der Unterschied zwischen 120 und 130 Ohm nicht wirklich 
groß und dürfte in der Praxis vernachlässigbar sein. 120 Ohm / 130 Ohm 
ergibt eine Reflexion von -28dB, ein sehr guter Wert.

von Soap (Gast)


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Bernhard schrieb:
> Wenn man bei tiefen Frequenzen misst,
> dann spielen Induktivitäten keine Rolle und man kann im Leerlauffall
> sehr genau die Kabelkapazität ermitteln.

Also geht es z.B. mit Kapazitätsmessbrücke, wegen Gleichspannung? Was 
wäre noch möglich?

Bernhard schrieb:
> Ich würde mit Oszilloskop und Funktionsgenerator die
> Kabelkapazität genauer ermitteln können.
Oh, klingt interessant! Kannst du mir dafür mal ein Beispielvorgehen 
grob skizzieren?

Bernhard schrieb:
> -Messfehler des Geräts, welcher in Abhängigkeit der Kabellänge
> unterschiedlich wirkt
> -Messgerät verwendet unterschiedliche Messfrequenzen in Abhängigkeit der
> Kabellänge und das Kabel hat eine frequenzabhängige Impedanz
Ich bekomme auch 130 Ohm für die langen Kabel raus, wenn ich per Oszi 
messe. (Rechteck ran, Höhe der 1. Stufe zur Quellspannung.)
Das 130 Ohm auch noch brauchbar sind, stimmt. Aber mich irritiert diese 
systematische Abweichung. Ich dachte, ich hätte einen Effekt vergessen, 
durch den mit steigender Kabellänge auch die reale Impedanz höher wird.

von Georg (Gast)


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Soap schrieb:
> Es wird ja kein Kurzschlussfall gemessen, nur der
> Leerlauf

Ein nicht mit seiner Impedanz abgeschlossenes Kabel hat Reflexionen.

Soap schrieb:
> Ich dachte, ich hätte einen Effekt vergessen,
> durch den mit steigender Kabellänge auch die reale Impedanz höher wird.

Die Auswirkungen von Reflexionen hängen natürlich vom Verhältnis der 
Kabellänge zur Wellenlänge der Messfrequenz ab.

Georg

von Bernhard (Gast)


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>Also geht es z.B. mit Kapazitätsmessbrücke, wegen Gleichspannung? Was
>wäre noch möglich?

Letztendlich geht alles, was mit tiefen Frequenzen auskommt, auch eine 
Messbrücke.

>Kannst du mir dafür mal ein Beispielvorgehen grob skizzieren?

Signalgenerator in Reihe mit bekanntem Widerstand und zu messender 
Kapazität, die Reihenschaltung endet dann an Masse. Oszilloskop Kanal 1 
an Sig.-Gen. Ausgang und Kanal 2 hinter dem Widerstand. Aus den 
Spannungen lässt sich dann die Kapazität berechnen.

Die Messfrequenz muss hoch genug sein, dass die Oszilloskop (bzw. 
Tastkopf-) Impedanz die Messung nicht verfälscht, aber klein genug damit 
auf dem Kabel noch keine Effekte durch Signalreflexion entstehen.

Ich würde bei 10MOhm Tastkopf maximal 1MOhm Reaktanz der zu messenden 
Kapazität ansetzen, also bei zu erwartenden 20nF muss f größer 8 Hz 
sein. Außerdem unter 1/100 von Lambda/4 bleiben, also bei 20m Kabel 
unter 2,5 MHz. Geometrische Mitte liegt bei ca. 5kHz. Das wäre meine 
Messfrequenz.

>Aber mich irritiert diese systematische Abweichung. Ich dachte, ich hätte einen 
>Effekt vergessen, durch den mit steigender Kabellänge auch die reale Impedanz 
>höher wird.

Die Kabelimpedanz ist per Definition längenunabhängig, also scheint 
tatsächlich ein systematischer Fehler dahinterzustecken

von npn (Gast)


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Georg schrieb:
> Ein nicht mit seiner Impedanz abgeschlossenes Kabel hat Reflexionen.

Er will im Moment nur die Kapazität und die Induktivität des Kabels 
messen, dazu braucht man logischerweise keinen Abschlußwiderstand.
Die Kapazität wird an einem Ende gemessen, während das andere Ende offen 
ist. Und die Induktivität, wenn das andere Ende kurzgeschlossen ist.
Das kann man mit einer RLC-Meßbrücke machen.
Und aus diesen Werten kann man auch noch den Wellenwiderstand in Ohm 
berechnen, indem man die Wurzel aus L/C berechnet.
Und dann, wenn man das Kabel zum eigentlichen Zweck in Betrieb nimmt, 
kommt der Abschlußwiderstand ran.

von Soap (Gast)


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npn schrieb:
> Die Kapazität wird an einem Ende gemessen, während das andere Ende offen
> ist. Und die Induktivität, wenn das andere Ende kurzgeschlossen ist.
> Das kann man mit einer RLC-Meßbrücke machen.

Grundsätzlich würde ich das so machen. Mich interessiert aber vorallem, 
wie das die Messgeräte machen, die nur an einem Ende dranhängen, die 
haben ja keinen Aufsatz, der dann einen Kurzschluss realisiert. Also 
muss es ja ein standardmäßiges (d.h. nicht nur im Labor, sonden vorallem 
in industriellen Messgeräten verwendetes) Messvorgehen geben, bei dem 
Impedanz und Kapazität im Leerlauf gemessen wird. Die Induktivität lässt 
sich ja dann berechnen.

Bernhard schrieb:
> Ich würde bei 10MOhm Tastkopf maximal 1MOhm Reaktanz der zu messenden
> Kapazität ansetzen, also bei zu erwartenden 20nF muss f größer 8 Hz
> sein.

Ich habe einen 1MOhm-Tastkopf - könnte das 130-Ohm-Problem damit etwas 
zu tun haben?

Georg schrieb:
> Die Auswirkungen von Reflexionen hängen natürlich vom Verhältnis der
> Kabellänge zur Wellenlänge der Messfrequenz ab.

Reflektionen können es nicht sein, die hier den Fehler verursachen. Die 
erste Spannungsstufe ist konstant über die gesamte Zeit für die doppelte 
Kabellänge, dann kommt wohl vom Ende die Reflektion zurück.

Bernhard schrieb:
> Letztendlich geht alles, was mit tiefen Frequenzen auskommt, auch eine
> Messbrücke.
Zählt auch die Ladekurve eines Kondensators (also Bestimmung von tau 
usw.)?

Bernhard schrieb:
> Signalgenerator in Reihe mit bekanntem Widerstand und zu messender
> Kapazität, die Reihenschaltung endet dann an Masse. Oszilloskop Kanal 1
> an Sig.-Gen. Ausgang und Kanal 2 hinter dem Widerstand. Aus den
> Spannungen lässt sich dann die Kapazität berechnen.

Also ein diskreter Widerstand in Reihe und niederfreqente Sinusspannung? 
Was ist mit dem Widerstand der Leitung (einige Ohm), sollen die 
berücksichtigt werden?

von Bernhard (Gast)


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>Ich habe einen 1MOhm-Tastkopf - könnte das 130-Ohm-Problem damit etwas
>zu tun haben?

Wäre zumindest denkbar, man müsste deinen genauen Messaufbau mal 
durchdenken

>Zählt auch die Ladekurve eines Kondensators (also Bestimmung von tau
>usw.)?

Müsste gehen, mann muss sich nur genau überlegen welchen Einfluss der 
Tastkopf hat, und evtl. rausrechnen

>Also ein diskreter Widerstand in Reihe und niederfreqente Sinusspannung?

So würde ich es machen

>Was ist mit dem Widerstand der Leitung (einige Ohm), sollen die
>berücksichtigt werden?

Bei passender Messfrequenz spielen sie keine Rolle, weil die Reaktanz 
der Kapazität viel größer ist, und die paar Ohm keinen Unterschied 
machen

von Funker (Gast)


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Soap schrieb:
> Warum liegt die Impedanz der längeren Kabel (so ab 20m) bei 130 Ohm,
> der kürzeren aber bei (normgerechten) 120 Ohm?

Wo ist bei dir die Grenze zwischen "länger" und "kürzer"? Ändert sich 
die Impedanz an der Grenze schlagartig? Wohl kaum.

Ist das, was du als Impedanz mißt, die Serienschaltung von ohmschem 
Widerstand für zwei Kabellängen und Wurzel(L/C)?

von Soap (Gast)


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Funker schrieb:
> Wo ist bei dir die Grenze zwischen "länger" und "kürzer"? Ändert sich
> die Impedanz an der Grenze schlagartig? Wohl kaum.

Ich habe folgendes:
120 Ohm bei 1m (vom 11m abgeschnitten), 5m, 10m, 11m (vom 110m 
abgeschnitten)

130 Ohm bei 15m, 20m, 99m, 110m

Das finde ich schon etwas seltsam.

Bernhard schrieb:
>>Zählt auch die Ladekurve eines Kondensators (also Bestimmung von tau
>>usw.)?
>
> Müsste gehen, mann muss sich nur genau überlegen welchen Einfluss der
> Tastkopf hat, und evtl. rausrechnen

Ich bin noch nicht sicher - Ladekurve ergibt sich ja aus Sprungantwort, 
da wirkt der Einfluss des L doch signifikant, oder nicht? (Schwingkreis 
etc.)

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